UMWELTANWÄLTIN

Hofrat MMAG. Ute Pöllinger

 

     

An die

Parlamentsdirektion     

z.H. Herrn Mag. Gottfried Michalitsch

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

     

Per E-Mail: Stellungnahmen.Petitionsausschuss@parlament.gv.at

 

 

01pö002

 

Bearbeiter: MMag. Ute Pöllinger
Tel.:  (0316)877-2965
Fax:  (0316)877-5947
E-Mail: umweltanwalt@stmk.gv.at

 

Bei Antwortschreiben bitte
Geschäftszeichen (GZ) anführen

 

GZ:

UA-226094/2020

Bezug:

25/PET-NR/2020

Graz, am 18.1.2021

Ggst.:

Petition 25/PET, „Steirische Almen erhalten und schützen“; hier: Stellungnahme

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Mit E-Mail vom 17.12.2020 wurde ich über den Beschluss des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen informiert, zur og. Petition 25/PET „Steirische Almen erhalten und schützen“ eine Stellungnahme der Umweltanwaltschaft einzuholen. Binnen offener Frist komme ich diesem Beschluss gerne nach und darf Folgendes mitteilen:

 

Präambel:

Ende des 19. Jahrhunderts ist die letzte autochthone Wolfspopulation in der Steiermark durch intensive Bejagung erloschen. Nach dem Steiermärkischen Jagdgesetz gilt der Wolf grundsätzlich als jagdbares, ganzjährig geschontes Wild und nach den Vorgaben der FFH-Richtlinie sowie nach § 17 Steiermärkisches Naturschutzgesetz in Verbindung mit der Artenschutzverordnung als streng geschützte Wildart.

Die Rückkehr der Wölfe ist eine Bereicherung für die Natur, bringt jedoch großes Konfliktpotential mit sich. Als Schlüsselart beeinflusst er die Struktur und Funktionen der jeweiligen Ökosysteme stärker als man aufgrund seiner geringen Häufigkeit erwarten könnte.

LandnutzerInnen aus den Bereichen der Alm- und Landwirtschaft sind oftmals direkt von Nutztierrissen durch Wölfe betroffen, was zu Unsicherheit und Unmut bei den Tierhaltern führt. In weiterer Folge wird von den Betroffenen häufig die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit in Frage gestellt; die Tierhalter verlieren nach und nach die Freude an der Nutztierhaltung und den damit in Verbindungen stehenden bäuerlichen Tätigkeiten. Die Aufgabe der Viehwirtschaft würde aber dazu führen, dass die landschaftliche Vielfalt, geprägt von Almen, Mähwiesen und Weiden, verkümmern würde und mittelfristig verloren ginge. Es zeigt sich auch, dass die von Beutegreifern verursachten Schäden für die Tierhalter häufig nicht so sehr ein ökonomisches, sondern ein emotionales Problem darstellen (Walther, 2014), weshalb diese Art von Verlusten finanziell für die Besitzer de facto nicht kompensierbar ist. Insofern darf versichert werden, dass die Sorgen der Almwirtschaft in Zusammenhang mit der Ausbreitung des Wolfs von Seiten der Umweltanwaltschaft keinesfalls verkannt oder geringgeschätzt werden.

 

Grundlagen:

Hinsichtlich der derzeitigen Verbreitung des Wolfes dürfen nachstehende Fakten mitgeteilt werden, die mir von Experten aus den Fachbereichen Naturschutz und Jagd des Landes Steiermark zur Verfügung gestellt wurden: Ende des 19. Jahrhunderts waren die Wolfsbestände in vielen europäischen Ländern durch intensive Verfolgung erloschen. Vor allem aufgrund der sehr guten Nahrungsverfügbarkeit und der strengen gesetzlichen Schutzbestimmungen kam es seit den 1970er Jahren zu einer Erholung. Das führte dazu, dass viele ehemalige Verbreitungsgebiete in Mitteleuropa wieder besiedelt wurden. Aus den West- und Südalpen (F, I, CH), sowie aus Deutschland, den Karpaten und anderen osteuropäischen Regionen (CZ, SK, PL) wandern regelmäßig Einzeltiere nach Österreich ein, halten sich hier kurzfristig auf, lassen sich für längere Zeit nieder oder bilden Rudel.

Im Jahr 2020 wurden an die 50 Individuen in Österreich vermutet. Nach mehr als 100 Jahren etablierte sich 2016 erstmals auch wieder ein reproduzierendes Paar in Österreich - am Truppenübungsplatz Allentsteig/NÖ. Seit 2016 haben sich im nördlichen Niederösterreich und an der niederösterreichisch/oberösterreichischen Landesgrenze zwei weitere Rudel etabliert, welche sich aber höchstwahrscheinlich schon wieder in Auflösung befinden.

Wie viele Wölfe derzeit in Europa leben wird sehr kontrovers diskutiert. Die Schätzungen reichen von 17.000 bis 30.000 Wölfe. Laut einer aktuellen Erhebung der LCIE (Large Carnivore Initiative for Europe) leben in Europa (ohne Russland, Weißrussland und Ukraine ohne Karpaten) ca. 17.000 Wölfe.

 

Aus rechtlicher Sicht ist auszuführen, dass der Wolf in Anhang II der Berner Konvention sowie in den Anhang II und IV der FFH-Richtlinie als besonders geschützte Tierart angeführt ist. Diese Vorgaben wurden im Stmk. Landesrecht umgesetzt. Der Schutz des Wolfes ist in
§ 17 StNSchG 2017 in Verbindung mit § 3 der Stmk. Artenschutzverordnung, LGBl. Nr. 40/2007 geregelt. Für den Wolf gelten daher die Verbote des Fangens und der Tötung, das Störungsverbot, das Verbot der Beschädigung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten und das Verbot von Besitz, Tausch, Handel oder Transport von aus der Natur entnommenen Exemplaren. Der Handel mit diesen Tieren wird zudem im Washingtoner Artenschutzübereinkommen geregelt (CITES).

 

Stellungnahme:

Die gegenständliche Petition verfolgt nun im Wesentlichen das Ziel, Ausnahmen vom Tötungsverbot massiv zu erleichtern (Entnahme von „Problemwölfen“, Schaffung wolfsfreier Zonen, Abschuss von Wölfen unter dem Deckmantel des Tierschutzes etc.) und den europarechtlich determinierten Schutzstatus des Wolfs herabzusetzen. Aus dem Leitfaden der EU-Kommission zum Artenschutz geht diesbezüglich hervor, dass die individuenbezogenen Verbote deshalb bedeutsam sind, weil sie mit der Population der jeweiligen Art (ihrer Größe, Dynamik etc.) zusammenhängen, die wiederum eines der Bewertungskriterien für den Erhaltungszustand einer Art darstellt (Art. 1 lit. i der FFH-RL, umgesetzt in § 4 Z 8 StNSchG 2017). Es liegt auf der Hand, dass die Tötung von geschützten Tieren bewirkt, dass diese Individuen nicht mehr am Fortpflanzungsgeschehen teilnehmen können, was direkt oder indirekt zu einem Rückgang der Population führt. Bei dispergierenden Arten wie dem Wolf kann dadurch auch die Neugründung von Populationen und insbesondere der Austausch von Metapopulationen verringert werden. Hauptziel der FFH-RL ist es, die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu fördern. Erleichterungen zur Erlangung von Ausnahmebewilligungen vom Tötungsverbot bzw. Änderungen hinsichtlich des Schutzstatus geschützter Arten konterkarieren diese klare Zielsetzung. In logischer Konsequenz ist die einschlägige Judikatur des EUGH zur Frage des individuenbezogenen Tötungsverbotes eindeutig und streng.

 

Hinsichtlich der Einrichtung von wolfsfreien Zonen liegt überdies eine klare Antwort der Kommission vom 7.8.2020, E-003629/2020, vor, in der sich Virginijus Sinkevičius im Namen der Europäischen Kommission zu einer entsprechenden Anfrage aus Tirol wie folgt äußert: „Nach EU-Recht können aus mehreren Gründen keine regionalen wolfsfreien Zonen eingerichtet werden. Hierzu gehören das Vorhandensein alternativer Maßnahmen zur Verhütung oder Verringerung von Schäden bzw. zum Ausgleich von Schäden, mögliche negative Auswirkungen solcher Zonen auf den Erhaltungszustand der Arten sowie das rechtliche Erfordernis, Ausnahmen auf Einzelfallbasis zu prüfen. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit bestehenden Maßnahmen zur Verhütung von Schäden an Nutztieren unterstützt die Kommission die breitere Anwendung solcher Maßnahmen, auch im Alpenraum.“

 

Abschließend möchte ich nachdrücklich auf die wichtige Arbeit des in der Steiermark beheimateten „Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs“ hinweisen. Dieser Verein ist aus einer Initiative des damaligen Ministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus gemeinsam mit allen Bundesländern hervorgegangen und hat die Aufgabe, gemeinsam mit den wesentlichen Interessensgruppen Lösungen für eine möglichst konfliktarme Koexistenz von Landnutzern und Beutegreifern zu gewährleisten. Diese wertvolle und wegweisende Arbeit wird durch die vorliegende Petition negiert und die Zielsetzungen des Vereins konterkariert.

 

Aus sämtlichen oben angeführten Gründen muss daher mitgeteilt werden, dass von Seiten der Umweltanwaltschaft Steiermark den Forderungen der ggst. Petition rechtlich und fachlich keinesfalls nähergetreten werden kann.

 

Mit freundlichen Grüßen

Die Umweltanwältin

MMag. Ute Pöllinger

(Unterschrift auf Original im Akt)