392/A(E)-BR/2023
Eingebracht am 12.07.2023
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Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Doris Hahn, MEd MA
Genossinnen und Genossen
betreffend Implementierung eines neuen Konzepts zur Sprachförderung
Sprachliche Fähigkeiten sind grundlegend für erfolgreiche Lernprozesse sowie Bildungswege und ermöglichen soziale Teilhabe. Die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten soll die Potentiale der Kinder bestmöglich unterstützen und eine gute Grundlage für den Eintritt in die Schule legen. Elementarpädagog:innen kommt damit eine Schlüsselrolle in der sprachlichen Förderung zu. Die Aus- und Weiterbildung aller Pädagog:innen, aber auch die ausreichende Personalausstattung von Kindergärten sind dafür entscheidende Ansatzpunkte. Auch deshalb braucht es dringend eine geeignete Strategie um den Mangel an Pädagog:innen in der Elementarpädagogik zu bekämpfen. Das gilt im Übrigen auch für den Schulbereich, der auch über einen Mangel an Lehrkräften klagt.
Dass mehr Lehrkräfte ein wichtiger Schlüssel in der Sprachförderung wären, bestätigt auch das Beispiel der Deutschförderklassen, die im Schuljahr 2018/19 unter türkis-blau eingeführt wurden. Zu große Klassen aufgrund fehlender Teilungszahlen bieten zu wenige Sprechgelegenheiten für Schüler:innen und mache Individualisierung der Förderung unmöglich.
Auch die kürzlich veröffentlichte Befragung der Universität Wien[1] vom 26. Juli 2023 bestätigt erneut, was Expert:innen und Praktiker:innen bereits seit der Einführung wissen: Deutschförderklassen sind für die Schulpraxis unbrauchbar und führen zu weiteren Nachteilen für Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist[2]. Die Befragung zeigt, dass ein Drittel der Schuldirektionen die ministeriellen Vorgaben zur Deutschförderung in der Praxis nicht umsetzt. Zudem geben mehr als die Hälfte der Schulleiter:innen an, dass es ihnen an ausreichendem Raum und Lehrpersonal für Deutschklassen mangelt.
Die Deutschförderklassen wurden eingeführt, um Schüler:innen, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, zu fördern. Die Realität zeigt, dass derzeit ein Fünftel der Schulleiter:innen (aufgrund fehlender Förderressourcen) Kinder die nicht ausreichend Deutsch sprechen, als außerordentliche Schüler:innen in Vorschulklassen einschiebt, obwohl diese eigentlich für nicht schulreife Kinder gedacht sind und nicht für Kinder die eine zusätzliche Sprachförderung benötigen. Es gibt auch Fälle, in denen Schülerinnen bewusst als außerordentliche Schüler:innen eingestuft werden, um mehr Sprachfördermittel zu erhalten. Die befragten Lehrkräfte bevorzugen überwiegend inklusive Modelle des Unterrichts und zweifeln an der ethischen Vertretbarkeit von Deutschförderklassen. Der Einstufungstest MIKA-D und die Regelung, dass ein Nichtbestehen des Tests zum Ende des ersten Semesters unausweichlich zur Wiederholung der Klasse führt, wird ebenfalls von über zwei Drittel der Lehrkräfte abgelehnt. Hier beginnt das Aussortieren von Tag eins, das Kindern wertvolle Zeit auf ihrem Bildungsweg raubt. Für die Betroffenen und deren Eltern, die gerade versuchen in Österreich Fuß zu fassen, ist es unerträglich, dass Kinder durch mehrmaliges Wiederholen einer Klasse auf dem Bildungsweg zurückgelassen werden. Derzeit melden sich vor allem ukrainische Familien und zweifeln daran, noch in Österreich zu bleiben, wenn ihre Kinder hier keine ausreichende und gleichwertig Bildung bekommen[3]. Das Ministerium arbeitet derzeit an einer Lösung für Schüler:innen, die in diesem Jahr den MIKA-D-Test erst mit Schuljahresende bestanden haben, um ihnen den Übergang in die nächste Schulstufe zu ermöglichen.[4]
Die derzeitige Situation und die neuen Befragungsergebnisse verdeutlichen erneut wie wichtig es ist, endlich eine zielführende und nachhaltige Alternative zu den segregierenden und benachteiligenden Deutschförderklassen zu finden. Zahlreiche Studien zeigen, dass der frühestmögliche Sprachkontakt mit gleichaltrigen Kindern, die in der Unterrichtssprache sprachlich kompetent sind, besonders wichtig für das Erlernen der Alltags- und Unterrichtssprache ist. Kinder lernen im sozialen Kontakt, im Spiel, auf dem Pausenhof, im normalen Unterricht – also in natürlichen Sprachsituationen. So wächst automatisch ihre Vertrautheit und Sicherheit im Umgang mit der deutschen Sprache. Überwiegend parallele Förderung, wie die Deutschförderklassen sind nicht zielführend. Es braucht eine integrierte Förderung mit gegebenenfalls additiven Unterrichtseinheiten, aber keine gesonderten Klassen, die Kinder aufteilen und weitere Ungleichheiten schaffen[5]. Die Regierung muss endlich ins handeln kommen und diesen Fehler revidieren. Unsere Bildungseinrichtungen müssen Orte sein, wo Gemeinschaftsgefühl und Solidarität gelebt wird, wo alle Kinder einen Platz haben und individuell nach ihren Bedürfnissen gefördert werden. Es braucht einen Sprachförderung, die Kinder dort fördert, wo sie es brauchen und sie nicht mit Überprüfungen und Ausgrenzung konfrontiert. Konzepte, wie der AK Sprachschlüssel[6] liegen auf den Tisch, sie müssen nur umgesetzt werden.
Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Abschaffung der Deutschförderklassen und die Implementierung eines neuen Konzeptes zur Sprachförderung an österreichischen Schulen vorsieht. Dabei sollen die Ergebnisse verschiedener Studien[7] und Evaluationsberichte[8] in einem ganzheitlichen Modell berücksichtigt werden und sich insbesondere am Sprachschlüssel-Konzept der Arbeiterkammer orientieren um langfristige, individuelle und inklusive Sprachförderung zu ermöglichen.“
Zuweisungsvorschlag: Unterrichtsausschuss
[1] Ergebnisse_OnlineErhebung_DFK_Juni23.pdf (univie.ac.at)
[2] Deutschförderklassen – Studie ortet Weiterentwicklungsbedarf (apa.at)
[3] Jede dritte Schulleitung hält sich bei Deutschklassen nicht an Vorgaben - Bildung - derStandard.at › Inland
[4] https://www.derstandard.at/story/3000000176523/ministerium-arbeitet-an-aufstiegsl246sung-f252r-ukrainische-sch252ler
[5] AK_INFO_Sprachschlüssel_4.Fassung.indd (arbeiterkammer.at)
[6] AK_INFO_Sprachschlüssel_4.Fassung.indd (arbeiterkammer.at)
[7] Müller B., Schweiger H. (2022): Abschlussbericht Forschungsprojekt Deutschförderklassen an der VS Deckergasse. AK Wien und Universität Wien.
[8] Spiel C., Popper V., Holzer J. (2022): Evaluation der Implementierung des Deutschfördermodells. BMBWF.