Parlamentskorrespondenz Nr. 1060 vom 11.11.2019

Budgetausschuss: Abschlagsfreie Frühpension sorgt weiter für Kontroversen

SPÖ und FPÖ wollen mehr Pensionsgerechtigkeit schaffen, ÖVP, NEOS und Grüne sehen vermehrte Ungleichbehandlung

Wien (PK) – Der vor den Wahlen im September mehrheitlich gefasste Nationalratsbeschluss einer pensionsrechtlichen Verbesserung für Personen mit zumindest 45 Arbeitsjahren wird von den Parteien weiterhin unterschiedlich bewertet. Das zeigte sich heute auch im Budgetausschuss des Nationalrats, der neben zahlreichen anderen Punkten auch eine Reihe von Sozialthemen behandelte. Neben einer SPÖ-Initiative auf Ausweitung der abschlagsfreien Frühpension waren das ein weiterer sozialdemokratischer Antrag zur Bekämpfung von Kinderarmut, ein ÖVP-Antrag zur Ausweitung des Widerspruchsrechts gegen Bescheide der Pensionsversicherung sowie ein gemeinsamer SPÖ-FPÖ-Antrag auf finanzielle Absicherung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Befasst wurde der Budgetausschuss mit diesen Materien, da der eigentlich zuständige Sozialausschuss noch nicht gewählt wurde. Alle Anträge wurden mehrheitlich vertagt.

Ausweitung des abschlagsfreien vorzeitigen Pensionsantritts: Mehr Kosten oder mehr Gerechtigkeit?

Im Ausschuss erklärten sowohl Sozialministerin Brigitte Zarfl als auch Finanzminister Eduard Müller, dass eine Ausweitung des Kreises der Berechtigten, vor ihrem Regelpensionsalter ohne Abschläge in Pension zu gehen, nach ersten Einschätzungen Mehrkosten in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe verursachen würde. In dieser Sichtweise gehen die Regierungsmitglieder konform mit der ÖVP. So warnte Andreas Hanger (ÖVP) vor einem nicht mehr finanzierbaren Bundeszuschuss, den das Pensionssystem dann benötigen könnte.

Kern der im September beschlossenen Neuregelung im Pensionsrecht ist ein abschlagsfreier Pensionsantritt bei 45 Arbeitsjahren, wobei bis zu 60 Versicherungsmonate der Kindererziehung als Beitragsmonate berücksichtigt werden. Die Regelung gilt allerdings nur für Versicherte nach dem ASVG sowie für LandwirtInnen und Selbständige, nicht aber für BeamtInnen. Nun fordern die SPÖ-Mandatare Josef Muchitsch und Rainer Wimmer, die neue Regelung auf den gesamten öffentlichen Dienst und ehemalige Staatsbetriebe auszudehnen. Zudem sieht ihr Antrag (3/A(E)) Nachbesserungen für jene vor, die zwischen 2014 und 2020 trotz vorliegender 540 Beitragsmonate mit Abschlägen von bis zu 12,6% in den Ruhestand getreten sind, ebenso sollen Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes angerechnet werden.

Alois Stöger (SPÖ) betonte in der Debatte, durch die vorgeschlagenen Anpassungen würden Ungerechtigkeiten beendet, und sein Parteikollege Kai Jan Krainer urgierte einen zeitgerechten Beschluss des Antrags, um rechtliche Unschärfen im Gesetzestext zu bereinigen. Ohne Nachbesserungen könnte das Gesetz wegen möglicher Gleichheitswidrigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof landen, warnte auch Erwin Angerer (FPÖ).

Vor diesem Hintergrund plädierte Nina Tomaselli (Grüne) dafür, eingehend darüber zu beraten, wie Ungerechtigkeiten im Pensionssystem behoben werden können. Fachlich befasst werden solle damit künftig der Sozialausschuss. Dementsprechend beantragte Maria Theresia Niss (ÖVP) die Vertagung des SPÖ-Antrags, die von ÖVP, Grünen und NEOS angenommen wurde. Grundsätzlich machte sich Niss zur Absicherung des Pensionssystems für eine Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters stark.

Von Seiten der NEOS drängte Gerald Loacker darauf, die jüngst beschlossenen pensionsrechtlichen Änderungen wieder zurückzunehmen. Die abschlagsfreie Frühpension mit 62 wirke sich langfristig negativ auf das Pensionssystem aus, machte er geltend. Zudem sieht er eine Reihe von Ungerechtigkeiten. So würden vor allem Männer mit einer kontinuierlichen Erwerbslaufbahn von diesem Beschluss profitieren. Überdies erhielten Personen, die nur 539 statt der notwendigen 540 Monate arbeiten konnten, diese Begünstigung nicht, meinte der NEOS-Sozialsprecher. Das Pensionsversicherungsrecht beruhe nun einmal auf "bestimmten Mindestzeiten", hielt dem Christoph Matznetter (SPÖ) entgegen.

Erweitertes Widerspruchsverfahren gegen Bescheide der Pensionsversicherung

Einbauen wollen die NEOS die von ihnen geforderte Rücknahme der zuletzt beschlossenen Maßnahmen in einen Antrag der ÖVP auf Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (37/A), der eigentlich darauf abzielt, das Widerspruchsverfahren gegen Bescheide der Pensionsversicherungsanstalt betreffend die Erstgutschrift am Pensionskonto ab 2020 auf weitere pensionsrechtliche Leistungsbescheide auszudehnen. Betroffen davon wäre – neben Bescheiden betreffend den Anspruch auf Versicherungsleistungen und Ausgleichszulagenbescheiden – beispielsweise auch die Feststellung von Berufsunfähigkeit, wie Karlheinz Kopf (ÖVP) erläuterte. Ein Widerspruch würde laut Antrag eine interne Prüfung des Bescheids auslösen, was wiederum die Sozialgerichte entlasten würde. Diese sollen erst nach Vorliegen eines Widerspruchbescheids angerufen werden können.

Da sich Kopf zufolge allerdings in den Vorgesprächen mit den übrigen Fraktionen noch keine Mehrheit für diese ASVG-Novelle gefunden hat, wurde der Antrag mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen vertagt. SPÖ-Mandatar Stöger gab zu bedenken, die angedachte Gesetzesänderung könne zu Verzögerungen beim Pensionsantritt führen.

7-Punkte-Sofortmaßnahmenpaket gegen Kinderarmut vertagt

Kinderarmut in Österreich gehört bekämpft, darin sind sich die Fraktionen grundsätzlich einig. An den Maßnahmen dazu scheiden sich allerdings die Geister. Die SPÖ will im Rahmen eines ganzen Maßnahmenbündels (1/A(E)) unter anderem Kürzungen bei der Mindestsicherung zurücknehmen und den Familienbonus als Negativsteuer auf Familien mit geringem Einkommen ausweiten. Außerdem fordert Antragstellerin Pamela Rendi-Wagner eine staatliche Unterhaltsgarantie und einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen kostenfreien Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr des Kindes. Sonja Hammerschmid (SPÖ) pocht auf einen massiven Ausbau ganztägiger Schulplätze und eine Erhöhung des Schulstartgeldes von 100 € auf 200 €. Sie bezeichnete es im Ausschuss als Schande, dass in Österreich 300.000 Kinder armutsgefährdet seien, das Maßnahmenpaket würde genau diese adressieren.

Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grüne vertagt, wobei alle die Wichtigkeit des Themas hervorhoben. Während Friedrich Ofenauer (ÖVP) bezweifelte, ob die Stoßrichtung der SPÖ mit "alles gratis" zielführend sei und für eine nähere Überprüfung der Vorschläge eintrat, stellte Karin Doppelbauer seitens der NEOS die Frage der Gegenfinanzierung in den Raum. Nina Tomaselli (Grüne) dankte der SPÖ zwar für die Initiative, sprach sich aber dafür aus, dass sich die jeweiligen Fachausschüsse – etwa Bildung, Gesundheit und Soziales – intensiver mit dem Thema auseinandersetzen. Unverständnis, dass etwa die Grünen bei diesem Antrag nicht mitgehen, artikulierten postwendend Christoph Matznetter und Alois Stöger (beide SPÖ). Letzterer betonte, das Prinzip müsse sein, dass jedes Kind vom Staat gleich behandelt werde, unabhängig wie dick oder dünn die Geldtasche sei.

Neues VKI-Finanzierungsmodell in der Warteschleife

Die dauerhafte finanzielle Absicherung des VKI war weiteres Debattenthema im Ausschuss. SPÖ und FPÖ hatten gemeinsam beantragt, der Bund solle dem VKI ab 2020 jährlich 4,75 Mio. € wertgesichert zur Verfügung stellen (24/A). Im Gegenzug hätte der VKI vertraglich vereinbarte Leistungen im Bereich des Verbraucherschutzes zu erbringen, wobei im Gesetzesentwurf insbesondere Verbraucherinformation, die Durchführung von Abmahnungen und Verbandsklagen sowie die Führung von Musterprozessen genannt werden. Eine Beschlussfassung des Gesetzes würde budgetäre Zusatzkosten von 600.000 € verursachen, was SPÖ und FPÖ zufolge dem zusätzlichen Finanzierungsbedarf des VKI entspricht.

Zwecks formaler Korrekturen im Antragstext brachte Christoph Matznetter seitens der SPÖ heute einen entsprechenden Abänderungsantrag ein. Er räumte ein, dass es aus seiner Sicht von Vorteil wäre, wenn alle Sozialpartner in den VKI einbezogen würden und betonte die wesentlichen Aufgaben, die der Verein wahrnehme. 

Die Initiative wurde letztlich vertagt. So sprach sich ÖVP-Abgeordnete Maria Theresia Niss dafür aus, sich strukturell und zur Kosteneffizienz des VKI Gedanken zu machen statt "wieder nur Löcher zu stopfen". Ulrike Fischer (Grüne) warnte davor, dass es keine Zusage zur Basisförderung für nächstes Jahr gebe und dem Verein drohe, ein Ansuchen auf Liquidierung stellen zu müssen. Selbiges wäre fahrlässig zuzulassen, unterstrich Erwin Angerer (FPÖ). Eine Dringlichkeit hinsichtlich der Finanzierung sieht auch Karin Doppelbauer (NEOS), sie will aber ebenso strukturelle Überlegungen zur Ausrichtung des VKI angestellt wissen. 

Als zuständige Ministerin für Konsumentenschutz betonte Brigitte Zarfl, auch über die Sommermonate sei daran gearbeitet worden, eingebrachte Vorschläge in einen Gesetzesantrag zu gießen. Bestimmte Strukturen des Vereins könnten wohl neu überdacht werden, so Zarfl, die aber davon ausgeht, dass dies auch innerhalb des aus ihrer Sicht gut aufgestellten VKI möglich sei. Klar ist für Zarfl, dass die vom VKI wahrgenommenen Aufgaben nicht innerhalb der Strukturen des Ministeriums bewerkstelltigt werden können und es im Interesse des Staates öffentliche Mittel für den Konsumentenschutzbereich brauche. Da die Einnahmen für den Verein über Kartellstrafen hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien, sprach sie sich außerdem für Überlegungen aus, für den VKI andere Finanzierungsquellen sicherzustellen. (Fortsetzung Budgetausschuss) rei/mbu