2618/AB-BR/2011

Eingelangt am 20.06.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gottfried Kneifel

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0172-I/A/15/2011

Wien, am         17. Juni 2011

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 2827/J-BR/2011 der Bundesrätin Elisabeth Greiderer, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1:

Am 2. Dezember 2003 wurde von Seiten des Rates der Europäischen Union eine Empfehlung in Bezug auf Krebsfrüherkennung abgegeben, welche die Mitgliedstaaten dazu aufrief, organisierte bevölkerungsbezogene Krebsvorsorgeprogramme mit Qualitätssicherung auf allen Ebenen, wenn möglich auf der Basis europäischer Leitlinien, zu implementieren. Brustkrebs war eine von drei Erkrankungen, die aufgrund der Existenz qualitätsgesicherter Leitlinien in den Umsetzungsbereich der Empfehlung fielen.


Aufgrund dieser Empfehlung wurden in Österreich 5 regionale Pilotprojekte initiiert, die die Umsetzbarkeit eines Brustkrebs-Screenings überprüfen sollten. Basierend auf den europäischen Leitlinien und der gewonnenen Expertise aus den Pilotprojekten wurden Konzeptarbeiten zur Umsetzung eines flächendeckenden Screenings in Österreich gestartet. In enger Kooperation zwischen Bund, Ländern, Sozialversicherung und Ärzteschaft konnten so die Inhalte definiert werden, die derzeit für eine Verordnung nach dem Gesundheitsqualitätsgesetz vorbereitet werden. Eine vor kurzem erzielte Einigung zwischen der Ärzteschaft (Fachgruppe Radiologie der Österreichischen Ärztekammer) und dem Hauptverband der  Sozialversicherungsträger macht es möglich, eine wohnortnahe Versorgung mit hohen Qualitätsansprüchen anbieten zu können.

 

Frage 2:

Unter einem bevölkerungsbezogenen Screeningprogramm versteht man, dass die Angehörigen einer Zielpopulation in definierten Zeitintervallen persönlich zum Screening eingeladen werden und dass Vorgaben zur Qualitätssicherung von der Einladung bis zur Evaluierung existieren. Screeningprogramme wenden sich ausschließlich an Personen, die hinsichtlich der Zielerkrankung asymptomatisch sind und sich subjektiv gesund fühlen. Dies stellt eine besondere Gegebenheit dar, die einer Leistungserbringung von größtmöglicher Qualität bedarf. Für die Durchführung qualitätsgesicherter Mammographie-Screeningprogramme sind also organisatorische, medizinische und Qualitätssicherungsvorgaben essentiell. Die Europäischen Leitlinien (European guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis) basieren auf Erfahrungen, die in Ländern mit bevölkerungsbezogenen Mammographie-Screeningprogrammen gesammelt wurden. Sie sind evidenzbasiert und stellen den Rahmen bzw. Empfehlungen der in der EU durchgeführten Screening-Programme dar. Der individuelle Nachholbedarf der einzelnen Länder variiert je nach der jeweiligen Ausgangssituation. Für das österreichische Programm wurden in Zusammenarbeit mit den Vertreterinnen und Vertretern der Pilotprojekte, der österreichischen Ärzteschaft und internationalen Expertinnen und Experten die EU-Guidelines an die bestehenden österreichischen Versorgungsstrukturen angepasst, wobei aus den EU-Guidelines klar identifizierbare Qualitätsverbesserungen jedenfalls umgesetzt werden sollen.

 

Frage 3:

Aufgrund des Fehlens jeglicher Qualitätsanforderungen für Mammographie-untersuchungen im Rahmen des derzeitigen opportunistischen Screenings stellt ein organisiertes, populationsbezogenes Screening eine deutliche qualitative Verbesserung dar.

 

Durch das organisierte Einladungssystem werden sämtliche Frauen der Zielgruppe persönlich angesprochen und zur kostenlosen Untersuchung eingeladen. Durch diesen niederschwelligen Zugang ist eine erhöhte Inanspruchnahme, eine erhöhte Brustkrebsentdeckungsrate und auf lange Sicht eine verringerte Brustkrebsmortalität zu erwarten. Zusätzlich werden in einem Screening Tumore in einem früheren Stadium erkannt und die therapeutischen Belastungen für die erkrankten Frauen sowie Behandlungskosten verringert. Die Einhaltung strenger Qualitätskriterien sorgt dafür, dass nur  Ärztinnen und Ärzte mit ausreichender Erfahrung an dem Früherkennungsprogramm teilnehmen. Zu diesen Qualitätskriterien zählen spezifische Weiterbildungsmaßnahmen, die technische Qualitätssicherung der eingesetzten Geräte gemäß europäischer Leitlinien, die die bisherigen Vorgaben bei weitem übertreffen und eine standardisierte verblindete Doppelbefundung der Mammographien. Die Sicherstellung der Qualität in der Folgediagnostik, Therapie und Nachsorge sowie eine Ergebnisdokumentation mit Qualitätsmonitoring und der Aufbau eines flächendeckenden Brustkrebsregisters zählen zu den weiteren weitreichenden Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung in der Brustkrebs-Früherkennung. Insbesondere die ausgeweitete konsequente medizinische Dokumentation erlaubt rasche Erkenntnisse und Handlungen hinsichtlich der Prozesse und Ergebnisse. Der zielgerichtete Einsatz von Ultraschall bei auffälligen Mammographiebefunden und bei „dichter Brust“ ermöglicht eine Verringerung der falsch positiven Befunde. Dadurch wird vielen Frauen unnötige Sorgen und Ängste erspart. Dies alles ist im derzeitigen opportunistischen System nicht möglich.

 

Frage 4:

Der nächste Schritt ist ein Bericht an die Bundesgesundheitskommission am 1. Juli 2011.

 

Frage 5 und 6:

Im Jahr 2009 wurden von Seiten der Versicherungsträger für Mammographien und Mammasonographien in Summe 52 Millionen Euro ausbezahlt. Diese Summe beinhaltet kurative wie auch Früherkennungs-Untersuchungen, wobei nach Schätzungen der Ärzteschaft etwa 85 Prozent der kurativen Mammographien eigentlich zu den Früherkennungsuntersuchungen zu zählen sind.

 

Einerseits ist durch die Einführung des Screeningprogramms mit einer erhöhten Inanspruchnahme innerhalb der Zielgruppe zu rechnen, andererseits führt die Regulierung einer bestehenden Überversorgung, wie Früherkennungsuntersuchungen in zu kurzen Intervallen, zu einer Kosteneinsparung.

Die Kostenübernahme für die Implementierung der Qualitätssicherungsmaßnahmen wird in Verhandlungen zwischen den beteiligten Institutionen geklärt. Das betrifft insbesondere die Kosten für Programmmanagement, Einladungsmanagement, Evaluierung und die gewünschte Steigerung der Teilnehmerinnenquote sowie für medizinischen Leistungen, Qualitätssicherung und Dokumentation.

 

Frage 7:

Derzeit gehen je nach Datenlage jährlich etwa zwischen 30 bis 50 Prozent der Frauen zur Mammographie. Das Programm soll gezielt jene Frauen ansprechen, die am häufigsten von Brustkrebs betroffen sind und daher auch am meisten vom Programm profitieren. Studien belegen, dass Frauen im Alter zwischen 50 und 69 am häufigsten an Brustkrebs erkranken. Die derzeitige Mammographie-Inanspruchnahme ist allerdings von einer Fehlversorgung gekennzeichnet. Die Inanspruchnahme der Frauen nimmt mit zunehmendem Alter ab. Erfahrungsgemäß konsultieren Frauen in der Menopause, welche wesentlich häufiger von Brustkrebs betroffen sind, weniger oft den Gynäkologen und werden daher auch weniger zu einer Mammographie zugewiesen. Sozial benachteiligte Frauen und Frauen mit Migrationshintergrund nehmen das Angebot nahezu gar nicht in Anspruch. Viele Frauen gehen nicht in regelmäßigen Abständen von zwei Jahren zur Mammographie.

Im Zuge des systematischen Screenings wird eine Teilnahmerate von etwa 70% angestrebt und es soll jede Frau in der Hauptzielgruppe unabhängig von sozialer Schicht, Bildung und Herkunft zu einer Untersuchung eingeladen werden. Durch den persönlichen Einladungsbrief, der eine direkte Inanspruchnahme der Untersuchung ohne zusätzliche Zuweisung ermöglicht, soll die gewünschte Teilnahmerate erreicht werden.

 

Frage 8:

Alle bestehenden Pilotprojekte in Österreich, auch Vertreterinnen und Vertreter des Vergleichsprojektes aus Tirol wurden in die Erarbeitung des Screeningprogramms mit einbezogen und liefern wertvolle Expertisen. So waren insbesondere die Erfahrungen mit der Integration der zusätzlich zur Mammographie durchgeführten Sonographieuntersuchung aus den Pilotprojekten Grund dafür, als erstes Land in Europa in Absprache mit internationalen Expertinnen und Experten diese Vorgehensweise für das flächendeckende Programm zu übernehmen.

 

Frage 9:

Aufgrund der bestehenden Versorgungssituation in Österreich sollen in der Umsetzung des Screeningprogramms die vorhandenen Strukturen genutzt werden. Das bedeutet keinen Aufbau von zusätzlichen Screeningzentren wie in anderen europäischen Ländern, sondern vor allem die wohnortnahe Durchführung der Screening-Untersuchungen im niedergelassenen Bereich. Es steht außer Streit, dass alle niedergelassenen Radiologinnen und Radiologen, die bisher die Leistung erbracht haben und insofern sie die vorgesehenen Qualitätskriterien auch tatsächlich erfüllen, am Programm teilnehmen können. Zusätzlich werden andere niedergelassene Fachrichtungen wie Ärztinnen und Ärzte für Gynäkologie bzw. Allgemeinmedizin, die als Vertrauensärztinnen und -ärzte der Frauen fungieren, mittels Befundübermittlung mit einbezogen.

 

Frage 10:

Das Qualitätssicherungskonzept der Radiologen bildet einen begrüßenswerten ersten Schritt zu einem systematischen, organisierten und qualitätsgesicherten Screeningprogramm. Im Zuge der Erarbeitung der Programminhalte nahmen Vertreterinnen und Vertreter der Radiologie an allen relevanten Arbeitsgruppen teil und lieferten in zahlreichen intensiv geführten Sitzungen wertvolle Expertisen. Ebenso ist die Bundesfachgruppe für Radiologie der österreichischen Ärztekammer (BURA) in der eingerichteten Projektsteuerungsgruppe von Beginn an vertreten. Zahlreiche Inhalte des Qualitätssicherungskonzeptes der Radiologen konnten so in das geplante Screeningprogramm übernommen werden.

 

Frage 11:

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Versorgung ist angedacht, zum Zweck der Früherkennung von Brustkrebs ein österreichweit einheitliches und qualitätsgesichertes Programm zu implementieren. Beim derzeitigen Angebot im Rahmen des opportunistischen Screenings (bzw. nicht bevölkerungsbezogenen Screenings) nehmen die Frauen aus Eigeninitiative eine Mammographie in Anspruch. Da es im Rahmen dieses opportunistischen Screenings keine implementierte Qualitätskontrolle gibt, finden die Frauen keine identen Bedingungen bei der Leistungserbringung vor. Es gibt keine definierten Standards der Befundung, wie Doppelbefundung, und darüber hinaus fehlt in der Regel eine standardisierte Dokumentation, um die Auswirkungen des Screenings und den weiteren Einsatz einer Mammasonographie bewerten zu können. Weiters müssen die Radiologinnen und Radiologen keine bestimmte Mindestanzahl von befundeten Mammographien pro Jahr vorweisen. Im Rahmen der opportunistischen Screeningmammographien ist derzeit auch nicht bekannt, wie hoch der Anteil der Früherkennungsmammographien an der Gesamtzahl der durchgeführten Mammographien ist, da es bei der Leistungsabrechnung zu einer Vermischung der kurativen und Früherkennungsmammographien kommt. Parallelstrukturen sind nicht vorgesehen. Die kurative Mammographie wird nach definierten Indikatoren und nach den Qualitätsstandards der Bundesqualitätsrichtlinie natürlich allen betroffenen Frauen zur Verfügung stehen.

 

Frage 12:

Grundsätzlich werden alle Frauen, die nachweislich von einem systematischen Screeningprogramm profitieren, regelmäßig und persönlich zu einer Untersuchung eingeladen. Die Altersgruppe wird in der Bundesqualitätsrichtlinie nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion festgelegt. Das ist die Gruppe der Frauen von 45 bis 69 Jahren. Darüber hinaus haben selbstverständlich alle Frauen, die auch bisher eine Früherkennungsuntersuchung in Anspruch nehmen konnten, auch weiterhin die Möglichkeit dazu. Das sind Frauen ab 40 - 44 Jahren und ab 70 Jahren.

Eine routinemäßige Ultraschall-Untersuchung wird durch eine medizinisch begründete, qualitätsgesicherte und dokumentierte Ultraschall-Untersuchung ersetzt.

 

Frage 13:

Die Einführung des flächendeckenden Screeningprogramms garantiert eine standardisierte wohnortnahe Brustkrebs-Früherkennung auf hohem Qualitätsniveau. Die Einhaltung der geforderten Qualitätskriterien wird streng kontrolliert, dokumentierte Daten im Zuge von Evaluierungsarbeiten hinsichtlich Prozess- und Ergebnisqualität ausgewertet. Durch persönliche Einladungsschreiben wird die Zahl der an der Brustkrebs-Früherkennung teilnehmenden Frauen gesteigert und dadurch Morbidität und Mortalität gesenkt.


Ziele des nationalen Brustkrebs-Früherkennungsprogramms sind neben der Reduktion der Mortalitätsrate sowie der Erhöhung der Entdeckungsrate von möglichst kleinen Karzinomen u.a.:

 

·        Durch das Verbindlichmachen des Qualitätsstandards zur Brustkrebs-Früherkennung mittels Verordnung sind alle betroffenen Akteure (Leistungserbringer, Kostenträger etc.) zur Einhaltung verpflichtet.

·        Durch das Einladungsmanagement sollen vorrangig jene Frauen, die primär von einem Früherkennungsprogramm profitieren, regelmäßig zur Mammographie eingeladen werden.

·        Durch die Implementierung und Kontrolle von Qualitätsstandards soll eine für alle Frauen in Österreich qualitativ hochwertige und standardisierte Untersuchung sichergestellt werden.

·        Durch eine objektive Information und Aufklärung sollen die Frauen im Sinne des informed-consent in die Lage versetzt werden, sich für oder gegen die Teilnahme am Screeningprogramm auszusprechen.

·        Klare Trennung von Früherkennung und kurativem Bereich.

·        Dokumentation aller Ergebnisse.

 

Durch die Evaluierung des Programms können laufend notwendige Anpassungen durchgeführt werden.