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Hintergrundpapier
Konferenz der ParlamentspräsidentInnen der EU-Parlamente
8. - 9. April 2019
Session I: Die Europäische Union und ihre Nachbarn
- Welche weiteren Maßnahmen können die nationalen Parlamente ergreifen, um die Umsetzung von Reformen in den Ländern des Westbalkans/Südosteuropas zu unterstützen und eine nachhaltige pro-europäische Orientierung zu stärken?
- Wie können sich die nationalen Parlamente verstärkt in die makroregionalen Strategien der EU einbringen?
EU-Erweiterungsprozess – Westbalkan/Südosteuropa
Die EU-Mitgliedstaaten sind mit den Ländern Südosteuropas historisch, wirtschaftlich und
kulturell sehr eng verbunden. Die EU zählt zudem zu den größten Investoren in der Region,
was auch zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Südosteuropa und der EU
beiträgt.
Die sechs Länder Südosteuropas – Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo*,
Montenegro, Nordmazedonien und Serbien – nehmen daher einen hohen Stellenwert in der
EU-Außenpolitik ein. Es liegt im Sicherheits- und Wirtschaftsinteresse Europas, dass die
Zukunft dieser Region in der Europäischen Union verankert ist.
Primäres Ziel ist es, die Entwicklung dieser sechs Staaten zu einem Raum der Stabilität und
Demokratie zu unterstützen und die Einbeziehung der gesamten Region in den europäischen
Integrationsprozess zu fördern. Dies ist der wirksamste Anreiz, um den jeweiligen
innerstaatlichen Reformprozess voranzutreiben. Die Länder Südosteuropas bestimmen dabei
die Geschwindigkeit ihrer Annäherung an die EU durch ihre eigenen Reformschritte selbst,
werden jedoch in ihren Bemühungen von der EU unterstützt.
Seit dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs von Thessaloniki im Juni 2003 haben die
sechs Staaten Südosteuropas eine konkrete EU-Beitrittsperspektive. Das Prespa-Abkommen
zur Namensänderung Mazedoniens in Republik Nordmazedonien ist ein historischer Schritt
und ein Beispiel für die Versöhnung der westlichen Balkanregion.
Die Beitrittsverhandlungen mit Montenegro laufen seit Juni 2012, bisher wurden 32 Kapitel
eröffnet und drei provisorisch geschlossen. Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien wurden im
Jänner 2014 begonnen. 16 Kapitel wurden bisher eröffnet und zwei provisorisch geschlossen.
Nordmazedonien hat seit 2005 und Albanien seit 2014 einen formellen Kandidatenstatus.
Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo sind potentielle Beitrittskandidaten.
Die Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und
Albanien soll im Juni 2019 erfolgen.
Ein wieder erstarktes Engagement der Europäischen Kommission und die Prioritätensetzung
der EU-Ratsvorsitze von Bulgarien, Österreich und Rumänien machen 2018 und 2019 zu
einem Gelegenheitsfenster für die Region.
Die Westbalkanstrategie der Europäischen Kommission vom 6. Februar 2018 enthält einen
Aktionsplan mit sechs konkreten Leitinitiativen, die auf spezifische Bereiche von
gemeinsamem Interesse abzielen: Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Migration,
sozioökonomische Entwicklung, Anbindung an die Verkehrs- und Energienetze, digitale
Agenda, Aussöhnung und gutnachbarliche Beziehungen. Zur Umsetzung der Strategie und
zur Unterstützung eines reibungslosen Übergangs zur Mitgliedschaft schlägt die Europäische
Kommission vor, die Mittelausstattung im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe bis
2020 schrittweise aufzustocken, soweit Umschichtungen dies innerhalb des geltenden
Finanzrahmens zulassen. Die Strategie legt auch die noch von Montenegro und Serbien zur
Vollendung des Beitrittsprozesses zu vollziehenden Schritte bis 2025 dar.
Die Prioritätenagenda des EU-Westbalkan-Gipfels in Sofia im Mai 2018 beinhalte eine stärkere Unterstützung im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, Förderung der sozioökonomischen
Entwicklung und Einführung einer digitalen Agenda für Südosteuropa. Die Kommission legte
ein Konnektivitätspaket in Höhe von € 190 Mio. vor.
Ein weiterer Schritt waren die Ratsschlussfolgerungen zu Erweiterung vom 26. Juni 2018, in
denen der Rat bekräftigt, dass die EU den Erweiterungsprozess und die europäische
Ausrichtung der Länder des westlichen Balkans unterstützt.
Der Rat war sich darin einig, dass er positiv auf die Fortschritte von Nordmazedonien und
Albanien reagieren wird und legte den Weg zu einer möglichen Eröffnung von
Beitrittsverhandlungen mit beiden Ländern im Juni 2019 fest.
Der Fokus des Berlin-Prozess-Gipfels am 12. Juli 2018 in London lag auf Sicherheit,
wirtschaftlicher Stabilität sowie Vergangenheitsbewältigung. Der Londoner Gipfel war bereits
das fünfte Treffen im Rahmen des Berlin-Prozesses, einer Initiative mehrerer EU-Mitgliedstaaten zur Unterstützung von Bemühungen um eine Stärkung der regionalen
Zusammenarbeit und damit der europäischen Integration des Westbalkans.
Die Unterstützung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments ist für die
Heranführung der Länder Südosteuropas an die EU zentral. Im Rahmen der
Parlamentarischen Dimension des österreichischen Vorsitzes fand Anfang Oktober 2018 im
österreichischen Parlament eine Paneldiskussion mit VertreterInnen der nationalen
Parlamente, des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission statt. Einig war man sich
dabei über den nach wie vor bestehenden Handlungsbedarf vor Ort, aber auch über die
Verpflichtung der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten, die Kandidatenländer bei ihrem Beitritt
unterstützend zu begleiten.
Die Heranführung des Westbalkans war auch ein Schwerpunktthema der
Interparlamentarischen Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) im Oktober 2018 in Wien,
an der auch Länder des Westbalkans teilnahmen.
Hier wurde ebenso von allen TeilnehmerInnen die zentrale Bedeutung der Integration der
Kandidatenländer Südosteuropas in die EU für die Stabilität der Region und Europas
unterstrichen.
Europäische Nachbarschaftspolitik
Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) wurde 2004 ins Leben gerufen, um Stabilität,
Sicherheit und Wohlstand sowie rechtsstaatliche und demokratische Strukturen in den
Nachbarländern der erweiterten EU zu fördern. Sie ist ein zunehmend wichtiges Instrument
zur Gestaltung der regionalen und internationalen Beziehungen der EU. Die ENP umfasst
zehn Nachbarstaaten im südlichen und östlichen Mittelmeerraum sowie die sechs östlichen
Nachbarn Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und die Ukraine. Belarus,
Libyen und Syrien nehmen derzeit nicht in vollem Umfang an der ENP teil.
Union für den Mittelmeerraum
Die 2008 in Paris in Fortsetzung des 1995 eingerichteten Barcelona-Prozesses gegründete
Union für den Mittelmeerraum (UfM) umfasst 43 Staaten: alle EU-Mitgliedstaaten, Monaco,
arabische Mittelmeeranrainerstaaten (außer Libyen) einschließlich Jordanien und
Mauretanien sowie Israel, Türkei und adriatische Balkanländer. Ihr Ziel ist die Förderung der
wirtschaftlichen Integration und der sektorspezifischen Zusammenarbeit in der Region unter
Einschluss Israels.
Die UfM ist auf die politische Stabilisierung im südlichen Mittelmeerraum ausgerichtet und
erfüllt eine wichtige Rolle als Plattform für den Dialog und Forum regionaler Kooperation.
Es ist das einzige regionale Forum außerhalb der Vereinten Nationen, an dem arabische
Staaten und Israel auf Arbeitsebene regelmäßig teilnehmen. Der Ko-Vorsitz der EU soll die
Komplementarität der UfM mit der ENP und die Wirksamkeit der EU-Hilfe für den südlichen
Mittelmeerraum stärken.
Eine parlamentarische Begleitung der UfM gibt es seit 1998. 2003 wurde das Euromediterrane Parlamentarische Forum in die Euromediterrane Parlamentarische Versammlung (EMPV)
umgewandelt. Im März 2004 erfolgte in Athen die Konstituierung, 2010 wurde der Name in
"Parlamentarische Versammlung der Union für den Mittelmeerraum" (PV-UfM) geändert.
Die PV-UfM setzt sich – der Parität zwischen EU und Partnern entsprechend – aus je 140
Parlamentarier/innen der Partner und der EU (sowie einigen anderen europäischen Staaten)
zusammen, d.h. aus insgesamt 280 Parlamentarier/innen aus 43 Ländern. Die Arbeit der PV-UfM wird in fünf Ausschüssen vorbereitet. Einmal jährlich findet eine Jahrestagung im
jeweiligen Vorsitzland statt.
Östliche Partnerschaft
Die Östliche Partnerschaft – die die Staaten Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland,
Georgien, die Republik Moldau und die Ukraine umfasst – ist ebenfalls Teil der Europäischen
Nachbarschaftspolitik. Sie wurde als Gegenstück zur Union für den Mittelmeerraum auf
Initiative von Polen und Schweden 2008 beschlossen und beim Prager Gipfel am 7. Mai 2009
ins Leben gerufen. Hauptziele sind die politische Assoziierung und die weitere wirtschaftliche
Integration der Partnerländer – ohne explizite Mitgliedschaftsperspektive.
Die Östliche Partnerschaft ist heute einerseits in multilaterale Tagungen – Gipfel, Außen- und
Fachministertreffen, Panels, ExpertInnen-Treffen – anderseits in bilaterale Tagungen,
basierend auf den Assoziierungs- und Partnerschaftsabkommen, strukturiert.
Die parlamentarische Dimension der Östlichen Partnerschaft, EURONEST, wurde 2011
eingerichtet und umfasst 60 Mitglieder des Europäischen Parlaments und je 10 Mitglieder
nationaler Parlamente der Partnerstaaten Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau und
Ukraine. Belarus nimmt aus politischen Gründen bisher nicht an den Aktivitäten der
EURONEST PV teil. Allerdings wurde 2011 eine eigene Arbeitsgruppe zu Belarus eingerichtet, die Vorschläge erarbeitet, wie EURONEST Belarus bei der Erfüllung der Kriterien für eine Aufnahme bei EURONEST unterstützen kann.
Die Ukraine ist ein prioritärer Partner der Europäischen Union. Am 11. Juli 2017 hat der Rat
im Namen der EU einen Beschluss über den Abschluss des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine angenommen. Durch diesen letzten Schritt des Ratifizierungsprozesses wurde die vollständige Umsetzung der Vereinbarung ab 1. September 2017 ermöglicht.
Das Assoziierungsabkommen ist das wichtigste Instrument für die Annäherung zwischen der
Ukraine und der EU. Es fördert tiefere politische Bindungen, stärkere wirtschaftliche
Verflechtungen und die Achtung gemeinsamer Werte. Die vertiefte und umfassende
Freihandelszone bildet den wirtschaftlichen Teil des Abkommens. Sie bietet der Ukraine einen Rahmen für die Modernisierung ihrer Wirtschaft und Handelsbeziehungen.
Die EU unterstützt die territoriale Integrität und Souveränität des Landes und sieht die
vollständige Umsetzung der Minsker Abkommen als Grundlage für eine nachhaltige politische
Lösung des Konflikts im Osten des Landes.
Donauraumstrategie
Die Makroregionalen Strategien der EU ermöglichen Ländern derselben Region – EU-Mitgliedstaaten und Nicht-Mitgliedstaaten – das gemeinsame Potenzial innerhalb eines
politischen Rahmens besser zu nutzen. Eine der vier Makroregionalen Strategien ist die
Donauraumstrategie, die 14 Teilnehmerstaaten und rund 117 Millionen Menschen umfasst.
Der Startschuss dazu fiel beim Europäischen Rat im Juni 2009: die Europäische Kommission
wurde von den Staats- und Regierungschefs beauftragt, bis Ende 2010 eine solche Strategie
– die zweite Makroregionale Strategie nach der Ostsee-Strategie – zu erarbeiten.
Nach einem intensiven Austausch und auf Basis von Beiträgen und Vorschlägen von den
Staaten, Gebietskörperschaften und anderen, auch nicht-staatlichen Stakeholdern der Region
hat die Europäische Kommission ein Strategiepapier sowie einen konkreten Aktionsplan
erstellt. Der Aktionsplan besteht aus vier Säulen: Vernetzung des Donauraumes,
Umweltschutz im Donauraum, Schaffung von Wohlstand im Donauraum sowie Stärkung des
Donauraumes durch institutionelle Kapazitäten und Kooperation im Sicherheitsbereich.
Die vier Säulen sind in 12 Prioritätsbereiche unterteilt, für die Institutionen aus den
Teilnehmerstaaten die Koordinationsfunktion übernehmen. Am 24. Juni 2011 wurde die
Strategie vom Europäischen Rat gebilligt. Seit November 2018 hat Rumänien die
Präsidentschaft der Donauraumstrategie für ein Jahr inne. Beim Jahresforum im Oktober 2018 in Sofia wurde der Startschuss für eine Revision des Aktionsplanes gegeben. Noch im Juni 2019 soll dieser Aktionsplan vorgelegt werden und im September zur Beschlussfassung gelangen.
2015 wurde der Danube Strategy Point, unterstützend zur Donauraumstrategie, in Brüssel
eingerichtet. Der Danube Strategy Point ist die zentrale Anlaufstelle für die Unterstützung der
Kernakteurinnen und -akteure im Donauraum, besonders die nationalen und
themenbezogenen Koordinatoren und Koordinatorinnen. Weitere Aufgaben sind die Stärkung
der Umsetzungsstrukturen durch konkrete Schritte sowie die Steigerung der Sichtbarkeit der
vielfältigen Aktivitäten im Donauraum. Im Juli 2018 wurde der Danube Strategy Point nach
einer Ausschreibung im Rahmen eines Projektes an Wien und Bukarest neu vergeben.
Diskussionspunkte
* Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244 (1999) des VN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.