1119/AB-BR/96

Die Abgeordneten zum Bundesrat Dr. Kapral und Kollegen haben am 25. Juli 1996 unter der Nummer 1217/J-BR/'96 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "organisierte Kriminalität" gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

1. Seit wann sind Ihnen die Aktivitäten der sogenannten "Russen-Mafia" bekannt ?

2. Welche kriminellen Aktivitäten der "Russen-Mafia" insbesondere betreffend

a.) Prostitution, Mädchen- und Frauenhandel

b.) Drogenhandel

c.) Waffenhandel

d.) Autoschieberei

e.) Glücksspiel

f.) Schutzgelderpressungen

g.) Auftragsmord

h.) Geldwäsche

i.) Schleppertätigkeiten

waren in Österreich bereits Gegenstand sicherheitsbehördlicher Ermittlungen und welche Erfahrungen haben die Behörden jeweils mit diesen kriminellen Aktivitäten gemacht ?

3. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsbehörden der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion ? Gibt es einen Datenaustausch und/oder persönliche Kontakte von Sicherheitsorganen ?

4. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten und Europol ?

5. Welche österreichischen Dienststellen waren bisher mit der Aufklärung von "Mafia-Fällen" befaßt, und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen diesen Dienststellen ?

6. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und dem Innenministerium, werden wechselseitig Informationen ausgetauscht ?

7. Haben bei den Aktivitäten, die von der "Russen-Mafia" in Österreich gesetzt wurden, Verdachtsmomente bestanden, die auf Verbindungen zu ausländischen Regierungen schließen lassen ?

8. Waren diese Verdachtsmomente Gegenstand der Ermittlungen ?

9. Wie ist der Stand der Ermittlungen im Mord am georgischen Geschäftsmann Sanikidze ?

10. Auf Grund welcher Bestimmungen war Sanikidze in Österreich aufhältig; war er im Besitze einer gültigen Aufenthaltsbewilligung ?

Wenn ja, seit wann und auf Grund welcher Bestimmungen

11. War der ermordete Sanikidze den österreichischen Sicherheitsbehörden schon in der Vergangenheit als "Pate" bekannt ?

12. Ist den Sicherheitsbehörden bekannt, in welcher Beziehung der in den Medien als "Pate" bezeichnete Sanikidze zu kriminellen Organisationen stand ?

13. Medienberichten zufolge wurden bereits gegen andere "MafiaBosse", die laut Aussagen der Sicherheitsbehörden zu Sanikidze Kontakt hatten und teilweise ebenfalls von Österreich aus agieren, Ermittlungen geführt, konkret gegen Sergej Michailow, Wiktor Awerin, Demion Mogilevich, Alimzan Tochtachunow und Wjatscheslaw Iwankow ?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis ?

Wenn nein, warum nicht ?

14. Durch in letzter Zeit bekannt gewordene Geschäftsbeziehungen und Kontakten Sanikidzes zu hochrangigen sozialdemokratischen Expolitikern, wie insbesondere Leopold Gratz und Karl Blecha, stellt sich die Frage, ob es zu einer stillschweigenden Duldung der Sicherheitsbehörden kam ?

Diese Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Seit den politischen Veränderungen in Osteuropa konnte ein verstärktes Auftreten von Personen aus dem Bereich der ehemaligen UDSSR - vorerst ohne strafrechtliche Hintergründe - registriert werden. Die Existenz einzelner Gruppierungen aus dem Bereich der "Russen-Mafia" in Österreich wurde durch Strukturanalysen der mit 01.01.1993 gegründeten EDOK nachgewiesen.

Zu Frage 2:

Die kriminellen Aktivitäten der "Russen-Mafia umfassen, wie bereits in Ihrer Anfrage festgestellt, eine breite Palette und waren und sind Gegenstand sicherheitsbehördlicher Ermittlungen.

Auffallend sind enorme Geldflüsse und brutale Vorgangsweisen der Täter.

Zu Frage 3:

Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion erfolgt im Wege der Interpol, durch Datenaustausch der Sachbearbeiter, durch die wechselseitige Entsendung von Delegationen und auch durch persönliche Kontakte einzelner Sicherheitsorgane.

Sie wird ständig verbessert, könnte aber infolge verschiedener Gründe, die nicht im österreichischen Verantwortungsbereich liegen, erheblich effektiver sein.

Zu Frage 4:

Die Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten außerhalb des früheren Warschau-Paktes und mit "Europol" gestaltet sich bestens.

Zu Fragen 5 und 6:

Mit der Aufklärung von "Mafia-Fällen" waren bisher alle Sondereinheiten des Ressorts, also EDOK, EBS und EBT, im Einvernehmen mit den örtlichen Sicherheitsdienststellen, befaßt und die

Zusammenarbeit gestaltete sich friktionsfrei. In besonderen Fällen, wie etwa bei den sogenannten "Russen-Morden" wurden Sonderkommissionen gebildet. Informationen werden wechselseitig ausgetauscht.

Zu Fragen 7 und 8:

Solche Verdachtsmomente liegen gelegentlich vor und beziehen sich weniger auf ausländische Regierungen, sondern eher auf einzelne hochrangige ausländische Politiker und Beamte.

Zu Frage 9:

Es wurden in Budapest 2 Personen ausgeforscht und in Auslieferungshaft für Österreich genommen, welche im Verdacht der unmittelbaren Täterschaft stehen. Die Ermittlungen nach den Hintermännern laufen weiter.

Zu Frage 10:

Für SANIKIDZE stellte die österreichische Botschaft in Moskau für die Zeit vom 01.11.1995 bis 31.10.1996 einen Sichtvermerk aus. In seinem Ansuchen war als Zweck, die mehrmalige Ein- und Ausreise nach Österreich zu geschäftlichen Besprechungen angeführt.

Zu Fragen 11 und 12:

SANIKIDZE stand mit hoher Sicherheit in direkter Verbindung zum sogenannten "GODFATHER" der russischen OK in den USA und nahm mehrmals an Treffen von Führern/Paten der russischen OK in der Föderation und

im Ausland teil. Über seine eigene Stellung in der Hierarchie der russischen kriminellen Organisationen kann derzeit keine endgültige Aussage getroffen werden.

Zu Frage 13:

Es wurden auch gegen andere "Mafia-Bosse" in Österreich umfangreiche Ermittlungen geführt und es konnte ein weltweites internationales Netzwerk der kriminellen Organisationen mit dem Zweck, ihre kriminellen Aktivitäten zu unterstützen, festgestellt werden. Die Ermittlungsergebnisse werden unter den europäischen Staaten und den US-amerikanischen Behörden ausgetauscht.

Zu Frage 14:

In den Geschäftsbeziehungen und Kontakten SANIKIDZE's zu Ex-Politikern konnte kein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt werden.