2038/AB-BR/2004

Eingelangt am 06.09.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Inneres

 

Anfragebeantwortung

 

Die Bundesräte Prof. Konecny, Gruber, Mag. Susanne Neuwirth und GenossInnen haben
am 20. Juli 2004 unter der Nummer 2227/J-BR/2004 an mich eine schriftliche Anfrage
betreffend „unverständliche Vorgangsweise im Rechtsstreit zwischen dem Bund und
Salzburg um Kosten für die Bergung von Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg" gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

Zu Frage 1:

Gemäß § 42 Abs. 4 WaffG hat jedermann der wahrnimmt, dass sich Kriegsmaterial offenbar
in niemandes Obhut befindet, dies ohne unnötigen Aufschub einer Sicherheits- oder
Militärdienststelle zu melden, die die unverzügliche Sicherstellung der Gegenstände durch
die Behörde zu veranlassen hat.

Handelt es sich bei gemäß § 42 Abs. 4 WaffG sichergestellten Gegenständen um
sprengkräftige Kriegsrelikte, die aus der Zeit vor dem Jahr 1955 stammen (also auch aus
dem 2. WK) oder stehen die Gegenstände im Zusammenhang mit einer gerichtlich
strafbaren Handlung, so obliegt die weitere Sicherung und allfällige Vernichtung dem
Bundesminister für Inneres, in allen übrigen Fällen dem Bundesminister für
Landesverteidigung. Der Bund haftet für Schäden, die Dritten bei der Sicherung oder
Vernichtung dieses Kriegsmaterials entstehen bis zu einer Höhe von € 72.673,-.


Das Waffengesetz trägt somit der Sicherheitsbehörde als Verpflichtung die unverzügliche
Sicherstellung bereits wahrgenommenen Kriegsmaterials gem. § 42 Abs. 5 WaffG auf und
sieht bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, die weitere Sicherung und
allfällige Vernichtung sprengkräftiger Kriegsrelikte durch den Bundesminister für Inneres vor.

Das bedeutet, dass das Waffengesetz der Sicherheitsbehörde als Verpflichtung lediglich die
unverzügliche Sicherstellung bereits wahrgenommenen Kriegsmaterials und dem
Bundesminister für Inneres lediglich die „weitere" Sicherung und allfällige Vernichtung dieser
Gegenstände auferlegt, nicht jedoch die Nachsuche nach noch nicht entdecktem
Kriegsmaterial.

Was die Wahrnehmungsgrenze und damit den Beginn der Zuständigkeit der
Sicherheitsbehörde betrifft, ist darauf abzustellen, dass die vom Kriegsrelikt ausgehende
Gefahr hinreichend konkretisiert sein muss.

Laut Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst setzt der in der Sicherheits- als auch in der
Verwaltungspolizei maßgebliche Gefahrensbegriff voraus, dass ein Schadenseintritt
hinreichend wahrscheinlich ist. Die entfernte Möglichkeit eines Schadens allein genüge noch
nicht, um von einer Gefahr sprechen zu können. Sein Eintritt müsse zwar nicht gewiss, aber
doch hinreichend wahrscheinlich sein. Ein absoluter Schutz von Rechtsgütern nach allen
Richtungen - d.h. vor noch nicht hinreichend konkretisierten Gefahren - durch staatliche
Maßnahmen der Gefahrenabwehr bestehe nicht, vielmehr könne ein gewisses Restrisiko,
das der Privatsphäre jedes Einzelnen zuzurechnen ist, niemals ausgeschlossen werden.

Solange daher lediglich von einem bloßen Verdacht einer Gefahr gesprochen werden kann,
liegt noch keine Gefahr im beschriebenen Sinn vor. Erst wenn die Wahrscheinlichkeit des
Schadenseintrittes eine gewisse Intensität erreicht hat, ist der Staat verpflichtet, seine ihm
im Rahmen der Verwaltungspolizei übertragenen Aufgaben der Gefahrenabwehr
wahrzunehmen.

Aus der Formulierung des § 42 Abs.4 WaffG: „Wer wahrnimmt, dass sich Kriegsmaterial
offenbar in niemandes Obhut befindet, hat.." ist daher abzuleiten, dass von einer
hinreichend konkretisierten Gefahr erst bei tatsächlicher „Auffindung" eines Kriegsreliktes
gesprochen werden kann. Als „Aufgefunden" kann ein Kriegsrelikt (Bombe) erst bezeichnet
werden, wenn es freigelegt ist. In diesem Moment erst fällt es in die Zuständigkeit des
Bundesministeriums für Inneres, das dann dessen Sicherung (Entschärfung) und allfällige
Vernichtung gem. § 42 Abs 5 WaffG vorzunehmen hat.

Zu Frage 2:

Das Bundesministerium für Inneres hat seit dem 2. Weltkrieg 25.519.304 kg (Stichtag 31.12.
2003) an Kriegsmunition vernichtet. Die Anzahl der Fliegerbombenblindgänger beträgt
davon 20.663 Stück.


Im ersten Halbjahr 2004 sind unter anderem auch 45 Fliegerbombenblindgänger geborgen
worden.

Zu Frage 3:

Über den Personal- und Sachaufwand für das Büro ll/BK/6.3 hinaus sind keine zusätzlichen

Kosten angefallen; Fremdfirmen wurden bislang nicht herangezogen.

Da dem Büro nicht nur der Entminungsdienst, zu dem die Maßnahmen gem. § 42 WaffG
zählen, sondern auch andere Aufgaben obliegen, ist eine genaue Zuordnung der Kosten
bislang nicht möglich, da sich die Kosten- und Leistungsrechnung erst in der
Einführungsphase befindet.

Zu Frage 4:

RA Dr. Reinfried Eberl.

Zu Frage 5:

Aus prozessökonomischen Gründen hat die Finanzprokuratur einen vor Ort

niedergelassenen Rechtsvertreter betraut.

Zu Frage 6:

Bislang wurden noch keine Honoraransprüche geltend gemacht. Die zukünftig entstehenden
Kosten werden vom Prozessverlauf abhängen und können zum jetzigen Zeitpunkt nicht
seriös beziffert werden.

Zu Frage 7:

Zum außergerichtlichen Vergleich wurde von der Finanzprokuratur bislang keine

Stellungnahme abgegeben.

Zu den Fragen 8 und 9:

Das Ruhen des Verfahrens wurde vom Bundesministerium für Inneres dazu genutzt,
Sachverständigengutachten zur verfahrensanhängigen Frage einzuholen und diente nicht
der Verfahrensverzögerung.

Als sich im Laufe der Zeit zeigte, dass von der Klärung der anhängigen Rechtssache auch
die Lösung zahlreicher anderer vergleichbarer Fälle in Salzburg selbst, aber auch in
anderen Bundesländern abhängt, wurde es als zweckmäßig erachtet, nicht den nur den
Anlassfall klärenden Vergleich abzuschließen, sondern einer gerichtlichen Klarstellung den
Vorzug zu geben.

Dem Rechtsvertreter wurde daher am 30. Juni 2004 telefonisch avisiert, dass dem Vergleich
nicht zugestimmt wird; die schriftliche Erledigung erging am 1. Juli 2004.