2671/AB-BR/2012

Eingelangt am 30.04.2012
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An den                                                                                               Zl. LE.4.2.4/0054-I/3/2012

Herrn Präsidenten

des Bundesrates

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 27. APR. 2012

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und

Kollegen vom 1. März 2012, Nr. 2882/J-BR/2012, betreffend Auslaufen der

Rahmenverfügung zum Schutz des Trinkwassers im Tullnerfeld

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen vom 1. März 2012, Nr. 2882/J-BR/2012, teile ich Folgendes mit:

 

Vorab wird ausgeführt, dass das Forschungsprojekt „Einfluss von Nassbaggerungen auf die Oberflächen- und Grundwasserqualität“ die Untersuchung der Auswirkungen von Nassbaggerungen auf die langfristige Entwicklung der abstromigen Grundwasserqualität, insbesondere welche Stoffe über die Atmosphäre, als Interaktion mit dem Grundwasser an den Unterwasserböschungen der Nassbaggerungen und über die Sohle/das Sediment eingetragen und ausgetragen werden, zum Ziel hatte. Des Weiteren sollte untersucht werden, welche Stoffumsätze im Baggersee selbst zu erwarten sind und anhand von eigenen Messungen und Literaturdaten evaluiert werden, welche Einflüsse Nassbaggerungen auf die Grundwasserqualität haben. Die Untersuchungen wurden ausschließlich an Nassbaggerungen ohne eine intensive Nachnutzung durchgeführt. 


Das Forschungsprojekt wurde von einer "Steuergruppe" fachlich begleitet, der Vertreter der Länder NÖ, OÖ und Stmk., sowie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLUW) angehörten. Die Ergebnisse dieser Studie hinsichtlich der Vorschläge zur Sicherstellung eines hinreichenden Schutzes des Grundwassers beim Abbau von Sand und Kies in Form von Nassbaggerungen decken sich im Wesentlichen mit den fachlichen Vorstellungen des BMLFUW und sind bereits derzeit gelebte Praxis bei der wasserrechtlichen Bewilligung derartiger Anlagen und stehen daher nicht im Widerspruch zur bisherigen Vorgangsweise. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass der Abbau von Sand und Kies in Form von Trockenbaggerungen nicht Gegenstand dieser Studie war.

 

 

Dementsprechend wurden dazu auch keine Aussagen über die erforderlichen und zu treffenden Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers getroffen. Die Ergebnisse der Studie stellen daher nicht die Grundlage für das von der WKO angeführte Konzept des Amtes der NÖ Landesregierung betreffend Trockenbaggerungen dar.

 

Zu Frage 1:

 

Gemäß § 145a Abs. 5 WRG 1959 tritt § 54, der den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Erlassung von wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügungen ermächtigt, mit Ablauf des 22. Dezember 2012 außer Kraft. Die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rahmverfügungen gelten als Verordnungen gemäß § 55g Abs. 1 Z 1 WRG 1959 weiter. Die Verordnung zum Schutz des Grundwasservorkommens für Zwecke der Trinkwasserversorgung im Tullnerfeld („Rahmenverfügung Tullnerfeld“), BGBl. II Nr. 265/2001, bleibt somit nach dem 22.12.2012 als wasserwirtschaftliches Regionalprogramm aufrecht.

 

Zu den Fragen 2 bis 5 und 8:

 

Aus Sicht des BMLFUW ist unklar, auf welches „Konzept“ die WKO Bezug nimmt. Nach Auskunft des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung ist vom wasserwirtschaftlichen Planungsorgan des Landes Niederösterreich ein am 19. Jänner 2012 im Rahmen eines ÖWAV-Seminars präsentiertes Konzept ausgearbeitet worden, das sich auf die Beurteilung von Nassbaggerungen und Trockenbaggerungen unter Berücksichtigung wasserwirtschaftlicher Erfordernisse (insbesondere auch des Schutzes der Trinkwasserversorgung) bezieht. Demnach ist die Zulässigkeit von Nass- und Trockenbaggerungen auch weiterhin jeweils im Einzelverfahren zu prüfen, wobei innerhalb des 2-jährigen Zuströmbereichs zu Wasserversorgungsanlagen Nassbaggerungen als unzulässig einzustufen wären und bei Trockenbaggerungen ein Mindestabstand zum HHGW von 2 m einzuhalten wäre. Inwiefern das Konzept – wie vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung intendiert – zukünftig als eine „sonstige wichtige wasserwirtschaftliche Planung“ im Sinne des § 104 Abs. 1 lit. h WRG 1959 angesehen werden kann, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen.

 

Der Schutz des Grundwasservorkommens Tullnerfeld erfolgt auf der Grundlage der Rahmenverfügung Tulllnerfeld, die die Rohstoffgewinnung zugunsten der Trinkwasserversorgung einschränkt bzw. das Grundwasser vor mittelbaren und unmittelbaren Einwirkungen durch den Sand- und Kiesabbau schützt. Nassbaggerungen sind in Zonen nicht bewilligungsfähig, wo aktuell genutzte und auch potentiell zukünftig zu nutzende potente Wasserspender (gute Erschrotbarkeit, hohe Quantität) betroffen sind. In der Rahmenverfügung Tullnerfeld wurden auch Rahmenbedingungen für den Kiesabbau hinsichtlich Folgenutzungen und Verfüllungen festgelegt.

 

Aus Kapitel 6.10.1.4 des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans 2009 ist ersichtlich, dass solche Verordnungen auf der Grundlage einer Prüfung seitens der wasserwirtschaftlichen Planung erlassen werden, ob konkrete planerische Maßnahmen zur Förderung der wasserwirtschaftlichen Entwicklung in Bezug auf Porengrundwasserkörper, die für die regionale und überregionale Wasserversorgung wesentlich sind, für erforderlich erachtet werden.

Solche Planungen sollen insbesondere folgende Informationen enthalten:

-        Lage von aktuellen und auch potentiellen zukünftigen potenten Wasserspendern (gute Erschrotbarkeit, hohe Quantität, gute Qualität) im Grundwasserkörper,

-        Bedeutung der Wasserressourcen für die Sicherung der existierenden und/oder zukünftigen regionalen/überregionalen Wasserversorgung z.B. zukünftiger Trinkwasserbedarf auf Basis eines Wasserbedarfs und -nutzungskonzepts,

-        Überlagerung dieser Informationen mit potentiellen anderen Nutzungen und daraus resultierenden allfälligen Konflikten,

-        Maßnahmen (wie z.B. Einschränkungen, Gesichtspunktregeln für Bewilligungen, freiwillige Maßnahmen), die für die Sicherung der Qualität dieser Wasserressourcen für erforderlich erachtet werden, samt einer Bewertung deren Wirkung und des Nutzen neuer Maßnahmen, sowie die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf Nutzungen wie insbesondere potentielle Kiesabbaumöglichkeiten.

 

Auch einer Änderung der Rahmenverfügung Tullnerfeld hätte eine solche planerische Prüfung seitens der wasserwirtschaftlichen Planung des Landes Niederösterreich voranzugehen.

 

Zu Frage 6:

 

Im von der Rahmenverfügung umfassten Gebiet liegen derzeit vier Ansuchen für Nassbaggerungen und zwei Ansuchen für Trockenbaggerungen vor.


Zu Frage 7:

 

Es wurden 29 Nassbaggerungen und drei Trockenbaggerungen bewilligt.

 

Zu Frage 9:

 

Gemäß § 10 Qualitätszielverordnung Chemie Grundwasser lag für den Grundwasserkörper Tullnerfeld im aktuellen Auswertezeitraum 2008 – 2010 für keinen Parameter ein Beobachtungs- (= mind. 30 % der Messstellen gefährdet) oder voraussichtliches Maßnahmengebiet (= mind. 50 % der Messstellen gefährdet) vor. Eine Messstelle gilt hinsichtlich eines Schadstoffes als gefährdet, wenn das arithmetische Mittel der Jahresmittelwerte für den Beurteilungszeitraum von drei Jahren (aktuell 2008 – 2010) den zugehörigen Schwellenwert überschreitet (§ 5 der QZV Chemie GW).

 

Zu Frage 10:

 

Das Land NÖ verfügt über keine statistisch exakten Zahlen über die mit Grundwasser aus dem Tullnerfeld versorgten Haushalte.

 

Zu Frage 11:

 

Das NÖ Konzept, soweit bekannt, sieht vor, dass die Zulässigkeit von Nass- und Trockenbaggerungen auch weiterhin jeweils im Einzelverfahren zu prüfen wäre, wobei innerhalb des 2-jährigen Zuströmbereichs zu Wasserversorgungsanlagen Nassbaggerungen als unzulässig einzustufen wären und bei Trockenbaggerungen ein Mindestabstand zum HHGW von 2 m einzuhalten wäre. Für Nassbaggerungen (außerhalb des 2 jährigen Zustrombereichs) ist offenbar eine extensive Nachnutzung vorgesehen bzw. wird eine solche grundsätzlich angestrebt.

 

zu 11a): Die vorzugsweise Widmung ist durch die bestehende Rahmenverfügung gewährleistet. Einer Änderung der Rahmenverfügung Tullnerfeld hätte eine planerische Prüfung seitens der wasserwirtschaftlichen Planung des Landes Niederösterreich voranzugehen. Nassbaggerungen bedürfen aber jedenfalls einer wasserrechtlichen Bewilligung. Im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren ist durch die Parteistellung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans gewährleistet, dass die regionale und überregionale Trinkwasserversorgung im Verfahren berücksichtigt wird.

 


zu 11b): Aus Sicht des BMLFUW besteht kein Unterschied zwischen den Regelungen der Rahmenverfügung bezüglich „extensiver Folgenutzung“ und den Ausführungen der Studie. Extensive Nutzungen wie Landschaftsteiche weisen jedenfalls das geringste Gefährdungspotential auf und sind daher grundsätzlich anzustreben. Davon abweichende Nutzungen wie Fischerei oder Badebetrieb wären jedenfalls im Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse genau zu prüfen. Bei der in der Anfrage angesprochenen ÖWAV-Veranstaltung wurden aber auch Beispiele aus der Steiermark gezeigt, bei denen eine Nachnutzung als Badeteich unter entsprechenden Auflagen ohne nachteilige Auswirkungen auf das abströmige Grundwasser verwirklicht wurden.

 

Zu Frage 12:

 

Bei Trockenbaggerungen hat die jeweils zuständige Behörde (Gewerberecht, MinroG) gemäß § 31c WRG die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung notwendigen und nach dem Stand der Technik möglichen Vorkehrungen zu treffen. Wenn nach dem natürlichen Verlauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen ist,  ist eine wasserrechtliche Bewilligung nach § 32 WRG erforderlich. 

 

Wie bereits darauf hingewiesen, war der Abbau von Sand und Kies in Form von Trockenbaggerungen nicht Gegenstand der oben genannten Studie. Dementsprechend wurden dazu auch keine Aussagen über die erforderlichen und zu treffenden Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers bei Trockenbaggerungen, insbesondere hinsichtlich einer Mindestüberdeckung über dem höchsten Grundwasserspiegel, getroffen. Die Grundlagen für das Konzept des Amtes der NÖ Landesregierung betreffend die Mindestüberdeckung über dem höchsten Grundwasserspiegel bei Trockenbaggerungen sind dem BMLFUW nicht bekannt.

 

Gemäß den derzeit geltenden Richtlinien des BMLF aus 1972 („Richtlinien für den Schutz des Grundwassers bei der Gewinnung von Sand und Kies“) sollte jedenfalls eine Mindestüberdeckung von zumindest 1,0 m über dem nach fachmännischer Voraussicht höchsten zu erwartenden Grundwasserstand (HGW) sichergestellt sein. Die Praxis in den vergangenen Jahren zeigt, dass in Abhängigkeit der örtlichen Gegebenheiten und der erzielbaren Genauigkeit bei der Ermittlung des HGW üblicherweise eine Mindestüberdeckung von 2,0 m als erforderlich angesehen wurde.

 

Aus Sicht des Grundwasserschutzes ist im Einzelfall zu prüfen, welche Mindestüberdeckung erforderlich ist, um nachteilige Einwirkungen auf die Beschaffenheit des Grundwassers in Folge der möglichen Nachnutzungen der gegenüber dem natürlichen Zustand abgesenkten


Flächen hintanhalten zu können. Besondere Anforderungen an die Überdeckung sind jedenfalls im Bereich von wasserrechtlich besonders geschützten und wasserwirtschaftlich bedeutenden Gebieten zur Trinkwasserversorgung zu stellen. In diesen Fällen kann für die Sicherstellung des zu fordernden besonderen Grundwasserschutzes ein größerer Sicherheitsabstand gegenüber dem Grundwasser erforderlich sein. 

 

Derzeit beschäftigt sich im Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) ein Arbeitsausschuss mit Fragen der aus fachlicher Sicht erforderlichen Anforderungen zum Schutz des Grundwassers bei der Planung und Durchführung von Abbau von Sand und Kies sowie der Nachnutzung der Abbaugebiete. Ziel des Arbeitsausschusses ist die Erstellung eines Regelblattes zu diesem Thema. In das Regelblatt sollen auch fachliche Anforderungen an die Mindestüberdeckung aufgenommen werden. Das Regelblatt wird künftig den Stand der Technik für Regelfälle definieren und in den wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren Berücksichtigung finden.

 

Zu Frage 13:

 

Aus Sicht der wasserwirtschaftlichen Planung sollen Nassbaggerungen auch zukünftig eine Mindestgröße und -tiefe aufweisen, um einen stabilen Wasserchemismus zu gewährleisten. Die Rahmenbedingungen werden derzeit in einem Arbeitsausschuss des ÖWAV diskutiert und werden nach Abschluss dieser Arbeiten als Stand der Technik in den Bewilligungsverfahren umgesetzt werden. Derzeit werden noch die bestehenden Nass- und Trockenbaggerungs­richtlinien des BMLFUW angewendet.

 

Zu Frage 14:

 

Unabhängig vom Vorhandensein einer Rahmenverfügung unterliegen neue Nassbaggerungen bzw. auch Verfüllungen von bestehenden Nassbaggerungen der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht. In den Bewilligungsverfahren wird die Zulässigkeit einer Verfüllung geprüft bzw. werden Materialqualität und Überwachungsmodalitäten definiert.

 

 

Der Bundesminister: