1258/AB-BR BR
 
Die Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen haben am 12. März 1998 unter
Nr. 1371/J-BR/1998 an mich eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche den folgenden
Wortlaut hat:
1. Wann ist aus Ihrer Sicht mit der Erreichung der Ziele der Agenda 2000 zu rechnen?
2. Welche finanziellen Auswirkungen sind mit der Erreichung der Ziele der Agenda 2000
für Österreich und insbesondere dessen Ostregionen zu erwarten?
3. Wird es seitens der EU das von Ihnen und dem Bundeskanzler per Memorandum ge -
forderte sogenannte "Sonderprogramm für die österreichischen Ostregionen" geben?
4. Welche konkreten Vorstellungen verbinden Sie mit diesem Sonderprogramm?
5. Wie lauten die bisherigen Stellungnahmen
a) der zuständigen EU - Kommissärin,
b) Ihrer Ratskollegen aus den anderen Mitgliedstaaten
c) anderer EU - Gremien,
d) der EU - Fachbeamtenschaft
zum Memorandumsvorschlag?
6. Was gedenken Sie bei einer Ablehnung des Memorandums durch die zuständige EU -
Kommissärin bzw. die zuständigen EU - Gremien zu unternehmen um den Gefahren ei -
nes wirtschaftlichen und finanziellen Rückschlages für Österreichs Ostregionen zu be -
gegnen?
7. Was haben Sie als Außenminister bisher unternommen, um Österreichs aktive Mitwir -
kung innerhalb der Task - Force sicherzustellen?
8. In der Fragestunde des Bundesrates am 12.2.1998 bezifferten Sie die von der EU für
die nächsten sechs Jahre bereitgestellten Mittel für human resources, ländlichen Raum
und INTERREG zusammen mit 5 % der 210 Mrd. ECU geschätzter osterweiterungsko -
 
sten, also mit insgesamt 10 Mrd. ECU für drei große Aufgabenbereiche in der Gesamt -
EU.
a) Wieviel von den geschätzten 10 Mrd. ECU für drei Aufgabenbereiche, sechs Jahre
und die gesamte EU wird daher Ihrer Auffassung nach jährlich von der EU für Öster -
reichs human resources, ländlichen Raum und INTERREG - Programme zur Verfü -
gung stehen?
b) Woher wird der sparbudgetgeschädigte Nettozahler Österreich die Mittel für notwen -
dige Kofinanzierungen nehmen?
c) Woher wird der sparbudgetgeschädigte Nettozahler Österreich die Mittel für EU -
konforme nationale Ergänzungsmaßnahmen nehmen, wenn die EU - Dotierung nicht
ausreicht, den Verfall der österreichischen Ostregionen aufzuhalten?
9. An welchen der oben genannten EU - Programme können sich österreichische Land -
wirte zu welchen Bedingungen beteiligen, da eine Streichung zahlreicher agrarspezifi -
scher Spezialförderungsprogramme (z. B. Ziel 5b) geplant ist?
10. In welcher Form hat das von Ihnen mitunterzeichnete Memorandum an die EU die ne -
gativen Auswirkungen einer EU - Osterweiterung auf die österreichische Landwirtschaft,
insbesondere in den Grenzregionen, einbezogen?
11. Gegen welche sonstigen Nachteile einer EU - Osterweiterung für Österreich und seine
Grenzregionen hat ihr Ressort bereits Vorkehrungen getroffen? Welche?
Ich beehre mich diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Frage 1:
Die Agenda 2000, sowie sie am 15. Juli 1997 vorgelegt wurde, zerfällt in drei Teile: die
Erweiterung, die Reform der EU - Politiken und die Regelung der zukünftigen Finanzierung
der Union.
Der inhaltliche Gestaltung des Erweiterungsprozesses wurde am Europäischen Rat von
Luxemburg II im Dezember letzten Jahres beschlossen. Ein Zieltermin für die Beitritte
neuer Mitgliedstaaten ist darin nicht enthalten. Vielmehr wird festgestellt, daß der Ab -
schluß der Beitrittsverhandlungen von den Fortschritten der Beitrittskandidaten abhängt.
Die derzeit geltenden Finanzregelungen und Strukturverordnungen laufen Ende 1999
aus. Neue Regelungen in diesen Bereichen wären daher vor diesem Termin zu beschlie -
ßen. Der Reformbedarf im Bereich der Landwirtschaft ergibt sich aus der Entwicklung der
Märkte, aus der für 1999 vorgesehenen neuen WTO - Verhandlungsrunde über Agrarfra -
 
gen und aus der Erweiterungsperspektive. Österreich hat konsequent die Auffassung
vertreten, daß die Reformvorhaben der Agenda 2000 jedenfalls vor den ersten Beitritten
abgeschlossen werden müssen.
Zu Frage 2:
Gemäß Beschluß der Finanzausgleichspartner vom März 1997 lehnt Österreich eine
Überschreitung der derzeitigen EU - Eigenmittelobergrenze von 1,27 % auch für den Fall
von EU - Neubeitritten ab. Die Durchsetzung dieser Position erscheint aus heutiger Sicht
wahrscheinlich. Weiters wird die Bundesregierung bei den kommenden Verhandlungen
über die Agenda 2000 dafür eintreten, daß es zu keiner Verschlechterung der österreichi -
schen Nettozahlerposition kommen darf. Wenn entsprechende effizienzsteigernde Refor -
men im Agrar - und Strukturbereich durchgeführt werden - wofür Österreich im Sinne einer
sparsamen Haushaltsführung der EU jedenfalls eintreten wird - kann eine Umsetzung die -
ses österreichischen Zieles ebenfalls als durchaus realistisch angesehen werden.
Zu Frage 3:
Die Verhandlungen über die von der Kommission vorgelegten Verordnungsentwürfe sind
noch in der Anfangsphase. Daher ist es zur Zeit nicht möglich, das Verhandlungsergebnis
vorauszusehen. Wesentlich ist für Österreich, daß die Bedürfnisse der Grenzregionen im
Rahmen der zukünftigen Strukturpolitik entsprechend berücksichtigt werden. Mit welchen
Instrumenten und in welcher Form diese Berücksichtigung erfolgt, ist demgegenüber von
untergeordneter Bedeutung.
Zu Frage 4:
Das Sonderprogramm soll inhaltlich und geographisch flexibel gestaltet werden, um den
Bedürfnissen der jeweiligen Grenzregion bestmöglich angepaßt werden zu können, und
ausreichend dotiert sein, um auch die Förderung von Basisinfrastrukturen zu ermögli -
chen. Derzeit sind in Österreich Arbeiten über die Bedarfslage und die inhaltliche Ge -
staltung der zukünftigen Förderung der Grenzregionen im Gange.
 
Zu Frage 5 a) - d)
Die zuständige Kommissärin signalisierte Verständnis für die besondere Situation der
österreichischen Grenzregionen. Nach ihrer Auffassung sollte das von der Europäischen
Kommission vorgeschlagene Instrumentarium (insbesondere INTERREG) im Sinne der
österreichischen Anliegen genutzt werden.
Das Memorandum, welches die Forderung nach einem Sonderprogramm für die Grenzre -
gionen enthält, war nicht an die Mitgliedstaaten gerichtet. Offizielle Reaktionen der Mit -
gliedstaaten liegen daher nicht vor.
Auf regionaler Ebene ist im Rahmen einer Deklaration der österreichischen, deutschen,
finnischen und italienischen Grenzregionen, die auf Länderinitiative unter dem Vorsitz von
Frau Landeshauptmann Klasnic im Jänner dieses Jahres in Graz unterzeichnet wurde,
Unterstützung für das Sonderprogramm signalisiert worden.
Das Europäische Parlament hat noch vor dem Memorandum zum Sonderprogramm im
Plenum am 4./5. Dezember 1997 in Brüssel eine Entschließung zur Erweiterung
angenommen, in der auch auf die besondere Betroffenheit der Regionen mit Grenzen zu
den Beitrittskandidaten und auf die Notwendigkeit der besonderen Unterstützung über
Programme und Mittel hingewiesen wird.
Von der EU - Fachbeamtenschaft gibt es keine Stellungnahmen.
Zu Frage 6:
Derzeit stehen wir am Beginn eines langen und schwierigen Verhandlungsprozesses auf
Ratsebene. Es wäre daher verfrüht, in diesem Stadium österreichische Verhandlungspo -
sitionen vorwegzunehmen.
Zu Frage 7:
Die Bestellung der in der Task - Force "Erweiterung" tätigen Beamten obliegt der Europäi -
schen Kommission. Ich habe aber mit Nachdruck das Interesse Österreichs an der Be -
 
trauung eines Österreichers mit dem Posten eines der Verhandlungsführer deponiert.
Mittlerweile sind die 6 Verhandlungsführer bestellt worden, darunter Dkfm. Leopold
MAURER.
Zu Frage 8 a):
Die Kommission hat folgende Aufteilung vorgeschlagen, auf die ich mich in der Frage -
stunde bezog; Von den 210 Mrd. ECU, die den Mitgliedstaaten in der Periode 2000 - 2006
für Strukturmaßnahmen zur Verfügung stehen sollen, sollen 5% auf die Gemeinschaftsi -
nitiativen entfallen. Dies sind etwa 10 Mrd. ECU. Die Gemeinschaftsinitiative INTERREG
soll mit einem Drittel bis der Hälfte dieser 10 Mrd. ECU, also 315 bis 5 Mrd. ECU, dotiert
werden. Eine Mittelaufteilung für die Ziele 2 und 3 wurde von der Kommission nicht vor -
geschlagen. Österreich wird sich in den Verhandlungen für eine ausreichende Dotierung
des INTERREG - Programmes einsetzen. Der voraussichtliche Anteil der einzelnen Mit -
gliedstaaten an den Programmen kann erst beurteilt werden, wenn die Mittelzuweisung
und der Inhalt der Programme feststehen.
Zu Fragen 8 b) und c):
Diese Fragen beziehen sich auf keinen Gegenstand der Vollziehung des BMaA.
Zu Frage 9:
Da die Verhandlungen über die Reform der Strukturpolitik erst in der Anfangsphase sind,
ist es nicht möglich, detaillierte Aussagen über die einzelnen Ziele zu machen. Die Kom -
mission hat zwar vorgeschlagen, das Ziel 5b zu streichen, dafür aber einen umfassenden
Ansatz für eine integrierte ländliche Entwicklung vorgelegt, der von Österreich positiv be -
wertet wird. Die genaue Ausformung der Förderkriterien und der Dotation der Ziele wird
jedoch von den Verhandlungen unter den Mitgliedstaaten abhängen.
Zu Frage 10:
Zur Abwehr negativer Auswirkungen der Erweiterung auf die europäische Landwirtschaft
ist zunächst eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erforderlich, die Gegen -
stand der Verhandlungen im Rahmen der ,,Agenda 2000" ist. Weiters werden - dies ist
 
unter den Mitgliedstaaten und in der Kommission unbestritten - Übergangsregelungen in
den Beitrittsverträgen erforderlich sein die eine schrittweise Einbeziehung der neuen Mit -
gliedstaaten in die GAP vorsehen.
Beim österreichischen Memorandum ging es dagegen um die Neuordnung der Struktur -
politik, weshalb auf die Landwirtschaft nicht spezifisch eingegangen wurde.
Zu Frage 11:
Österreich ist in den Vorbereitungen für die Beschlüsse des Europäischen Rates von Lu -
xemburg zur Erweiterung konsequent dafür eingetreten, daß der Erweiterungsprozeß so
gestaltet werden muß, daß er sowohl für die neuen Mitgliedstaaten als auch für die heuti -
gen EU - Staaten bestmögliche Ergebnisse bringt. Österreich hat auf das Erfordernis wirt -
schaftlicher und sozialer Konvergenz hingewiesen und die Notwendigkeit ausreichender
Übergangsmaßnahmen in den Beitrittsverträgen hervorgehoben. Auch die Notwendigkeit
einer baldigen Anpassung der Kandidatenländer an die sozialen und Umweltstandards
der Union wurde ebenso wie die Dringlichkeit wirksamer Vorkehrungen im Bereich der
inneren Sicherheit betont.
Diese Haltung, die in die Dokumente der Union zum Erweiterungsprozeß eingeflossen ist,
wird auch die österreichische Position in den Beitrittsverhandlungen prägen.