1312/AB-BR BR
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1416/J - BR/1998, betreffend Wahrung der An -
rainerrechte im eisenbahnrechtlichen Verfahren, die die Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen
am 3. Juli 1998 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Halten Sie das Eisenbahngesetz (1957) generell, speziell aber hinsichtlich des Umgan-
ges mit Grundeigentümern und anderen Betroffenen für zeitgemäß; wenn nein, was
beabsichtigen Sie in dieser Angelegenheit zu ändern?
Antwort
Ich halte das Eisenbahngesetz 1957 in seiner geltenden Fassung für eine ausreichende Vorsorge
zur Berücksichtigung betroffener Interessen im Baugenehmigungsverfahren (das einem Tras -
senverordnungsverfahren nach Hochleistungsstreckengesetz nachfolgt) und nach wie vor für
zeitgemäß. Was den angesprochenen "Umgang mit Grundeigentümern und anderen Betroffe -
nen" anbelangt, ist auszuführen, daß § 34 Abs. 4 Eisenbahngesetz 1957 insbesondere folgen -
den, von einem Eisenbahnbauvorhaben Betroffenen Parteistellung im eisenbahnrechtlichen
Baugenehmigungsverfahren einräumt:
- den Eigentümern der betroffenen Liegenschaften;
- den an den betroffenen Liegenschaften dinglich Berechtigten;
- den Wasserberechtigten und den Bergwerksberechtigten.
Nach Lehre und Rechtsprechung ist überdies diese Parteistellung nicht abschließend, son-
dern nur demonstrativ geregelt ( "insbesondere") und die Behörde hat die Frage der Partei -
stellung im Einzelfall zu prüfen. Auch der Gegenstand der Einwendungen gegen ein Eisen -
bahnbauvorhaben ist nicht beschränkt da im eisenbahngesetzlichen Verfahren "... alle sonst
vom Bauvorhaben berührten Interessen... " zu behandeln sind.
Diese umfassende Regelung der Parteistellung im Eisenbahngesetz geht im übrigen über die
für hochrangige Straßenbauvorhaben geltenden gesetzlichen Regelungen hinaus.
2. Halten Sie die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes, speziell auch hin -
sichtlich des Ersatzes von Rechtsvertretungskosten für Enteignete, für zeitgemaß
und bürgerfreundlich?
Antwort:
Das Eisenbahnenteignungsgesetz ist historisch als Gesetzesregelung für den Eisenbahnbau
entstanden, ist aber heute - ungeachtet seines weiter bestehenden Titels - aufgrund zahlrei -
cher bundes - und landesgesetzlicher Regelungen auch für die Enteignung zugunsten anderer
Vorhaben anzuwenden. Es ist tatsächlich zu einem "allgemeinen Enteignungsgesetz" gewor -
den, weshalb die federführende legistische Betreuung und Weiterentwicklung dieser Ge -
setzesmaterie dem Bundeskanzleramt zukommt.
Was die konkret angesprochene im Jahre 1995 vom Parlament beschlossene Rechtsvertre -
tungskostenregelung betrifft, kann im übrigen bemerkt werden, daß diese vor kurzem vom
Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden ist, sodaß eine neue Behandlung dieser Frage
aufgeworfen ist.
3. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß im eisenbahnrechtlichen Verfahren vielfach
landesgesetzliche Naturschutzbestimmungen nicht berücksichtigt werden, im Hin -
blick auf die Prinzipien des Föderalismus?
Antwort:
Der konkrete Vollzug von landesgesetzlichen Naturschutzbestimmungen fällt aufgrund der
österreichischen Verfassungsrechtslage nicht in die Zuständigkeit der Eisenbahnbehörde.
Unter Bedachtnahme auf die rechtliche Zulässigkeit ist es allerdings Verwaltungspraxis
durch die Beiziehung von Amtssachverständigen für Naturschutz in eisenbahnrechtlichen
Baugenehmigungsveffahren Aspekte des Naturschutzes besonders zu berücksichtigen.
4. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß Sie - gerade im Infrastrukturbereich - einer -
seits als Auftraggeber der Projekte, andererseits als Eisenbahnbehörde praktisch
über Ihre eigenen Projekte zu urteilen haben im Hinblick auf die Verfassungskon -
formität?
Antwort:
Mit der - im übrigen in verschiedenen Verwaltungsbereichen auftretenden - Frage der Zuläs -
sigkeit des Zusammentreffens hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Funktionen bei einem
Verwaltungsorgan hat sich der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt auseinanderge -
setzt, ohne daß eine solche Regelung als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft wurde.
Auch für den konkreten Sachzusammenhang beim Eisenbahnbau, die eisenbahngesetzliche
Zuständigkeit für Baugenehmigungen und die Anteilsrechte an der die Baugenehmigung
begehrenden Eisenbahn - Hochleistungsstrecken - AG, hat der Verfassungsgerichtshof in einem
1995 ergangenen Erkenntnis unter Bezug auf seine vorangegangene Rechtsprechung aus -
drücklich bestätigt, daß kein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze vorliegt,
wobei der Verfassungsgerichtshof hinzufügte, daß hier nicht einmal die Identität des Antrag -
stellenden mit dem behördlich entscheidenen Organ gegeben ist.