283/A(E)-BR/2020

Eingebracht am 17.12.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

des Bundesrates Josef Ofner

und weiterer Bundesräte

betreffend Umsetzung der Petition der deutschen Heimatvertriebenen

 

 

Den 70. Jahrestag der Unterzeichnung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen durch die Vertreter und Sprecher aller deutschen Heimatvertriebenen, am 5. August 1950 in Bad Cannstadt, nahmen Vertreter des „Verbandes der deutschen altösterreichischen Landsmannschaften in Österreich“ (VLÖ), des „Donautal Magazins“ sowie „India in Vergangenheit und Zukunft" zum Anlass, dem Parlament eine Petition zu übermitteln.

Da diese mit Schreiben vom 27. August 2020 aus formellen Gründen von der Parlamentsdirektion zurückgewiesen wurde und der Bundeskanzler es in einer schriftlichen Reaktion auf die Petition vom 10. September 2020 vermissen hat lassen auf deren Inhalt einzugehen, soll diese neuerlich in den Fokus gerückt werden.

Die Situation der deutschen altösterreichischen Volksgruppen verdient die Beachtung der Österreichischen Politik, wie sich nicht zuletzt aus dem Petitionsschreiben ergibt:

Für den demokratischen Fortbestand und die Weiterentwicklung der Europäischen Union (EU) ist es unserer Meinung nach unabdingbar, dass eine Ergänzung der allgemeinen Menschenrechte für das Zusammenleben der europäischen Völker endlich beschlossen wird. Eine demokratische Union der europäischen Staaten erlaubt eine breite Palette verschiedener politischer Weltanschauungen und die Auslegung allgemeingültiger Rechtsnormen wie sie zwischen den Völkern anzuwenden sind.

Dieser sind aber naturgemäß enge Grenzen gesetzt. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird von einzelnen Staaten der EU Solidarität gefordert. Aber eine solidarische Staatengemeinschaft kann nur dann entstehen, wenn alle Probleme zwischen einzelnen Völkern oder Volksgruppen im Geiste der Fairness ausgeräumt werden. Bisher hat dazu der Wille gefehlt.

Es ist höchste Zeit, dass alle aus dem II. Weltkrieg ungelöst gebliebenen Probleme, die zwischen den einzelnen Völkern noch immer bestehen, endlich beseitigt werden. Die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich haben sich mehrfach zur Mitschuld eines Teiles der Bevölkerung an den Gräueln des II. Weltkrieges bekannt.

Einzelne europäische Staaten, die bereits Mitglied in der EU sind, sowie Staaten, die der Europäischen Union beitreten möchten, sind diesem Beispiel noch nicht gefolgt. Wir möchten mit dieser Petition den Anstoß dazu geben, dass alle verantwortlichen Volksvertreter aus diesen Staaten das Unrecht, das an den rund zwölf Millionen Deutschen begangen wurde, endlich anerkennen und sich im Namen ihrer Völker für dieses Unrecht entschuldigen und sich zum Schadensausgleich bekennen.

Wir anerkennen die Schuld aller deutschen heimatvertriebenen Frauen und Männer, die vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg als Zivilpersonen oder als Teile der deutschen Wehrmacht im Verlaufe dieser Ereignisse Verbrechen begangen haben.

Dagegen wurde bisher noch von keiner offiziellen Stelle der oben genannten Staaten eine Erklärung mit ähnlichem Inhalt über ihr eigenes Verhalten während dieser Zeit abgegeben. Nach diesen Erklärungen und im Sinne der allseits anerkannten Rechtsnormen sind alle übrigen Personen daher unschuldig. Dieser Rechtsstandpunkt sollte ab sofort im täglichen Sprachgebrauch auf alle Betroffenen und auch die unbeteiligten Menschen in allen europäischen Staaten angewendet werden, wenigstens in jenen Staaten, die Mitglieder der Europäischen Union sind. Das beinhaltet eine klare Absage an jegliche Form der Kollektivschuld.

Als Folge dieses Standpunktes ist es an der Zeit, dass das Unrecht, welches an den deutschen Heimatvertriebenen begangen wurde, von allen Nutznießern in allen betroffenen Staaten, insbesondere von den gewählten Vertretern aus diesen Staaten, endlich öffentlich anerkannt wird. Die Kriegsverbrechen, die an den Deutschen verübt wurden, sind auch Teil ihrer Geschichte.

Daraus ergibt sich die Forderung, dass in allen Staaten, die bereits Mitglieder der EU oder nur Beitrittskandidaten sind, endlich mit den Leidtragenden von damals und deren Nachkommen ein fairer Ausgleich nach den vorhandenen Möglichkeiten durchzuführen ist. Nach ihrer Gründung vor 27 Jahren hat sich die EU zum größten Friedensprojekt aller Zeiten auf europäischem Boden entwickelt. Wenn aus der ursprünglich geplanten Wirtschaftsunion (EWG) nach den Verträgen von Maastricht eine Union der Europäischen Staaten entstehen soll, dann müssen auch die Altlasten, die als Kriegsfolgen noch immer ungelöst sind, endlich einer völkerrechtlichen Lösung zugeführt werden. Doch dazu hat bisher der Wille gefehlt.

In weiterer Folge fordern die Unterzeichner im Namen der von ihnen vertretenen Organisationen die Umsetzung der folgenden Punkte:

 

a)

 

Die Mitglieder der Europäischen Union (EU) sind angehalten, die aus ihrer Vergangenheit als Folge von Kriegs- und Nachkriegshandlungen noch vorhandenen ungelösten Verstöße gegen die geltenden Menschenrechte anzuerkennen und legislativ zu beheben. Das beinhaltet die Abschaffung der Beneš Dekrete (Legitimation zur straffreien Entrechtung, Enteignung, Vertreibung und Ermordung der Deutschen in der Tschechoslowakei), die in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Tschechoslowakei noch immer zum Rechtsbestand dieser Staaten gehören, des Weiteren die Abschaffung der Bestimmungen des AVNOJ (Antifaschistischer Rat zur Volksbefreiung Jugoslawiens) in allen Staaten, die ehemals zu Jugoslawien gehörten, ferner die Außerkraftsetzung all jener Bestimmungen und Gesetze, die den Staaten Polen, Ungarn und Rumänien als Rechtfertigung für die Vertreibung und Enteignung aller Menschen dienten, die sich in diesen Staaten zu ihrer deutschen Volkszugehörigkeit bekannt hatten. Die Initiatoren dieser Petition wissen aus eigener Erfahrung, dass an erster Stelle eine generelle öffentliche Entschuldigung bei allen Leidtragenden von damals und deren Nachkommen von größter Wichtigkeit wäre.

 

 

 

b)

 

Die Rehabilitation aller Personen und im Bedarfsfall eine Generalamnestie sollten sodann erfolgen. De facto beinhaltet eine Rehabilitation nach europäischem Recht bereits die Einsetzung in die bürgerlichen Rechte dieses Staates. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, für den verursachten Schaden eine entsprechende Wiedergutmachung zu leisten. In diesen Staaten wurden die Verbrechen, Vertreibungen und Morde von damals im Namen des jeweiligen Volkes verübt. Die Völker wurden dadurch zu Nutznießern dieses Unrechts. Daher schulden sie bis auf den heutigen Tag den Opfern von damals eine angemessene Wiedergutmachung.

 

c)

 

Diese Bestrebungen sollten in einem dritten Schritt die Ächtung von Kriegen und die Verurteilung aller Folgehandlungen von Kriegen wie Landnahme, Enteignung von Personen oder Personengruppen, Ermordung von Mitgliedern von Volksgruppen, sowie Vertreibung aus der angestammten Heimat etc. nach sich ziehen. Diese europäische Ergänzung zu den allgemeinen Menschenrechten würde Europa auf eine höhere Stufe des Zusammenlebens auf unserem Kontinent stellen.

 

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Bundesrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert die Anliegen der Petition der deutschen Heimatvertriebenen umzusetzen und dem Bundesrat sowie dem Nationalrat jährlich über die erzielten Fortschritte zu berichten.“

 

 

Es wird ersucht diesen Antrag den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zuzuweisen.