1392/AB-BR BR
 
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1499/J - BR betreffend die
Standortverlagerung von Unternehmen sowie die Rekrutierung billigen Arbeitnehmern im
Falle der Osterweiterung, welche die Abgeordneten Dr. Riess - Passer und Kollegen am
7. 10. 1998 an mich richteten, stelle ich fest:
 
 
Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 
 
Österreich ist - bezogen auf seine Einwohnerzahl - sowohl hinsichtlich der Anzahl als auch
hinsichtlich des investierten Kapitals wichtigster Investor in Mittel - und Osteuropa. Aufgrund
der geographische Nähe, der traditionell guten Beziehungen und der guten Kenntnisse der
Märkte in Mittel - und Osteuropa haben österreichische Unternehmen bisher rund
5,3 Mrd. US - $ in Mittel - und Osteuropa investiert. Mit über 15.000
Unternehmensbeteiligungen haben sich die österreichischen Unternehmen damit einen
wesentlichen Vorteil im internationalen Wettbewerb geschaffen.
 
Die Leistung der österreichischen Unternehmen sind um so bemerkenswerter, wenn man
bedenkt, daß die Investitionen aufgrund der Struktur der österreichischen Wirtschaft vor allem
von Klein - und Mittelbetrieben kommen im Gegensatz zu den meist strategischen
Großinvestitionen deutscher, amerikanischer, französischer, schweizer und niederländischer
Konzerne.
 
 
Die österreichischen Direktinvestitionen in den mittel - und osteuropäischen Staaten spielen
nicht nur eine wichtige Rolle in der Unterstützung des Transformationsprozesses in diesen
Ländern, d.h. im Strukturwandel, bei der Modernisierung veralteter Produktionen, beim
Ausbau des Dienstleistungssektors und der Infrastruktur, sondern sichern vor allem durch den
damit erzielbaren Kostenmix Produktionsstandorte in Österreich und damit längerfristig
österreichische Arbeitsplätze ab. So sind alleine durch die Ostöffnung netto mehr als 20.000
Arbeitsplätze in Österreich geschaffen worden.
 
 
Dazu kommt, daß Österreich vor der Ostöffnung als Wirtschaftsstandort für multinationale
Unternehmen eher unbedeutend war. Erst die Ostöffnung führte dazu, daß vermehrt
internationale Unternehmen regionale Headquarter für den osteuropäischen Markt in
Österreich errichteten. So schätzt die Betriebsansiedelungsgesellschaft Austrian Business
Agency, daß etwa 1 .000 internationale Unternehmen ihre Ostaktivitäten von Österreich aus
koordinieren; mehr als 100 davon mit echten Headquarter - Funktionen.
 
 
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der Schritt in Billigstandorte für ein Unternehmen
insoferne sinnvoll, als es dadurch seine internationale Konkurrenzfähigkeit stärkt und
gleichzeitig den Bestand des österreichischen Unternehmensteiles sicherstellt. Die Verlagerung
von Betriebsteilen in die osteuropäischen Staaten kommt demnach der österreichischen
Wirtschaft insgesamt und auch dem österreichischen Arbeitsmarkt zugute.
Dieser Strukturwandel vollzieht sich jedoch nicht nur in eine Richtung. Auch von Seiten der
Reformstaaten erfolgt eine verstärkte Investitionstätigkeit in Österreich; somit ist
 
beispielsweise Ungarn im Jahre 1997 bereits zum siebtgrößten Geberland an Investitionen in
Österreich geworden, vor renommierten Ländern wie Japan, Kanada, Frankreich oder der
Schweiz.
 
 
Die EU - Erweiterung bietet daher für österreichische Unternehmen die einmalige Chance,
durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit ihre internationalen Aktivitäten zu verstärken
und damit auch mitzuhelfen, einzelne strukturelle Schwächen der österreichischen Wirtschaft
zu beheben. Durch die EU - Erweiterung werden jedenfalls die Rahmenbedingungen für
grenzüberschreitende Kooperationen z.B. durch Abbau noch bestehender Handelshemmnisse
und den Wegfall zeitraubender Abfertigungs - und Wartezeiten an den Grenzen erheblich
verbessert, sodaß die gesamtwirtschaftlichen Effekte einer EU - Erweiterung für Österreich
positiv zu bewerten sind.
 
 
Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

 
 
Es ist ohne Zweifel anzunehmen, daß die EU - Erweiterung auch Auswirkungen auf den
österreichischen Arbeitsmarkt haben wird. Die bisher angestellten wissenschaftlichen
Untersuchungen zum Thema Migration und Arbeitsmarkt kommen aber zu teilweise sehr
unterschiedlichen Ergebnissen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß es kaum
Erfahrungswerte gibt, die auf die besonderen Umstände der EU - Erweiterung anwendbar
wären.
 
 
Wie ich bereits ausgeführt habe, ist aber davon auszugehen, daß Österreich - auch was den
Arbeitsmarkt anbelangt - bisher von der Ostöffnung profitiert hat. Gemäß einer Studie von
Breuss und Schebeck wurden seit 1989 insgesamt zusätzlich 56.000 neue Arbeitsplätze
geschaffen, wobei nach Berücksichtigung von Arbeitsplatzverlusten ein Nettogewinn von
20.000 Arbeitsplätzen verbleibt.
 
 
Außerdem möchte ich darauf verweisen, daß mit einem kräftigen Rückgang der
Erwerbsbevölkerung in Österreich zwischen 2015 und 2030 zu rechnen ist, sodaß die
Aufnahme zusätzlicher Arbeitskräfte sogar notwendig sein wird.
 
Schließlich belegt beispielsweise die EU - Erweiterung um Portugal und Spanien, daß die
Realität oft weit hinter den Ängsten zurückbleibt, nachdem sogar die ursprünglich
vereinbarten Übergangsfristen bei der Freizügigkeit innerhalb der Union gekürzt werden
konnten. Diese Freizügigkeit wird von den EU - Bürgern insgesamt nur wenig genützt,
anteilsmäßig jedoch überproportional von hochqualifizierten und mehrsprachigen Spezialisten.
 
 
Zusammenfassend ist festzustehen, daß bei allen Hochlohnländern ein Bestehen dieser
Situation nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn eine ständige Aus - und Weiterbildung
der Arbeitskräfte und eine Zunahme der Innovationsfähigkeit der Betriebe erfolgen. Diese
Vorgabe ist jedoch nicht durch die Ostöffnung alleine, sondern mit der zunehmenden
Konkurrenz von Seiten aller Billiglohnländern begründet.