2163/AB-BR/2005

Eingelangt am 09.12.2005
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0089-Pr 1/2005

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Bundesrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2363/J-BR/2005

 

Die Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Die nach wie vor ernorm hohen Häftlingszahlen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Zum Stichtag 1.10.2005 waren 1.971 Personen in Untersuchungshaft und 5.905 Personen in Strafhaft. Die Gesamtzahl der Insassen in den Justizanstalten betrug zu diesem Stichtag 8.818 Personen.

 

Zu 2:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu 3:

Durch das Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubes getroffen werden (BGBl. I Nr. 71/2003), wurde die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, kurzfristig die Voraussetzungen für einen Strafaufschub zu lockern und den Rahmen hiefür (bis zu 18 Monate) zu erweitern. Dieses Gesetz sollte dazu beitragen, den Zugang zur Strafhaft in vertretbarem Ausmaß abflachen zu lassen (EBRV 59 BlgNR XXII. GP 302). Dieser erweiterte Strafaufschub war nach diesem Gesetz bis zum  30. Juni 2005 befristet. Mit Bundesgesetz vom 5. Juli 2005, BGBl. I Nr. 64/2005 wurde diese Frist bis zum 30. Juni 2007 erstreckt.

Als weitere Maßnahme steht derzeit ein Modellversuch im Bundesministerium für Justiz in Vorbereitung, der „Gemeinnützige Arbeit als Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe“ vorsieht. Es soll dabei auch auf den Erfahrungen mit dieser Reaktionsform und der Infrastruktur im Bereich der diversionellen Erledigung aufgebaut und der Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen verringert werden. Ziel dieses Modellprojektes ist es, die Haftzahlen und somit auch die Kosten des Strafvollzuges zu verringern und gleichzeitig das Risiko einer Desintegration des Betroffenen in der Gesellschaft durch eine Inhaftierung zu vermeiden. Dieses als Modellprojekt konzipierte Vorhaben soll mit 1. Jänner 2006 beginnen und ist für die Dauer von 2 Jahren veranschlagt. Als zu erreichendes Planziel sollen nach dem jetzigen Stand der Überlegungen in den Modellstandorten (vorerst nicht im gesamten Bundesgebiet) 500 Personen pro Jahr gemeinnützige Arbeiten verrichten, anstatt eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten zu müssen. Während der Verrichtung der gemeinnützigen Arbeit soll die betroffene Person intensiv sozialarbeiterisch betreut werden. Nach Absolvierung des Arbeitspensums könnte das Gericht einen Beschluss auf nachträgliche Strafmilderung nach § 31a StGB fassen und gegebenenfalls die Geldstrafe auf das gesetzliche Mindestmaß reduzieren.

Ebenfalls vor dem Hintergrund des massiven Überbelags des österreichischen Strafvollzuges und zur Erreichung der Ziele der Rückfallsvermeidung und Hintanhaltung von Haftschäden soll ab 1. Jänner 2006 eine weiters Modellprojekt, nämlich das so genannte „Electronic Monitoring“ durchgeführt werden. Wie die Ergebnisse von Pilotprojekten in mehreren europäischen Ländern zeigen, könnte ein Bedarf nach engerer Kontrolle durch elektronische Systeme der Personenortung unter gleichzeitiger sozialarbeiterischer Betreuung bestehen, um die oben angeführten Ziele zu erreichen. Um die Eignung des „Electronic Monitoring“ für die österreichische Strafrechtspflege zu testen und zugleich weitere geeignete Anwendungsbereiche und Anforderungen auszuloten, soll diese Art der Überwachung vorerst nur in einer auf ein Bundesland und auf bedingt Entlassene beschränkten Eingangsphase eingesetzt werden. Für diesen Modellversuch werden derzeit die technischen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, so dass die Vollzugsgerichte im Rahmen der bedingten Entlassung die Möglichkeit haben, Weisungen unter Heranziehung von „Elektronischen Fußfesseln“ bei gleichzeitiger Anordnung der Bewährungshilfe zu erteilen. Der Verein NEUSTART hat für dieses Modell ein spezielles sozialarbeiterisches Leistungsangebot entwickelt, das gegenüber der bisherigen Bewährungshilfe eine deutlich höhere Betreuungsintensität vorsieht.

Zu 4:

Die derzeitige Belagssituation und das daraus resultierende Zahlenverhältnis Personal-/Insassen beeinflusst grundsätzlich die Gesamtsicherheit negativ.

Das BMJ hat daher sowohl im technischen Bereich (Neuinstallierung von weiteren Kameras, Bewegungsmeldern usw.) als auch im baulichen Bereich (z.B. Mauerkronensicherungen) zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen in die Wege geleitet.

Im Bereich der organisatorischen Sicherheit werden einerseits die Bediensteten in Aus- und Fortbildung verstärkt auf „neue Szenarien“ (z.B. die „Hilfe von Außen“ bei Ausbrüchen) vorbereitet, andererseits werden laufend Schwerpunktvisitierungen (Suche  vor allem nach Fluchtmitteln und anderen die Sicherheit und Ordnung gefährdenden Gegenständen) in Justizanstalten durchgeführt. Innerhalb der Justizanstalten werden Bedienstete speziell geschult, um die Eskalation von Konflikten zu vermeiden und im Falle einer Eskalation rasch und unter größtmöglicher Schonung aller Beteiligten eine solche Situation menschenrechtskonform zu bereinigen.

Aus dem gleichen Grunde wurde - wie auch bei anderen europäischen Polizei- und Vollzugsverwaltungen - der Taser nach einem umfangreichen Prüfungsverfahren und Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens als mindergefährliche Dienstwaffe eingeführt. Mittlerweile ist es bereits zu einem Einsatzfall gekommen, bei dem weder beim betroffenen Insassen noch den einschreitenden Beamten Verletzungen oder negative Folgen zu verzeichnen waren. Ein ähnlich gelagerter Fall hat vor einigen Jahren – ohne Tasereinsatz – zu schwerstwiegenden Folgen für alle Beteiligten geführt.

Weiters wurden in Absprache mit dem BMI die Streifen der Polizei im Umfeld von Justizanstalten intensiviert.

Zu 5:

Das Regierungsprogramm sieht im Kapitel Justiz (S. 9) eine „Ausweitung der bedingten Entlassung unter gleichzeitiger Setzung von Auflagen und Bedingungen“ vor. Schon in der vorausgegangenen (XXI.) Legislaturperiode war ein Gesetzentwurf des BMJ zur Neugestaltung der bedingten Entlassung ausgearbeitet worden (neue Umschreibung der materiellen Voraussetzungen, kürzere absolute Mindeststrafzeit, Einbeziehung des unbedingten Strafteils teilbedingter Freiheitsstrafen, Verzicht auf generalpräventive Gegengründe, 3/4-Entlassung auch bei Restrisikofällen mit intensiverer Kontrolle von Auflagen); er wurde jedoch mangels politischen Einvernehmens nicht zur Begutachtung versendet.

Das Bundesministerium für Justiz hat am 8. und 9. November 2004 gemeinsam mit der Vereinigung der österreichischen Richter und dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag eine von Univ.-Prof. Dr. Manfred Burgstaller moderierte Enquete zum Strafvollzug abgehalten. Dabei bildeten Fragen der bedingten Entlassung – auch unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten – einen Schwerpunkt. Allgemein wurde eine Neuregelung der gesetzlichen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung befürwortet. Vielfach wurde auch eine geänderte Zusammensetzung des Vollzugsgerichtes bei Entscheidungen über die bedingte Entlassung vorgeschlagen.

Das Bundesministerium für Justiz verfolgt die Ziele im Sinne des Regierungsprogramms und der Enquete weiter.

Zu 6:

Wie aus der nachfolgenden Übersicht entnommen werden kann, hat das Bundesministerium für Justiz alles daran gesetzt, um trotz der allgemeinen Sparvorhaben eine zusätzliche personelle Dotierung für den sensiblen Bereich der Justizanstalten zu erreichen. Diese Maßnahmen enthalten insbesondere, dass der Planstellenbesetzungsgrad angehoben wurde, zusätzliche Aufnahmemöglichkeiten für Berufsanfänger (Aspiranten) geschaffen und schließlich Zuteilungen von Angehörigen des österreichischen Bundesheeres in die Wege geleitet wurden.

 

Stichtag

Personal

(inkl. Zuteilungen BMLV;

inkl. Lehrlinge)

Veränderung in % zum Monat mit dem niedrigsten Personalstand seit dem 1. Jänner 2000

1. 3. 2004

3.253,08

-

1. 4. 2004

3.259,78

+ 0,21 %

1. 7. 2004

3.318,06

+ 2,00 %

1. 10. 2004

3.420,99

+ 5,17 %

1. 1. 2005

3.458,11

+ 6,31 %

1. 4. 2005

3.526,36

+ 8,41 %

1. 7. 2005

3.546,74

+ 9,03 %

1. 10. 2005

3.588,95

+ 10,33 %

 

Die Entwicklung zeigt, dass alle verfügbaren Ressourcen im Bereich der Personalbewirtschaftung sowie auch im Bereich der Ausbildung genutzt werden, um der Entwicklung der Insassenzahlen in den österreichischen Justizanstalten Rechnung zu tragen.

Der Stellenplan für das Jahr 2006 sieht im Vergleich zum Stellenplan 2005 für den Bereich der Justizanstalten eine Reduktion von 124 E2b-Planstellen vor. Das Bundesministerium für Justiz wird sich bemühen, diese Kürzungen gleichmäßig und auslastungskonform auf die einzelnen Dienststellen zu verteilen und durch entsprechende Begleitmaßnehmen (wie z. B. Ausbildungspool für 100 Berufsanfänger, Neugestaltung einer effizienten Grundausbildung, Personaleinsatzgruppen für unvorhergesehene Ausfälle und Auslastungsspitzen, Fortführung der bis zu 100 Zuteilungen aus dem Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung) abzufedern.

Zu 7:

Grundsätzlich besteht kein Zweifel, dass Arbeitslosigkeit ein kriminogener Faktor sein kann, dass also Arbeitslosigkeit (neben anderen Faktoren) dazu beitragen kann, dass jemand Straftaten begeht. Grund dafür ist die beim Einzelnen durch Arbeitslosigkeit oft ausgelöste Sinnkrise, verbunden mit sozialen und finanziellen Problemen. Trifft die Arbeitslosigkeit Personen, die sich ohnehin bereits in einer labilen und durch Anpassungsschwierigkeiten gekennzeichneten Lebensphase befinden, wie dies bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen oft der Fall ist, so kann dies problematische Entwicklungen verstärken. Empirische Daten, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, dass in Österreich derzeit tatsächlich Jugendarbeitslosigkeit zu einer Zunahme der Jugendkriminalität führe, liegen jedoch nicht vor.

. Dezember 2005

 

(Maga. Karin Gastinger)