1079/AB-BR

Die Bundesräte Karl Pischl und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage,

betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit Sekten, pseudoreIigiösen Gruppie-

rungen, Vereinigungen und Organisationen sowie destruktiven Kulten, gerichtet und

folgende Fragen gestelIt:

''1. Können die Ergebnisse der Verfahren in Deutschland - vor aIlem bezüglich

ScientoIogy - für die österreichischen Justizbehörden richtungsweisend sein?

2. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Urteil des Unab-

hängigen Verwaltungssenats Wien vom 1.8.1995 zu?

3. Welche Maßnahmen sind lhrerseits zur Bewältigung von negativen Einflüs-

sen (wirtschaftliche Ausbeutung, psychische Abhängigkeit etc.) auf die Ein-

zelpersonen durch neue religiöse Gemeinschaften geplant?

4. Welche Anzeigen von Privatpersonen führten zu gerichtlicher Verfolgung von

Verantwortlichen solcher Gruppen?

5. Gegen welche Verantwortlichen von Sekten und destruktiven Kulten wurde

seitens der Staatsanwaltschaft wegen welcher Tatbestände ein Verfahren

eingeleitet (bitte um Auflistung)?

6. lst gegen Verantwortliche von ''Fiat Lux'' auch in Österreich wegen welchen

Tatbestandes ein Verfahren eingeleitet worden?''

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1 :

Durch die Bezugnahme auf die in der Anfragebegründung dargestellten Verfahren in

der Bundesrepublik Deutschland wird kein Fragenkreis angesprochen, der zur Zu-

ständigkeit des Bundesministeriums für Justiz gehörte. Es geht dabei zum einen um

die Beurteilung der Aktivitäten von Organisationen und Vereinigungen, die in der Öf-

fentlichkeit unter dem Überbegriff ''Sekten'' apostrophiert werden, nach dem Wirt-

schaftsverwaltungsrecht, zu dem auch das Gewerberecht zählt, und nach dem Fi-

nanzrecht; diese Beurteilung fällt aber ausschließlich in die Kompetenz der Verwal-

tungs- und Finanzbehörden, nicht aber in den Wirkungsbereich von Justizverwal-

tungsbehörden und Gerichten. Die zum anderen erwähnte Geltung des Arbeitsrech-

tes für ''Scientology'' betrifft die Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit und

Soziales.

Weder der Verein ''Scientology-Kirche Österreich'' noch die anderen in der Anfrage-

begründung erwähnten Vereinigungen sind gesetzlich anerkannte Kirchen oder Re-

ligionsgesellschaften. Sie genießen daher nicht völlige Unabhängigkeit bei der Ord-

nung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten im Sinn des Art. 15 des Staats-

grundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21.12.1867,

RGBl.Nr. 142. Die Rechte ihrer Angehörigen und Anhänger (Glaubens-, Gewissens-

und Religionsfreiheit) sind jedoch durch Art. 14 und 16 dieses Gesetzes verfas-

sungsrechtIich gewährleistet.

Zu 2:

Gegenstand der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes

Wien vom 1.8.1995 waren Fragen des Gewerberechts, das - wie schon zu 1 er-

wähnt - nicht zum Vollziehungsbereich des Bundesministers für Justiz zählt. Zur Be-

deutung dieser Entscheidung kann ich daher nicht Stellung nehmen.

Zu 3:

Im zivilrechtlichen Bereich bieten im besonderen das Familienrecht, das Sachwalter-

recht und das Konsumentenschutzrecht durchaus taugliche rechtliche Grundlagen

dafür, um von den Betroffenen und ihren Angehörigen Schaden abzuwenden. Eine

Erweiterung dieses lnstrumentariums scheint mir nicht geboten zu sein.

Der strafrechtliche Bereich wurde durch die Entschließung des NationaIrates vom

14. Juli 1994 angesprochen, mit der die Bundesregierung unter anderem aufgefor-

dert wurde, im Zusammenhang mit Sekten, pseudoreIigiösen Gruppierungen und

destruktiven Kulten auch die strafrechtlichen Bestimmungen auf ihre Wirksamkeit zu

überprüfen. Aufgrund dieser Entschließung wurde im Bundesministerium für Justiz

der bestehende Katalog gerichtlicher Straftatbestände in diese Richtung untersucht

und dabei festgestellt, daß grundsätzlich ausreichende Möglichkeiten bestehen, um

in Betracht kommende Handlungen von erheblichem sozialem Störwert erfassen

und ahnden zu können. Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang relevanten Straf-

bestimmungen verweise ich auf die Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanz-

lers zur Anfrage der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Höchtl und Kollegen, Zahl

50/J-NR/1996.

Das Bundesministerium für Justiz hat sich an der Erstellung einer Aufklärungsbro-

schüre des Bundesministeriums für Jugend und Familie mit dem Titel ''Die soge-

nannten Sekten'' durch Erstattung einer ausführlichen Stellungnahme zum Entwurf

der Broschüre beteiligt, in der dieser einer umfassenden Beurteilung nach zivil-, me-

dien- und strafrechtlichen Gesichtspunkten unterzogen wurde.

Zu 4:

Die im Umfrageweg befaßten Staatsanwaltschaften berichteten über keine Anzeigen

von Privatpersonen gegen Verantwortliche von Sekten.

Zu 5:

lch schicke voraus, daß Strafsachen im Zusammenhang mit Sekten im Justizbereich

nicht evidenzmäßig erfaßt werden. Eine Umfrage bei den Staatsanwaltschaften über

Verfahren gegen Verantwortliche von Sekten und destruktiven Kulten ergab folgen-

des:

Beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist ein Strafverfahren gegen Dr. Franz Jo-

sef H. u.a. als Verantwortliche der ''Church of Scientology'' wegen § 33 FinStrG an-

hängig. Die Verdächtigen sollen vermögenden Kursteilnehmern überhöhte oder

überhaupt fingierte Rechnungen zwecks Abgabenhinterziehung ausgestellt haben.

Das Bundesministerium für Inneres erstattete an die Staatsanwaltschaft Wien eine

Anzeige gegen den deutschen Rechtsanwalt Hans Dieter P. u.a. wegen §§ 165,

146 f StGB wegen verdächtiger Finanztransaktionen der ''ELF - Eternal Light Frater-

nity'', die als Verein mit angeblich humanitären Zielen organisiert ist und ihren Sitz in

Innsbruck hat. Die Staatsanwaltschaft Wien legte die Anzeige wegen § 165 StGB

am 9.1.1996 zurück und trat sie im übrigen an die StaatsanwaItschaft Innsbruck ab.

Diese ermittelt nun wegen Betrugsverdachts gegen Gernot M., den Repräsentanten

der ''ELF'' in Tirol, und andere Personen wegen §§ 146 f StGB.

Zu 6:

Die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten hat am

26.5.1992 gegen die Leiterin des Seminarzentrums ''Fiat Lux'' in Sittersdorf, Erika

B., Anzeige wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs erstattet. Hierauf

wurden beim Untersuchungsrichter des Landesgerichts Klagenfurt Vorerhebungen

beantragt. Da Erika B. über keinen Aufenthalt in Österreich verfügt, wurde ihre Aus-

schreibung zur Aufenthaltsermittlung im lnland veranlaßt und das Verfahren gegen

sie am 10.8.1992 gemäß § 412 StPO abgebrochen.