2497/AB-BR/2009

Eingelangt am 01.09.2009
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

 

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Erwin Preiner

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

Wien, am  31. September 2009

GZ: BMG-11001/0250-I/5/2009

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2717/J-BR/2009 der Bundesräte Ferdinand Tiefnig, Martin Preineder, Reinhard Jany, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 und 2:

Derzeit gilt, dass das Erzeugnis “Kunstkäse“ bzw. Produkte, die dieses Erzeugnis als Zutat enthalten, keine Bezeichnung oder Aufmachung aufweisen dürfen, durch die der Eindruck erweckt wird, dass es sich um ein Milcherzeugnis handelt. Dies ist in der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 Artikel 114 und Anhang XII über die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die gemeinsame Marktordnung) geregelt, die in die Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft fällt. Der Ausdruck „Käse“ ist somit ausdrücklich Milchprodukten vorbehalten, es sei denn, es besteht keine Verwechslungsgefahr wie z.B. bei „Leberkäse“.

 

§5 Abs. 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl. Nr. 13/2006 verbietet das Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit zur Irreführung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels (Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart). Die Einhaltung des Irreführungsverbots ist über Routine- und Verdachtskontrollen durch die amtliche Lebensmittelaufsicht sicherzustellen.

Die besonderen Bedingungen für die Lebensmittelkennzeichnung sind in der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 –LMKV; BGBl Nr. 72./1993. idgF. festgelegt. Gemäß § 4 dieser Verordnung ist die Sachbezeichnung ein verpflichtendes Kennzeichnungselement. Es handelt sich dabei um die handelsübliche Bezeichnung oder eine Beschreibung der Ware und erforderlichenfalls ihrer Verwendung, die hinreichend genau ist, um es Käufern zu ermöglichen, die tatsächliche Art der Ware zu erkennen und sie von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen sie verwechselt werden könnte. Die Zuständigkeit für das LMSVG bzw. die LMKV liegt in meinem Ressort. Für Kontrollen der Einhaltung der Vorgaben des LMSVG bzw. der LKMV sind in mittelbarer Bundesverwaltung die Landeshauptleute zuständig.

 

Bezeichnungen wie „Analogkäse“ oder „Kunstkäse“ sind nicht zulässig (siehe Ausführungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007) und dürfen nicht auf dem Etikett stehen. Anstelle muss eine entsprechend klar zuordenbare Beschreibung von Käseimitaten bei Monoprodukten in der Sachbezeichnung des Produktes erfolgen. So müsste bei einem „Pizzamix“ – einem Erzeugnis zum Bestreuen von Gerichten – die Sachbezeichnung im Falle der (Mit)Verwendung von pflanzlichen Käseimitaten z.B. lauten „Erzeugnis aus Magermilch und pflanzlichen Fetten“ bzw. bei Lebensmitteln mit mehreren Zutaten muss sich ein entsprechender Hinweis in der mengenmäßig absteigend geordneten Liste der Zutaten finden. Fehlen entsprechende Hinweise und ergeben die Analysen der Lebensmittelaufsicht, dass Käseimitate verwendet wurden, liegt ein verfälschtes Produkt vor. Sind entsprechende Hinweise zwar vorhanden, aber mißverständlich bzw. wird gleichzeitig durch die restliche Aufmachung (z.B. durch eindeutige Bilder von Käse oder einer  „F.i.T“-Angabe, die typisch für Käse ist) suggeriert, es handle sich um Käse, liegt eine Irreführung vor.

 

Da die Beurteilung der Irreführung ein komplexer Prozess ist, habe ich die Unterkommission „Milch und Milchprodukte“ der Kodexkommission beauftragt, Begriffsbestimmungen und Beurteilungsgrundsätze im Zusammenhang mit „Kunstkäse/Analogkäse“ zu erarbeiten. Eine Verabschiedung der entsprechenden Richtlinie ist in der nächsten Plenumssitzung des Codex geplant. Das wird den Lebensmittelgutachtern – ob amtlich oder privat - jedenfalls die Einstufung erleichtern, ob ein Produkt irreführend gekennzeichnet ist oder nicht, und ist ein wesentliches Instrument zur Bereinigung des Marktes von irreführend gekennzeichneten Produkten aus oder mit Käseimitaten.

 

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Käseimitate „ausschließlich aus pflanzlichen Fetten“ de facto kaum vorkommen und es sich (fast) immer um Mischungen von Käse mit „Kunstkäse“ handelt. Die erwähnten Hochrechnungen aus Deutschland dürften diesen Umstand nicht berücksichtigen. Mischungen Käse/Kunstkäse erschweren auch die Beurteilung, ob eine Fälschung nach dem LMSVG vorliegt. Die Analytik und folgende Bewertung durch die Lebensmittelgutachterinnen und -gutachter richtet sich an der für Milchprodukte typischen Buttersäure aus. Buttersäure kommt in rein pflanzlichen Imitaten nicht vor, in Mischungen Käse/Kunstkäse entsprechend dem jeweiligen Mischungsverhältnis hingegen schon. An geeigneten zusätzlichen und verlässlichen Beurteilungsrastern wird derzeit intensiv gearbeitet.

 

Frage 3:

Sachbezeichnungs- und Zutatenkennzeichnungsregeln gelten ausschließlich für verpackte Produkte. Diese Regeln sind eu-weit harmonisiert, darüber hinausgehende nationale Bestimmungen sind eu-rechtlich nicht möglich. Für nicht verpackte bzw. offen abgegebene Waren und damit auch für die Gastronomie gibt es derzeit keine eu-weit harmonisierten Kennzeichnungsbestimmungen. Das Irreführungsverbot gilt allerdings auch hier. Wenn in Menükarten bei einem Gericht „Käse“ steht, müsste es sich daher auch um Käse handeln. Evaluierungsberichte hinsichtlich Auslobungspraxis in der Gastronomie liegen meinem Ressort derzeit nicht vor.

 

Frage 4:

Im Rahmen der amtlichen Kontrolle wird Käse verstärkt auf Zusammensetzung (Fettsäurezusammensetzung) und entsprechende Deklaration überprüft. Die bisher vorliegenden Ergebnisse zeigen hier keine höheren Beanstandungsquoten als bei anderen Warengruppen – dies harmoniert nicht mit der bisherigen medialen Berichterstattung von „massiver Konsumententäuschung“.

 

Wie bereits erwähnt, wurde von einer Arbeitsgruppe der Kodexkommission für die Sicherstellung der einheitlichen Beurteilung von „Kunstkäse“ von den Vertretern der beteiligten Kreise (Landwirtschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Konsumentenvertreter und Behörde) Beurteilungsgrundsätze und Begriffsbestimmungen erarbeitet. Diese werden im Herbst der Plenarversammlung der Kodexkommission zur Beschlussfassung vorgelegt.

 

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass pflanzliche Käseimitate - darüber herrscht grundsätzlich Einigkeit, selbst unter den Skeptikern – gesundheitlich unbedenklich sind, vorausgesetzt die Herstellungsverfahren entsprechen dem neuesten Stand der Technik. Für manche Menschen wie z.B. Personen mit einer Milchunverträglichkeit sind pflanzliche Alternativen zu Käse sogar eine willkommene Auswahlerweiterung. Lebensmittel, die keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, können ohne Einschränkungen wie z.B. Zulassungs- oder Meldeverfahren in der gesamten EU frei in Verkehr gebracht werden. Einschränkungen des freien Verkehrs von Käseimitaten bzw. Lebensmitteln, die dieses Erzeugnis enthalten, sind gemäß dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz nur möglich, wenn eine Gesundheitsgefährdung vorliegt.

 

Ich habe mit der Transfettsäuren-Verordnung BGBl. II Nr. 267/2009, die mit 1.9.2009 in Kraft tritt – indirekt - auch den Einsatz von Kunstkäse in Lebensmitteln beschränkt. Durch die Härtung von pflanzlichen Ölen entstehen künstliche Transfettsäuren. Von diesen geht – im Übermaß genossen – eine Gesundheitsgefahr aus. Eine Maßnahme zur Einschränkung von Transfettsäuren in Lebensmitteln ist daher möglich. Viele Kunstkäseprodukte enthalten den neuen Bestimmungen zufolge zu viele Transfettsäuren und sind daher in Österreich spätestens ab 1.9.2010 nicht mehr verkehrsfähig (Abverkaufsregelung und Übergangsfrist berücksichtigt), eine Herstellung von Käseimitaten mit mehr als 2 Prozent Transfettsäuren im Fettanteil in Österreich ist ab dem 1.9.2009 nicht mehr zulässig.

 

Weiters hat Österreich auf meine Initiative hin beim EU-Landwirtschaftsministerrat Ende Juni im Zusammenhang mit einem Fortschrittsbericht zur EU Verordnung über die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Verbraucherinformationsverordnung), auch angeregt, klare, eu-weit einheitliche Begriffe für Analogprodukte zu etablieren. Die Verbraucherinformationsverordnung wird derzeit auf EU-Ebene intensiv verhandelt. Die Europäische Kommission und auch andere Mitgliedsstaaten haben signalisiert, dass diese Verordnung für Begriffsdefinitionen, Zusammensetzungs- und Kennzeichnungsvorgaben für Analogprodukten nicht die geeignete Rechtsmaterie ist, da es sich um eine horizontale grundlegende Kennzeichnungsnorm handelt, die ohnedies klar und eindeutig das Täuschungsverbot vorgibt. Einheitliche Begriffe und weitere Vorgaben für Analogprodukte müssten daher eu-rechtssystematisch in sektoralen Bestimmungen aufbauend auf die gemeinsame Marktordnung normiert werden - in Analogie zur Regelung für „Margarine“ (die de facto ein pflanzliches Imitat von Butter ist). Die Zuständigkeit für sektorale Regelungen aufbauend auf der gemeinsamen Marktordnung liegt beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Mein Ressort würde einen derartigen Vorstoß jedenfalls begrüßen und unterstützen. Ich verweise auch darauf, dass auch der Dachverband der europäischen Verbraucherschutzorganisationen (BEUC) eine eu-weite Regelung von Käseimitaten in Analogie zur Regelung für Margarine fordert.