1403/AB-BR BR
 
Auf die schriftliche Anfrage der Bundesräte Crepaz und Kollegen vom 22. Oktober
1998, Nr.1511/J - BR/98, betreffend nachteilige Auswirkungen des Agrarförder -
systems im Rahmen der Agenda 2000 auf die österreichischen Landwirte, beehre ich
mich folgendes mitzuteilen:
 
Bevor ich Ihre Fragen im Einzelnen beantworte, darf ich folgendes feststellen:
 
Ziel der Beratungen über die Agenda 2000 ist, eine ökonomisch wie ökologisch sinn -
volle und sozial ausgewogene Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zu realisieren.
Im Rahmen des in Diskussion stehenden europäischen Agrarmodells als Leitbild für
das nächste Jahrtausend wird es auch zu einer grundlegenden Änderung des För -
derungsystems der Europäischen Union kommen. Beispielsweise ist davon auszu -
gehen, daß politischer Konsens zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Frage
des Ausbaus der Direktzahlungen für Umweltleistungen der Land - und Forstwirt -
schaft herrscht. Gerade diese weitreichende Neugestaltung des Förderungsystems
und der damit verbundene Verwaltungs - und Kontrollaufwand wird aber in der Studie
 
der Arbeiterkammer über die "Verwaltungskosten des Agrarsystems" vom März 1998
aus der Sicht des Bundesministeriums für Land - und Forstwirtschaft nicht ausrei -
chend berücksichtigt.
 
Zu Frage 1:

 
Einleitend darf darauf hingewiesen werden, daß die Agrarleitlinie" die für jedes Jahr
die Ausgabenobergrenze der Agrarausgaben darstellt, eingehalten werden muß.
Aufgrund der derzeit geltenden Bestimmungen wird die Agrarleitlinie für das jeweilige
Jahr mit 74 % des Bruttosozialprodukt - Wachstums zwischen 1988 und dem betref -
fenden Jahr und des von der Kommission für den gleichen Zeitraum geschätzten
BSP - Deflators berechnet. Bisher hat es zwischen den tatsächlichen jährlichen Aus -
gaben und der gemäß Agrarleitlinie festgelegten Ausgabenobergrenze immer einen
beträchtlichen Spielraum gegeben.
 
Der von der Kommission vorgeschlagene Betrag von 820 Mrd. ATS ist der sich auf -
grund der Berechnungsmodalitäten der Agrarleitlinie ergebende Betrag für das Jahr
2006, also die Obergrenze der Agrarausgaben für das Jahr 2006. Es ist daher nicht
richtig, daß das Agrarbudget laut den Kommissionsvorschlägen auf 820 Mrd. ATS
erhöht werden soll.

 
In der Übersicht über die Finanzkosten nach der Reform, welche gemeinsam mit den
Legislativvorschlägen der Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
vorgelegt wurden, werden die voraussichtlichen Ausgaben für die reformierte Ge -
meinsame Agrarpolitik im Jahr 2006 mit 49,35 Mrd. EURO geschätzt. Dies entspricht
einem Wert von rd. 680 Mrd. ATS, also um etwa 140 Mrd. ATS unter dem von Ihnen
angegebenen Wert. Der von Ihnen dargestellte Wert von 59,02 Mrd. EURO, das sind
rund 814 Mrd. ATS, entspricht in etwa der Agrarleitlinie, welche entsprechend der
interinstitutionellen Vereinbarung und der aktuellen finanziellen Vorausschau den
Ausgabenrahmen für die Gemeinsame Agrarpolitik definiert, jedoch nicht, wie bereits
oben ausgeführt, mit dem Agrarbudget der EU gleichzusetzen ist.
 
Es ist auch nicht zutreffend, daß ein Großteil der Subventionen als Flächenprämien
verteilt werden soll und die Mehrzahl der österreichischen Betriebe diese Förderun -
gen nicht erhalten wird, weil die österreichischen Betriebe kleinere Strukturen auf -
weisen. Vielmehr sind die von der Kommission vorgeschlagenen Direktzahlungen so
konzipiert, daß die institutionellen Preissenkungen durch Ausweitung des Kultur -
pflanzenausgleiches teilweise kompensiert werden sollen, aber auch etwa die Rin -
derprämien je Tier deutlich erhöht werden sollen. Diese Zahlungen sind den österrei -
chischen Produzenten ebenfalls zugänglich. So hatten etwa im Jahr 1998 gemäß der
aktuellen Auswertung des INVEKOS 113.000 Ackerbauern Anspruch auf die Aus -
zahlung des Kulturpflanzenausgleiches, 62.000 Bauern Anspruch auf die Mutterkuh -
haltungsprämie und 58.000 Bauern Anspruch auf die Sonderprämie für männliche
Rinder.
 
Darüber hinaus hat Österreich daher zur Weiterentwicklung der EU - Agrarpolitik und
vor allem zur Sicherung bäuerlicher Betriebe im Berggebiet und benachteiligten Re -
gionen einen Sockelbetrag gefordert, um der kleinbetrieblichen Struktur in Zukunft
noch besser Rechnung tragen zu können als bisher. Weiters ist es gelungen, in
schwierigen Verhandlungen mit der EU - Kommission einen überproportionalen Teil
der Agrarfördermittel für die österreichischen Bauern zu sichern. Insbesondere durch
die Strategie Österreichs, die Verordnung (EWG) Nr.2078/92 zu einem integralen,
horizontal ausgerichteten Förderungsansatz auszubauen, der letztlich eine flächen -
deckende Ökologisierung der österreichischen Landwirtschaft zum Ziel hat, konnte
ein weitaus größerer Anteil dieser Mittel für die österreichischen Bauern gesichert
werden, als er anteilsmäßig zustehen würde.
 
Zur Forderung nach mehr Transparenz ist anzumerken, daß im Grünen Bericht 1997
eine detaillierte Darstellung der Verteilung der Förderungsmittel der unter INVEKOS
abgewickelten Maßnahmen enthalten ist. Darin sind für jede Förderungsmaßnahme
aggregierte Daten (insgesamt, als auch getrennt für jedes einzelne Bundesland), wie
Anzahl der Förderungsfälle, Verteilung der Förderungsfälle auf Förderungsklassen,
ausbezahlte Förderungen je Förderungsklasse, prozentuelle Verteilung der Förde -
 
rungsfälle auf die Förderungsklassen und durchschnittlicher Förderungsbetrag je
Förderungsklasse, enthalten. Nach diesem Detaillierungsgrad wurden bereits Veröf -
fentlichungen beginnend mit dem EU - Beitritt (Grüner Bericht 1995) vorgenommen.
 
Zu Frage 2:

 
Unbestritten ist, daß in der Land- und Forstwirtschaft ein Strukturwandel stattgefun -
den hat. Die Auswertungen des WIFO für 1996 und 1997 zeigen in bezug auf die
Abwanderungsraten aus der Landwirtschaft Werte zwischen 2,5 bis 3% und damit
eine deutliche Verflachung gegenüber den wesentlich höheren Abwanderungsraten
der letzten 10 Jahre, die immer über 5% gelegen sind.
 
Infolge rückläufiger Produktionserlöse und der steigenden Bedeutung von Direkt -
zahlungen (Anteil an den landwirtschaftlichen Einkünften 1997 im Bundesmittel je
Familienarbeitskraft: 67 %) ist die dauerhafte Absicherung der Erwerbskombination
agrarpolitisch vordringlich, weshalb die Aufrechterhaltung vernünftiger Marktordnun -
gen für wichtige Produkte, die Fortführung des Umweltprogrammes, die entspre -
chende finanzielle Dotierung einzelbetrieblicher Förderungsmaßnahmen und vor al -
lem ein integrales Strukturkonzept für den ländlichen Raum unerläßlich sind.
 
Anzuführen ist auch, daß es Österreich im Wege der Beitrittsverhandlungen gelun -
gen ist, die Förderung für die kleinen Bergbauernbetriebe, die nach der EG -
Ausgleichszulagenverordnung keine Ausgleichszulage oder weniger erhalten hätten,
durch eine nationale Beihilfe (Wahrungsklausel) auch weiterhin zu unterstützen.
Weiters war es im Rahmen der lnvestitionsrichtlinie möglich, eine für Österreich be -
sonders günstige Auslegung der Richtlinienverordnung zu erreichen, wodurch die
meisten der Nebenerwerbsbetriebe auch weiterhin gefördert werden können.
 
Zu Frage 3:

 
Die österreichische Bundesregierung hat zu den Vorschlägen der Kommission eine
sehr kritische Haltung eingenommen und hinsichtlich der Kommission von der vorge -
schlagenen Senkung der institutionellen Preise und dem System der Ausgleichszah -
lungen Einvernehmen darüber erzielt, daß die Preissenkungen und die entsprechen -
den Kompensationszahlungen so gering wie möglich gehalten werden sollen. Die
österreichische Bundesregierung stimmt auch mit der vom Europäischen Rat bestä -
tigten grundsätzlichen Linie überein, daß die für die Durchführung der Gemeinsamen
Agrarpolitik erforderlichen Finanzmittel auf der Grundlage der Agrarleitlinie zu be -
stimmen sind.
 
Auf der Grundlage einer Empfehlung der Kommission gemäß § 7 Landwirtschaftsge -
setz 1992, BGBl. Nr. 375/1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 420/1996, in der auch
Vertreter aller politischer Parteien sitzen, wurde im Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die überprüft, welche Alternativen es
zu Fläche und Tierzahl als Förderungskriterien noch gibt. Weiters wird zur Verbesse -
rung der Verteilungsgerechtigkeit ab dem Jahr 2000 für direkte Zahlungen an Berg -
bauembetriebe ein neues System zur Bewertung der Erschwernisverhältnisse (neuer
Berghöfekataster) zum Einsatz kommen.