357/A(E)-BR/2022

Eingebracht am 06.10.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

der Bundesrät*innen David Egger-Kranzinger,

Genossinnen und Genossen

betreffend umfassende bedarfsgerechte Pflegereform

 

Ziel einer umfassenden Pflegereform ist die Sicherstellung eines gerechten, solidarischen, professionellen und gemeinnützigen Systems der Langzeitpflege und -betreuung für alle Menschen in Österreich.

 

Menschen mit Pflegebedürftigkeit und ihre Angehörigen sollen auf transparente und nachvollziehbare Weise in ganz Österreich die für sie erforderliche Unterstützung erhalten. Gute Pflege und Betreuung bedeutet ein gutes Leben trotz Beeinträchtigung. Es muss gewährleistet sein, dass sowohl pflegende Angehörige und Menschen in den Betreuungs- und Pflegeberufen nicht überlastet werden.

 

Pflege ist eine solidarische Aufgabe der gesamten Gesellschaft und braucht daher eine öffentlich finanzierte und organisierte Unterstützung. Diese stellt sicher, dass Pflege nicht einfach Privatsache bleibt. Pflege darf nicht länger ein individuelles Risiko sein, es muss für hochwertige Pflege und Betreuung unabhängig vom Einkommen gesorgt werden.

Es muss eine Pflegegarantie abgegeben werden, die einen individuellen Anspruch auf Sachleistungen festschreibt und die Menschen mit Pflegebedürftigkeit aus der Sozialhilfelogik holt.

 

Durch Zusammenführung der Bundes- und Ländermittel für die Sachleistungen der Langzeitbetreuung und -pflege in einem Pflegegarantiefonds kann die Finanzierung aus einer Hand gewährleistet werden. Darüber hinaus können über diesen Fonds wesentliche Grundsätze, Ziele, Funktionsweisen und Regeln verbindlich festgelegt werden.

Die erforderlichen finanziellen Anstrengungen sind beträchtlich. Das WIFO prognostiziert eine Verdoppelung der Nettokosten für Pflegesachleistungen von rund 2,6 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf rund 5 Mrd. Euro im Jahr 2030. Der Finanzbedarf für die erforderlichen qualitativen Weiterentwicklungen kommt noch hinzu. Österreich wendet lt. OECD derzeit 1,5% des BIP für die Langzeitpflege auf und liegt damit lediglich im europäischen Mittelfeld. Österreich hat daher bei der Pflege jedenfalls finanziellen Spielraum nach oben. Es soll eine gerechte Finanzierung erfolgen und das heißt, dass auch Vermögen an den Lasten der gesellschaftlichen Aufgaben beteiligt wird.

 

Für die österreichweite Weiterentwicklung des Pflegesystems braucht es fachlich angemessene und definierte Qualitätsansprüche, damit die Voraussetzungen für Pflegequalität finanziert, umgesetzt und geprüft werden können. Unter anderem sollen höhere Zeitbudgets pro Klient:in in den mobilen Diensten und höherer Personaleinsatz pro Dienst in Tageszentren und Pflegeheimen mehr Zeit für die Menschen mit Pflegebedürftigkeit sicherstellen.

 

Professionelle Pflege ist wichtig, weil sie den Alltag der Menschen mit Pflegebedürftigkeit und ihrer Angehörigen erleichtert und verbessert. Dazu braucht es ausreichend qualifizierte Menschen in Betreuungs- und Pflegeberufen, die ihre fachgerechte Unterstützung mit den Betroffenen individuell abstimmen. Vertrauen zwischen gepflegten und pflegenden Menschen ist die Basis für wirksame und sichere Pflege.

Betreuung und Pflege müssen in der Versorgung als Gesamtpaket gesehen werden, da Menschen mit Pflegebedürftigkeit immer beides benötigen.

 

Die Attraktivierung von Ausbildung und Arbeitsplätzen trägt wesentlich dazu bei, dass mehr Personal zur Verfügung steht. Ausbildungen in den Sozialbetreuungs- und Pflegeberufen müssen für die Auszubildenden unabhängig vom Ausbildungstyp kostenfrei sein. Gleichzeitig braucht es ein existenzsicherndes Ausbildungsgeld für die Deckung der Lebenshaltungskosten während der Ausbildung.

Vor allem eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist ausschlaggebend für ausreichend Personal. Es braucht eine bedarfsgerechte Personalausstattung in allen Einrichtungen, schrittweise Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich, Anhebung des Einkommensniveaus in der Langezeitpflege an das höhere Einkommensniveau im Spitalsbereich usw.

 

In Würde altern, dazugehören, selbst bestimmen, schmerzfrei sein – das sind die Wünsche vieler älterer Menschen. Sie und ihre pflegenden Angehörigen haben das Recht auf Unterstützung und Entlastung. Rund 466.410 Menschen haben 2021 Pflegegeld bezogen. Viele von ihnen wünschen sich, zu Hause alt zu werden, auch wenn Unterstützung und Pflege notwendig werden. Daher sind rund 1 Millionen Angehörige eine wesentliche Stütze des österreichischen Pflegesystems. Auch sie brauchen leistbare und professionelle Unterstützung sowie langfristige Sicherheit für ihre Betreuungsaufgaben.

 

Pflegende Angehörige benötigen mehr Entlastungsdienste, mehr Angebote zur Ersatzpflege bei Verhinderung, bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sowie soziale Absicherung und ein dauerhaftes Einkommen, wenn sie die Pflege zu Hause selbst übernehmen.

Die Pflege durch Angehörige – meist übernehmen dies Frauen – ist auch ein arbeitsmarktpolitisches Thema. Pflegende Angehörige im erwerbsfähigen Alter sollen nach Beendigung der Pflegephase spezielle Hilfe beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erhalten.

Rund 300.000 pflegende Angehörige sind während der Pflegetätigkeit aber auch weiter berufstätig. Für sie braucht es mehr Möglichkeiten, Beruf und Pflege zu verbinden. So fehlt zum Beispiel bisher ein kurzfristiger Freistellungsanspruch für nahe Angehörige, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben.

 

In den letzten Jahren stieg die Kommerzialisierung von sozialen Dienstleistungen und setzt gemeinwohlorientierte Anbieter:innen sozialer Dienstleistungen enorm unter Druck. Immer häufiger stehen sie im Wettbewerb mit privaten gewinnorientierten Unternehmen. Um qualitativ hochwertige Pflege und Betreuung auch in Zukunft garantieren zu können, müssen Gemeinwohlorientierung und die Interessen der Kund:innen bei den Anbietern im Vordergrund stehen. Die wichtige Aufgabe der Pflegeversorgung darf nicht gewinnorientierten Konzernen überlassen werden. Pflegeeinrichtungen, die Bundes- oder Landesmittel beziehen, dürfen daher nicht gewinnorientiert geführt werden.

 

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

 

 

Entschließungsantrag

 

Der Bundesrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sofort eine umfassende und bedarfsgerechte Pflegereform mit folgenden Eckpunkten zu erarbeiten und umzusetzen:

·    Pflegegarantie – Pflegegarantiefonds

Individueller Anspruch auf Sachleistungen und Zusammenführung der Bundes- und Ländermittel für die Sachleistungen der Langzeitbetreuung und -pflege in einem Pflegegarantiefonds für eine Finanzierung aus einer Hand, Aufstockung der Mittel und Verbreiterung der Finanzierungsgrundlagen (Vermögen).

·    Österreichweite Pflegequalität

Für die österreichweite Weiterentwicklung des Pflegesystems braucht es fachlich angemessene und definierte Qualitätsansprüche, damit die Voraussetzungen für Pflegequalität finanziert, umgesetzt und geprüft werden können. Unter anderem sollen höhere Zeitbudgets pro Klient:in in den mobilen Diensten und höherer Personaleinsatz pro Dienst in Tageszentren und Pflegeheimen mehr Zeit für die Menschen mit Pflegebedürftigkeit sicherstellen.

·    Motiviertes Pflegepersonal – attraktive Ausbildung und Arbeitsplätze

Ausbildungen in den Sozialbetreuungs- und Pflegeberufen müssen für die Auszubildenden unabhängig vom Ausbildungstyp kostenfrei sein. Die Einführung eines existenzsichernden Ausbildungsgeldes für die Deckung der Lebenshaltungskosten während der Ausbildung und sozialversicherungsrechtliche Absicherung sind dringend notwendig. Eine bedarfsgerechte Personalausstattung in allen Einrichtungen ist sicherzustellen und weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen müssen finanziert werden.

·    Pflegende Angehörige – Respekt und Wertschätzung

Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf muss verbessert werden und pflegende Angehörige müssen sozial abgesichert werden und ein dauerhaftes Einkommen erhalten, wenn sie die Pflege zu Hause selbst übernehmen. Pflegende Angehörige im erwerbsfähigen Alter sollen nach Beendigung der Pflegephase spezielle Hilfe beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erhalten.

·    Gemeinnützige Pflege

Um qualitativ hochwertige Pflege und Betreuung auch in Zukunft garantieren zu können, müssen Gemeinwohlorientierung und die Interessen der Kund:innen bei den Anbietern im Vordergrund stehen. Die wichtige Aufgabe der Pflegeversorgung darf nicht gewinnorientierten Konzernen überlassen werden. Pflegeeinrichtungen, die Bundes- oder Landesmittel beziehen, sollen daher nicht gewinnorientiert geführt werden dürfen.

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz