Eingebracht von: Pisecker, Christian Wolfgang

Eingebracht am: 06.03.2021

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Es ist sehr zu begrüßen, wenn das Unterbringungsgesetz auf neue Füße gestellt wird, denn einem Menschen die Persönlichkeitsrechte zu nehmen, ist eine der härtesten Maßnahmen gegen die Grundrechte. Da ich selbst sehr große Erfahrungen mit dem Maßnahmenvollzug gem § 21 StGB habe und diesen als sehr artverwandt wahrnehme, möchte ich nachfolgend ein paar Punkte zum Entwurf einbringen:

 

1. Es wird im Entwurf kritiklos der Arzt als Prüfungsinstanz definiert. Meine Erfahrung mit den sogenannten Spezialisten der Psyche zeigt aber, dass wir in Österreich katastrophale Zustände haben, wie auch jene Studie im Auftrag des BMJ aus dem Jahr 2015 bezüglich der Maßnahmenunterbringung zu Tage brachte. Solange also die medizinische Qualität der Gutachten nicht drastisch optimiert wird, solange kann es kein rechtsstaatlich wertvolles Unterbringungsgesetz geben. Ich möchte daher bezüglich der Qualität medizinischer Gutachten der Unterbringung folgende Qualitätskriterien etabliert wissen:

a. Ärzte müssen ihr Gutachten streng nach den wissenschaftlichen Normen des ICD-10 oder gleich des ICD-11 durchführen und begründen. Dazu muss der wissenschaftliche Kriterienkatalog des ICD-10, der DCR-10 oder sein Nachfolger für den ICD-11 erschöpfend angewendet werden, weil nur so in transparenter und international akzeptierter Weise eine begründete Begutachtung erfolgen kann, wie sie im Gutachtergesetz eigentlich vorgeschrieben wäre. Diese Pflicht möge unbedingt in den Gesetzesentwurf aufgenommen werden.

b. Alle anamnetischen Gespräche müssen in Ton und Bild aufgezeichnet und für mindestens 10 Jahre vom Gericht aufbewahrt werden. Nur so ist es möglich, verfälschende Protokolle über Anamnesen nachträglich prüfbar zu machen. BM Brandstätter erklärte am 30. Jänner 2015, dass mehr als die Hälfte aller Diagnosen der Maßnahmenunterbringung gem §21 StGB falsch wären. Es muss keiner glauben, dass die selben Gutachter in Zivilverfahren besser arbeiten würden.

c. In Österreich sind alle Gerichtsgutachter der Psyche mehr oder weniger kollegial verbunden, weil es nur relativ wenige gibt. Es braucht daher eine fachfremde Überprüfung, ob der Gutachter wissenschaftlich korrekt tätig war. Aus diesem Grund empfehle ich dringend eine Kontrolle ALLER Gutachten auf Wissenschaftlichkeit und Schlüssigkeit durch die vier medizinischen Universitäten des Landes - idealer Weise eben nicht der psychiatrischen Fachrichtung.

2. Der Maßnahmenvollzug im Strafrecht ist eine alte, für einen Rechtsstaat beschämende Baustelle. Ich sehe in der Neuformulierung des Unterbringungsgesetzes auch eine Chance für den Maßnahmenvollzug. Konkret fordere ich den Gesetzgeber auf:

Wenn die Staatsanwaltschaft einen möglichen Straftäter strafrechtlich verfolgen lassen möchte und eine Maßnahme gemäß § 21 StGB ins Auge fasst, dann möge man noch vor dem strafrechtlichen Verfahren ein zivilrechtliches Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz durchführen. Denn eine psychiatrische Störung, die eine Einweisung und Unterbringung rechtfertigt, muss immer unabhängig vom Strafvorwurf diagnostizierbar sein. Auf diese Weise wird die Störungskomponente vollständig aus dem Strafverfahren heraus genommen und durch ein möglichst qualitätsvolles, vorgelagertes Zivilverfahren erledigt. Weil aber auf diese Weise die psychiatrische Komponente vom Tatvorwurf losgelöst wurde, ist es für die Behandlung eines kranken Menschen nicht mehr relevant, ob er nun strafrechtlich verurteilt wird oder freigesprochen. Auch die massiven Qualitätsmängel der psychiatrischen Gutachten im Strafprozess könnten durch die weit gründlicheren Kontrollmechanismen des Unterbringungsgesetzes deutlich in eine rechtsstaatlichere Form gebracht werden. In diesem Sinn wünsche ich mir, dass Sie, geehrte Parlamentarier, das Unterbringungsgesetz auch dem Strafverfahren in Bezug auf § 21 StGB zugänglich machen.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

 

Mag. Christian W. Pisecker