1896/AB-BR/2003 BR. GP

Eingelangt am 28.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

 

Anfragebeantwortung

Die Bundesräte Hagen, Kolleginnen und Kollegen haben am 1. April 2003 unter der
Nr. 2062/J-BR an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Lösung
der Transitfrage gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Anläßlich der Festlegung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates der Europä-
ischen Union am 28. März 2003 in Bezug auf den Erlaß der Verordnung über eine
Transit-Übergangsregelung für Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich
nach 2003 hat der österreichische Verkehrsminister folgende Erklärung im Hinblick
auf eine befriedigende Lösung der Transitfrage aus österreichischer Sicht zu Proto-
koll gegeben:

„Österreich hat stets betont, daß spezifische langfristige Lösungen und Rahmen-
bedingungen im Sinne der von der Union in der Erklärung Nr. 34 zum österreichi-
schen Beitrittsvertrag 1995 eingegangenen Verpflichtungen zur Gewährleistung
des notwendigen Schutzes der Menschen und der Umwelt vor den negativen
Auswirkungen des Straßengüterverkehrs erforderlich sind, um insbesondere auch
im Rahmen einer erweiterten Union zu gewährleisten, daß die erreichte Redukti-
on der Schadstoff- und Lärmbelastung durch den Lkw-Verkehr auch nach Auslau-
fen des geltenden Ökopunktesystems Ende 2003 nachhaltig und dauerhaft si-
chergestellt ist, wie es im Protokoll Nr. 9 zum österreichischen Beitrittsvertrag
primärrechtlich explizit festgeschrieben ist.

Das geltende Ökopunktesystem hat sich als wesentlicher Baustein in Richtung
einer nachhaltigen europäischen Verkehrslösung erwiesen. Es war und ist zudem
auch ein wirksamer Garant dafür, daß sich der europäische Warenverkehr im
Transit durch Österreich, insbesondere auch über den Alpenbogen - und zwar in
Nord-Süd sowie in Ost-West Richtung - entsprechend den Grundsätzen des Bin-
nenmarktes entwickeln konnte.

 


Da der im gegenständlichen Vorschlag für eine Übergangsregelung ab 2004 ge-
forderten Liberalisierung des Transitverkehrs mit EURO IV-Lkw kein umweltwirk-
sames Äquivalent gegenüber steht, ist dieses Ziel der dauerhaften Emissionsre-
duktion nicht gewährleistet. Österreich verweist in diesem Zusammenhang auf die
sich aus dem Vertrag von Amsterdam ergebenden Verpflichtungen, insbesondere
Artikel 6, sowie die diesbezüglichen im Hinblick auf eine nachhaltige europäische
Verkehrsentwicklung abgegebenen Erklärungen des Europäischen Rates sowie
des Verkehrsministerrates vom Dezember 2002. Österreich kann daher aus den
vorstehenden Gründen diesem Vorschlag in seiner vorliegenden Form nicht zu-
stimmen.

Im Sinne der von Österreich stets geforderten Verwirklichung eines nachhaltigen
europäischen Verkehrssystems unterstützt Österreich die von Rat und Kommis-
sion abgegebene Erklärung, alle Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewähr-
leisten, daß noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode des Europäischen
Parlaments eine neue EU-Wegekostenrichtlinie angenommen wird. Diese muß -
wie bereits Im Weißbuch zur Europäischen Verkehrspolitik bis 2010 und von den
Europäischen Räten von Göteborg im Juni 2001 und Barcelona im März 2002
gefordert - vor allem die Möglichkeit der Anlastung des Straßenverkehrs mit den
von ihm verursachten externen Kosten sowie der Querfinanzierung alternativer
Infrastruktur eröffnen.

Im Hinblick auf den Bau des Brennerbasistunnels unterstreicht Österreich die ge-
samteuropäische Bedeutung dieses Projektes. Die Verpflichtung zur Verwirkli-
chung des Brennerbasistunnels trifft daher nicht Österreich alleine, sondern muß
von den hauptbetroffenen Mitgliedstaaten und der Union mitgetragen werden.
Österreich erinnert in diesem Zusammenhang daran, daß die beschleunigte Rea-
lisierung des Brennerbasistunnels insbesondere von der Lösung der Finanzie-
rungsfrage, der Möglichkeit des Einsatzes einer wirksamen Querfinanzierung so-
wie einer Kofinanzierung dieses prioritären Projektes der Essener Liste in der
Höhe von 20% durch TEN-Mittel abhängt."

Zu Frage 2:

Der am 28. März 2003 beschlossene Gemeinsame Standpunkt des Rates in Bezug
auf den Erlaß der Verordnung über eine Transit-Übergangsregelung für Schwer-
lastkraftwagen im Transit durch Österreich nach 2003 wurde nach den Verfahrens-
regeln des Mitentscheidungsverfahrens am 7. April 2003 dem Europäischen Parla-
ment zur zweiten Lesung übermittelt. Es wird in dieser Phase entscheidend darauf
ankommen, daß alle österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlamentes an
einem Strang ziehen und in den jeweiligen Fraktionen für die österreichische Position
werben.

Die Bundesregierung wird sich jedenfalls - so wie im Regierungsprogramm für die
XXII. Gesetzgebungsperiode festgelegt - hinsichtlich des Auslaufens der Ökopunkte-
Regelung innerhalb der EU auf allen Ebenen und in allen Gremien dafür einsetzen,
bis zum Inkrafttreten der neuen Wegekosten-Richtlinie eine Übergangslösung unter
größtmöglicher Wahrung der österreichischen Interessen zu etablieren und sie wird
ergänzende innerstaatliche Maßnahmen (wie z.B. sektorale oder zeitliche LKW-Fahr-
verbote) prüfen. Im Zuge der Erarbeitung einer neuen Wegekosten-Richtlinie wird
sich Österreich insbesondere für die Einbeziehung des Konzepts sensibler Zonen


und des Prinzips der Kostenwahrheit im Sinne einer ökologischen Weiterentwicklung
der fahrleistungsabhängigen LKW-Maut und der Querfinanzierung der alternativen
Verkehrsinfrastruktur einsetzen.

 

 

Zu den Fragen 3 und 4:

Die Verhandlungen mit Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei, Slowe-
nien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern über deren Beitritt zur Euro-
päischen Union wurden beim Europäischen Rat in Kopenhagen am 12. und 13. De-
zember 2002 abgeschlossen. Der Ministerrat hat am 20. Dezember 2002 von den
Schlußfolgerungen des Vorsitzes und dem Ergebnis der Beitrittsverhandlungen
Kenntnis genommen.

Am 8. April 2003 hat die Bundesregierung dem Herrn Bundespräsidenten vorge-
schlagen, den Bundeskanzler und die Bundesministerin für auswärtige Angelegen-
heiten zur Unterzeichnung des Beitrittsvertrages und der Schlußakte zu bevollmäch-
tigen. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat bei dieser Ge-
legenheit schriftlich zu Protokoll gegeben, daß er davon ausgehe, daß die Bundesre-
gierung ihre Bemühungen hinsichtlich einer zufriedenstellenden Lösung in Bezug auf
die Erreichung des Ziels der nachhaltigen Reduktion der Schadstoffemissionen im
Straßenverkehr in und durch Österreich im Sinne ihrer Beschlüsse im Hinblick auf die
EU-Erweiterung auch nach dem Beschluß des Verkehrsministerrates vom
28. März 2003 und der Unterzeichnung der Beitrittsverträge in Athen mit Nachdruck
fortsetzen wird. Der Inhalt dieser Protokollanmerkung wird von der gesamten
Bundesregierung getragen.