1341/AB-BR BR
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 1452/J - BR der Bundesräte Dr. Susanne Riess - Passer und
Genossen vom 22. Juli 1998, betreffend Nichteinhaltung der Konvergenzkriterien, beehre ich
mich folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Die einheitliche Geldpolitik in der dritten Stufe der WWU, welche vor allem auf Stabilität be -
dacht ist, ist in erster Linie darauf ausgerichtet, die wirtschaftlichen Parameter Inflation,
Zinsen und Wechselkurse zu beeinflussen. Daher ist im Vertrag von Maastricht vorgesehen,
daß diese Parameter im Vorfeld der Einführung der gemeinsamen Währung eine möglichst
hohe Konvergenz aufweisen müssen, um die einheitliche Geldpolitik nicht von Anfang an vor
Probleme zu stellen. Weiters ist es wichtig, daß bei einer stabilitätsorientierten Geldpolitik
(sowohl bei Einführung der gemeinsamen Währung als auch in weiterer Folge) nicht ein un -
erwünschter wirtschaftspolitischer Policy - mix in der Währungsunion zum Tragen kommt, der
sich negativ auf die Wirtschafts - und Beschäftigungsentwicklung niederschlägt. Deshalb sind
Fiskalkriterien in den Vertrag aufgenommen worden, die permanent eingehalten werden
müssen. Die nun an der gemeinsamen Währung teilnehmenden Mitgliedstaaten der
Europäischen Union haben diese Konvergenzbedingungen erfüllt. In diesem Sinne haben
die Konvergenzkriterien gemäß Art. 109 Abs. 1 EG - V den Gleichlauf der an der ge -
meinsamen Währung teilnehmenden Volkswirtschaften gewährleistet.
Zu 2.:
Die monetären konvergenzkriterien (Wechselkurs, Zinsen, Inflation) werden in der dritten
Stufe der WWU im wesentlichen von der einheitlichen Geldpolitik bestimmt werden. Die
dauerhafte Erfüllung dieser Konvergenzkriterien wird daher vertragsgemäß von EZB/ESZB
gewährleistet.
Art. 104c EG - V (Verfahren bei einem übermäßigen Defizit) sieht die dauerhafte Erfüllung der
Fiskalkriterien vor. Dieses Verfahren bei einem übermäßigen Defizit ist zudem durch den
Stabilitäts - und Wachstumspakt konkretisiert und beschleunigt worden.
Zu 3.:
Die Konvergenzkriterien gemäß Art. 109j Abs. 1 EG - V spielen in Zukunft nur noch dann eine
Rolle, wenn weitere Mitgliedstaaten der Europäischen Union die gemeinsame Währung
einführen wollen. Ich gehe davon aus, daß aufgrund der eindeutigen Vorgaben des Ge -
meinschaftsvertrages anläßlich der Teilnehmerentscheidung von Anfang Mai 1998 und allen
zukünftigen Teilnehmerentscheidungen keine unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe her -
angezogen werden.
Zu 4.:
Wie bereits in der Einleitung zur Anfrage richtigerweise festgehalten ist, sieht Art. 104c
Abs. 2(b) EG - V vor, daß in einem Mitgliedstaat die Schuldenquote nicht höher als 60% des
BIP ausfallen soll, um kein übermäßiges Defizit gemäß Art. 104c Abs. 1 EG - V aufzuweisen,
es sei denn, die Quote ist hinreichend rückläufig und nahe dem Referenzwert. Alle nun an
der gemeinsamen Währung teilnehmenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben
dieses Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrages erfüllt. Dies geht sowohl aus dem
Konvergenzbericht der Europäischen Kommission als auch aus jenem des Europäischen
Währungsinstituts hervor und ist von den Staats - und Regierungschefs der Europäischen
Union beim WWU - Sondergipfel Anfang Mai bestätigt worden.
Alle Mitgliedstaaten, deren Schuldenstand noch über 60% des BIP liegt, haben sich zudem
dazu bekannt, ihre Schuldenquoten in den nächsten Jahren weiter rückzuführen. Italien und
Belgien sind sich auch selbst bewußt, daß ihre Schuldenstände derzeit im Vergleich zu den
anderen WWU - Teilnehmern deutlich zu hoch sind. Sie haben sich aus diesem Grund in
politischen Absichtserklärungen dazu verpflichtet, erhöhte Anstrengungen zu unternehmen,
um ihre hohen Schuldenstände rasch abzusenken. Bei bloßer Aufrechterhaltung ihrer bereits
jetzt hohen Primärüberschüsse ist eine schnelle Reduzierung der Schuldenquote auch
durchaus im Bereich des Möglichen.
Zu 5.
Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit gemäß Art. 104c EG - V ist vor allem als
"Abschreckungs"- bzw. Korrektur - und erst in zweiter Linie als Sanktionsinstrumentarium
gedacht. Da das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit klare, transparente sowie präzise
inhaltliche und prozedurale Vorgaben enthält und die Beurteilung der Haushaltslagen
länderweise erfolgt, sehe ich nicht die Gefahr, daß der Stabilitäts - und Wachstumspakt
seiner Aufgabe nicht gerecht wird.
Zu 6.:
Die Verhängung von Sanktionen ist sowohl im Primärrecht unter Art. 104c Abs. 11 EG - V als
auch im Sekundärrecht in der Verordnung des Rates 1467/97 verankert. Dadurch ist die
Nichterfüllung von finanziellen Sanktionen in letzter Instanz beim EuGH einklagbar. Den
EuGH - Entscheidungen haben sich die Mitgliedstaaten bis dato immer unterworfen.