1197/AB-BR BR

Die Bundesräte Dr. Tremmel, Dr. Bösch, Eisl und Kollegen haben am 5. Juni 1997 unter der
Nr. 1292/J - BR/97 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "den
tatsächlichen Mißbrauch von legalen Schußwaffen " gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
"1. Wieviele Delikte gegen Leib und Leben gab es jeweils in den letzten zehn Jahren?
2. Bei wievielen davon wurden Schußwaffen eingesetzt?
3. Wieviele von den dabei eingesetzten Schußwaffen waren illegale Waffen?
4. Wieviele illegale Schußwaffen, die in Österreich im Umlauf sind, gibt es schätzungsweise?
5. Wie hoch ist die Schußwaffenkriminalität Österreichs bezogen auf 100.000 Personen im
Vergleich mit den angrenzenden Nachbarländern?
6. Wie oft wurde in den vergangenen zehn Jahren von den Exekutivbeamten die
ordnungsgemäße Verwahrung von Waffen, aufgelistet nach Bundesländern, überprüft?
7. Wann war die letzte Novelle zum Waffengesetz?
8. Konnten die dahin verschärften Bestimmungen bereits evaluiert werden?
9. Sind Sie für eine weitere Novelle des Waffengesetzes, bevor man die Auswirkungen der
Verschärfungen überhaupt kennt?
10. Wieviele strafrechtliche Delikte werden in der benachbarten Schweiz mit legalen Waffen
begangen?
11. Wieviele strafrechtliche Delikte wurden mit automatischen Waffen des Bundesheeres
begangen, die beim sogenannten Versuch "Waffe im Schrank" in Vorarlberg ausgegeben
wurden, und von wem?
12. Wieviele Pumpguns wurden, seit dem Verbot dieser Waffen, legalisiert, wieviele wurden
tatsächlich zurückgegeben und wieviele sind schätzungsweise noch im Umlauf ?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zunächst weise ich darauf hin, daß dem Waffengesetz neben seiner zentralen Aufgabe, die
Bedingungen festzulegen, unter denen Menschen Waffen - vor allem Schußwaffen - besitzen
oder führen dürfen, die Funktion zukommt, ganz spezifische Gefahren, die aus dem Umgang
mit solchen Waffen resultieren, abzuwehren. Hiebei geht es allerdings nicht darum, die
Verwendung von Waffen bei Straftaten im Rahmen der professionellen, insbesondere auch der
auf die Erzielung von Vermögensvorteilen ausgerichteten Kriminalität zu verhindern - die
Verbrechensbekämpfung insgesamt ist Aufgabe der Sicherheits- und Kriminalpolizei - sondern
darum, jene Gefahren zu mindern, die von Waffen in der Hand nicht ausreichend geübter oder
unter besonderer psychischer Belastung stehender Menschen ausgehen. Das Regelungsziel
besteht also darin, möglichst zu verhindern, daß es zur Beeinträchtigung von Leib und Leben
eines Menschen deshalb kommt, weil eine mangelhaft verwahrte Waffe fahrlässig gehandhabt
wird oder weil im Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung eines Menschen der Punkt
überschritten wird, an dem der Betroffene innerhalb seines persönlichen Umfeldes vor
unmittelbarer, persönlich ausgeübter Gewalt zurückschreckt und zum nächstbesten Mittel
greift, um sie auszuleben.
Das Waffengesetz ist somit kein Normenkomplex der wesentlich dazu beiträgt, professionelle
Kriminalität zu verhindern, wohl aber einer, dem es angelegen sein muß, besonders darauf zu
achten, daß mit Schußwaffen ausgeübte Angriffe gegen Leib und Leben ein hohes
Verletzungspotential enthalten, sodaß die an sich nicht hohe Anzahl an Konfliktfällen deshalb
erhebliche Bedeutung gewinnen, weil die Opfer regelmäßig besonders schwer verletzt sind, ja
in einer Mehrzahl der Fälle sogar das Leben verlieren.
Im einzelnen beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Die Daten der in den letzten zehn Jahren begangenen Delikte gegen Leib und Leben und die
Anzahl der Fälle, bei denen dabei Schußwaffen verwendet worden sind, stellen sich wie folgt
dar:
1987Anzahl Fälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben80.977 52
davon Verbrechen251 33
davon Mord und - versuch133 32
1988AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben79.488 56
davon Verbrechen283 38
davon Mord und - versuch129 34
1989AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben80.735 46
davon Verbrechen318 33
davon Mord und - versuch150 27
1990AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben81.457 81
davon Verbrechen354 60
davon Mord und - versuch169 49
1991AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben83.169 66
davon Verbrechen409 47
davon Mord und - versuch182 41
1992AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben86.593 83
davon Verbrechen432 51
davon Mord und - versuch191 49
1993AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben82.772 73
davon Verbrechen446 61

davon Mord und -versuch180 49
1994AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben84.766 79
davon Verbrechen436 51
davon Mord und - versuch185 46
1995AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben83.298 70
davon Verbrechen402 51
davon Mord und - versuch168 43
1996AnzahlFälle von Schußwaffen -
gebrauch
Delikte gegen Leib und Leben81.796 64
davon Verbrechen436 51
davon Mord und - versuch170 45


Wie aus diesen Tabellen deutlich wird, ist die Anzahl der Fälle, in denen es zum
Schußwaffengebrauch kommt, im Verhältnis zur Gesamtzahl der strafbaren Handlungen gegen
Leib und Leben zwar verschwindend, allerdings wird auch deutlich, daß dann, wenn es im
Einzelfall zur Verwendung von Schußwaffen kommt, die Folgen fast in allen Fällen
lebensbedrohend sind. Man kann demnach davon ausgehen, daß im Rahmen der Delikte gegen
Leib und Leben der Mord oder Mordversuch im Durchschnitt der Jahre jenes Verbrechen ist,
bei dem es am öftesten zum Einsatz von Schußwaffen gekommen ist. Die Prozentsätze hierfür
bewegen sich zwischen 80 und 95 %.
Statistische Unterlagen, die Aufschluß darüber geben würden, ob bei der Begehung eines
Verbrechens "legale" oder "illegale" Schußwaffen Verwendung gefunden haben, gibt es nicht.
Es ist auch der Begriff der "illegalen Schußwaffe" nicht wirklich präzis umrissen. An sich wäre
darunter wohl jede Schußwaffe zu verstehen, die entgegen den Bestimmungen des
Waffengesetzes besessen oder geführt wird. Damit wäre etwa auch eine Waffe "illegal", die ein
Angehöriger des legalen Besitzers im gemeinsamen Wohnhaus in seinem Schlafzimmer (ohne
waffenrechtliche Berechtigung) verwahrt oder die der legale Besitzer einer Waffe führt, ohne
daß ihm ein Waffenpaß ausgestellt worden wäre. Der gemeine Sprachgebrauch, von dem ich in
der Folge ausgehen will, versteht darunter aber ausschließlich Waffen, die ohne entsprechende
waffenrechtliche Berechtigung erworben werden und von Menschen besessen werden, die die
waffenrechtliche Verläßlichkeit nicht besitzen.
Um über den Einsatz illegaler Schußwaffen bei Mord oder Mordversuch zumindest für ein
einziges Jahr näheren Aufschluß zu erhalten, ist für das Jahr 1996 eine Durchsicht sämtlicher
Einzelfälle vorgenommen worden. Demnach sind in 45 von den insgesamt 170
bekanntgewordenen Fällen von Mord oder Mordversuch Schußwaffen verwendet worden.
Hiebei sind in 23 Fällen illegale Waffen, in 22 Fällen legale Waffen zum Einsatz gekommen.
Bemerkenswert an dieser Einzelfalluntersuchung ist somit, daß doch etwa in der Hälfte der
Fälle legale Waffen verwendet worden sind, wobei als zusätzliche Auffälligkeit der Umstand zu
gelten hat, daß der weitaus überwiegende Teil der Fälle einer der Verwendung illegaler Waffen
im großstädtischen Bereich erfolgte, während im ländlichen Bereich überwiegend legale
Waffen eingesetzt worden sind.
Zu Frage 4:
Statistische Unterlagen darüber, wieviel illegale Waffen in Österreich im Umlauf sind, gibt es
nicht; jede Aussage darüber wäre daher reine Spekulation. Außerdem ist ein Rückschluß von
der Illegalität einer Waffe auf professionelle Kriminalität deshalb nicht zwingend, weil in vielen
Fällen die Illegalität der Waffen dadurch entsteht, daß beim Erwerb durch Erbschaft oder
Vermächtnis die gesetzlichen Meldevorschriften nicht eingehalten werden.
Zu Frage 5:
In Österreich wurde im Jahr 1995 bezogen auf 100 000 Einwohner 3,1 mal mit einer
Schußwaffe gedroht und 2,2 mal geschossen.
Für Nachbarländer kann dazu nur für die Bundesrepublik Deutschland eine eindeutige, mit der
österreichischen Statistik vergleichbare Aussage getroffen werden. Dort wurde im selben
Zeitraum je 100 000 Einwohner 15,8 mal mit einer Schußwaffe gedroht und 10 mal
geschossen.
In dem in der Österreichischen Richterzeitung 9/1994 von Franz CSASZAR publizierten
Artikel "Waffenrecht und Schußwaffenkriminalität" werden Vergleichszahlen der von den
Sicherheitsbehörden in Österreich und der Schweiz im Jahre 1993 sowie in Deutschland im

Jahre 1992 registrierten Straftaten, bei denen in irgendeiner Form eine Schußwaffe verwendet
worden ist, publiziert: Demnach entfielen auf jeweils 100.000 Einwohner in Österreich 7, in der
Schweiz 11 und in Deutschland 22 derartige Straftaten.
Zu Frage 6:
Die Überprüfüng der ordnungsgemäßen Verwährung von Schußwaffen kommt nach dem
Waffengesetz - sowohl nach alter, wie auch nach neuer Rechtslage - nur anlaßbezogen, also
dann, wenn eine konkrete Gefährdungslage vermutet wird oder im Rahmen der im
Fünfjahresrythmus durchzuführenden Verläßlichkeitsprüfung von Inhabern waffenrechtlicher
Urkunden in Betracht. Routinemäßige Überprüfüngen, die sich nur auf die sichere Verwahrung
beziehen, waren und sind - auch nach dem Waffengesetz 1996 - nicht vorgesehen.
Da die sichere Verwahrung ein wesentliches Kriterium für die Verläßlichkeit darstellt, sind
jedoch Rückschlüsse von der Zahl der Überprüfungen der Verläßlichkeit eines
Urkundeninhabers auf jene der sicheren Verwahrung wlässig, auch wenn die Intensität der
diesbezüglichen Maßnahmen von der jeweiligen Gewichtung der einzelnen Waffenbehörde
abhängt.
Zwischen 1987 und 1997 wurden in
Wien durchschnittlich 11 040
Niederösterreich durchschnittlich 11 073
Oberösterreich durchschnittlich 8 380
Steiermark durchschnittlich 8 062
Salzburg durchschnittlich 3 149
Kärnten durchschnittlich 3 300
Tirol durchschnittlich 3 014
Burgenland durchschnittlich 1 946
Vorarlberg durchschnittlich 1 448


jährlich wiederkehrende Überprüfungen der Verläßlichkeit durchgeführt. Hiebei war jeweils -
wie gesagt - auch die sichere Verwahrung der Waffen zu prüfen.
Zu den Fragen 7 bis 9:
Das am 1. Juli 1997 in Kraft getretene Waffengesetz 1996 wurde noch nicht novelliert. Eine
Evaluierung der tatsächlichen Auswirkungen der Neuerungen dieses Gesetzes, die sich
allerdings durchwegs nicht auf die eingangs dagelegte Problematik beziehen, ist noch nicht
möglich. Ich halte es daher für legitim, über ,,Nachschärfungen" in diesem Bereich
nachzudenken.
Zu Frage 10:
Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik der Schweiz (veröffentlicht vom Bundesamt für
Polizeiwesen, Eidgenössisches Justiz - und Polizeidepartement 1996) ist nur bei gewissen
Einzeldelikten, wie zB bei absichtlichen Tötungsdelikten oder Körperverletzungen, die
Verwendung von Schußwaffen ausgewiesen. Eine Aussage über die Anzahl der strafrechtlichen
Delikte, bei denen in der Schweiz legale Waffen Verwendung fanden, ist mir daher nicht
möglich. Illegale Waffen werden nicht besonders ausgewiesen.
Zu Frage 11:
Über die Anzahl der strafrechtlichen Delikte mit automatischen Waffen des Bundesheeres, die
beim Versuch "Waffen im Schrank" in Vorarlberg ausgegeben wurden, liegen dem
Bundesrninisterium für Inneres keine Informationen vor.
Zu Frage 12:
Im gesamten Bundesgebiet wurden bis zum Stichtag 30. Juni 1995, dem Ende der
Übergangsfrist, 777 Pumpguns abgegeben und 9 780 Bewilligungen zum Besitz (auch
mehrerer solcher) Waffen erteilt.
Eine seriöse Schätzung der noch im Umlauf befindlichen illegalen Pumpguns ist nicht möglich,
weil die dazu erforderlichen Zahlen über verkaufte, ein - oder ausgeführte Waffen nicht
feststellbar sind.