1177/AB-BR BR
 
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1274/J - BR/1997, betreffend gefährliche
Bahntransporte durch Tirol, die die Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen am 13.
März 1997 (eingelangt am 14. März 1997) an mich gerichtet haben, beehre ich mich
wie folgt zu beantworten:
Einleitend erlaube ich mir zur Frage der Transporte von Vinylchlorid auf der Bahn
einige grundsätzliche Anmerkungen:
vinylchlorid ist ein Stoff, der aufgrund seiner Eigenschaften in die Gefahrgutklasse
2/Einstufungsziffer 2F einzustufen ist. Dieser Tatsache wird daher durch besondere
nach den Bestimmungen des RID/ADR anzuwendende Maßnahmen Rechnung getra -
gen, durch die mögliche Gefährdungspotentiale weitestgehend reduziert werden sollen.
Trotz des bedauerlichen Unfalles in Schönebeck bei Magdeburg ist es ein Faktum, daß
die Schiene statistisch gesehen das weitaus sicherere Verkehrsmittel gegenüber der
Straße ist. Aufgrund der Schienengebundenheit trifft dies auch aus Sicht der Kontrolle
bzw. Kontrollmöglichkeiten zu. Nicht zuletzt die letztgenannten Punkte würden es mir
insbesondere nicht erlauben, für ein einseitiges Beförderungsverbot auf der Bahn
einzutreten. Dies würde nämlich nur dazu führen, daß diese Transporte letztlich auf der
Straße mit all den negativen Konsequenzen erfolgen würden. Was die Vinylchlorid -
transporte auf der Bahn in Österreich anlangt, wurden seitens der ÖBB bereits zahlrei -
 
che Maßnahmen (Schulung, Meldungspflicht derartiger Transporte, Intensivierung der
Kontrolle bzw. Zusammenarbeit mit den Tiroler Feuerwehren etc.) veranlaßt, um die
größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten.
Ich darf Ihnen außerdem mitteilen, daß bereits mein Amtsvorgänger aus Anlaß des
Unfalles von Schönebeck den zuständigen Vertreter meines Ressorts im interna -
tionalen RID - Fachausschuß beauftragt hat, die eingehende Analyse dieses Unfalles
umgehend auf die Tagesordnung der Sitzung dieses Gremiums zu setzen, um zu
prüfen, inwieweit die geltenden Bestimmungen in Bezug auf das bestehende Risiko
angemessen und ausreichend sind. Darüber hinaus hat mein Amtsvorgänger den
zuständigen Beamten angewiesen, den Unfall von Schönebeck zum Anlaß zu nehmen,
im genannten Gremium grundsätzlich die Problematik eines Beförderungsverbotes von
Vinylchlorid (und zwar auf der Straße und der Schiene) auch unter Hinweis auf die
besondere Sensibilität dieser Frage für Österreich zur Diskussion zu stellen.
1., 2. Seit wann werden von den ÖBB Vinylchloridtransporte durch Tirol ge -
führt?
Wieviele derartige Transporte hat es seither gegeben?
Eine Bekanntgabe solcher Daten durch Regierungsvertreter ist nicht möglich, da es
sich um kommerzielle unternehmensbezogene Daten handelt.
Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der
Beförderungsweg nicht von den ÖBB sondern vom Absender festgelegt wird. Erst
wenn keine oder unzureichende Festlegungen durch den Absender vorlägen, könnten
die betroffenen Eisenbahnen den Beförderungsweg selbst wählen (Artikel 14 CIM).
3., 4. Welche Sicherheitsmaßnahmen werden im Zusammenhang mit diesen
Transporten getroffen?
Werden örtliche Feuerwehren und der Katastrophenzug des Bundeshee -
res vor derartigen Transporten verständigt?
 
Der internationale Transport von Vinylchlorid auf der Eisenbahn unterliegt den Si -
cherheitsbestimmungen des RID 1, worin dieser Stoff in der Gefahrgütklasse 2 (Gase)
zusammen mit fast 50 weiteren in der Ziffer 2F (entzündbare Gase) aufgelisteten
Einzelstoffen bzw. Stoffgruppen angeführt ist. Den jeweiligen Eigenschaften dieser
Stoffe entsprechend sind besondere Anforderungen insbesondere hinsichtlich der
verwendeten Kesselwagen und deren Tanks vorgeschrieben, womit darüber hin -
ausgehende Sicherheitsmaßnahmen nicht erforderlich sind. Durch die sogenannte
"RlD - Rahmenrichtlinie"2 sind die Mitgliedstaaten des EWR verpflichtet, die Bestimmun -
gen des RID auch für den nationalen Verkehr anzuwenden, womit auch von der EU das
RID als ausreichende Grundlage für den Schienenverkehr mit gefährlichen Gütern
bestätigt wurde.
Alle Sicherheitsbestimmungen des RID werden im Rahmen des dafür zuständigen, mit
namhaften Experten der Mitgliedstaaten besetzten Fachausschusses außerdem
regelmäßig überprüft und der sicherheitstechnischen Entwicklung angepaßt.
Außerdem hat mein Amtsvorgänger den Generaldirektor der ÖBB gesondert ange -
schrieben und ihn besonders auf die Problematik der Vinylchloridtransporte und die
Notwendigkeit entsprechender vertrauensbildender Maßnahmen, eines entsprechen -
den Eingehens auf die geäußerten Bedenken, von Informationen der ÖBB sowie der
Intensivierung der Kontakte mit den Einsatzorganisationen aufmerksam gemacht. In
seiner Antwort teilte der Generaldirektor mit, daß ein spezieller Informationsaustausch
bestehe, wobei aufgrund der mit diesen Organisationen abgestimmten Vorgangsweise
bei Eintritt eines außergewöhnlichen Ereignisses sichergestellt sei, daß alle Informatio -
nen für einen ausmaß - und risikomindernden Einsatz rechtzeitig und in vollem Umfang
zur Verfügung stünden.
1Convention relative aux transports internationaux ferroviaires (COTIF) Appendice B - Régles uniformes concernant le
contrat de transport international ferroviaire des marchandises (CIM) Annexe 1 Reglement concernant le transport international
ferroviaire des marchandises dangereuses (RID)
Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF), Anhang B - Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag
über die
internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM). Anlage 1 - Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefähr -
licher Güter
(RID), Zentralamt für den Internationalen Eisenbahnverkehr (OCTI) Bern, 1996, BGBI. Nr. l37/1967, iA BGB/. III Nr.39/1997.
2Richtlinie 96/49/EG des Rates vom 23. Juli 1996 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die
Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter, ABl. Nr. L 235 vom 17.9.1996, S. 25, in der Fassung der Richtlinie 96/87/EG der
Kommission zur Anpassung der Richtlinie 96/49/EG an den technischen Fortschritt, ABl. Nr. L 335 vom 24.12.1996, S.45.
 
Darüber hinaus wurde in diesem Schreiben festgehalten, daß die Österreichischen
Bundesbahnen, wie von mir bereits einleitend bemerkt, zur Gewährleistung größt -
möglicher Sicherheit eine Reihe von Präventivmaßnahmen (spezielle Kontrollen bei der
Übernahme der Sendungen von der DB - AG in Kufstein, Information der ÖBB - Mit -
arbeiter zusätzlich zu den Gefahrgutschulungen, geschäftsbereichübergreifende
Schwerpunktkontrollen in regelmäßigen Abständen) setzen. Außerdem seien die ÖBB
zur Zeit dabei, zur Erfüllung und Sicherstellung der von den Kunden verlangten Quali -
tätsanforderungen und zur Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus Qualitäts -
sicherungssysteme aufzubauen, bei welchen dem Gefahrgutbereich eine prioritäre
Stellung zukomme.
5. Wie hoch schätzen Sie das Unfallrisiko im dichtbesiedelten Tiroler Unter -
inntal und Wipptal ein?
Auf Grund der nach Expertenmeinung erwiesenermaßen geringen Eintrittswahrschein -
lichkeit für Unfälle auf der Schiene und des Umstandes, daß den möglichen gefähr -
lichen Effekten bei einem Unfall entsprechende im RID vorgeschriebene Sicherheits -
maßnahmen gegenüberstehen, ist das Unfallrisiko als insgesamt niedrig und in den
angesprochenen Tälern als keinesfalls höher als in vergleichbaren anderen europäi -
schen Regionen zu beurteilen.
6. Werden Sie Maßnahmen ergreifen, um diese Transporte und die damit
verbundene Gefahr für die anwohnende Bevölkerung in Zukunft zu unter -
binden?
lch darf auf meine einleitenden Ausführungen verweisen. Ergänzend möchte ich
anmerken, daß dieser Punkt erneut auf der Tagesordnung der nächsten Fachaus -
schußtagung (voraussichtlich im Herbst dieses Jahres) stehen wird. Über das Ergebnis
wird ausführlich berichtet werden.