Parlamentskorrespondenz Nr. 867 vom 11.07.2022

Tagungsbilanz des Nationalrats 2021/2022: Krieg, Corona, Kanzlerwechsel

Russischer Angriff auf Ukraine, andauernde COVID-19 Pandemie und Regierungsumbildungen prägten die Tagung

Wien (PK) - Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die auch dadurch befeuerte Teuerung prägten die heute zu Ende gehende Tagung des Nationalrats zuletzt am meisten. ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS unterstützten die zahlreichen EU-Sanktionen gegen Moskau. Außerdem sollte die Anschaffung von Gasreserven die Versorgung Österreichs bei Lieferausfällen von russischem Gas sicherstellen. Die vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs beschlossenen Maßnahmen zur Energiesicherung und die Entlastungspakete für Bevölkerung und Wirtschaft steigerten das Defizit des Bundes 2022 auf mehr als 23 Mrd. €, wobei auch Zusatzaufwendungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu Buche schlugen.

Dauerbrenner im Nationalrat war eben die Bewältigung der Corona-Krise, die 2021 trotz weltweiter Freigabe der COVID-19-Schutzimpfung nicht wie erhofft verlief. Mehrfach war Österreich mit steigenden Infektionszahlen konfrontiert, die das Gesundheitssystem an seine Grenzen brachten. Das COVID-19-Impfpflichtgesetz dominierte folglich die erste und die letzte Nationalratssitzung 2022. Nach einer Begutachtungsphase mit einem Rekord an Stellungnahmen und einem Expert:innen-Hearing im Gesundheitsausschuss wurde die Impfpflicht von der Mehrheit der Abgeordneten im Februar 2022 beschlossen. In der Sitzung vor Tagungsende revidierten die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne ihr Bekenntnis zur verpflichtenden Corona-Impfung als beste Maßnahme, die Impffreudigkeit im Land zu steigern. Einstimmig schaffte der Nationalrat die Impfpflicht somit diesen Juli wieder ab.

Abseits der Corona-Pandemie sorgten zwei Kanzlerwechsel für einen innenpolitisch bewegten Herbst 2021. Auf Sebastian Kurz, der infolge von Korruptionsvorwürfen vom Kanzleramt zum ÖVP-Klubvorsitz im Nationalrat wechselte, folgte zunächst der damalige Außenminister Alexander Schallenberg an die Regierungsspitze. Nur zwei Wochen später allerdings zog sich Kurz von allen politischen Ämtern zurück. Zum neuen Regierungschef wurde Innenminister Karl Nehammer gekürt, Gerhard Karner übernahm die Leitung des Innenressorts. Im Dezember 2021 nahm der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss seine Arbeit auf.

50 NR-Sitzungen, 212 Ausschusssitzungen, 10 Dringliche

Insgesamt trat der Nationalrat in der abgelaufenen Tagung zu 50 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von über 285 Stunden zusammen. Dabei wurden 213 Gesetze, beschlossen, davon 48 (22,5%) einstimmig, und 21 Staatsverträge genehmigt. Zudem einigten sich die Abgeordneten auf 65 Entschließungen mit konkreten Forderungen an die Regierung. So wurde beispielsweise eine Strategie gegen Falschmeldungen, "Fake News", im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gefordert.

Zu den Plenarsitzungen kommen – inklusive des für heute anberaumten Hauptausschusses - 168 Ausschusssitzungen, 18 Unterausschusssitzungen, 25 Sitzungen des Korruptions-Untersuchungsausschusses und eine Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses. Weitere zwei U-Ausschuss-Sitzungen sind für diese Woche vorgesehen. Zwei Nationalratssitzungen waren von der Opposition verlangte Sondersitzungen. Eine Plenarsitzung außerhalb des Arbeitsplans Ende Juni beschlossen die Fraktionen einstimmig in der Präsidiale des Nationalrats zum Beschluss des dritten Maßnahmenpakets gegen die Teuerung.

Im Rahmen der Plenarsitzungen nahmen die Abgeordneten auch 70 Berichte der Regierung, des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft in Verhandlung. Zudem hielten sie 9 Aktuelle Stunden, 4 Aktuelle Europastunden und 7 Fragestunden ab. Dazu kommen 6 Regierungserklärungen, etwa zur Vorstellung der nach Kanzlerwechseln neu zusammengesetzten Bundesregierung. 5 Gesetzesanträge wurden in Erste Lesung genommen, darunter das Bundesfinanzgesetz 2022.

Außerdem gelangten 8 Volksbegehren in der letzten Tagung in den Nationalrat. Auf dieser Grundlage debattierte das Nationalratsplenum Themen wie Tierschutz, Ethikunterricht und Corona-Impfpflicht. Schriftlich forderten die Abgeordneten nach vorläufigem Letztstand 4.070-mal Fragebeantwortungen von den Regierungsmitgliedern ein, dazu kommen 14 schriftliche Anfragen an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Die Nase vorne hatte bei den schriftlichen Anfragen die FPÖ (2.173), gefolgt von SPÖ (983) und NEOS (820).

Bei den Dringlichen Anfragen und Dringlichen Anträgen, die während den Nationalratssitzungen der vergangenen Tagung ausschließlich von Oppositionsparteien eingebracht wurden, spielte die COVID-19-Pandemie die Hauptrolle. So wandte sich die FPÖ mittels einer "Dringlichen" gegen die von ihr georteten Diskriminierung von nicht gegen das Coronavirus geimpften Personen, die NEOS nutzten das Sonderinstrument im ersten Plenum der Tagung für Kritik an der aus ihrer Sicht schleppenden Impfkampagne. Auf Verlangen der Opposition diskutierte der Nationalrat insgesamt 6 Dringliche Anfragen sowie 4 Dringliche Anträge und hielt 7 Kurze Debatten zu Fristsetzungsanträgen, schriftlichen Anfragebeantwortungen und U-Ausschuss-Verlangen ab.

Zahlreiche Gesetzesanträge der Abgeordneten

108 der Gesetzesbeschlüsse gehen auf parlamentarische Anträge zurück, womit sich eine Praxis als Nebenwirkung der Corona-Krise aus der Tagung 2020/21 fortsetzte. Erneut wurden die meisten COVID-19-Gesetze von Abgeordneten der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne initiiert. Der Opposition missfiel dieses Vorgehen, da bei Initiativanträgen anders als bei Regierungsvorlagen keine Begutachtungsverfahren nötig sind. Eine Ausnahme stellte hier das Impfpflichtgesetz dar, das zwecks Begutachtung zunächst als Ministerialentwurf dem Parlament übermittelt wurde.

In Summe haben die fünf Fraktionen in dieser Tagung 178 Gesetzesanträge eingebracht, außerdem 706 selbständige Entschließungsanträge. Die meisten Initiativanträge – 111 – stammten von der Koalition aus ÖVP und Grünen, fünf weitere wurden gemeinsam mit zumindest einer Oppositionspartei eingebracht. SPÖ, FPÖ und NEOS stellten insgesamt 62 Gesetzesanträge.

Hauptausschuss genehmigte Lockdowns

Im November 2021 traf die vierte Welle der Corona-Pandemie Österreich mit voller Härte und trieb die Spitalskapazitäten speziell im Intensivbereich durch den Anstieg hospitalisierter Corona-Pantient:innen an ihre Grenzen. Der Hauptausschuss des Nationalrats genehmigte daher mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ einen neuerlichen bundesweiten Lockdown, den der damalige Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein als "alternativlos" bezeichnete. Damit wurde zwischen 22. November und 1. Dezember 2021 die aus früheren Lockdown-Verordnungen bekannten Ausgangs- und Betretungsregelungen erneut verhängt, und zwar für gegen COVID-19 Geimpfte wie Ungeimpfte gleichermaßen.

Am Wochenende davor hatte der Hauptausschuss noch mit den Stimmen der Regierungsparteien einen Lockdown lediglich für Ungeimpfte mitgetragen, dieses Vorgehen führte bei der Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus jedoch nicht zum erhofften Ziel. Das Lockdown-Ende am 13. Dezember wurde dann je nach Bundesland in unterschiedlichem Ausmaß umgesetzt, galt aber jedenfalls nur für gegen COVID-19-Geimpfte bzw. Genesene. Für Ungeimpfte wurde der Corona-Lockdown in Intervallen zwischen den Hauptausschusssitzungen bis 30. Jänner 2022 verlängert. Verfassungsrechtlich gehören die COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnungen zu jenen Verordnungen, für deren Umsetzung die Regierung die Zustimmung des Hauptausschusses benötigt. Konkret sind das Lenkungsmaßnahmen, mit denen die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden soll. Zu Pfingsten 2022 genehmigte der Hauptausschuss die Freigabe von Treibstoffreserven, um einen Versorgungsengpass nach einem Zwischenfall in der OMV-Raffinerie Schwechat zu überbrücken. Für die kommende Bundespräsidentenwahl legte der Hauptausschuss den 9. Oktober 2022 fest.

Corona-Hilfen und -Regelungen

Bei fast jeder Nationalratssitzung wurde der Gesetzgeber aktiv, um die Überwindung der COVID-19-Pandemie zu unterstützen. Das Maßnahmengesetz zur Pandemiebekämpfung wurde bis Mitte 2023 verlängert, um als Vorbereitung auf mögliche neue Corona-Wellen die gesetzliche Basis für etwaige Ausgangsbeschränkungen und andere Auflagen zur Eindämmung der Pandemie zu schaffen. Dazu gehören die Abgeltung von Betreuungszeiten, die bedingt durch COVID-19-Maßnahmen wie Quarantäneregelungen anfallen, die Deckung der Kosten für die Corona-Schutzimpfungen durch die Österreichische Gesundheitskasse, Zweckzuschüsse für Länder und Gemeinden für Gratis-Corona-Tests, Schutzausrüstung und telefonische Gesundheitsberatung, die Ermächtigung von Bürgermeister:innen zur Ergreifung lokaler Coronamaßnahmen, der Kostenersatz für Hausapotheken bei COVID-19-Heilmitteln und die kontaktlose Rezeptverschreibung sowie die entlohnte Freistellung von nicht gegen das Coronavirus geimpften Schwangeren. Pandemiebedingte Sonderregelungen, die letztendlich bis Jahresende 2022 bzw. 2023 verlängert wurden, betrafen weiters Fremdenrecht, Schulen und die Wirtschaft in Hinblick auf Kurzarbeitshilfen. Im Frühjahr 2022 lancierte der Gesetzgeber überdies eine neue Teststrategie in Österreich, wonach vom Bund finanziert monatlich fünf kostenlose Antigen-Tests bzw. fünf kostenlose PCR-Tests pro Person zur Verfügung stehen.

Gesetzesflut bei Abschlusssitzung

In den letzten Plenarsitzungen des Nationalrats vor Tagungsende war die Stimmung nicht nur aufgrund der hohen Julitemperaturen hitzig. Harte Auseinandersetzungen gab es vor allem bezüglich der Maßnahmen der Regierung zur Abfederung der rapiden Preissteigerung aufgrund der hohen Inflation. Während ÖVP und Grüne auf Entlastungen im Volumen von insgesamt 50 Mrd. € verwiesen, kritisierten SPÖ, FPÖ und NEOS, die Hilfsleistungen erreichten die Bevölkerung nicht zeitgerecht. Beschlossen wurden von den Abgeordneten mehr als 40 Gesetze, darunter die ersten Teile der Pflegereform, die Novelle zum Tierschutzgesetz und die Vereinbarung mit den Ländern zur Finanzierung der Kindergärten mit einem Bundeszuschuss von jährlich 200 Mio. € bis 2026/27. Mit Bundeszuschüssen an Pflichtschulen wird administratives und psychologisches Unterstützungspersonal an den Standorten finanziert. Weiters wurde zwecks Bekämpfung des Fachkräftemangels der Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte und der Eintritt in den Lehrberuf für Quereinsteiger:innen erleichtert, Radfahrer:innen das Abbiegen bei Rot erlaubt und ein kleines Wahlrechtspaket verabschiedet, das das Geschlecht einer wahlberechtigten Person nicht mehr erfasst. Weitere Beschlüsse betrafen unter anderem die Errichtung einer Technischen Universität in Linz, die Förderaufstockung für freie Radios und Verbesserungen bei der psychiatrischen Unterbringung. Als neue Volksanwältin anstelle des abgetretenen Volksanwalts Werner Amon wählte der Nationalrat ÖVP-Abgeordnete Gaby Schwarz.

An den letzten beiden Sitzungstagen im Dezember 2021 beschloss beziehungsweise novellierte der Nationalrat insgesamt rund 50 Gesetze, viele davon einmal mehr in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. So war die Mehrheit im Nationalrat für Mindeststrafen bei Verstößen gegen COVID-19-Schutzmaßnahmen, etwa gegen Betretungsverbote, Ausgangsbeschränkungen und Verbote von Zusammenkünften. Außerdem wurde der Gesundheitsminister ermächtigt, Medikamente gegen COVID-19 auch außerhalb des Beschaffungsprogramms der EU zu bestellen und erhielt ein zusätzliches Budget von 10 Mio. € für die Bekämpfung von COVID-19-bedingter Armut. In diesem Zusammenhang beschlossen die Abgeordneten auch den ersten Teuerungsausgleich von 150 € pro Haushalt für Bezieher:innen von Mindestsicherung, Sozialhilfe, Studienbeihilfe oder der Ausgleichszulage ("Mindestpension") und Steuererleichterungen für das Homeoffice. Fristverlängerungen für pandemiebedingte Maßnahmen betrafen neben der Kurzarbeit auch den Bildungsbonus für Arbeitslose, die Sonderbetreuungszeit und die Freistellung ungeimpfter Schwangerer in körpernahen Berufen. Erleichterungen beschloss der Nationalrat beim Einsatz von Saisonniers.

Gesetzesbeschlüsse abseits von Corona und Teuerung

Zur Sicherung der Rechte Vertriebener aus der Ukraine wurde das Integrationsgesetz geändert und Österreichs Beteiligung am EU-weiten Datenaustausch beschlossen. Ihre Grund- und Erstversorgung fixierte der Bund in einer Vereinbarung mit den Bundesländern. Zu den Gesetzesbeschlüssen, die überdies viel Aufmerksamkeit erhielten, gehörte die Neuregelung der Sterbehilfe. Sie wurde aufgrund einer Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) nötig. Mit dem sogenannten Sterbeverfügungsgesetz wird es nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, einer unheilbar kranken Person beim Suizid zu helfen. Parallel dazu wurde ein Fonds im Sozialministerium zur zweckgebundenen Regelfinanzierung für Hospiz- und Palliativdienste eingerichtet. Für die laut VfGH verfassungswidrige Beugehaft haben die Abgeordneten einen Ersatz beschlossen, in dem eine höchstzulässige Gesamtdauer von einem Jahr festgelegt ist. Auch für eine Verlängerung der Kronzeugenregelung und für eine umfassende Novelle des Urheberrechts gab der Nationalrat grünes Licht. Mit dem neuen Gesetz zur Parteienfinanzierung wurde dem Rechnungshof mehr Einblick in die Parteikassen gewährt.

Weiters verabschiedeten die Mandatar:innen mehrere Änderungen im Telekommunikationsgesetz, das Verbot des gesundheitsschädlichen Lebensmittelfarbstoffs Titandioxid E 171, die jährliche Abhaltung der freiwilligen Sommerschulen, ein Schulautonomie-Paket, Förderungen zum Klimaschutz im Wohnbau, eine Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz, das Pfand für Einwegflaschen und –Dosen bringt, und Anpassungen an EU-Vorgaben zur Qualitätssicherung bei Lebensmitteln bzw. zum Schutz vor Tierseuchen. Für den öffentlichen Dienst beschloss der Nationalrat für das Jahr 2022 Gehaltserhöhungen um durchschnittlich 3% und Pensionserhöhungen um 1,8% bzw. bis zu 3% bei kleinen und mittleren Pensionen. Die Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld erhöhten die Abgeordneten von 7.300 € auf 7.600 € und auch die Erhöhung der Studienbeihilfe passierte das Plenum. Den Bundesländern wurde mehr Spielraum zur Gewährung von Sozialhilfe gegeben, die Gefängnisseelsorge finanziell abgesichert.

Mit der operationstechnischen Assistenz wurde ein neuer Gesundheitsberuf zur Unterstützung der Pflege in Krankenhäusern geschaffen, der Arbeitsmarktzugang für ausländisches Pflegepersonal wurde erleichtert. Änderungen im Arzneimittelgesetz und im Gentechnikgesetz dienen der europarechtskonformen Umsetzung klinischer Prüfungen von Humanarzneimitteln. Eine Erstanlaufstelle bei Zahlungsschwierigkeiten im Sozialministerium wird künftig Betroffene niederschwellige Hilfestellung anbieten und handelsstatistische Erhebungen erfolgen nur noch elektronisch. Die Finanzausgleichsperiode wurde bis 2023 verlängert. Verschärfungen des Waffen-, Vereins- und Sprengstoffmittelgesetzes beschloss der Nationalrat als Reaktion auf den Terroranschlag in Wien 2020.

Zur technischen Umsetzung des neu aufgestellten EU-Grenzmanagements haben die Abgeordneten mehrere Gesetze geändert, sodass ein gemeinsames, elektronisches Einreise- und Ausreisesystem (ESS) ermöglicht wird. Um Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln strafrechtlich besser ahnden zu können, wurden mit der Umsetzung einer EU-Richtlinie unter anderem einheitliche Definitionen geschaffen.

Außerdem beschlossen die Abgeordneten härtere Strafen gegen Fahrzeugmanipulation der sogenannten "Tuner-Szene" sowie Maßnahmen gegen Spekulationen beim gemeinnützigen Wohnbau, ein Gesetzespaket zur künftigen Verteilung von EU-Agrarförderungen in Österreich, eine Service-Karte für Bauarbeiter:innen, ein neues Pfandbriefgesetz, die Lockerung von Informationspflichten für professionelle Anleger:innen und neue Regeln für Investmentfonds sowie Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Korea und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Mitgetragen vom Nationalrat wurden ein Partnerschaftsabkommen der EU mit Australien und diverse Staats- bzw. Investitionsschutzverträge, etwa zwischen Österreich und Kanada. Wegen pandemiebedingter Lieferengpässe bei Autos verschoben die Abgeordneten die Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) für Nutzfahrzeuge auf Mai 2022 und fixierten bei Lebensversicherungen das dauerhafte Rücktrittsrecht bei voller Prämienrückzahlung. Zur Stärkung des Forschungsbereichs unterstützte der Nationalrat die Einrichtung der technischen Plattform "Austrian Micro Data Center" zum erleichterten Zugriff zu Registerdaten und eine 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und Niederösterreich für die Finanzierung des Institute of Science and Technology Austria.

Budgetäre Nachbesserungen

Einen budgetären Weg aus der Krise zu bereiten, war der Anspruch, den sich die Regierung mit dem Bundesvoranschlag für 2022 gestellt hat. Die Mittel für die unmittelbare Corona-Krisenbewältigung schrumpften von 13,7 Mrd. € auf 3,9 Mrd. € für 2022. Insgesamt waren letzten Herbst vom damaligen Finanzminister Gernot Blümel im Budget für 2022 Ausgaben in der Höhe von 99,1 Mrd. € veranschlagt und Einnahmen in der Höhe von 86,4 Mrd. € . Die Schuldenquote des Staates sollte bis Ende 2022 wieder bei 79,1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, im Jahr 2021 betrug der Schuldenstand Corona-bedingt noch 82,8%. Der Bundesrechnungsabschluss 2020 wies aufgrund der Hilfszahlungen im Rahmen der Coronakrise einen Anstieg der Schulden auf von 70,5% auf 83,9% des BIP aus.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, Anti-Teuerungs-Maßnahmen sowie die Rückzahlung der aufgehobenen Indexierung der Familienbeihilfe wurden bei der letzten Budget-Novelle vor dem Sommer mit einem Volumen von fast 4 Mrd. € mitberücksichtigt. Das Defizit des Bundes, im letzten Bundesvoranschlag noch mit 12,6 Mrd. € beziffert, soll demnach im Jahr 2022 bei 23,1 Mrd. € liegen.

Ökosoziale Steuerreform

Kernstück des im November 2021 mit ÖVP-Grünen-Mehrheit beschlossenen heurigen Budgets ist die "ökosoziale Steuerreform", die Österreich nach Dafürhalten der Regierung das Erreichen der Pariser Klimaziele – Klimaneutralität bis 2040 – ermöglichen soll. Neben Entlastungsmaßnahmen im Umfang von 18 Mrd. €, etwa durch die Senkung von Tarifstufen bei Lohn- und Körperschaftssteuer, spielen Maßnahmen zum Klimaschutz daher eine große Rolle, vor allem die Bepreisung des klimaschädlichen Treibhausgases CO2. Für Umweltförderungen wurden 2,40 Mrd. € zur Verfügung gestellt, zur Förderung emissionsfreier Mobilität – vor allem durch Bahnausbau - 4,84 Mrd. €. Zur Beschleunigung des Ausstiegs aus russischem Erdgas ist vorgesehen, bis zum Jahr 2025 jährlich 100 Mio. € an Förderungen für Unternehmen bereitzustellen. Zudem können ungenutzte Gas-Speicherkapazitäten künftig behördlich entzogen werden.

Von der Opposition wurde die von der Regierung gewählte Bezeichnung zur Reform als Synonym für ökologische Entlastung hinterfragt, zumal sie den Lenkungseffekt der CO2-Bepreisung mit 30 € pro Tonne verneinte. Zentraler Kritikpunkt von SPÖ, FPÖ und NEOS war die in ihren Augen im Budget nicht abgefederte Belastung der Bevölkerung durch die steigende Teuerung.

Die Regierungsfraktionen bezifferten den auf drei Gesetzespakete aufgeteilten Teuerungsausgleich auf insgesamt 50 Mrd. €. An Sofortmaßnahmen gab es daraus unter anderem eine vorübergehende Erhöhung des Pendlerpauschales sowie des Pendlereuros, Erhöhungen bei Familienbonus und Kindermehrbetrag, eine Senkung der Abgaben für Elektrizität und Erdgas, Teuerungsprämien für Arbeitnehmer:innen, Absetzbeträge für Geringverdiener:innen und Selbständige und eine Ausweitung des Delogierungsschutzes. Diesen Juni stellte der amtierende Finanzminister Magnus Brunner als Teil der strukturellen Maßnahmen zum Teuerungsausgleich ein Ende der kalten Progression ab 2023 in Aussicht.

Entschließungen des Nationalrats

ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS sprachen sich angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine mit einer gemeinsamen Entschließung für eine Waffenruhe und Rückkehr zum Verhandlungstisch aus. In Entschließungsform drängte der Nationalrat zudem auf eine rasche Aufklärung und Verfolgung mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Zuge dieses Kriegs. Einhellig setzte sich der Nationalrat für das Gedenken an den Völkermord in Srebrenica ein. Zudem ist den Abgeordneten eine Ausweitung der Demokratiebildung samt Ausbau der Demokratiewerkstatt ein Anliegen. Weitere Forderungen des Nationalrats, die als Entschließungen einstimmig beziehungsweise mehrheitlich im Laufe der vergangenen Tagung verabschiedet wurden, betrafen unter anderem die ablehnende Haltung Österreichs gegen den geplanten Bau des Atomkraftwerks Paks II in Ungarn sowie gegen EU-Förderungen für Mini-AKWs. Breite Zustimmung erhielten außerdem Entschließungsanträge auf Umsetzung der Empfehlungen der Kindeswohlkommission und der Veröffentlichung von Daten über verschwundene Flüchtlingskinder, auf Deeskalation bei Spannungen an verschiedenen Krisenherden in der Welt, zur Finanzierungssicherung der Fachhochschulen, zur Erstellung eines Frauengesundheitsberichts und für die Rechte der polnischen LGBTIQ-Community.

Anlässlich der Versammlungen von Corona-Leugner:innen vor Spitälern forderten die Abgeordneten den Innenminister auf, den Schutz von Gesundheitseinrichtungen sicherzustellen. Eine SPÖ-Initiative für eine breit angelegte Informationsoffensive zur COVID-19-Kinderimpfung sowie eine NEOS-Forderung für eine Anti-Fake-News-Kampagne erhielten ebenfalls eine Mehrheit. Weiters sprach sich der Nationalrat mit Entschließungen für Photovoltaikanlagen auf Bundesheergebäuden aus sowie für Energieberatung und für Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Untersuchungsausschuss zu Machtmissbrauch und Korruption

Auslöser des Rücktritts von Ex-Kanzler Kurz im Vorjahr waren publik gewordene Chat-Protokolle zwischen ihm und dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid, aus denen sich der Verdacht auf Medienkorruption mit Steuergeld ergab. Seine Arbeit nahm der Untersuchungsausschuss zur sogenannten Inseraten-Affäre am Tag der letzten Nationalratssitzung vor Weihnachten, dem 16. Dezember 2021 auf. Die Opposition brachte dabei mehrere Beweiseinträge ein, damit Behörden die Untersuchungen unterstützen, etwa mittels Befragungen im Vorfeld des Ausschusses. Selber starteten die U-Ausschussmitglieder ihre Befragungen der Auskunftspersonen im März 2022 mit dem amtierenden Bundeskanzler Karl Nehammer. (Schluss) rei