2609/AB-BR/2011

Eingelangt am 10.06.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen vom 14. April 2011, Nr. 2819/J-BR/2011, teile ich Folgendes mit:

Zu Frage 1:

Wie wiederholt ausgeführt, lehnt Österreich die energetische Nutzung der Kernenergie nachdrücklich ab, da diese weder mit den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung in Einklang zu bringen ist, noch eine kostengünstige und zukunftsverträgliche Option zur Bekämpfung des Klimawandels darstellt. Dies gilt selbstverständlich auch für Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Atomkraft aufgrund zu niedriger Haftungssummen sowie für die mangelhafte Vorsorge für Endlagerkosten. Diese Position wird vom BMLFUW konsequent auf bilateraler, europäischer wie internationaler Ebene vertreten.

Zu Frage 2:

Das BMLFUW hat keine Studie in Auftrag gegeben. Die in der Anfrage erwähnte, im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Master-Studie aus dem Jahr 2003 ist dem BMLFUW bekannt, auch wenn sie auf der Website der Europäischen Kommission nicht mehr verfügbar ist. Dieser Studie ist deutlich zu entnehmen, dass die gegenwärtigen Haftungsregelungen als Subvention anzusehen sind. Darüber hinaus gibt es zu diesem Themenbereich zahlreiche Studien und Gutachten. In diesem Zusammenhang ist die von der Europäischen Kommission im Jahr 2007 in Auftrag gegebene rechtliche Studie betreffend einen möglichen Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) zum Pariser Nuklearhaftungsübereinkommen erwähnenswert. Die Studie beschreibt die bestehende Situation aus faktischer und rechtlicher Sicht, berichtet über Ergebnisse der durchgeführten Stakeholder-Befragung, analysiert die rechtliche Basis für ein Tätigwerden der Gemeinschaft sowie die möglichen Optionen und beschäftigt sich auch mit wettbewerbsrechtlichen Fragen. Ein Ergebnis der Studie ist, dass für jedwede diesbezügliche Initiative der Gemeinschaft jedenfalls auch eine ausführliche Prüfung hinsichtlich der Kompatibilität mit den wettbewerbsrechtlichen Regelungen der EU notwendig ist. Der Endbericht dieser Studie ist auf der Website der Europäischen Kommission veröffentlicht.

Zu Frage 3:

Prinzipiell ist eine EU-weite Harmonisierung der Nuklearhaftungsregeln zu begrüßen. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die im österreichischen Atomhaftungsgesetz vorgesehenen, im Verhältnis zu den internationalen Nuklearhaftungsregimen für potentiell Geschädigte vorteilhafteren Grundsätze vollinhaltlich Berücksichtigung finden und in keiner Weise durchbrochen werden.

Zu Frage 4:

Die in Frage 2 erwähnte Studie aus dem Jahr 2007 analysiert auch die möglichen rechtlichen Grundlagen für ein Tätigwerden der Gemeinschaft. Das Ergebnis ist, dass es keine alleinige Rechtsgrundlage gibt, sondern verschiedene, die sich im EURATOM-Vertrag bzw. im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union finden und zum Teil auch nur partielle Aspekte der Nuklearhaftung behandeln, wie zum Beispiel die Versicherung nuklearer Gefahren oder die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit. Dazu kommt noch, dass die in der Studie analysierten Rechtsgrundlagen unterschiedliche Regelungszuständigkeiten vorsehen. Somit bleibt die äußerst komplexe Frage der rechtlichen Grundlage(n) nach wie vor offen.

Zu den Fragen 5 und 6:

Im Juni 2010 fand ein Workshop Prospects of a civil nuclear liability regime in the framework of the European Union“ mit der International Nuclear Law Association statt, in dem die Ergebnisse der oben genannten Studie diskutiert wurden und an der auch ein Vertreter des BMLFUW teilgenommen hat. Seitens der Europäischen Kommission wurde angekündigt, in weiterer Folge eine beratende Expertengruppe, bestehend aus Vertretern aller EU-Mitgliedstaaten, einzurichten.

Zu den Fragen 7 bis 9:

Die Initiative zu diesen Stresstests“ ist von mir ausgegangen. Sie wurde von Kommissar Oettinger aufgegriffen und weiterentwickelt. Mit seinen Schlussfolgerungen hat der Europäische Rat (Tagung vom 24725. März 2011) einen Rahmen gesteckt.

Unter allgemein anerkannten Regeln“ könnten die einschlägigen sicherheitsrelevanten internationalen Konventionen, darunter die über die Nukleare Sicherheit oder die über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle ebenso verstanden werden wie die Sicherheitsstandards der Safety Standards Series" der IAEO. Es gibt aber auch auf europäischer Ebene eine Reihe von anerkannten Regeln, wie beispielsweise die Sicherheits-Referenz-Niveaus (Safety Reference Levels) der WENRA sowie deren Sicherheitsziele für Neue Kernkraftwerke oder die Anforderungen der Europäischen Betreiber (European Utility Requirements), die von den jeweiligen Interessensgruppen allgemein angewandt werden.

Nach langwierigen und zähen Verhandlungen hat sich die ENSREG (European Nuclear Safety Regulators Group - Europäische hochrangige Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung), einschließlich der Europäischen Kommission, auf die Modalitäten einer umfassenden und transparenten Risiko- und Sicherheitsbewertung ("Stresstest") geeinigt. Mit den Peer Reviews“ unter Einbindung unabhängiger Experten aus Nicht-Betreiberstaaten wird völliges Neuland betreten.

Der Zeitplan für die Stresstests“ sieht ein zweitstufiges Verfahren vor, wobei ein erster Bericht für den Europäischen Rat im Dezember 2011 vorliegen wird. Die Peer Reviews“ werden im Wesentlichen im ersten Quartal 2012 stattfinden. Ich habe mehrfach und von Anfang an betont, dass bei negativem Ausgang einer Sicherheitsüberprüfung, eines Stresstests“, die Abschaltung bzw. die unverzügliche Nachrüstung des betroffenen Kernkraftwerks zu erfolgen hat. Eine wesentliche Rolle wird dabei dem Europäischen Rat zukommen, der sich mehrfach mit den Ergebnissen und den daraus zu ziehenden Konsequenzen befassen wird.

Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse der Stresstests“ nach Deutschland und der Schweiz auch in anderen Staaten eine Ausstiegsdiskussion bewirken. Ohne derartige Stresstests“ ist eine breite Ausstiegsdiskussion jedenfalls nicht zu erwarten.