Bundesrat Stenographisches Protokoll 660. Sitzung / Seite 64

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Indizien dafür, dass es Nachteile für die österreichische Wirtschaft geben werde. Das überrascht mich deswegen sehr, weil ich Minister Farnleitner eigentlich anders kennen gelernt habe.

Zur Struktur der Wirtschaft, um zu verstehen, welche Reaktionen da unter Umständen zu erwar-ten sind: Die Außenhandelsverflechtung mit der EU ist äußerst groß. 69,2 Prozent der Gesamtimporte und 63,3 Prozent der Gesamtexporte werden mit der EU abgewickelt. Ein wesentliches Problem gerade in einem kleinen Land, das eine sehr hohe Außenhandelsverflechtung mit der EU aufweist wie Österreich, ist, dass wir praktisch über keinen Wirtschaftsbereich verfügen, in dem wir eine nicht-substituierbare Marktmacht hätten.

In Zeiten der Globalisierung ist das insofern ein wesentlich stärkeres Problem, als es vielleicht früher der Fall war, da die Konkurrenten relativ rasch agieren und reagieren, wie es auch wir täten und in verschiedenen Bereichen in der Vergangenheit auch getan haben, um Marktanteile abzuwerben. Das geht relativ rasch. Es werden unter Umständen Positionen und Marktanteile verloren gehen, bei denen es sehr lange dauern wird, bis diese wieder erringbar sein werden. Das bedeutet, dass durchaus die reale Gefahr besteht, dass Zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr geraten. (Bundesrat Steinbichler: Worauf begründen Ihre ...?) – Wenn Sie mich weiter ausführen lassen, komme ich dazu.

Zum Beispiel die Wirtschaftskammer: Die Wirtschaftskammer sieht bereits die Notwendigkeit, Krisenstäbe einzurichten, Kriseninterventionen zu machen – mit Ausnahme des ÖVP-Spitzenkandidaten für die Wirtschaftskammerwahlen in Salzburg, Buemberger, der in den "Salzburger Nachrichten" mit der "grandiosen" Idee zitiert wird: Dann gehen wir halt aus der EU. – Ob das die Lösung sein wird, lasse ich dahingestellt. Ich meine, die designierte Bundesregierung ist jedenfalls auf dem besten Weg, dieses zu tun.

Massive Auswirkungen wird es insbesondere auf den Tourismus geben. Auch dazu – für den Fall, dass Sie mir nicht glauben – wieder Zitate, etwa von Heinrich Wagner, dem Tourismusdirektor von St. Anton – so nebenbei Tirols längst dienender Tourismusdirektor –, der meinte: Auch jenseits des großen Teiches seien kritische Töne zu hören. Große Reiseveranstalter hätten angekündigt, wesentlich weniger Urlauber nach Österreich zu schicken, wenn eine freiheitliche Regierungbeteiligung zu Stande kommt. – Einer der Hoffnungsmärkte, über den wir in der Österreich-Werbung oft genug gesprochen haben.

Oder: Stefan Kocsi, Generaldirektor von Marriot, meinte, dass sich die heftigen Auslandsreaktionen auf Schwarz-Blau nicht so bald beruhigen werden. Man dürfe die derzeitige öffentliche Stimmung in den USA und in der EU nicht unterschätzen.

Wifo-Chef Helmut Kramer: Die negativen ausländischen Reaktionen auf die FP-Regierungsbeteiligung haben generell negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Kapitalmärkte und der Tourismus werden besonders betroffen sein.

Aussagen, die verschiedentlich auch getätigt werden, nämlich es seien noch keine Stornierungen eingetroffen, es sei alles nicht so schlimm, sind falsch. Erste Stornos gehen ein, es gibt erste Absagen im Fremdenverkehr und schwere Imageschäden für Österreichs Tourismus. Außerdem sind derartige Aussagen auch nicht besonders aussagekräftig, weil wir in den letzten Jahren doch zunehmend bemerkt haben, dass die Korrelation zwischen Frühbuchungen und dem tatsächlichen Urlaubsverhalten im Abnehmen ist. Das heißt, dass eine wesentliche Verhaltensänderung der Touristen Platz gegriffen hat. Es kommt immer mehr zu Spätbuchungen, zu Spontanurlauben, zu Kurzurlauben, sodass im Moment überhaupt noch nicht abschätzbar ist, wie krass die Auswirkungen sein werden. Wie gesagt: Es gibt bereits Stornierungen. (Bundesrat Dr. d'Aron: Sind Sie aus der Branche?) – Ich habe als Wissenschaftler im Tourismusbereich begonnen, ja. (Bundesrätin Haunschmid: Jetzt auch noch?) – Selbstverständlich bin ich jetzt auch noch in der Tourismusbranche. (Bundesrat Dr. d'Aron: Auf der Unternehmerseite!) Ich bin auf der Unternehmerseite in der Tourismusbranche.

Das ist auch – für den Fall, dass Sie mir trotzdem nicht glauben – im Tourismusbericht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, der heute zur Verteilung gelangt ist, nachzulesen.


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