2592/AB-BR/2011

Eingelangt am 03.05.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 2800/J-BR/2011 der Bundesräte Dr. Brunner, Mayer, Michalke nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1 bis 4:

 

Im Vordergrund der Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems steht die gemeinsame strategische Ausrichtung und die integrierte und sektorenübergreifende Planung und Steuerung. Das Regierungsprogramm hält dazu auf Seite 194 fest:


 

„Ziel ist eine gemeinsame strategische Ausrichtung, integrierte und sektorenübergreifende Planung und Steuerung im Gesundheitswesen. Die in der geltenden Art 15a B-VG-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung im Gesundheitswesen enthaltenen Planungs- und Steuerungsansätze müssen weiterentwickelt werden. Dabei ist die Verbindlichkeit in der Gesundheitsplanung durch wechselseitige Abstimmung der intra- und extramuralen integrierten Leistungsangebotsplanung zu erhöhen und eine sektorenübergreifende Finanzierung für den ambulanten Bereich anzustreben.“

 

Zwischen der Schaffung von Modellregionen einerseits und dem Pooling der Sozial­versicherungs- und Bundesmittel für den Spitalsbereich auf Bundesebene besteht kein Widerspruch, vielmehr ergänzen sich diese beiden Maßnahmen. Es ist durchaus eine berechtigte Forderung, dass Bund und Sozialversicherung als wesentliche Finanziers im Gesundheitswesen, insbesondere auch im Krankenanstaltenbereich, den Einsatz ihrer Mittel in diesem Bereich auch entsprechend steuern können. Die Schaffung von Modellregionen, die von den Ländern schon in Angriff genommen hätte werden können, bleibt ebenso wie die Realisierung einer sektorenüber­greifenden Finanzierung im ambulanten Bereich weiterhin ein davon in keiner Weise tangiertes wesentliches Ziel. Ein Pooling von Mitteln auf Bundesebene beeinträchtigt in keiner Weise weder die Schaffung von Modellregionen noch eine sektorenüber­greifende Finanzierung auf Landesebene.

 

Für die Bildung von Modellregionen sieht das Regierungsprogramm ebenfalls eine Möglichkeit vor.

 

Auf Bundesseite ist davon auszugehen, dass die grundlegenden Voraussetzungen für modellhafte Projekte vorliegen. So verpflichtet § 84a ASVG die Sozialversicherungsträger bereits jetzt, an der Planung und Steuerung des Gesundheitswesens teilzunehmen und abgestimmte Ergebnisse (z.B. ÖSG) in ihrem Verwaltungshandeln und bei der Planung und Umsetzung der Versorgung der Versicherten mit dem Ziel eines optimierten Mitteleinsatzes durch koordiniertes Vorgehen zu beachten. Die Reformpools sind innerhalb des gesamten Auftrages zum Zusammenwirken noch ein spezifisches Instrument, um Optimierungen in der Versorgung gemeinsam zu entwickeln.

 

Auch Art. 20 der geltenden Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, BGBl. I Nr. 105/2008, sieht als eine der Aufgaben der Gesundheitsplattform auf Länderebene ausdrücklich die Erprobung und Umsetzung von Modellen zur sektorenübergreifenden Finanzierung des ambulanten Bereichs vor. Aufgrund des Art. 31 dieser 15a-Vereinbarung dient der Reformpool insbesondere auch zur Förderung von Pilotprojekten zur sektorenübergreifenden Finanzierung des ambulanten Bereichs.


 

Die Finanzierung von Leistungen des intra- und extramuralen Bereiches bedarf auf Grund der unterschiedlichen Zuständigkeiten einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Land und der Sozialversicherung. Solche Vereinbarungen werden durch die geltende Rechtslage keineswegs ausgeschlossen und sind somit schon derzeit möglich, aber bisher noch in keinem Bundesland aufgegriffen worden.

 

Darüber hinaus ist hinsichtlich des extramuralen Bereiches eine entsprechende Vereinbarung insbesondere betreffend die Geldflüsse und die Finanzierungsmoda­litäten zwischen der Sozialversicherung und der Ärztekammer im Rahmen des Vertragspartnerrechtes möglich. Auch solche Verträge könnten auf Basis der geltenden Rechtslage bereits jetzt abgeschlossen werden und damit Modellregionen ermöglicht werden.

 

Es ist jedoch zu beachten, dass auch befristete Modellprojekte sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen müssen und nicht Sonderrecht für einzelne Regionen geschaffen werden kann. So ist es beispielsweise kein Ziel des Gesundheitsministers, unterschiedliches Beitragsrecht in den einzelnen Bundesländern oder Regionen zu ermöglichen.

 

Die in Frage 3 angesprochenen Gremien sind in Form der Bundesgesundheits-kommission auf Bundesebene sowie der Landesgesundheitsplattformen auf Landesebene bereits geschaffen. Es liegt an den Ländern und der Sozialversicherung, die bereits bestehenden Möglichkeiten für eine sektorenübergreifende Finanzierung besser zu nutzen als bisher. Die Schaffung weiterer Steuerungsgremien auf Länderebene parallel zu den bereits bestehenden Landesgesundheitsplattformen ist aus Sicht meines Ressorts zur Initiierung und Durchführung entsprechender Modellprojekte keinesfalls erforderlich und zielführend.

 

Die geltende Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens zwischen Bund und Ländern, BGBl. I Nr. 105/2008, enthält ein Bekenntnis zur gemeinsamen integrierten und sektorenübergreifenden Planung und Steuerung im Gesundheitswesen. Planungsziele und Grundsätze werden dabei im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) gemeinsam festgelegt und die Planung erfolgt in den Regionalen Strukturplänen (RSG) auf Landesebene. Die Verbindlichkeit in der Gesundheitsplanung auf Länderebene soll durch wechselseitige Abstimmung der intra- und extramuralen Versorgungsplanung erhöht werden.

 

Die stationäre und ambulante Versorgungsplanung im Rahmen der RSG ist zwischen dem jeweiligen Land und der Sozialversicherung in der Gesundheitsplattform abzustimmen. Die RSG sind u.a. Grundlage für Vertragsabschlüsse der Sozialversicherung. Sozialversicherungsrechtlich ist sicherzustellen, dass die Gesamtvertragspartner im extramuralen Bereich ihre Verhandlungen darauf ausrichten (Art. 4 Abs. 5 der Vereinbarung).


 

 

Hinsichtlich der Festlegung der RSG durch die Gesundheitsplattformen auf Länderebene (Art. 20 Abs. 1 Z 3 der Vereinbarung) bestimmt Art. 19 Abs. 2 Z 4 lit c) der Vereinbarung, dass in Angelegenheiten, in denen die alleinige Zuständigkeit der Sozialversicherung besteht (extramuraler Bereich), die Sozialversicherung die Mehrheit bei Beschlussfassungen hat.

 

Im Sinne der oa. Bestimmung des Art. 4 Abs. 5 der Vereinbarung wurde mit BGBl. I Nr. 101/2007 in § 84a ASVG eine Verpflichtung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Sozialversicherungsträger geschaffen, sich an einer regionen- und sektorenübergreifenden Planung, Steuerung und Finanzierung des Gesundheitswesens zu beteiligen und die dabei abgestimmten Ergebnisse in ihrem Verwaltungshandeln und bei der Planung und Umsetzung der Versorgung der Versicherten durch koordiniertes Vorgehen zu beachten. Noch konkreter sieht die mit dem oa. Bundesgesetz novellierte Bestimmung des § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG als Inhalt der zwischen der Sozialversicherung und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge eine Festsetzung der Zahl und der örtlichen abzuschließenden Gesamtverträge eine Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärztinnen und -ärzte (Vertrags-Gruppenpraxen) - das ist der so genannte Stellenplan - unter Bedachtnahme auf die RSG vor. Diese Bedachtnahme auf die RSG wurde mit dem Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung, BGBl. I Nr. 61/2010, auch für allfällige Sonder-Einzelverträge mit Gruppenpraxen nach § 342a Abs. 5 ASVG normiert.

 

Aus diesen auf die gegebene Kompetenzverteilung abstellenden Rechtsgrundlagen ergibt sich, dass die Planung der ambulanten Versorgung in Abstimmung zwischen der Sozialversicherung und den Ländern erfolgen muss, wobei die Sozialversicherung ihrerseits in den Gesamtvertragsverhandlungen mit der Ärztekammer die Planungsvorgaben der RSG einfließen lassen muss.

 

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass ich gemeinsam mit den VertreterInnen der Bundesländer und der Sozialversicherung einen umfassenden Prozess für die Reform der Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens aufgesetzt haben, dessen Themen und Ziele gemeinsam mit den VertreterInnen der Länder einstimmig in der Bundesgesundheitskommission beschlossen wurden.

 

Frage 5:

 

Das österreichische System der Sozialversicherung ist vom Gedanken der Solidargemeinschaft geprägt und dient auch dazu, einen Ausgleich zwischen wohlhabenden und ärmeren Bevölkerungsteilen sowie zwischen Gesunden und Kranken zu schaffen. Durch die Einbeziehung nahezu der gesamten Bevölkerung in Österreich und die Anknüpfung der Beitragsleistungen an die Höhe des Einkommens werden die Risiken innerhalb der Versichertengemeinschaft effektiv verteilt.


 

Eine Prämienermäßigung für den Verzicht des direkten Zugangs zu Leistungserbringern (Zugang nur zum Arzt/zur Ärztin der Allgemeinmedizin als „Gate-Keeper“) würde die Wahlfreiheit der Versicherten jedenfalls und damit die Qualität der Versorgung möglicherweise beschränken, was ein Ausweichen der Versicherten in den intramuralen Bereich nach sich ziehen würde. Die vorgeschlagene Prämienrückvergütung würde ein Umstellen des einkommensabhängigen Beitrages auf ein Prämiensystem voraussetzen.

 

Wie aus der Fragestellung selbst hervorgeht, zielen die angeführten Vorschläge auf eine Patient/inn/ensteuerung ab, um das In-Anspruch-Nahme-Verhalten der Patient/inn/en zu reduzieren oder die Leistungserbringer an der Kostenersparnis durch reduziertes Leistungsvolumen zu beteiligen. Mein Ziel als zuständiger Bundesminister für Gesundheit ist es aber, das Bewusstsein und die Eigenverantwortlichkeit der Versicherten für ihre Gesundheit zu stärken, was sich unmittelbar in der Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen - sowohl im Vorfeld der Leistungszuständigkeit der sozialen Krankenversicherung als auch im Falle deren Aufgabenfeld - niederschlägt. An eine grundsätzliche Änderung des bestehenden und bewährten Systems in eine der in der Frage vorgeschlagenen Richtungen ist daher derzeit nicht gedacht.

 

Hinsichtlich der Honorierungssysteme für Vertragsärztinnen und -ärzte ist anzumerken, dass durch das bereits erwähnte Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung, BGBl. I Nr. 61/2010, im Zuge der Einführung von Gruppenpraxen in der Rechtsform einer GmbH im § 342a ASVG die vermehrte Honorierung mittels Fallpauschalen (hinsichtlich fächerübergreifender Gruppenpraxen sind jedenfalls Pauschalhonorierungen zu vereinbaren) vorgesehen ist. Mittels Sonder-Einzelverträgen sind unter anderem im Bereich der Honorierung auch abweichende Regelungen vom Gesamtvertrag möglich.