352/A(E)-BR/2022

Eingebracht am 13.07.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

des Bundesrates Dr. Johannes Hübner und weiterer Bundesräte

betreffend Gedenken an alle Opfer der Jugoslawienkriege, so auch für die Toten des illegalen Angriffskrieges der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im Jahr 1999

In den Absätzen 3 und 4 von Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen wird deutlich das allgemeine Gewaltverbot als Handlungsgrundsatz der Vereinten Nationen festgehalten: „Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, daß der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden. [...] Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

Lediglich zwei Ausnahmen zu diesem Verbot sind vorgesehen: Zum einen, wenn ein Staat selbst angegriffen wird und sich verteidigen muss (Artikel 51), zum zweiten, insofern ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für den Einsatz von Streitkräften vorliegt (Artikel 42).

Die Jugoslawienkriege (1991-2001) hatten nicht nur den Zerfall des Staatsgebietes des ehemaligen Jugoslawien zur Folge, sondern waren auch von schrecklichen Gräueltaten geprägt. Einen traurigen Höhepunkt an zivilen Opfern forderte der NATO- Angriffskrieg gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien, welcher am 24. März 1999 begann und bis zum 9. Juni 1999 andauerte.

Wie der Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser festhält, erfolgte der Angriff der NATO „ohne Zustimmung der UNO und war daher ein illegaler Angriffskrieg. Der NATO-Angriff auf den Kosovo fand unter Führung der USA mit aktiver Beteiligung verschiedener westeuropäischer Demokratien statt, darunter den NATO-Ländern Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Italien, Niederlande, Belgien, Portugal, Türkei und Spanien. Damit hatte eine große Anzahl von Ländern, die sich zu den führenden Demokratien der Welt zählen, gegen die UNO-Charta verstoßen, die den militärischen Angriff auf unabhängige Staaten ohne UNO-Mandat ausdrücklich verbietet. Alle beteiligten Staaten machten sich des schweren Verbrechens der Aggression schuldig.“[1]

„Das NATO-Bombardement dauerte 78 Tage und Nächte. Die NATO bombardierte auch zivile Ziele, darunter die Wasserversorgung, Brücken, Schleusen, Elektrizitätswerke, Bahnhöfe, Schulen und Krankenhäuser. Die Gesamtzahl der Todesopfer durch die Bombardierung Serbiens wird auf 3500 Menschen geschätzt. Die NATO setzte sowohl Splitterbomben als auch die umstrittene Uranmunition ein.“[2]

Human Rights Watch führt in dem Bericht „Civilian Deaths in the NATO Air Campaign“ an, dass rund 500 zivile Personen durch die NATO-Bomben den Tod fanden, wobei die tatsächliche Todeszahl durchaus höher sein könnte.[3] In wenigen Stunden wurde im April 1999 73 Menschen das Leben genommen, als NATO-Flieger Bomben über einen Flüchtlingszug im Westen des Kosovo abwarfen. Der Sprecher der NATO, Jamie Shea, kategorisierte diese zivilen Opfer kurzerhand als „Kollateralschäden“.[4]

Damals schützte Österreich seine verfassungsrechtlich verankerte Neutralität und verweigerte den NATO-Flugzeugen über österreichisches Staatsgebiet zu fliegen.[5] Da dennoch die NATO-Bomber den österreichischen Luftraum insgesamt 33 Mal verletzten, legte die österreichische Bundesregierung formal Protest ein.[6]

Um im heutigen Europa eine friedliche Zukunft und ein gedeihliches Miteinander zu gewährleisten, ist es notwendig, die vergangenen Kriege und Konflikte in ihrer Gesamtheit zu erfassen und allen Opfern derselben zu gedenken. Gerade für einen neutralen Staat wie Österreich ist es wichtig, Kriege immer in all ihren Facetten zu betrachten, um bei den Bemühungen um eine, für alle Seiten annehmbare, Konfliktlösung einen Beitrag leisten zu können.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bunderäte nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich gemeinsam mit den anderen EU- Mitgliedstaaten u.a. im Rahmen der Vereinten Nationen für das Gedenken an alle Opfer der Jugoslawienkriege einzusetzen, so auch für die Toten des illegalen Angriffskrieges der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im Jahr 1999, zumal diese Bombardements ohne Mandat der Vereinten Nationen erfolgten und deswegen völkerrechtswidrig waren.“

Es wird darum ersucht den Antrag dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Bundesrates zuzuweisen



[1] Ganser, Daniele (2016): Illegale Kriege. Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren, Zürich, Orell Füssli Verlag AG, S. 175

[2] Ebenda, S. 179

[3] https://www.hrw.org/sites/default/files/reports/natbm002.pdf, S. 5

[4] https://www.deutschlandfunk.de/vor-20-jahren-begann-der-kosovo-krieg-bomben-gegen-belgrad-100.html

[5] https://www.profil.at/ausland/das-erbe-der-bomben/401338062

[6] https://www.derstandard.at/story/1050416/nato-verletzte-im-kosovo-krieg-haeufig-oesterreichs-luftraum