2597/AB-BR/2011
Eingelangt am 17.05.2011
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Herrn Präsidenten des Bundesrates Gottfried Kneifel Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0112-II/A/9/2011
Wien, am 17. Mai 2011
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 2806/J-BR/2011 der BR Mag. Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Laut Aussagen von Experten/innen sind neu auftretende Substanzen chemisch nicht immer leicht zu identifizieren. Da die Substanzen nicht für den Konsum bestimmt sind, weiß man in der Regel kaum etwas über die gesundheitlichen Auswirkungen im Falle ihres Konsums (Toxizität, Suchtpotenzial, Langzeitfolgen des Konsums etc.). Auch wirkt nicht jede Verbindung der betreffenden Substanzklasse psychoaktiv, bzw. kann die psychoaktive Wirkung innerhalb einer Verbindungsklasse unterschiedlich stark sein. Bei neu in Erscheinung tretenden Substanzen liegen daher zunächst kaum Informationen vor, die eine realistische Risikobewertung und Einschätzung der nach dem Suchtmittelrecht relevanten Frage, ob von einem den Suchtmitteln
vergleichbaren Gefährdungspotential auszugehen ist, erlauben. Eine Unterstellung neuer Substanzen unter das SMG setzt jedoch einerseits ihre Identifikation sowie andererseits das Vorliegen eines vergleichbaren Gefährdungspotentials der in der Suchtgift- oder Psychotropenverordnung erfassten Suchtmittel voraus.
Eine Unterstellung unter das Suchmittelrecht würde aber zur Kriminalisierung der meist jungen Konsumenten/innen führen, die Hersteller/innen im entfernten Ausland und den internationalen Handel hingegen kaum treffen.
Das SMG bietet daher aus gesundheitspolitischer Sicht als Regelinstrumentarium für neu auf dem betreffenden Markt in Erscheinung tretende psychoaktive Substanzen keinen geeigneten Ansatz.
Fragen 2 und 3:
Man muss davon ausgehen, dass die Bandbreite der in Betracht kommenden Substanzen und Substanzgruppen sehr groß und mittels Veränderung der molekularen Strukturen immer wieder leicht erweiterbar ist. Österreich ist in das Marktbeobachtungssystem der EU eingebunden. Dieses Monitoring zeigt, dass es sich um ein überaus komplexes und EU-weites Phänomen handelt, dem mit den herkömmlichen Strategien nicht beigekommen werden kann.
Dies bestätigt auch der am 12. Mai 2011 von der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle (EBDD) gemeinsam mit Europol veröffentlichte Bericht. Demnach wurden im Jahr 2010 durch die beiden Agenturen 41 neue psychoaktive Substanzen erstmals offiziell registriert. Bei den Stoffen handelt es sich um synthetische Cannabinoide, synthetische Cathinone und synthetische Abwandlungen von aus der Medizin bekannten psychoaktiven Stoffen. Eine bedeutende Gruppe stellen die synthetischen Cannabiniode dar, wie sie vor allem in den sogenannten Kräuter- bzw. Räuchermischungen enthalten sind. Derartige Mischungen sind erstmals Ende 2008/Anfang 2009 unter dem Namen "Spice" am europäischen und auch am österreichischen Markt aufgetaucht. Österreich war das erste Land in Europa, welches bereits im Jänner 2009 mittels Verordnung gemäß dem Arzneimittelgesetz (AMG) mit einem Verbot der in den „Spice“-Mischungen enthaltenen Substanzen reagierte (BGBl II Nr 6/2009). Mittlerweile haben neben Österreich auch zahlreiche andere europäische Staaten legislative Maßnahmen zum Verbieten oder zur Kontrolle derartiger oder verwandter Substanzen in diversen Räuchermischungen gesetzt.
Die österreichische Verordnung betreffend das Inverkehrbringen, den Import und das Verbringen von Räuchermischungen, die cannabinomimetisch wirksame Stoffe enthalten wurde seit Jänner 2009 mehrere Male novelliert bzw. erweitert, sobald neue Substanzen am österreichischen Markt identifiziert und analysiert wurden (BGBl II Nr 58/2009, BGBl II Nr 341/2010, BGBl II Nr 57/2011). Die Erfassung einzelner Substanzen hinkte der Realität daher zwangsläufig stets hinterher.
Mein Ressort hat daher im Zusammenhang mit dem vermehrt auftretenden Problem der Generierung neuer psychoaktiv wirkender Substanzen in Räuchermischungen in den letzten Monaten unter Einbindung von Experten/innen den Versuch unternommen, chemische Verbindungsklassen zu definieren und ganze Substanzgruppen per Verordnung zu erfassen. Die entsprechende Verordnung wurde nach der erforderlichen Notifikation durch die Europäische Kommission am 13. Mai 2011 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am 14. Mai 2011 in Kraft getreten (BGBl II Nr 158/2011). Demnach ist es nun nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften verboten, Räuchermischungen in Verkehr zu bringen, die Stoffe enthalten, die sich aus einem in der Anlage zur entsprechenden Verordnung genannten chemischen Grundgerüst ableiten lassen. Damit soll es gelingen, in Räuchermischungen auftretende Substanzen prospektiv zu erfassen.
Ein Zuwiderhandeln gegen die Verordnung ist mit Verwaltungsstrafen (Geldstrafen bis zu 25.000€, im Wiederholungsfall bis zu 50.000€) zu ahnden.
Das AMG kennt jedoch anders als das SMG keine gerichtlichen Strafen und bietet keine taugliche Handhabe gegen den Straßenhandel mit diesen neuen Chemikalien und Substanzen.
Weiters
ist mein Ressort bestrebt, neue und effizientere Lösungsansätze zu
finden, bei denen es um die Minimierung von Gesundheitsrisiken und -schäden,
die Entschleunigung des Marktes und die schnelle und wirksame
Zugriffsmöglichkeit auf den Handel mit solchen Substanzen gehen muss. An
der Entwicklung einer entsprechenden Regelung betreffend den Umgang mit neu
auftretenden psychoaktiven Substanzen wird derzeit intensiv gearbeitet.
Frage 4:
Nach dem SMG ist das vorschriftswidrige Erwerben und Besitzen selbst geringster Mengen von Suchtmitteln strafbar. Das Gesetz unterscheidet zwischen verschiedenen Mengenstufen, die für die Qualifikation der Straftat von Bedeutung sind. Insbesondere auferlegt es dem Bundesminister für Gesundheit, im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz für jedes Suchtmittel eine so genannte „große“ Menge festzulegen, an der sich andere Mengenstufen orientieren. Die Festlegung der Grenzmenge erfolgt für die einzelnen Suchtmittel jeweils in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung und der Psychotropen-Grenzmengenverordnung. Im Übrigen verweise ich hinsichtlich der strafrechtlichen Implikationen des Suchtmittelrechts auf die Zuständigkeit der Bundesministerin für Justiz.
Frage 5:
Auch wenn es wichtig ist, rasch effizientere als die bisherigen rechtlichen Instrumentarien zu entwickeln, wird man kaum davon ausgehen können, dass damit die so genannten neuen psychoaktiven Substanzen gänzlich aus der Welt geschafft werden können. Auch das Drogenstrafrecht (in Österreich das SMG) hat nicht bewirkt, dass illegale Substanzen vom Markt verschwinden.
Vielmehr muss der Entwicklung eines entsprechenden Problem- und Risikobewusstseins gerade auch bei jungen Menschen verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das gilt allerdings nicht nur für neue Substanzen, sondern für riskanten Umgang mit psychoaktiven Substanzen ganz allgemein. Prävention und Erziehung haben dabei wichtige Aufgaben zu erfüllen.
Einerseits ist die Förderung des Bewusstseins wichtig, dass jeder Konsum von Substanzen oder sonstigen Produkten, deren Auswirkungen nicht vorhersehbar sind, immer mit einem nicht kalkulierbaren Gesundheitsrisiko verbunden ist und daher unterbleiben soll.
Andererseits darf aber Substanzkonsum gerade bei Jugendlichen nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Teil ihrer jeweiligen Lebenssituation. Die Wirkungen psychoaktiver Substanzen hängen nicht nur von der Substanz selbst ab, sondern immer auch von der Persönlichkeit, der Stimmungslage der Konsumenten/inne und von dem Konsumumfeld ab, wodurch bei ungünstigen Voraussetzungen zusätzliche Risiken für die psychische Gesundheit entstehen können.
Eltern und Erziehungsberechtigten stehen für einschlägige Fragen und Sorgen im Zusammenhang mit dem Konsumverhalten ihrer Kinder in Bezug auf psychoaktive Substanzen insbesondere die vom Bundesminister für Gesundheit im Bundesgesetzblatt kundgemachten Drogenberatungseinrichtungen mit ihren geschulten Fachkräften zur Verfügung – siehe http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Drogen_Sucht/Drogen/Einrichtungen_gemaess_15_Suchtmittelgesetz.
Prävention bedarf professioneller, nachhaltig wirksamer Strukturen, die es mit den Fachstellen für Suchtprävention in Österreich gibt und auszubauen gilt. Ihre Kooperation mit allen relevanten Settings, wie beispielsweise auch den Schulen, zielt auf die nachhaltige Verankerung der Prävention in den jugendrelevanten Lebensbereichen ab.
Maßnahmen in den Schulen liegen nicht in meiner Zuständigkeit, die Förderung der Professionalisierung und Vernetzung im Wege der Fachstellen, die auch mit dem Schulbereich eng kooperieren, ist aber ein wichtiges präventionspolitisches Anliegen, das auch mein Ressort im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützt.