2447/AB-BR/2009
Eingelangt am 06.02.2009
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung

NIKOLAUS BERLAKOVICH
Bundesminister
An den Zl. LE.4.2.4/0169-I 3/2008
Herrn Präsidenten
des Bundesrates
Parlament
1017 Wien Wien, am 5. FEB. 2009
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. der Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen
und Kollegen vom 9. Dezember 2008, Nr. 2649/J-BR/2008, betreffend
Modernisierungskonzept für die Behandlung und Zwischenlagerung von
in Österreich anfallenden radioaktiven Abfällen in Seibersdorf
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen vom 9. Dezember 2008, Nr. 2649/J-BR/2008, teile ich Folgendes mit:
Einleitend ist festzuhalten, dass das Management radioaktiver Abfälle in Österreich auf Basis der Regelungen des Strahlenschutzgesetzes erfolgt. Seit dem Jahre 2003 besteht zwischen dem Bund – vertreten durch das BMLFUW –, der Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH (NES) und der Gemeinde Seibersdorf ein Vertrag, der eine ordnungsgemäße Sammlung und Konditionierung der in Österreich anfallenden radioaktiven Abfälle sowie die Zwischenlagerung auf dem Gelände der NES bis zum Jahre 2030 gewährleistet.
Gemäß diesem Vertrag ist die NES verpflichtet, die in Österreich anfallenden schwach- und mittelaktiven radioaktiven Abfälle zu übernehmen, aufzuarbeiten und zwischenzulagern. NES hat auch für die Konzepte zu sorgen, damit diese Tätigkeit stets dem neuesten Stand der Technik entsprechend erfolgt.
Die laufenden Kosten für die Sammlung, Konditionierung und Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle durch die NES sind gemäß dem Verursacherprinzip vom Abfalllieferanten zu tragen; ebenso hat der Abfallverursacher auch einen Entsorgungsbeitrag zu entrichten, mit dem die Kosten für die zukünftige Endlagerung des Abfalls – soweit sie heute eingeschätzt werden können – abgegolten werden.
Der Bund übernimmt die Kostentragung für die Anlagen der NES, ihre allfällige Erweiterung, Instandhaltung und spätere Dekommissionierung.
Zu Frage 1:
Im Rahmen der einleitend genannten Verpflichtung, das Management der radioaktiven Abfälle auf dem bestmöglichen Stand zu halten, hat die NES Anfang 2007 dem BMLFUW mitgeteilt, dass für das zukünftige Abfallmanagement weitere Investitionen erforderlich sein werden und hat auf Aufforderung des BMLFUW im Juni 2007 ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Es beinhaltet Vorhaben, die bereits im Vertrag aus dem Jahr 2003 im Groben festgelegt worden sind, sowie zusätzliche Investitionen, mit denen dem sich ständig weiterentwickelnden Stand der Technik und des Arbeitnehmerschutzes Rechnung getragen werden soll.
Die wesentlichen Punkte dieses „Zukunftskonzepts“ sind:
- die Angleichung der Entsorgungseinrichtungen an die höchsten Standards vergleichbarer europäischer Institutionen, insbesondere durch Schaffung einer zentralen Abfallbehandlungsstelle,
- ein umfangreiches Programm zur Rekonditionierung des vorhandenen Abfalls, vor allem um Korrosionen der Abfallgebinde zu beseitigen und zu verhindern,
- Errichtung neuer sowie technische Adaptierung bestehender Lagerhallen, um die Abfallgebinde in Zukunft nach neuestem Stand der Technik klimatisiert und einzeln zugänglich zu lagern („Transferlagerung“), sowie
- diverse weitere Maßnahmen, die u.a. die Sicherheit der Anlagen auf dem NES-Gelände gegen das Eindringen Unbefugter noch weiter erhöhen.
Die Umsetzung dieses Konzepts wird nach nunmehriger Genehmigung durch den Bund in den Jahren 2009 bis 2020 erfolgen. Für 2009 und 2010 sind dafür € 5,3 Mio. veranschlagt, die Aufwendungen in den Folgejahren werden jeweils auf Basis der von NES vorgelegten Unterlagen zu den Teilprojekten bewilligt werden. Zu den Kosten für das Zukunftskonzept ist – ebenso wie zu den geringfügig steigenden Betriebskosten – anzumerken, dass ein Teil der geplanten Vorhaben bereits im Vertrag aus 2003 vorgesehen ist und dass durch das geplante Rekonditionierungsprogramm wesentliche logistische Arbeiten für eine spätere Endlagerung vorweggenommen werden.
Zu Frage 2:
Die Fässer mit konditioniertem radioaktivem Abfall in Seibersdorf sind derzeit nach herkömmlicher Technik dicht aneinander aufrecht stehend übereinander gestapelt. Im Gegensatz dazu wird nach dem zukünftigen Lagerungskonzept – welches im Vertrag aus dem Jahr 2003 festgelegt worden ist – jedes einzelne Fass direkt zugänglich sein.
Der radioaktive Abfall wird im Zuge der Konditionierung in der NES grundsätzlich verbrannt oder verpresst und die trockenen Rückstände danach in Zement eingegossen. Die Gebinde, in denen der so konditionierte Abfall gelagert wird, sind verzinkte und lackierte 200-Liter-Eisenfässer. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Feuchtigkeitsgehalt des Zements im Verein mit Temperaturschwankungen im Lauf der Jahrzehnte zu einer Korrosion dieser Fässer führen kann. Gemäß aktuellem Stand der Technik werden daher in der NES seit Längerem die neu konditionierten Abfallgebinde routinemäßig getrocknet, wodurch ein Korrodieren zuverlässig verhindert wird. Ein Teil der seit bis zu 30 Jahren gelagerten Fässer weist hingegen verschiedentlich Roststellen auf – übrigens ebenso wie in anderen Lagern in Europa, wo die gleiche Konditionierungstechnik eingesetzt wurde. Die Sanierung, insbesondere im Hinblick auf die zukünftige Endlagerung des Abfalls, erfolgt zweckmäßigerweise durch eine neuerliche Aufarbeitung der betroffenen Fässer nach der jetzigen Technik.
Es ist hierbei klar festzuhalten, dass durch das Korrodieren der Fässer keinesfalls eine Freisetzung von radioaktivem Material und Kontamination der Umgebung stattfinden kann, da die radioaktiven Stoffe in fester Form vorliegen und weiterhin in der kompakten Zementmatrix eingeschlossen bleiben. Die Korrosion der Abfallfässer stellt also in keiner Weise ein Sicherheitsrisiko dar.
Im Zuge der Umsetzung des Zukunftskonzepts sollen alle gelagerten Gebinde mit radioaktivem Abfall überprüft und soweit notwendig neu aufgearbeitet werden; die fertigen Fässer werden dann begehbar und klimatisiert gelagert, um höchsten Standards zu entsprechen. Nach der derzeitigen Planung soll die Rekonditionierung bis zum Jahr 2020 abgeschlossen sein.
Zu Frage 3:
Im Vertrag aus 2003 zwischen dem Bund, NES und der Gemeinde Seibersdorf ist festgelegt, dass seitens des Bundes bis zum Jahr 2020 entweder ein nationaler Standort für die Beseitigung bestimmt wird oder eine vertragliche Vereinbarung über eine internationale Lösung nachgewiesen werden kann und bis zum Jahre 2030 der Abfall von Seibersdorf in ein Endlager zu verbringen ist. Diese Verpflichtung für den Bund besteht also unabhängig vom Inhalt der derzeitigen Regierungsvereinbarung. Damit stellt sich auch zurzeit nicht die Frage einer Verlängerung der Zwischenlagerung des radioaktiven Abfalls in Seibersdorf über das Jahr 2030 hinaus.
Zu Frage 4:
Zum Schutz seiner Bürger und der Umwelt, aber auch als Mitglied der internationalen Gemeinschaft hat Österreich die Verpflichtung, für eine nachhaltige Lösung für seinen radioaktiven Abfall Sorge zu tragen. Allerdings ist die Endlagerung von radioaktivem Abfall ein Problem, das weltweit bisher nur ansatzweise gelöst wurde. Grundsätzlich gibt es für den in Österreich vorhandenen und neu anfallenden Abfall nur drei Optionen: Die Errichtung eines nationalen Endlagers, die Mitwirkung an einer internationalen oder regionalen Lösung für ein von mehreren Staaten gemeinsam genutztes Endlager oder eine Verlängerung der Zwischenlagerung des Abfalls, bis eine akzeptierte Lösung gefunden werden kann.
Klar ist, dass die Kosten für ein nationales Endlager angesichts der geringen in Österreich vorhandenen bzw. anfallenden Mengen an niedrig- und mittelaktiven radioaktiven Abfällen unverhältnismäßig hoch wären.
Im Strahlenschutzgesetz ist verankert, dass die Möglichkeit von internationalen Kooperationen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung in Betracht zu ziehen sind. Österreich beobachtet daher die Entwicklung auf diesem Gebiet sorgfältig und beteiligt sich auch an internationalen Gesprächen. Man ist aber im Moment noch weit von konkreten Ergebnissen entfernt. Die Errichtung eines multilateralen Endlagers in Österreich und der Import ausländischen Abfalls stehen jedenfalls nicht zur Diskussion.
Der Bundesminister: