Parlamentskorrespondenz Nr. 423 vom 28.04.2016

Nationalrat bläst Fusion der Bezirksgerichte Hietzing und Purkersdorf ab

Gerichtspraxis wird von fünf auf sieben Monate verlängert

Wien (PK) – Die Bezirksgerichte Hietzing und Purkersdorf werden doch nicht zusammengelegt. Der Nationalrat folgte in seiner heutigen Sitzung mit breiter Mehrheit der Empfehlung des Justizausschusses, die entsprechenden Gesetzesbestimmungen wieder aufzuheben. Eine eingehende Abwägung verfassungsrechtlicher Fragen spreche gegen einen gemeinsamen bundesländerübergreifenden Standort, lautet die Begründung der von den Koalitionsparteien gestarteten Initiative. Die Zusammenlegung war ursprünglich im Jahr 2012 beschlossen und mit dem Budgetbegleitgesetz 2014 auf Juli 2016 verschoben worden, nun wird sie endgültig abgeblasen.

Kritisch zum Gesetzentwurf äußerten sich lediglich die NEOS. Abgeordneten Nikolaus Scherak (N) ging nochmals auf die Vorgeschichte des Antrags ein und wertete die Vorgangsweise als bezeichnend für die Politik der Regierungsparteien. Seiner Meinung nach sind die gegen die Fusion vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nur vorgeschoben, hinter der Entscheidung stünden ganz andere Motive. Er selbst sieht jedenfalls keine rechtlichen Hindernisse.

Seitens der Koalitionsparteien äußerte ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker kein Verständnis für die Argumentation Scheraks. Mit der Ablehnung des Antrags stimmten die NEOS auch gegen eine Modernisierung der Justizverwaltung, da es schließlich auch um die Ausweitung des elektronischen Akts gehe, hielt sie fest. Zudem sei es wichtig, dass das österreichische Justizsystem bürgernah sei. Damit stärke man das Vertrauen in die Justiz.

Zustimmung zum Gesetz signalisierten auch FPÖ-Abgeordneter Hermann Brückl und Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen. Seine Fraktion habe bereits 2012 aus verfassungsrechtlichen Gründen vor einer Zusammenlegung der beiden Bezirksgerichte gewarnt, erinnerte Brückl.

SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr ging vorrangig auf die zweite Stoßrichtung des Gesetzentwurfs, die Forcierung der elektronischen Aktenführung, ein. In Zukunft können auch Urkunden und Protokolle gerichtlicher und staatsanwaltschaftlicher Erledigungen elektronisch unterfertigt werden. Bayr erwartet sich davon nicht nur eine effizientere Aktenverwaltung, sondern auch deutlich weniger Papierverschwendung.

Justizminister Wolfgang Brandstetter bekräftigte, dass für die Beibehaltung des Bezirksgerichts Purkersdorf rein sachliche Erwägungen maßgeblich gewesen seien. Angesichts der wachsenden Bevölkerung im Bezirk sehe er keinen Grund, das Gericht aufzulassen, sagte er und outete sich auch generell als Gegner des "Kahlschlags" bei Bezirksgerichten. Schließlich seien diese so etwas wie "Gerichts-Nahversorger". Eine gewisse Mindestgröße von Gerichten sei auch im Sinne der Rechtssuchenden sinnvoll, betonte Brandstetter, von großen Eingangsgerichten hält er aber wenig.

Allgemeiner Konsens über die Verlängerung der Gerichtspraxis

Einstimmig sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, die Gerichtspraxis von fünf auf sieben Monate zu verlängern. Damit wird die aus Spargründen vor einigen Jahren vorgenommene Verkürzung des "Gerichtsjahrs", das Voraussetzung für die Ausübung des Richter- bzw. Rechtsanwaltsberufs ist, zum Teil wieder rückgängig gemacht. Gleichzeitig sieht die Änderung des Rechtspraktikantengesetzes eine Erhöhung des monatlichen Ausbildungsbeitrags von 1.035 € auf das Niveau des Ausbildungsbeitrags von VerwaltungspraktikantInnen (derzeit 1.272,35 €) vor.

Ausdrücklich begrüßt wurde der Beschluss von den Abgeordneten Nikolaus Scherak (N), Klaus Uwe Feichtinger (S), Hermann Brückl (F), Albert Steinhauser (G), Christoph Hagen (T), Georg Vetter (V) und Gisela Wurm (S). Die seinerzeitige Verkürzung der Ausbildung sei nicht sinnvoll gewesen, waren sich die Vertreter der Opposition mit Vetter und Wurm einig. Steinhauser sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem "schwerwiegenden Sündenfall". Die Gerichtspraxis sei ein wertvoller Ausbildungsbestandteil für angehende RichterInnen, RechtsanwältInnen und NotarInnen und stelle einen bewährten Übergang ins Berufsleben dar, so der allgemeine Tenor. Durch die nunmehrige Verlängerung der Gerichtspraxis wird es Feichtinger zufolge auch möglich, RechtspraktikantInnen mehreren Gerichten zuzuweisen.

Mehrfach wurde von den Abgeordneten der Wunsch geäußert, wieder zu den ursprünglichen neun Monaten zurückzukehren. Abgeordneter Hagen hielte es außerdem für sinnvoll, wenn angehende RichterInnen und StaatsanwältInnen auch die Möglichkeit hätten, bei Polizeieinsätzen dabei zu sein und in die Polizeipraxis hineinschnuppern.

Auch ihm wäre eine Rückkehr zur ursprünglich neunmonatigen Gerichtspraxis lieber gewesen, gestand Justizminister Wolfgang Brandstetter zu. Die sieben Monaten seien aber das, was in einem ersten Schritt budgetär möglich und finanzierbar sei. Als Gebot der Gerechtigkeit wertete der Minister die Erhöhung des Ausbildungsbeitrags. (Fortsetzung Nationalrat) gs