1299/AB-BR BR
 
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche
parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Riess-Passer und Genossen vom
3.7.1998, Nr. 1412/J - BR, betreffend Europäische Transferunion, beehre ich mich folgendes
mitzuteilen:
Mit der Einführung des Euro fallen Wechselkursveränderungen als Anpassungsinstrument
der Wirtschaftspolitik für die Teilnehmerländer weg, was für Österreich zweifellos eine Ver -
besserung seiner Wettbewerbsfähigkeit zur Folge haben wird. Ein Großteil der teilneh -
menden Länder hat jedoch bereits seit mehreren Jahren dieses Instrument nicht mehr
benutzt. Als eines der Auswahlkriterien für den Eintritt in die Währungsunion war Stabilität
der Wechselkurse bzw. die 2 - jährige Mitgliedschaft im Wechselkurssystem gefordert. Das
bedeutet, daß alle teilnehmenden Länder zu lernen hatten, auf dieses Instrument zu ver -
zichten.
Der zitierte Art. 103a stellt sozusagen einen "Notstandsparagraphen" dar, welcher in außer -
gewöhnlichen Einzelfällen Beistandshilfe durch Einstimmigkeit ermöglicht. Die üblichen
Anpassungsschwierigkeiten können nicht als "außergewöhnliche Ergeignisse" betrachtet
werden. Darüber hinaus muß von Fall zu Fall einstimmig entschieden werden, wobei mög -
liche Finanzhilfen unter bestimmten Bedingungen zu gewähren sind. Österreich könnte also
durch seine Gegenstimme eine solche Finanzhilfe verhindern. Keinesfalls kann Art. 103a
daher als Rechtsgrundlage für ein Finanzausgleichssystem herangezogen werden.
Relevanter für den Normalfall ist Art. 104 b, welcher den Haftungsausschluß der Gemein -
schaft und einzelner Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten anderer Staaten regelt. Dadurch
 
ist die Eigenverantwortung jedes einzelnen Mitgliedstaats für seine Staatsverschuldung
gesichert.
Vor diesem Hintergrund ist zu den gestellten Fragen im einzelnen noch folgendes auszu -
führen:
Zu 1.:
Das grundsätzliche Prinzip eines jeden Finanzausgleiches besteht in der Funktion der Um -
verteilung von bestimmten Finanzmassen zugunsten finanzschwächerer und zulasten
finanzstärkerer Einheiten innerhalb eines geschlossenen Finanzierungssystems. Unter
Zugrundelegung dieses Verständnisses von einem Finanzausgleich besteht derzeit im
Rahmen der EU bereits ein europaweiter Finanzausgleich. Einerseits wird einnahmenseitig
der EU - Haushalt nach der Finanzkraft der einzelnen Mitgliedstaaten dotiert, andererseits
erfolgen die Rückflüsse der EU - Mittel in den einzelnen Mitgliedstaaten ausgabenseitig nach
der Maßgabe der wirtschaftlichen Notwendigkeit.
Auch die Währungsunion macht nach allgemeiner Auffassung keinen darüber hinaus
gehenden Finanzausgleich zugunsten schwacher Länder erforderlich. Durch die Erfüllung
der konvergenzkriterien haben die teilnehmenden Staaten ihre Reife für die Währungsunion
bewiesen. Der fiskalische Spielraum, welcher in den letzten beiden Jahren aufgebaut wurde,
sowie die eingeleiteten Flexibilisierungsmaßnahmen auf den Güter - und Arbeitsmärkten
werden dafür sorgen, daß etwa auftretende regionale Wirtschaftsschocks in Österreich aus -
geglichen werden können. Im übrigen sehe ich die Gefahr solcher Schocks als sehr gering
an.
Wie ich bereits mehrfach betont habe, wird Österreich im Zuge der Diskussion um den EU -
Haushalt und seine Dotierung alles unternehmen, damit es zu keinen zusätzlichen finan -
ziellen Belastungen kommt.
Zu 2.:
Zweifellos bestehen trotz erreichter monetärer Konvergenz weiterhin starke regionale Unter -
schiede zwischen den Teilnehmerländern der WWU. Daraus entsteht jedoch kein
"Transferdruck", weil die einzelnen Länder unterschiedlich stark wirkende automatische
Stabilisatoren, unterschiedliche Transmissionskanäle der einheitlichen Geldpolitik und unter -
schiedlich flexible Güter - und Arbeitsmärkte aufweisen. Es ist Sache jedes einzelnen
Staates, durch geschickte Kombination dieser Merkmale eine möglichst hohe Anpassungs -
fähigkeit aufzubauen.
 
Zu 3.:
Eine derartige Mittelverwendung findet im Rahmen der vertraglichen Verpflichtungen nicht
statt. Die in Art. 103 a gegebene, Verpflichtung zur fallweisen Hilfe bei außergewöhnlichen
Ereignissen außerhalb der Kontrolle eines Mitgliedstaates - etwa bei Naturkatastrophen -
löst in jedem Fall eine sorgfältige Überprüfung der Anspruchsgrundlagen aus. Zu dieser
Solidaritätshilfe, welche immer nur einen außergewöhnlichen Einzelfall betreffen kann,
bekennt sich Österreich jedoch nicht zuletzt deshalb, weil im Katastrophenfall auch unser
Land auf die Hilfe seiner Partner zählen kann.