171/A-BR/2008
Eingebracht am 25.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Antrag
gemäß § 21 Abs. 6 GO-BR
der Bundesräte Ludwig Bieringer, Franz Wolfinger, Josef Salier
Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen zur Förderung der Legalisierung der Pflege und Betreuung in Privathaushalten erlassen werden (Pflege-Verfassungsgesetz)
Gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit § 21 Abs. 6 GO-BR wird dem Nationalrat der nachstehende Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreitet:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen zur Förderung der Legalisierung der Pflege und Betreuung in Privathaushalten erlassen werden (Pflege- Verfassungsgesetz)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Bundesverfassungsgesetz, mit dem Übergangsbestimmungen zur Förderung der Legalisierung der Pflege und Betreuung in Privathaushalten erlassen werden (Pflege- Verfassungsgesetz)
„Geltungsbereich
§ 1. Dieses Bundesverfassungsgesetz gilt für die Pflege und Betreuung von Personen in Privathaushalten im Rahmen einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit, wenn
1. die zu pflegende oder zu betreuende Person oder ein Angehöriger oder eine Angehörige Arbeitgeber/in oder Auftraggeber/in ist und
2. die zu pflegende oder zu betreuende Person Anspruch auf Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Landespflegegeldgesetzen bzw. auf eine gleichartige Leistung hat.
Aussetzung von Verwaltungsstrafbestimmungen
§2.(1) Folgende Bestimmungen sind in den in Abs. 3 genannten Zeiträumen nicht anzuwenden:
1. § 23 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, BGBl. Nr. 235/1962;
2. § 3 Abs. 5 des Hausbetreuungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2007;
3. § 13 des Bundesgesetzes betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung, BGBl. Nr. 390/1976;
4. § 28 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975;
5. § 22 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, sofern die Tat durch die zu pflegende oder zu betreuende Person oder ihre Angehörigen begangen wurde;
6. § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194;
7. die §§111 bis 113 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955;
8. § 23 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978;
9. die §§ 33, 34 und 49 bis 51 des Finanzstrafgesetzes, BGBl. Nr. 129/1958;
10. § 217 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961.
(2) Wer im Rahmen des Geltungsbereichs dieses Bundesverfassungsgesetzes in den in Abs. 3 genannten Zeiträumen
1. eine unter die §§ 14 bis 16 und 84 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG), BGBl. I Nr. 108/1997, fallende Tätigkeit ausgeübt hat oder ausübt, ohne hiezu berechtigt (gewesen) zu sein, oder
2. eine Person, die hiezu nicht berechtigt ist, zu einer unter die §§ 14 bis 16 und 84 GuKG fallenden Tätigkeit herangezogen hat oder heranzieht,
ist dafür nicht zu bestrafen.
(3) Die in Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften sind nicht anzuwenden
1. auf Verwaltungsübertretungen oder Finanzvergehen, die vor dem 1. Juli 2008 begangen wurden, und
2. auf Verwaltungsübertretungen oder Finanzvergehen, die nach dem 30. Juni 2008, jedoch vor dem 1. Jänner 2009 begangen wurden, wenn bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 eine Anmeldung zur Sozialversicherung oder eine Anzeige der Umstände, die eine persönliche Abgabenpflicht begründen, an das zuständige Finanzamt (§ 120 BAO) erfolgt sind.
(4) Laufende Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der in Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften sind
1. im Falle des Abs. 3 Z 1 einzustellen;
2. im Falle des Abs. 3 Z 2 mit dem Einlangen des Nachweises über die Anmeldung zur Sozialversicherung bei der Verwaltungsstrafbehörde einzustellen.
(5) Abs. 4 gilt sinngemäß für Verwaltungsstrafverfahren infolge unberechtigter Ausübung von Tätigkeiten im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder Heranziehung hiezu im Sinne des Abs. 2 Z 2.
Verjährung von Beitrags- und Abgabennachforderungen
§ 3. (1) Abweichend von § 68 Abs. 1 ASVG und § 40 Abs. 1 GSVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen auf Grund einer vor dem 1. Juli 2008 ausgeübten Tätigkeit nach § 1 mit Ablauf des 30. Juni 2008, wenn
1. die Anmeldung zur Sozialversicherung bis spätestens 31. Dezember 2008 erfolgt oder
2. die Tätigkeit vor dem 1. Juli 2008 beendet wurde.
(2) Abweichend von § 68 Abs. 2 ASVG und § 40 Abs. 2 GSVG verjährt das Recht zur Einforderung festgestellter Beitragsschulden auf Grund einer vor dem 1. Juli 2008 ausgeübten Tätigkeit nach § 1 mit Ablauf des 30. Juni 2008.
(3) Im Fall der Verjährung nach den Abs. 1 und 2 entstehen keine Beitragszeiten nach § 225 Abs. 1 Z l lit. a ASVG und keine Versicherungszeiten in der Arbeitslosenversicherung.
(4) Ansprüche auf Geldleistungen aus der Kranken- und Unfallversicherung, die sich aus Versicherungsfällen ableiten, die während einer Tätigkeit nach § 1 eingetreten sind und für die keine Beiträge gezahlt werden, sind ausgeschlossen.
(5) Die Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß für Abgabennachforderungen.
Anmeldung zur Sozialversicherung
§4. Abweichend von § 33 Abs. 1 und la ASVG sowie § 18 Abs. 1 GSVG ist bei Tätigkeiten nach § 1 die Pflicht zur Anmeldung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 auch dann erfüllt, wenn die Anmeldung unverzüglich nach einer Betretung oder nach Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Versicherungspflicht erfolgt.
Verweisungen
§ 5. Soweit in diesem Bundesverfassungsgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
Außer-Kraft-Treten und Vollziehung
§ 6. (1) Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2008 außer Kraft. Es ist jedoch weiterhin auf Sachverhalte anzuwenden, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben.
(2) Mit der Vollziehung des § 2 sind betraut:
1. der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hinsichtlich der in § 2 Abs. 1 Z 1 bis 6 genannten Rechtsvorschriften;
2. der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz hinsichtlich der in § 2 Abs. 1 Z 7 und 8 genannten Rechtsvorschriften;
3. die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend hinsichtlich des § 2 Abs. 2 und 5;
4. der Bundesminister für Finanzen und die Bundesministerin für Justiz hinsichtlich der in § 2 Abs. 1 Z 9 genannten Rechtsvorschriften;
5. der Bundesminister für Finanzen hinsichtlich der in § 2 Abs. 1 Z 10 genannten Rechtsvorschrift.
(3) Mit der Vollziehung des § 3 sind betraut:
1. der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hinsichtlich der Arbeitslosenversicherung;
2. der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz hinsichtlich des § 3 Abs. 1 bis 3;
3. die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend hinsichtlich des § 3 Abs. 4;
4. der Bundesminister für Finanzen hinsichtlich des § 3 Abs. 5.
(4) Mit der Vollziehung des § 4 ist der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betraut."
Begründung
Nach § 21b Bundespflegegeldgesetz (BPGG) können zum Zweck der Unterstützung der 24-Stunden-Betreuung Zuwendungen an pflegebedürftige Personen oder deren Angehörige gewährt werden. Der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz hat nähere Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter denen eine Förderung gewährt werden kann, in Form von Richtlinien zu erlassen.
Die bisherige Entwicklung zeigt, dass das Fördermodell auf Basis des § 21b Bundespflegegeldgesetz und den Richtlinien des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz den Betroffenen keine ausreichende Unterstützung bietet und der im Rahmen der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung in Aussicht genommene Gesamtbetrag von jährlich 40 Mio. Euro nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft wird. Die von den Bundesländern Niederösterreich und Vorarlberg angebotenen eigenen und
erweiterten Fördermodelle bieten demgegenüber eine deutlich verbesserte Unterstützung für die Betroffenen und haben sich in der Praxis bewährt.
Im Sinne einer raschen Verbesserung für die pflege- und betreuungsbedürftigen Personen und ihre Angehörigen und in Orientierung an den Fördermodellen der Bundesländer Niederösterreich und Vorarlberg soll das Fördermodell auf Basis des
§ 21b Bundespflegegeldgesetz und den Richtlinien des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz umgehend verbessert werden, indem die derzeitige Förderung der Betreuung durch selbständige Personenbetreuer in der Höhe von 225 Euro und durch unselbständige Betreuungskräfte in der Höhe von 800 Euro auf 500 Euro bzw. 1.000 Euro angehoben wird. Weiters soll die in den Richtlinien des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vorgesehene Fördervoraussetzung einer Vermögensgrenze von 7.000 Euro entfallen. Der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz wird aufgefordert, im Einvernehmen mit den Ländern die Richtlinien zur Unterstützung der 24-Stunden-Betreuung entsprechend anzupassen.
Im Hinblick auf die schwierige Situation von pflege- und betreuungsbedürftigen Personen und ihrer Angehörigen und um für die betroffenen Familien Sicherheit bei der Legalisierung von Betreuungsverhältnissen im Rahmen der Pflege und Betreuung von Personen in Privathaushalten zu schaffen, hat das mit Ablauf des 30. Juni 2008 außer Kraft getretenen Pflege-Verfassungsgesetz, BGBl I 43/2008 vom 26. Februar 2008, vorgesehen, dass zu pflegende bzw. zu betreuende Personen und deren Angehörige als Arbeitgeber/innen sowie selbständige Betreuungskräfte vor
sozialversicherungsrechtlichen Beitragsnachforderungen sowie vor
verwaltungsstrafrechtlicher Verfolgung geschützt werden.
Im Hinblick auf die bisher unzureichenden Rahmenbedingungen bei der Förderung der 24-Stunden-Betreuung und zur Gewährleistung der notwendigen Sicherheit für die betroffenen Familien sollen die Übergangsbestimmungen des Pflege- Verfassungsgesetzes um ein halbes Jahr verlängert werden.
Darüber hinaus wird der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz aufgefordert, umgehend in Gespräche mit den Ländern dahingehend einzutreten, dass die derzeit teilweise noch bestehenden Kostenersatzansprüche gegenüber Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen (Angehörigenregress gegenüber Kindern und Ehegatten) im Rahmen der Gewährung von Leistungen der stationären Pflege und Betreuung entfallen.
Gleichzeitig mit der Verlängerung der Amnestie sollen - wie im Regierungsprogramm vereinbart - die Arbeiten zur Erhöhung des Pflegegeldes selektiv nach Pflegestufen rasch fertiggestellt werden.
Es wird das Verlangen gestellt, diesen Antrag gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit § 21 Abs. 6 GO-BR dem Nationalrat zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu übermitteln.