Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

892. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 9. Mai 2019

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

892. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 9. Mai 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 9. Mai 2019: 9.01 – 18.50 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2019

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird

3. Punkt: Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung­Grundsatzgesetz)

4. Punkt: Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz über die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben (Kon­sular­gesetz – KonsG)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Alternative In­vestmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Immobilien-Investment­fonds­gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden (Anti-Gold-Plating-Gesetz 2019)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Gebühren­an­spruchsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz und das Bundesver­waltungsgerichtsgesetz geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsgebührengesetz, die Insolvenzordnung, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Tiroler Höfegesetz und das Rechtspflegergesetz geändert werden (Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019 – ZZRÄG 2019)


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle)

12. Punkt: Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Euro­päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird

14. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Be­wegung Österreich im Öffentlichen Dienst (258/A(E)-BR/2019)

15. Punkt: Wahl eines Mitgliedes und von Ersatzmitgliedern des Ständigen gemein­samen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

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Inhalt

Bundesrat

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Selbständigen Antrag 238/A-BR/2017 der Bundes­rätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz – SanG), BGBl. I Nr. 30/2002, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 8/2016, geändert wird“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 29. Mai 2019 zu setzen – Ablehnung ..  31, 159

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 249/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wei­terführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 29. Mai 2019 zu setzen – Ablehnung ......................  31, 160

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 105

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 105

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 9

Ordnungsruf ................................................................................................................... 48

Aktuelle Stunde (71.)

Thema: „Neuausrichtung der Österreichischen Jugendstrategie – Stärkung und Weiterentwicklung der Jugendpolitik“ ......................................................................................................... 9

RednerInnen:

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ....... 9

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 12

Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... ..... 14


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 3

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ..........................................  16, 24

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................. ..... 19

Eva Prischl ............................................................................................................... ..... 21

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 23

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ................................................  28, 29, 30

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 31

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 25

15. Punkt: Wahl eines Mitgliedes und von Ersatzmitgliedern des Ständigen ge­meinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948                    159

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2019 (III-668-BR/2019 d.B. sowie 10160/BR d.B.) ................................................................. 31

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ................................................................. 32

RednerInnen:

Mag. Martina Ess .......................................................................................................... 32

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 34

Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... ..... 36

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................... ..... 38

Mag. Doris Schulz ................................................................................................... ..... 40

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 42

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 45

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bewerbung der Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai 2019“ – Ablehnung ...  36, 46

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-668-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 46

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (557 d.B., 496 d.B. und 565 d.B. sowie 10169/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 46

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 46

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Grund­satzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Bio­masse­förderung­Grundsatzgesetz) (558 d.B. und 566 d.B. sowie 10159/BR d.B. und 10170/BR d.B.) ............................................................................... 46

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 46


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 4

RednerInnen:

Günther Novak ............................................................................................................. 47

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ................................................................................... ..... 49

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 52

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 54

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 57

Ing. Eduard Köck ...................................................................................................  58, 68

Stefan Zaggl ............................................................................................................ ..... 60

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 61

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 64

Silvester Gfrerer ..................................................................................................... ..... 66

Günther Novak (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 67

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „100 Prozent Ökostrom bis 2030“ – Unterstützungsfrage – genügend unterstützt – Ablehnung    54, 54, 54, 69

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 68

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 69

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 (544 d.B. und 575 d.B. sowie 10171/BR d.B.) ...................................................................................... 69

Berichterstatterin: Andrea Wagner ............................................................................... 69

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ...................................................................................... ..... 69

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ..... 71

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 72

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ..... 72

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 74

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlas­sen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich auf­hältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geän­dert werden (514 d.B. und 588 d.B. sowie 10158/BR d.B. und 10165/BR d.B.) ........................................................................................................ 74

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 74

RednerInnen:

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 74

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ..... 77

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 79

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................  82, 101

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 85

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ..... 87

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 90


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 5

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 93

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 93

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ..... 95

Dr. Gerhard Leitner ................................................................................................ ..... 97

Ing. Bruno Aschenbrenner .................................................................................... ... 100

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ... 102

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstimmung) ...................................................... 105

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 105

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bun­desgesetz über die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben (Konsulargesetz – KonsG) (512 d.B. sowie 10161/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 106

Berichterstatter: Mag. Bernd Saurer .......................................................................... 107

RednerInnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 107

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 108

Anton Froschauer ................................................................................................... ... 110

Bundesministerin Dr. Karin Kneissl ..................................................................... ... 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 113

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Alternative Investment­fonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Immobilien-Invest­ment­fondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Versicherungsauf­sichts­gesetz 2016, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuchhal­tungs­gesetz 2014 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden (Anti-Gold-Plating-Gesetz 2019) (508 d.B. und 583 d.B. sowie 10162/BR d.B.) ............................................................................................................. 113

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................. 113

RednerInnen:

Martin Weber ........................................................................................................... ... 114

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................. ... 115

Rudolf Kaske ........................................................................................................... ... 117

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ... 118

Christoph Steiner ................................................................................................... ... 120

Rudolf Kaske (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 121

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 122

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Gebührenanspruchs­ge­setz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz und das Bundes­verwal­tungs­gerichtsgesetz geändert werden (561 d.B. und 584 d.B. sowie 10163/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 122

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................... 122


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 6

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, die Exekutions­ord­nung, das Gerichtsgebührengesetz, die Insolvenzordnung, das Kärntner Erb­höfegesetz 1990, das Tiroler Höfegesetz und das Rechtspflegergesetz geändert werden (Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019 – ZZRÄG 2019) (560 d.B. und 585 d.B. sowie 10164/BR d.B.) .................................................................................... 122

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................... 122

RednerInnen:

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 123

Martin Weber ........................................................................................................... ... 125

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ... 126

Klara Neurauter ....................................................................................................... ... 126

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ... 127

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 129

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............................................................. ... 129

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (562 d.B. und 567 d.B. sowie 10166/BR d.B.)                  129

Berichterstatter: Christoph Steiner ............................................................................ 129

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle) (559 d.B. und 568 d.B. sowie 10167/BR d.B.) ............................................................................................................. 129

Berichterstatter: Christoph Steiner ............................................................................ 129

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrs­abkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Euro­päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (511 d.B. und 569 d.B. sowie 10168/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 129

Berichterstatter: Christoph Steiner ............................................................................ 129

RednerInnen:

Dominik Reisinger .................................................................................................. ... 130

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 132

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 133

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ... 134

Peter Samt ............................................................................................................... ... 136

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 137

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ...................................................................... ... 138

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 140


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 141

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (502 d.B. und 577 d.B. sowie 10172/BR d.B.) .... 141

Berichterstatter: Peter Samt ........................................................................................ 141

RednerInnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ... 141

Robert Seeber ......................................................................................................... ... 142

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ... 144

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ...................................................................... ... 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 146

14. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sperrvermerke für Mitglieder der Identi­tä­ren Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst (258/A(E)-BR/2019 sowie 10173/BR d.B.) .................................................................. 146

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................ 146

RednerInnen:

Martin Weber ........................................................................................................... ... 146

Robert Seeber ......................................................................................................... ... 148

David Stögmüller .................................................................................................... ... 149

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ... 152

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 154

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ... 156

Anton Froschauer ................................................................................................... ... 157

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Antrag 258/A(E)-BR/2019 keine Zustimmung zu erteilen   ............................................................................................................................. 159

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl 2018 (3648/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Asyl­beschwerden beim BvWG im Jahr 2018 (3649/J-BR/2019)

Anfragebeantwortungen


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 8

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Feuerwerkskörper der Kategorie F2 in Ortsgebieten (3356/AB-BR/2019 zu 3627/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übergriffe auf Asyleinrichtungen im Jahr 2018 (3357/AB-BR/2019 zu 3628/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zunahme privater Waffenkäufe (3358/AB-BR/2019 zu 3629/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stand der Planungen betreffend Tschirganttunnel (3359/AB-BR/2019 zu 3630/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz von Frauen in Oberösterreich (3360/AB-BR/2019 zu 3631/J-BR/2019)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inserate und Öffentlichkeitsarbeit des BM für Landesverteidigung (3361/AB-BR/2019 zu 3632/J-BR/2019)

 

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 9

09.01.03Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Ingo Appé, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vizepräsident Hubert Koller, MA.

09.01.04*****


Präsident Ingo Appé: Einen schönen guten Morgen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 892. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 891. Sitzung des Bundesrates vom 11. April 2019 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Christoph Längle, BA.

09.01.37Aktuelle Stunde


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Neuausrichtung der Österreichischen Jugendstrategie – Stärkung und Weiterentwicklung der Jugendpolitik“

mit Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag.a Dr.in Juliane Bogner-Strauß, die ich herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zum Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wie­derum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wort­meldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.


9.03.00

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.“

„Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unver­antwortlich und entsetzlich anzusehen.“

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Nein, diese Worte stammen nicht von einer Unterhaltung, die ich gerade eben erst aufgeschnappt habe. Ich habe sie auch nicht am Stammtisch oder im Kaffeehaus so gehört. Sie stammen von Sokrates und Aristoteles, sie sind mehrere Tausend Jahre alt, und ich glaube, sie zeigen eines ganz eindrucksvoll: Wenn auch zig Generationen zwischen diesen Zitaten und der heutigen Jugend liegen, die Skepsis gegenüber der jüngeren Generation begleitet uns bis heute. Sie hat sich sozusagen zu einer sicheren Konstante unserer Gesellschaft entwickelt.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 10

In der Wissenschaft wurde bereits vielfach der Frage nachgegangen, warum immer die heutige, die aktuelle Jugend die schlechteste aller Zeiten ist. Die Antwort lässt sich unter einem Begriff subsumieren: Angst.

Der amerikanische Soziologe David Finkelhor hat dafür sogar einen eigenen Begriff geschaffen: die Juvenoia, also die Angst vor der Jugend, aber auch die Angst um die Jugend, denn vielfach geht es auch um die Frage, welchen Effekt soziale Verände­rungen auf unsere Kinder haben werden, und dann wird gerne der Schluss gezogen, dass das schlecht ist und dass es damit auch schlecht um unsere Zukunft steht.

Wie kann man dieser Angst am besten begegnen? – Mit viel Mut und mit aktiven Maß­nahmen, die junge Menschen darin befähigen, zu selbstverantwortlichen, zu eigenstän­digen Menschen heranzuwachsen, und mit Rahmenbedingungen, die junge Menschen bestmöglich dabei unterstützen, diese Phase des Jungseins zu meistern und zu durch­wandern. Kurz zusammengefasst: mit einer aktiven Jugendpolitik. Und deswegen bin ich persönlich als Jüngste hier im Bundesrat (Bundesrat Steiner räuspert sich) sehr dankbar dafür, dass wir heute das Thema Jugendpolitik und die Österreichische Jugendstrategie in den Fokus dieser Aktuellen Stunde stellen und dass unsere Bun­desregierung und vor allem unsere Jugend- und Familienministerin seit Amtsantritt so viele Impulse im Jugendbereich gesetzt hat. – Vielen Dank, liebe Frau Bundesminis­terin! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bereits im Regierungsprogramm wurde eine klare Zielrichtung für die österreichische Jugendpolitik festgelegt. Es geht um Jugendpolitik als Politik für Jugendliche, aber vor allem auch Politik mit Jugendlichen, Jugendpolitik als Querschnittsmaterie durch alle Ressorts und eine neue Österreichische Jugendstrategie, die mit dem Kompetenz­zentrum für Jugend, das direkt im Bundeskanzleramt angesiedelt ist, sozusagen zur Chefsache wird.

Ein erster großer Meilenstein dabei ist im vergangenen Jahr mit der Harmonisierung des Jugendschutzgesetzes gelungen – ein Thema, das uns allen als Ländervertreter, als Länderkammer hier im Parlament wohlbekannt ist. Ausgehend von neun indivi­duellen Ländergesetzen wurde mit dem Beschluss der Landesjugendreferenten im April 2018 eine gemeinsame Vereinbarung festgelegt, und seit April dieses Jahres ist diese Regelung nun auch in allen neun Landesgesetzen verankert. Jugendliche haben damit sozusagen vom Neusiedler See bis zum Bodensee die gleichen Rechte und Pflichten: beim Rauchen mit der Anhebung des Schutzalters auf 18 Jahre, beim Alkohol mit der Differenzierung zwischen 16 und 18 Jahren und sie dürfen in ganz Österreich gleich lange fortgehen.

Vielen Dank an dich, liebe Frau Bundesministerin, du hast dieses Thema sehr aktiv und federführend vorangetrieben und schließlich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nach der Harmonisierung des Jugendschutzgesetzes steht nun ein weiterer jugend­politischer Meilenstein kurz vor der Umsetzung: die Weiterentwicklung und die Neuaus­richtung der Österreichischen Jugendstrategie. Diese Jugendstrategie gibt es in Öster­reich seit 2012. Diejenigen, die 2012 geboren sind, sind mittlerweile sieben Jahre alt. Sie haben im Herbst einen besonderen Einschnitt in ihrem Leben erfahren, möchte ich sagen, denn sie sind in die Volksschule gekommen, und ich glaube, es ist nur richtig und gut, dass wir auch die siebenjährige Jugendstrategie nun fit für die Zukunft machen und auch da einen Einschnitt machen.

Es geht zum Ersten darum, bestehende Angebote für junge Menschen zu evaluieren und zu optimieren. Das passiert mit einem umfassenden Monitoring, da sind alle Jugendvertreter eingebunden: die Bundesjugendvertretung, die Offene Jugendarbeit, die Österreichischen Jugendinfos, um nur einige zu nennen, die ihr Ohr ganz nahe an


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den Jugendlichen haben, womöglich auch noch selbst junge Menschen sind und die da kräftig mitreden.

Weiters geht es bei der Neuausrichtung der Österreichischen Jugendstrategie darum, neue Kooperationsfelder sichtbar zu machen. Und dazu – und das ist etwas ganz Besonderes – wird in dieser Bundesregierung erstmals ministeriumsübergreifend gear­beitet. Es werden von jedem Ressort eigene Jugendziele erarbeitet, und diese Jugend­ziele – und das finde ich ganz toll – werden auch einem sogenannten Realitycheck unterzogen, also gemeinsam mit jungen Menschen unter maximaler Einbeziehung der Jungen reflektiert und gegebenenfalls auch angepasst. Vielen Dank dafür, dass wir damit Jugendpolitik wirklich in allen Ressorts und durch alle Politikbereiche so sichtbar so aktiv machen.

Letztlich geht es bei der neuen Jugendstrategie natürlich auch darum, Handlungs­b­edarf aufzuzeigen und ganz konkrete Maßnahmen zu benennen. Diese Maßnahmen werden in vier Handlungsfeldern zusammengefasst: Bildung und Beschäftigung, Be­teili­gung und Engagement, Lebensqualität und Miteinander sowie – das ist der vierte Bereich, der ist neu, und den finde ich ganz wichtig und richtig – Medien und Infor­mation.

Immer online, ständig vor dem Bildschirm, die haben ja verlernt, miteinander zu reden – würden Sokrates und Aristoteles heute leben und würde man sie zitieren, dann wäre es mit diesen Worten.

Tatsache ist, das Medienverhalten junger Menschen hat sich gravierend verändert. Junge Menschen sind oftmals die Ersten, die neue Technologien, die Neue Medien nutzen, die Vorreiter sind, wenn es um die Digitalisierung geht, und die damit – und das ist die Kehrseite, die uns bewusst sein muss – in dieser Phase gleichzeitig auch besonderen Risiken ausgesetzt sind. Dementsprechend muss und wird es ein zen­trales Anliegen für die Zukunft sein, die Medienkompetenz, die digitalen Kompetenzen von Jugendlichen zu stärken, und zwar nicht nur die der Jugendlichen selbst, sondern auch die ihrer Familien, die von Fachpersonen, die mit ihnen in der Jugendarbeit, aber auch im pädagogischen Bereich zusammenarbeiten. Keine Frage, da braucht es gemeinsame Kraftanstrengungen, es braucht gemeinsame Maßnahmen, um Cyber­bullying, um Cybermobbing, um Fake News und Hass im Netz entschieden entgegen­zu­treten.

Das tut unsere Bundesregierung bereits mit sehr vielen Maßnahmen, wie etwa wenn es darum geht, den rechtlichen Rahmen zu setzen. Das, was in der analogen Welt strafbar ist, muss selbstverständlich auch im digitalen Bereich strafbar sein können, zum Beispiel mit dem Gesetz für Sorgfalt und Verantwortung im Netz, besser bekannt als das digitale Vermummungsverbot. Es geht aber auch darum, die Medienkompetenz und die digitale Grundkompetenz zu stärken, wie es mit dem Masterplan für digitale Bildung auch von unserem Bildungsministerium passieren wird. Und es geht darum, mit vielen Partnern in diesem Bereich, mit Experten zusammenzuarbeiten, wie der Plattform Saferinternet, wie der Beratungsstelle gegen Hass im Netz und wie mit vielen anderen mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktive Jugendpolitik bedeutet aber auch, Jugendpolitik auf alle Ebenen zu tragen, auf allen Ebenen zu fördern und zu leben. Ich bin sehr froh – am heutigen Europatag besonders –, dass es unter österreichischem Ratsvorsitz im vergangenen Jahr gelungen ist, die EU-Jugendstrategie zu verab­schieden, mit elf europäischen Jugendzielen, die nicht nur von den Ministern gemein­sam erarbeitet wurden, sondern in deren Erarbeitung 50 000 junge Europäerinnen und Europäer eingebunden waren. Diese Ziele werden jetzt natürlich auch in die Öster­reichi­sche Jugendstrategie einfließen, womit maximale Synergieeffekte genutzt werden.


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Jugendpolitik auf alle Ebenen zu tragen geht nicht ohne das Engagement der Länder und das Engagement der Gemeinden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es dies­bezüglich in vielen Bundesländern großartige Initiativen gibt. Ich möchte Niederöster­reich mit der gesetzlichen Verankerung der Jugendgemeinderäte erwähnen. Bei uns in Niederösterreich hat nun jede Gemeinde ihre eigene Drehscheibe zur Jugend vor Ort, zu den örtlichen Vereinen, aber auch zum Landesjugendreferat. Und als Jugendge­mein­derätin bin ich besonders stolz darauf, dass auch meine Heimatgemeinde Maria Enzersdorf kürzlich erst als Jugendpartnergemeinde ausgezeichnet wurde.

40 Prozent aller niederösterreichischen Gemeinden sind solche Jugendpartner­gemein­den. Sie geben damit ein ganz klares Bekenntnis zur Jugend ab, bringen aber vor allem auch große Wertschätzung gegenüber der Arbeit, die in den Jugendvereinen, in den Organisationen vor Ort passiert, zum Ausdruck, denn: Jugendpolitik fängt ganz im Kleinen an. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit viel Mut, mit einer aktiven Jugendpolitik in den nächsten Jahren noch sehr viel erreichen werden, und vielleicht gilt einmal das, was Salvador Dalí gesagt hat: „Das größte Übel der heutigen Jugend besteht darin, dass man nicht mehr dazugehört.“ – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.12


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile dieses.


9.13.02

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Beteiligung, Begegnung, Befähigung, habe ich gelesen, sind die Schlüsselwörter der neuen EU-Jugendstrategie. – Das ist natürlich großartig, denn es steckt in jedem einzelnen Begriff sehr viel drin, das man für Österreich gut aufgreifen könnte.

Noch etwas gefällt mir: Jugendpolitik ist Querschnittsmaterie – meine Vorrednerin hat es schon erwähnt –, alle Ressorts und Themenbereiche betreffen an irgendeiner Stelle auch die jungen Menschen, spätestens dann, wenn es um Zukunftsfragen geht. Dass ein Jugendressort die anderen Ministerien braucht und da eine koordinierende Rolle innehat, liegt auf der Hand, und gut, dass es hier ein Commitment zu geben scheint und da ressortübergreifend gearbeitet werden soll.

Und noch ein drittes Lob: Jugendbeteiligung wurde in den letzten Jahren in Öster­reich – auch maßgeblich durch die Bundesjugendvertretung, aber in Zusammenarbeit mit der Jugendabteilung – umgesetzt, und da wurde durchaus viel in neue Beteili­gungsformate investiert, da wurden Dialogforen abgehalten, es wurde eine Landkarte zu Mitbestimmungsprozessen erstellt und vieles mehr.

Man kann sehr deutlich sehen, dass es sehr, sehr viele engagierte MitarbeiterInnen im Ministerium, aber auch in den Landesjugendreferaten, vor allem auch vor Ort in der offenen und in der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit gibt, die permanent ver­suchen, ihre Angebote nach den Bedürfnissen und Wünschen der jungen Menschen auszurichten – das wechselt, das haben wir auch schon gehört, da gilt es immer wieder neue Dinge auszuprobieren –, und die das Ziel haben, diese jungen Menschen zu ermutigen und zu befähigen, ihren Weg zu gehen. Darauf können wir stolz sein, darauf kann diese Szene stolz sein, da haben wir in Österreich wirklich ein tolles Potenzial.

Vielleicht ein Best-Practice-Beispiel aus meinem Bundesland, dem Bundesland Wien, zum Thema Beteiligung: Derzeit läuft gerade ein Projekt, das sich Werkstadt Junges Wien nennt. Das ist das größte Beteiligungsprojekt, das diese Republik jemals gese­hen


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hat. Es haben bislang – und der Prozess ist noch nicht abgeschlossen – 10 000 Kin­der und Jugendliche daran teilgenommen und innerhalb von drei Monaten über tausend Gruppierungen, das heißt über tausend Schulklassen, Kindergartengruppen, Jugend­zentren, verbandliche Organisationen, und alle haben sich Gedanken gemacht: Wie wollen wir diese Stadt noch verbessern? Wie kann sie noch kinder- und jugend­freundlicher werden?

All diese Ergebnisse werden gesammelt und werden den Magistratsabteilungen zur weiteren Bearbeitung zugespielt. Es soll eine Kinder- und Jugendstrategie für diese Stadt entstehen und darauf sind wir zu Recht, denke ich, sehr, sehr stolz, und das kann ein Beispiel für viele andere Bundesländer sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ecker.)

Im Ministerratsvortrag zur Jugendstrategie lese ich den Satz: „Vorrangiges Ziel der österreichischen Jugendpolitik sind das Wohlergehen der Jugend und die Sicherung der Zukunftschancen.“ – Da stellt sich jetzt natürlich die Frage: Was genau ist damit gemeint, wann kommen die entsprechenden Maßnahmen und wie ernst wird das auch betrieben? Ich habe nämlich vor allem mit jungen Menschen zu tun, die nicht das Glück haben, dass ihnen von Haus aus alle Türen offen stehen, die nicht die soziale Kompetenz mitbekommen haben, sich in Beteiligungsprojekten zu engagieren, und die vor allem mit existenziellen Sorgen konfrontiert sind, die ihnen zu viel Energie rauben, um sich gestalterisch und beteiligend in die Gesellschaft einbringen zu können. Das ist natürlich furchtbar schade, weil die Beteiligung ja nur eine der drei Säulen der Kinder- und Jugendrechtskonvention ist, und diese Konvention gilt ja bekanntlich bis 18 Jahre, also auch für Jugendliche.

Es gibt eben neben dieser Beteiligung auch noch die Säule des Schutzes und die Säule der Versorgung von jungen Menschen. In diesem Zusammenhang, Frau Minis­terin, läuten in unserer Republik momentan schon die Alarmglocken, denn seit Ihrem Regierungsantritt passieren Dinge, die eben genau für diese Jugendlichen, von denen ich spreche, die Sorgen vergrößern und ihre Zukunftschancen verringern. Das muss ich hier ansprechen, denn man kann nicht die Beteiligung loben und von einer Jugend­strategie reden, wenn gleichzeitig die existenziellen Bedürfnisse für diese jungen Menschen so prekär werden.

Ich denke dabei beispielsweise an die Reduktion der überbetrieblichen Lehrwerkstätten genau für diese Jugendlichen, die Infragestellung der Jugendvertrauensräte als eine Beteiligungsmöglichkeit genau für diese jungen Menschen, die Abschiebung von Jugendlichen in Lehre, in Mangelberufen – da wird der Protest zum Glück auch aus Ihren Reihen immer unüberhörbarer –, die Kürzung der Mindestsicherung, die auch junge Menschen trifft und ihnen Teilhabe verunmöglicht. Und für den Fall, dass wir heute möglicherweise wieder hören, dass der Familienbonus ein Erfolg ist: Genau diese Jugendlichen, von denen ich spreche, und ihre Familien profitieren davon nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß schon, nicht alle diese Themen betreffen primär Ihr Ressort, Frau Ministerin, aber Sie haben es selbst im Ministerratsvortrag richtig gesagt: Jugendpolitik ist eine Querschnittsmaterie!, und ich würde mir von einer Jugendministerin erwarten, dass sie sich schützend vor alle Jugendlichen stellt und stopp sagt, wenn deren Lebenssituation verschlechtert wird.

Für die Zielgruppe, für die Sie Politik machen, mag das alles fein sein – man fördert eine Elite –, aber für alle anderen bringt das keine Verbesserung. Im Gegenteil!

Sie haben sich vorgenommen, mit jedem Ressort ein Jugendziel zu definieren, und auf der Grundlage meiner bisherigen Kritik hätte ich ein paar Vorschläge, wie solche Ziele ausschauen könnten:


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Wir bräuchten ganz dringend eine Jugendstrategie zur Bekämpfung der Jugendarmut – mit dem Sozialministerium.

Wir bräuchten ganz dringend eine Jugendstrategie zur Chancengleichheit im Bildungs­system – mit dem Bildungsministerium.

Wir bräuchten ganz dringend eine Jugendstrategie zur beherzten Bekanntmachung und Umsetzung der Kinderrechte in Österreich – mit dem Bundeskanzleramt.

Wir bräuchten dringend eine Jugendstrategie zur Verkehrssicherheit junger Men­schen – mit dem Verkehrsministerium.

Wir bräuchten eine Jugendstrategie zur Absicherung und Integration von Flüchtlings­kindern – mit dem Innenministerium.

Wir bräuchten eine Kinder- und Jugendstrategie zur Sicherung der Lebensgrundlage für alle Menschen und zum Stopp des Klimawandels – mit dem Nachhaltig­keits­ministerium. (Bundesrat Steiner: Da sieht man, was wir alles aufzuholen haben!)

Und so könnte das für jedes Ministerium, in dem wir in diesem Bereich Ziele brauchen, weitergehen. Impulse dafür könnten vom Familien- und Jugendministerium ausgehen. Eine Jugendministerin könnte hierzu Akzente setzen, die tatsächlich allen Jugend­lichen zugutekommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

9.20


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile ihr dieses.


9.20.42

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Minister! Werte Damen und Herren hier und zu Hause! Wenn wir uns mit dem Thema Jugendstrategie beschäftigen, stellt sich auch die Frage: Was ist Jugendpolitik? – Wenn wir von Jugendpolitik sprechen, meinen wir damit, die Lebens­situationen und Lebensperspektiven von Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen zu gestalten und den jeweiligen Entwicklungen anzupassen. Jugendpolitik ist für die formalen, inhaltlichen und auch finanziellen Bedingungen der Jugendarbeit verant­wortlich.

Jugendpolitik – davon bin ich überzeugt – ist uns allen besonders wichtig, weil wir alle wollen, dass es den jungen Menschen gut geht, dass sie ihr Leben meistern können, dass sie Chancen haben und dass sie an der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben können. Das Regierungsprogramm „Zusammen. Für unser Österreich.“ sagt ganz klar: „Jugendpolitik ist Politik [...], die alle Ressorts betrifft“, daher ist vorgesehen, „Maß­nahmen im Jugendbereich zu koordinieren und inhaltlich sowie methodisch zu unter­stützen“.

Nun können wir uns fragen: Wer macht Jugendpolitik? – Wir wissen, dass das nicht nur auf der Ebene des Bundes passiert, sondern natürlich auch im internationalen Rahmen genauso wie in einzelnen Ländern, Regionen und Gemeinden. Gerade in den Ge­meinden gibt es gute Aktionen wie Familienfreundliche Gemeinde oder Junge Gemein­de, die in den Gemeinden absolute Priorität haben.

Österreich ist durch die gewachsene föderalistische Struktur in den Zuständigkeiten aufgeteilt, auf der einen Seite die neun Bundesländer, auf der anderen Seite der Bund. Die allgemeinen Agenden und die Koordination sind Ihrem Ministerium zugeteilt. Man muss schon feststellen: Mit dieser Jugendstrategie werden erstmals in Österreich die Jugendlichen aktiv in die Zielsetzungen aller Ministerien miteingeschlossen. Jedes


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Bundesministerium muss sich Jugendziele setzen. Diese gesetzten Ziele werden dann mit den Jugendlichen besprochen und das erhaltene Feedback wird mitberücksichtigt. Das heißt, Jugendpolitik ist damit erstmals in jedem Ressort verankert.

Die Jugendstrategie fokussiert sich auf Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren beziehungsweise – in manchen Bereichen – bis 30 Jahren. Die vier Schwerpunkte haben wir schon gehört, ich denke aber, ich werde sie trotzdem noch einmal zitieren, weil sie alle sehr aussagekräftig sind: Bildung und Beschäftigung, Beteiligung und Engagement, Lebensqualität und Miteinander, Medien und Information.

Diese Schwerpunkte wurden im November 2018 im Ministerrat beschlossen. Sie bilden einerseits den Rahmen für die übergreifende Zusammenarbeit und Koordination in den Ministerien, spiegeln aber andererseits auch das tatsächliche Geschehen rund um die Jugendanliegen wider, denn deren Leben ist in diesem Alter noch von der Thematik Ausbildung und Arbeitsplatz geprägt.

Wir können es uns nicht leisten, die vielen Talente der Jugendlichen brachliegen zu lassen, denn diese sind eine wichtige Grundlage für die Qualifikation am Arbeitsplatz. Sinnerfüllte Beschäftigung ist nicht nur uns, sondern auch den Jugendlichen besonders wichtig, und durchgehende Beschäftigung, das wissen wir alle, sichert das eigene Leben, das Wohnen und schlussendlich den Wohlstand.

Das heißt, eine der obersten Prioritäten muss auch sein, die Zahl der Jugendlichen, die sich im sogenannten Neet-Status befinden, zu reduzieren – Neet steht für: Not in Education, Employment or Training. Auch wenn die Zahl der Schul- und Ausbildungs­abbrecher im Vergleich zu anderen Ländern gering ist, so ist doch jeder Jugendliche, der davon betroffen ist, einer zu viel. Jeder Jugendliche will schließlich auf eigenen Beinen stehen. Dazu brauchen sie einerseits einen Arbeitsplatz mit Zukunft, anderer­seits aber auch ein Bildungssystem, welches sie bestmöglich auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereitet.

Wir wünschen uns, dass Kinder und Jugendliche in Österreich unbeschwert und in Sicherheit aufwachsen und leben können. Wir wissen aus Studien und Befragungen, dass den Jugendlichen besonders die derzeitige und die zukünftige Lebensqualität sowie insbesondere das Miteinander am Herzen liegen. Das wurde in der Jugend­strategie auch berücksichtigt. Es betrifft eben nicht nur das Heranwachsen und das Erwachsenwerden, sondern auch die Bereiche Gesundheit, Umwelt, Familie, Mobilität und sehr vieles andere mehr. Wir alle wünschen uns engagierte Menschen, die unser Land mitgestalten, dass Menschen sich an Prozessen beteiligen, mitreden und mitbe­stimmen. Österreich ist ein lebendiges Beispiel im Bereich des Ehrenamtes, was auch weiterhin gefördert werden muss, und zwar bereits vom Kinder- und Jugendalter an.

Wir haben es schon gehört: Die großen Herausforderungen, die die Digitalisierung in allen Bereichen mit sich bringt, wird im Bereich Medien und Information gut erfasst. Nicht nur die Chancen sollen genützt werden, die Jugendlichen müssen auch vor den Risiken geschützt werden und sie müssen lernen, damit umzugehen. Was und wem im Netz glaube ich? Wo finde ich wirklich glaubwürdige Informationen? – Das müssen Jugendliche lernen.

Derzeit werden im Bundesministerium Ziele ausgearbeitet, die nach dem Sommer beschlossen werden. Dazu gibt es auch die angesprochenen Realitychecks; das heißt, es gibt Umsetzungsberichte dazu. Die Jugendlichen können sagen, für sie passt das nicht oder da würden sie sich noch etwas anderes wünschen. Man muss festhalten: Österreich hat sich während der Ratspräsidentschaft sehr stark für eine offene Jugend­arbeit eingesetzt. Das heißt, wir müssen die Jugendlichen auch dazu motivieren, diese Dialoginstrumente zu nutzen, damit wir ihre Anregungen berücksichtigen können.


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Bereits angesprochen wurde auch das Forum Jugendstrategie: Dieses Kompetenz­zen­trum widmet sich der Etablierung von Jugend in allen Politikbereichen, was eine besonders schöne Sache ist.

Wenn die Ziele ausformuliert werden, gibt es dann eben diese Umsetzungsberichte. Damit übernimmt jedes Kabinett verbindlich Verantwortung für unsere Jugend, womit die Rahmenbedingungen für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich weiter verbessert und mit der EU-Jugendstrategie verknüpft werden.

Das heißt, die Österreichische Jugendstrategie ist ein kontinuierlicher Prozess mit Beteiligung junger Menschen. Davon werden in Österreich mehr als eine Million junge Menschen profitieren. Wenn die jungen Menschen in unserem Land profitieren, dann profitiert die ganze Gesellschaft, denn Österreichs Zukunft liegt in den Händen unserer Jugend. Wir wollen mit der Jugendstrategie das Selbstbewusstsein und die Identität der jungen Menschen in Österreich stärken, damit sie sich zu aufgeklärten, unab­hängigen und mündigen Staatsbürgern entwickeln können.

Die gemeinsame Jugendstrategie der Bundesregierung ist ein ambitioniertes und kon­sequentes jugendpolitisches Vorhaben, dem man nur positiv gegenüberstehen kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Koller.)

9.28


Präsident Ingo Appé: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich die Frau Bundes­ministerin für Frauen, Familien und Jugend zu Wort gemeldet. Auch ihre Redezeit soll bitte 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.


9.28.37

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglie­der des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Jugendliche auf der Besuchergalerie! Jugendpolitik ist neben der Familienpolitik und der Frauenpolitik meine dritte Verantwortungssäule in der Politik. Sie ist mir eine ganz, ganz wichtige Säule, und zwar nicht nur deshalb, weil ich drei Kinder unterschiedlichen Alters zu Hause habe und mir natürlich ihre Gegenwart und Zukunft sehr am Herzen liegt. Es freut mich, dass wir heute die Möglichkeit haben, über Jugendpolitik zu sprechen und die Neuausrichtung der Österreichischen Jugendstrategie hier im Bundesrat zu diskutieren.

In Österreich gibt es 1,7 Millionen Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Wenn ich auf die Besuchergalerie schaue, dann darf ich einige von ihnen heute bei uns herzlich willkommen heißen. Die jungen Menschen – die österreichische Jugend – leben im Hier und Jetzt, aber natürlich müssen wir auch schauen, dass wir ihre Zukunft ebnen und vor allem ihre Chancen für die Zukunft erhöhen.

Der Lebensabschnitt Jugend ist in unterschiedliche Phasen unterteilt. Kinder und Jugendliche haben das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität, nach Gemeinschaft und Liebe, nach Freiheit und Unabhängigkeit und natürlich auch nach Selbst­verwirk­lichung und Entfaltung. In der österreichischen Jugendpolitik möchten wir all diese Bedürfniswelten abbilden.

Eine wesentliche Aufgabe ist es, junge Menschen bestmöglich zu begleiten, damit sie die Lebensphasen des Jungseins mit uns gemeinsam besser meistern können. Für junge Menschen soll ein Rahmen geschaffen werden, damit sie sich zu eigen­verant­wortlichen und selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln können.

Im Regierungsprogramm „Zusammen. Für unser Österreich.“ gibt die österreichische Jugendpolitik eine ganz klare Zielrichtung vor. Mir persönlich ist es ganz, ganz wichtig,


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 17

Jugendpolitik nicht nur für die Jugendlichen zu machen, sondern vor allem mit den Jugendlichen. Wie meine Vorrednerinnen schon gesagt haben, ist Jugendpolitik eine Querschnittsmaterie und betrifft alle Ministerien. Daher gilt es auch, gemeinsam eine Strategie für die Zukunft zu entwickeln.

Um diese Ziele zu erreichen, stehen uns als Politiker und Politikerinnen viele Werk­zeuge zur Verfügung. Eines davon ist die Jugendstrategie. Wir hatten das Glück, dass wir aufgrund dessen, dass wir den Vorsitz in der Ratspräsidentschaft hatten, nicht nur die Österreichische Jugendstrategie, sondern zeitgleich auch die EU- Jugendstrategie mitentwickeln konnten.

Ich habe am 24. Oktober 2018 einen Ministerratsvortrag zur Neuausrichtung der Öster­reichischen Jugendstrategie eingebracht. Die Jugendstrategie – das wurde bereits erwähnt – gibt es seit 2012, und sie entwickelt sich immer weiter. Dementsprechend gibt es seit 2012 eine Entwicklungsgruppe. Ich darf Ihnen auch sagen, dass sogar heute Nachmittag wieder eine Sitzung dieser Entwicklungsgruppe abgehalten wird, in der wir dann gleich die Themen, die hier heute im Bundesrat diskutiert und ange­sprochen werden und wurden, miteinbeziehen werden. In dieser Gruppe sind alle wichtigen Partner aus dem jugendpolitischen Bereich: die Bundesjugendvertretung – die hat schon Erwähnung gefunden –, das Bundesnetzwerk Österreichische Jugend­infos, das Bundesweite Netzwerk Offene Jugendarbeit, die Nationalagentur Erasmus+ Jugend in Aktion, die Vertreter im Europäischen Forschungsnetzwerk RAY, das Kom­petenz­zentrum Jugend im BKA und meine jugendpolitische Abteilung im Bundes­kanzleramt, der ich hier auf diesem Weg auch ganz herzlich Danke für ihr Engagement und für die tollen und innovativen Ideen, die sie immer wieder liefern, sagen darf. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Jugendstrategie wird als laufender Prozess verstanden, bei dem sich Jugendliche auch immer wieder einbringen können. Wir haben schon die vier Handlungsfelder gehört: Bildung und Beschäftigung, Beteiligung und Engagement, Lebensqualität und Miteinander. Wir haben die Österreichische Jugendstrategie diesmal um ein Hand­lungsfeld erweitert, nämlich: Medien und Information.

Was Bildung und Beschäftigung angeht, wissen wir, Österreich ist ein sehr wohl­habendes Land. Wir sind in der glücklichen Situation, sagen zu können, dass die Armut im Sinken begriffen ist, dass es in kaum einem weiteren europäischen Land eine so niedrige Jugendarbeitslosigkeit gibt wie in Österreich und dass wir mit der Ausbil­dungspflicht bis zu 18 Jahren auch ein gutes Instrument geschaffen haben, um Jugendliche in Arbeit und in Ausbildung zu bringen.

Das Handlungsfeld Bildung und Beschäftigung ist dem Anliegen gewidmet, dass alle jungen Menschen ihre Talente bestmöglich entwickeln und ihre Chancen nutzen können, um aktuelle und auch zukünftige Herausforderungen stemmen zu können. Eine gute Arbeit haben heißt, Perspektiven zu haben – das gilt für junge Menschen genauso wie für alle anderen. Dazu müssen Talente erkannt, gefördert und Chancen genützt werden. Da wollen wir unterstützen.

Was Beteiligung und Engagement angeht, so sage ich immer, ich möchte Politik mit den Jugendlichen machen. Das funktioniert natürlich, indem sich die Jugendlichen engagieren. Ich freue mich, dass heutzutage auch das Engagement und die politische Partizipation von Jugendlichen wieder stärker und größer wird, dass wir es schaffen, ihr Interesse zu wecken. Wir haben das auch bei der EU-Jugendstrategie und bei deren Ausrichtung gesehen, denn 50 000 europäische Jugendliche haben sich bei der Konsultation beteiligt, wobei jede oder jeder zehnte Jugendliche aus Österreich war.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 18

Das heißt, die österreichische Jugend beteiligt sich wirklich gern, weil sie weiß, es geht um ihre Gegenwart und es geht um ihre Zukunft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir können in Österreich sehr stolz auf unsere Jugend sein, und zwar – das habe ich schon gesagt –, weil sie sich ganz stark engagiert. Ich möchte Ihnen aber auch die Zahlen zukommen lassen; weil ich jedes Mal wirklich wieder erstaunt und beglückt bin, muss ich in diesem Fall auch sagen, wie stark die Jugendbeteiligung in Österreich ist. Wir haben 37 große Bundesjugendorganisationen, diese zählen 1,6 Millionen Mitglie­der, die Arbeit geschieht dort zu 97 Prozent auf Basis des freiwilligen Engagements. Engagement, Einsatz und gemeinsames Tun für die Allgemeinheit: Ich denke, das sollte uns alle dazu veranlassen, ein herzliches Danke an die Jugend zu sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ein weiteres Handlungsfeld ist Lebensqualität und Miteinander. Dieses adressiert jene Lebensbereiche, die Jugendliche vor allem im Übergang zum Erwachsenensein be­treffen. Das betrifft die Gesundheit, die Familie, die Mobilität, die Umwelt und natürlich die persönliche Lebensperspektive und Lebenszufriedenheit. Dies erfordert eine aktive Lebensgestaltung. Jugendliche müssen entsprechend gefördert und vor allem auch gefordert werden, damit sie Verantwortung für die Zukunft übernehmen können.

Last, but not least Medien und Information: Das wurde heute schon erwähnt. Ich bin auch zu Hause damit konfrontiert. Unser Größter, der gerade Matura macht, ist eigentlich noch recht handyfrei aufgewachsen; weil er selbst kein Interesse daran hatte, hat er erst mit 16 angefangen, in die sozialen Medien reinzuschnuppern, und bei dem Alter war es eigentlich schon ganz einfach, ihm zu erklären, wie man Medien­kompetenz erwirbt und dass das die einzige Möglichkeit ist, sicher im Internet unterwegs zu sein.

Bei unserer Zehnjährigen ist es nicht ganz so einfach, ihr zu verklickern, wie sie sich sicher im Internet bewegt. Sie hat gerade immer wieder auf ihrem Handy Anrufe von unbekannten Nummern aus Deutschland gehabt. Man muss den Kindern dann wirklich auch klarmachen, dass es zu ihrem Schutz ist, aber die Kinder wollen das halt manchmal nicht hören oder gehen auch oft in eine Abwehrhaltung. Deswegen glaube ich, dass das ein Feld ist, dass wir wirklich beackern müssen, damit wir unseren Kindern und Jugendlichen Medienkompetenz zuteilwerden lassen, weil das einfach der beste Schutz im Internet ist, den es gibt.

Junge Menschen sind eben, wie schon gesagt, besonderen Risiken ausgesetzt. Saferinternet.at und die Medien-Jugend-Info wurden schon genannt. In meiner Abteilung und gemeinsam mit nationalen und internationalen Plattformen wird wirklich sehr viel für die Stärkung der Medien- und Digitalkompetenz von jungen Menschen getan.

Innovation ist wichtig, aber nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Jugend­strategie. Wie bereits erwähnt, bewegt sich die Jugendpolitik im Querschnitt zu den Ländern, den Gemeinden und den Interessenvertretungen. Ich sehe es vor allem als meine Aufgabe, sie als Querschnittsmaterie in allen Ministerien zu verankern.

Die Jugendstrategie ist darauf ausgelegt, dass wir analysieren, was derzeit in den Ministerien für die Jugend und mit der Jugend getan wird. Nach dieser Analyse dür­fen – besser gesagt: sollen und müssen – die Ministerien ein Jugendziel oder mehrere definieren. Diese Jugendziele unterliegen dann noch einem Realitycheck von jungen Menschen, die sich in diese Jugendziele dann auch einbringen und sie werten können, wenn es notwendig ist.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 19

Wir sind mitten im Prozess und hoffen oder gehen davon aus, dass wir diesen Prozess bis zum Ende des Sommers abschließen können.

Die EU-Jugendstrategie habe ich schon kurz erwähnt. Ich schätze mich wirklich glücklich, dass ich dabei sein und während der Ratspräsidentschaft diese Jugend­stra­tegie federführend mitverhandeln durfte – 50 000 Jugendliche, elf Jugendziele. Natür­lich sind diese Jugendziele in den unterschiedlichen Ländern Europas unterschiedlich relevant. Wie ich schon sagte, ist Österreich in der glücklichen Situation, eine sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit zu haben, während viele südliche Länder Europas eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit haben.

Ein weiteres Beispiel ist das Verankern der Jugendlichen in ihrer Heimat. Es gibt Länder, die eine unglaubliche Landflucht haben, und da meine ich nicht Land im Sinne von Land-Stadt-Gefälle, sondern sie verlassen ihre Nationen, weil sie keine Arbeit haben oder weil sie keine sinnstiftende Arbeit haben. Es gibt Länder, aus denen 25 Prozent der Jugendlichen abziehen und nicht mehr zurückkommen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, in die Zukunft zu investieren, damit die Länder auf ihre Jugend bauen können, aber vor allem auch die Jugend auf das Land bauen kann, in dem sie aufge­wachsen ist.

Veränderung ist für uns ein ständiger Begleiter, aber ich glaube, bei der Jugend ist Veränderung ganz, ganz wichtig. Die erste eigene Wohnung, Berufs- und Ausbildungs­wahl oder auch einmal ein Berufs- oder Ausbildungswechsel: Es gibt unglaublich viele Orientierungsphasen, die oft nicht einfach zu meistern sind. Es braucht eben eine Inter­essenfindung, damit man weiß, was man tun möchte, und damit man das, was man tut, auch gerne tut. Daher ist es wichtig, so gut wie möglich für diese Veränderungen gewappnet zu sein, denn Veränderung – das wissen wir alle – gehört einfach zum Leben dazu.

Mit unserer Politik unterstützen wir junge Menschen bestmöglich darin, diese Phasen zu meistern. Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich für die Jugend und die sich mit der Jugend engagieren. Wir möchten, dass sich unsere Jugendlichen zu eigen­ständigen und selbstverantwortlichen Persönlichkeiten entwickeln können. Die Öster­reichische Jugendstrategie ist dafür ein maßgebliches Werkzeug in der Ausgestaltung; ich möchte fast sagen, die Österreichische Jugendstrategie ist unser jugendpolitischer Handlauf. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

9.42


Präsident Ingo Appé: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht über­steigen darf.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner zu Wort. Ich erteile ihr dieses.


9.43.29

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer, vor allem liebe Jugendliche auf der Besuchergalerie, heute geht es um euch! Werte Zuseher via Livestream! 1,7 Millionen junge Menschen sollen von der neuen Österreichischen Jugendstrategie profitieren. Wesentliches Kenn­zeichen der Österreichischen Jugendstrategie ist auch die aktive Einbeziehung von jungen Menschen in alle Entwicklungs- und Umsetzungsschritte – mit Betonung auf aktiv.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 20

Liebe Bundesministerin, du hast ja bereits klar betont, dass Jugendpolitik eine Quer­schnittsmaterie ist und alle Bundesministerien eingeladen sind, sich Jugendziele zu setzen und diese auch gemeinsam mit Jugendlichen zu reflektieren. Du hast auch erwähnt, dass durch diese aktive Miteinbeziehung junger Menschen in alle Bereiche und Ressorts diese Jugendpolitik ermöglicht wird, weil – das hast du auch gesagt – Jugendpolitik Politik mit Jugendlichen und nicht nur für Jugendliche ist.

Es geht nicht darum, nun irgendwelche politischen Ideologien in den Vordergrund zu stellen, sondern wir haben, wie ich denke, da wirklich alle ein gemeinsames Ziel, und zwar unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei ihren Anliegen und Heraus­forderungen bestmöglich zu unterstützen.

Im Zentrum der Österreichischen Jugendstrategie stehen vier große Handlungsfelder, die wir ja bereits gehört haben. Aufgrund der limitierten Zeit möchte ich nur auf zwei davon eingehen, und zwar auf Bildung und Beschäftigung und auf das neue Hand­lungsfeld Medien und Information.

Bildung und Beschäftigung: Worum geht es? – Es geht darum, dass junge Menschen, Jugendliche ihre Talente bestmöglich entwickeln und den Herausforderungen in der Arbeitswelt bestmöglich begegnen können. Wir sprechen dabei im Wesentlichen von zwei Generationen: Es geht um die Generation Z, geboren zwischen 1995 und 2010, die sogenannten Digital Natives, für die das Thema Digitalisierung schon komplett in ihr Leben integriert wurde, und es geht um die Generation Y, geboren zwischen 1980 und 2000, eine Generation, die in den Medien sehr oft diskutiert und teilweise sogar schon etwas überstrapaziert wird.

Auch wenn Generationen oft sehr heterogen sind und sich sehr schwer typisieren lassen, zeigen sich doch sehr prägnante Fakten. Es handelt sich um Jugendliche und junge Erwachsene mit einem sehr technikaffinen Lebensstil, da sie ja auch schon großteils in einem Umfeld mit Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen sind.

Wenn man nun versucht, das Arbeitsverhalten dieser Generation Y zu beschreiben – wir haben am Campus in Krems bereits einige Studien dazu gemacht –, dann zeigt sich, dass die Freude an der Arbeit oft viel wichtiger ist als Status und Prestige. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen dieser Generation Y.

Auch wenn diese Ergebnisse zum Teil sehr verallgemeinern, zeigt sich ja doch eines: Fakt ist, dass der Berufseinstieg für junge Menschen heute tatsächlich schwieriger geworden ist. Viele dieser jungen Menschen erhalten nur noch befristete Verträge, was natürlich zu gewissen Unsicherheiten führt und Flexibilität und Mobilität verlangt. Deshalb sind Maßnahmen notwendig. Daher danke ich noch einmal der Bundes­regie­rung, dass dieses Handlungsfeld künftig angepackt, gebündelt und optimiert wird.

Ein weiteres Handlungsfeld, auf das ich noch kurz eingehen möchte, ist Medien und Information. 51 Prozent der Jugendlichen nützen täglich soziale Netzwerke als Infor­mations­quelle. Woher wissen diese Jugendlichen, ob diese Informationen tatsächlich wahr sind? – Eine Studie hat ergeben, dass 30 Prozent der Jugendlichen dabei auf ihr Bauchgefühl vertrauen. Somit zeigt sich eindeutig, dass es für Kinder und Jugendliche wirklich schwer geworden ist, den Wahrheitsgehalt von Text-, Bild- oder Videoinhalten zu beurteilen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sie alle einen kritischen Blick entwickeln und sich Strategien zur Beurteilung von Medieninhalten aneignen. Ich betone dabei aber auch noch einmal ganz klar die Verantwortung der Eltern, die in diesem Prozess wichtige Begleiter sind.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 21

Wichtig ist, dass wir dennoch das Thema Digitalisierung aktiv als Chance nutzen und begleitend dazu aber die Medienkompetenz unserer Jugendlichen stärken. Es werden da ja schon sehr, sehr viele Maßnahmen und Initiativen gesetzt, die bereits erwähnt worden sind. So wird zum Beispiel die Informationskompetenz gestärkt oder es werden jugendgerechte Informationen vermittelt, um unsozialen Verhaltensweisen wie Cybermobbing, Shitstorm und Hassreden entgegenzuwirken.

Ich komme nun auch schon zum Schluss. Zusammenfassend: Wir sind es unseren Kindern und Jugendlichen schuldig, weiterhin gemeinsam an einer aktiven Jugend­politik zu arbeiten, sodass sich unsere Jugendlichen zu eigenständigen Persönlich­keiten entwickeln können. Ich bin davon überzeugt, dass die Neuausrichtung der Österreichischen Jugendstrategie zielführend ist – eine Politik mit Jugendlichen und nicht nur für Jugendliche. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.49


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile dieses.


9.49.44

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Jugendliche auf der Galerie und zu Hause! Was wäre unser Land ohne unsere Jugendlichen, ohne unsere jungen Menschen! Auf die können wir stolz sein. Sie sind kreativ und bereichern unser Leben in vielerlei Hinsicht. Doch politisch, so scheint es mir, werden sie seit Jahren vernachlässigt. Sie sind eine Gruppe, die leider ver­nachlässigt wurde – ich empfinde das so. Es ist aber schön, zu hören, dass sich das jetzt ändern wird.

Welche speziellen Freizeitangebote, welche Orte, welche Möglichkeiten der Selbst­verwirklichung gibt es im 21. Jahrhundert für unsere Jugendlichen? Jugendliche wer­den heute viel früher reif als vor 20 Jahren. Sie haben früher Sex, und auch die körperliche Entwicklung verläuft schneller. Viele wohnen jedoch auch noch nach der Ausbildung im Hotel Mama. Es gibt da also sehr unterschiedliche Zugänge. Von Flüchtlingen wird erwartet, dass sie mit spätestens 18 Jahren allein und ohne Betreuung zurechtkommen. Wie schnell sollten Jugendliche auf sich allein gestellt sein? – All diese Faktoren machen Jugendpolitik komplex, und umso wichtiger ist es, dass sich die Politik für die Jugendlichen interessiert. Nur wenn wir wissen, was sie beschäftigt, können wir auch gute Jugendpolitik machen.

Wenn wir über Kinderarmut sprechen, denken wir in erster Linie an kleine Kinder. Zwölf- bis 14-Jährige leiden aber ebenso sehr, wenn Geld für eine neue Jeans, neue Turnschuhe oder auch für das geliebte neue Smartphone fehlt. Im Zentrum der Österreichischen Jugendstrategie stehen Personen zwischen 14 und 24 Jahren, un­sere Jugend, unsere Zukunft, Personen, die in absehbarer Zeit in unserem Land die Kultur und die Gesellschaft prägen werden.

Die Übergangszeit von der Kindheit ins Erwachsenenalter ist nicht nur eine schöne, eine erwartungsvolle, sondern auch eine anstrengende und schwierige Zeit für alle Beteiligten. Auf diesen Personen lasten unsere Wünsche als Erziehungsberechtigte und Angehörige. Auch der Staat setzt große Hoffnungen in unsere Jugend. Das erzeugt einen enormen Druck, dem nicht alle Jugendlichen gewachsen sind. Die Jugendpolitik hat die Aufgabe, die jungen Menschen in dieser Phase des Übergangs ins Erwachsenenalter bestmöglich zu unterstützen.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 22

Eines der heuer sehr prägenden Themen in der medialen Berichterstattung ist ein sehr trauriges, nämlich die häusliche Gewalt. Betroffen sind vor allem Frauen und deren Kinder beziehungsweise Jugendliche. Ich erinnere an Schlagzeilen wie: 16-Jährige im Park gewürgt, 21-Jähriger tötet seine Schwester, und so weiter – ein furchtbares Thema. Im Regierungsprogramm ist unter dem Punkt „Gewaltprävention und Inte­gration von Frauen“ als eines der Ziele die „Evaluierung und gegebenenfalls Weiter­entwicklung der Gewaltschutzzentren“ angekündigt. Frau Ministerin! Beim Wort gege­benenfalls läuft es mir schon ein bisschen kalt über den Rücken, weil ich denke, dass die Medienberichte eine andere Realität zeigen. Umso weniger verstehe ich, dass man trotz der massiven Zunahme von Gewaltverbrechen an Frauen Frauenhäuser schließt oder finanziell aushungert und auch Frauenberatungsstellen einspart. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein ebenso wichtiges Thema ist die Gesundheit unserer Jugendlichen. Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen müssen oft Monate auf Behandlungen warten oder bekommen gar keinen geeigneten Platz. Die medizinische Versorgung ist in keinem Bereich schlechter als in der Kinderpsychiatrie. Studien der medizinischen Universität Wien belegen, dass 170 000 Minderjährige in Österreich, also ein Viertel der Zehn- bis 18-Jährigen, an einer psychischen Krankheit leiden. Es handelt sich vor allem um Angst-, Entwicklungs- und Essstörungen, Depressionen und Suchterkran­kungen.

Aus persönlicher Erfahrung mit einem Gewaltdelikt in meiner unmittelbaren Umgebung: Eine junge Frau wurde krankenhausreif geschlagen und musste Todesängste durch­leben. Sie hat nach dem Abklingen der körperlichen Beschwerden dringend um eine Akutpsychotherapie angesucht. Es war fast ein Spießrutenlauf, überhaupt einen geeigneten Platz in einem der psychiatrischen Krankenhäuser zu finden. Schluss­endlich wurde sie im Landesklinikum Mauer in Amstetten aufgenommen und nach sechswöchiger Behandlung entlassen. Die junge Frau war jedoch nicht in der Lage, ihren Job, ihr Leben ohne Psychotherapie, ohne begleitende Psychotherapie zu meis­tern. Die Anzahl der auf Krankenschein erhältlichen Therapieplätze ist beschämend niedrig, eine Ausweitung ist unbedingt erforderlich.

Ich ersuche die Ministerin, weil das ja ressortübergreifend ist, sich bitte auch schützend vor diese jungen Menschen zu stellen. Es darf nicht sein, dass unsere Jugendlichen auf der Strecke bleiben, weil Zuständigkeiten zwischen Ministerien, Versicherungen und anderen hin- und hergeschoben werden. Laut OECD-Bericht liegt Österreich im Bereich Kindergesundheit an einer der hinteren Plätze. Offensichtlich ist es uns mit diesem Thema noch nicht ernst genug. Bitte nehmen wir es ernster, das muss sich ändern!

Beim Nachlesen konnte ich im Regierungsprogramm zum Thema „Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen“ keine Zieldefinition finden. Vielleicht können Sie mir dazu eine Erklärung abgeben, Frau Ministerin! Ich ersuche daher, diesem dringend umzu­setzenden, ressortübergreifenden Handlungsbedarf zu entsprechen.

Ich möchte nun schließen: „Das ist das Wunderbare an dieser Jugend in meinen Augen, daß sie mit dieser Welt, die wir ihr präsentieren, nicht zufrieden ist.“ Dieses Zitat stammt vom österreichischen Arzt und Vertreter der Individualpsychologie Dr. Erwin Ringel. – Sehr geehrte Frau Ministerin! Machen wir in Österreich unsere Jugendlichen ein wenig zufriedener, erarbeiten wir nicht nur für die Jugend, sondern mit der Jugend die Neuausrichtung der Österreichischen Jugendstrategie und heben wir vor allem deren Lebensqualität! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.55



BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 23

Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.


9.55.41

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Jugendliche auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also wir haben ja heute vonseiten der Sozialdemokratie schon einige Wünsche und Forderungen gehört. Da kann ich euch sagen: Okay, wir arbeiten jetzt ohnehin alles das auf, was in den letzten 20 Jahren unter Ihrer Kanzlerschaft versäumt worden ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Na geh! Immer das Gleiche!) Ja, es ist auch jedes Mal das Gleiche bei euch, Kollegin Schumann, wenn Sie sagen: Es ist immer das Gleiche. Sie sagen ja auch immer das Gleiche, also dürfen Sie sich nicht wundern, wenn dann natürlich auch die Antworten die gleichen sind. Das liegt in der Natur der Sache. (Ruf bei der FPÖ: Die haben das noch immer nicht geschnallt!)

Wir sind uns aber einig: Jugend ist uns wichtig. Die Entwicklung der Jugendstrategie, die auch, und das ist ein Novum, erstmalig ressortübergreifend stattfindet – das haben ja dankenswerterweise auch Sie zugegeben –, ist eine gute Sache. Das ist ja schon ausführlich dargestellt worden. Es ist auch Europa eingebunden, weil europaweit gemeinsam mit Jugendlichen weitere elf Jugendziele in der EU-Jugendstrategie 2019 bis 2027 formuliert worden sind. Wenn man sich diese Ziele anschaut, wäre man fast versucht, zu sagen, das ist so eine No-na-Geschichte, ohnehin klar. Was möchte man? – „Gleichberechtigung aller Geschlechter“, „Die EU mit der Jugend zusammen­bringen“, „Inklusive Gesellschaften“, „Information und konstruktiver Dialog“, „Psychi­sche Gesundheit und Wohlbefinden“, „Jugend im ländlichen Raum“ – und das ist ja auch ein bisschen ein problematischer Raum – „voranbringen“, „Gute Arbeit für alle“ – ja, wer will das nicht? –, „Gutes Lernen“, „Räume und Beteiligung für alle“, „Ein nach­haltiges, grünes“ – steht da – „Europa“; damit sind aber nicht grüne Mandatare gemeint (Bundesrat Stögmüller: Echt nicht?), sondern erneuerbare Energie, Grünraum. Wir haben uns im Rahmen der Debatte um gesundes Trinkwasser ja auch schon darüber unterhalten, wie viele Böden versiegelt worden sind, wodurch es mit dem Grünraum dann schon ein bisschen schlecht ausschaut, sodass wir etwas tun müssen und werden. Und schließlich geht es bei „Jugendorganisationen und europäische Jugend­programme“ noch darum, dass die Jugendorganisationen gestärkt werden. Das sind alles richtige und wichtige Ziele, bei denen sich die Bundesregierung dazu verpflichtet hat, etwas voranzubringen.

Ich möchte aber noch auf etwas Bezug nehmen, was noch nicht gesagt worden ist. Medienkompetenz halte ich für ein ganz wichtiges Handlungsfeld, das meiner Meinung nach unmittelbar mit der Bildung zusammenhängt, denn Bildung bedeutet Wissen. Wenn man Medienkompetenz haben möchte, muss man wissen: Was ist wichtig? Was ist richtig? Was ist falsch? Wo stehen Fakes? Wo gibt es für mich wichtige Infor­mationen?, und man muss dieses Wissen anwenden können.

Was mir in Bezug auf die Medienkompetenz auch noch wichtig ist: Da müssen wir Erwachsene uns auch an der Nase nehmen, denn wir sind die, die für die Jugendlichen ein Beispiel abgeben. Wenn ich nicht gerade zu Fuß gehe, fahre ich immer mit der Straßenbahn. Ich sehe kaum noch jemanden, der in der Straßenbahn sitzt und beim Fenster rausschaut. Alle haben ihre Handys vor sich, beantworten SMS oder schauen auf Facebook etwas nach. Ich denke, wir sollten lernen, dass nicht das System uns beherrscht, sondern dass wir das System beherrschen. Das ist etwas, wo wir alle noch hinkommen müssen. Ich nehme uns Erwachsene da gar nicht aus. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 24

Ein dritter Punkt, der mir sehr wichtig ist: Bei allem notwendigen Schutz von Jugend­lichen müssen Jugendliche auch lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen. Das bedeutet aber auch, dass man altersadäquat lernen muss, die Konsequenzen seines Tuns zu erleben. Jede Aktion hat eine Reaktion zur Folge. Wir tun Jugendlichen und auch Kindern nichts Gutes, wenn wir ihnen die Steine aus dem Weg räumen, und wir tun das als Eltern alle gerne. Die Jugend hat aber nichts davon, wenn sie nicht lernt, altersadäquat die Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen und gegebenenfalls auch die Konsequenzen zu tragen. Es ist nichts schlimmer, als wenn wir alles beiseite räumen, sie vor allem und jedem schützen. Dann treten sie hinaus in die Welt der Erwachsenen und erleben erstmalig, dass ihnen niemand mehr irgendetwas aus dem Weg räumt. Daher müssen wir die Kinder und Jugendlichen auch in ihrer Eigen­verant­wortung stärken. Wenn uns das gelingt, und wir haben ja sehr gute Jugendliche, dann sind sie wirklich für die Zukunft gerüstet, und das wollen wir, glaube ich, alle. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.01


Präsident Ingo Appé: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals die Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend zu Wort gemel­det. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.


10.01.13

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Das wird mir gelingen. Danke, Herr Präsident!

Herzlichen Dank für Ihre Redebeiträge. Ich sehe, wir sind wirklich großteils d’accord. Wir wollen gemeinsam mit der Jugend Politik für die Jugend machen. Ich möchte aber noch zu einigen Äußerungen Stellung beziehen. Ich habe es schon zuvor erwähnt: Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, dass die Armut abnimmt. Wir haben 9 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Damit sind wir das viertbeste Land in Europa.

Wir haben neue individuelle Instrumente für die Jobvermittlung geschaffen. Sie haben die überbetriebliche Lehre angesprochen. Nach der überbetrieblichen Lehre war es teil­weise nach der Ausbildung sehr schwierig, die Lehrlinge in die Wirtschaft zu inte­grieren. Das wollen wir verbessern, damit die Lehrlinge bessere Chancen haben, in der Wirtschaft wirklich Fuß zu fassen und einen Job zu bekommen. Wir haben gestern eine Lehre in Teilzeit vorgestellt, für Frauen, die jung Mütter werden, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir haben individuelle Instrumente wie die Jobbörsen für die Jobvermittlung geschaffen, die wirklich sehr, sehr gut gelaufen sind. In deren Rahmen haben sich Unternehmen und Jugendliche getroffen, sich ausgetauscht, und es ist zu sehr vielen Jobvermittlungen gekommen.

Ich möchte noch auf die Frauenhäuser eingehen. Ich weiß zwar nicht ganz genau, was die hier mit dem Jugendthema zu tun haben, aber dennoch: Frauenhäuser sind Län­dersache. Ich weiß nicht, woher das Gerücht stammt, dass es da weniger Plätze geben soll. Ganz im Gegenteil! Es soll in Zukunft mehr Plätze geben. Ich möchte mit den Bundesländern Plätze in Übergangswohnungen schaffen, damit Frauen, die nicht mehr akut von Not betroffen sind, mit ihren Kindern in Übergangswohnungen gehen können. Das ist mir wichtig.

Ich habe Ende März über alle Parteigrenzen hinweg mit den Bundesländern einen Antigewaltgipfel abgehalten und habe jetzt auch schon von acht Bundesländern Feed­back bekommen. Ich baue die Beratungsstellen für sexuelle Gewalt aus. Da geht es vor allem um Jugendliche, Mädchen, die von sexueller Gewalt betroffen sind, die dort in Zukunft eine bessere Beratung bekommen werden.


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Das Geld, das Budget für Frauenberatungsstellen wurde nicht gekürzt. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen. Ich weiß nicht, woher Sie diese soge­nann­ten News oder Fake News, wie man das heutzutage nennt, haben. Es hat keine Kürzung bei den Frauenberatungsstellen gegeben. Ganz im Gegenteil: Die Frauen­beratungsstellen sind im letzten Jahr, im Jahr 2018, erstmals bereits von mir informiert worden, dass es 2019 wieder dasselbe Budget geben wird. Was die Gewaltschutz­zentren, die Interventionsstellen angeht, hat es für die eine Erhöhung des Budgets gegeben. Da muss ich jetzt ganz ehrlich sagen, darauf bin ich stolz, dass mir das gelungen ist. Es wurde bereits letztes Jahr erkannt, dass wir mehr Geld in diesen Be­reich investieren müssen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Last, but noch least möchte ich die Taskforce erwähnen, zu der auch ich – gemeinsam mit Karoline Edtstadler, die federführend daran beteiligt war – ein paar Maßnahmen beitragen durfte. Eine davon ist – eigentlich ist dieser Katalog ja öffentlich zugänglich –: Die Plattform zur Vernetzung von Verantwortungsträgern der Kinder- und Jugendhilfe soll forciert werden. Die Zusammenarbeit von Einrichtungen für Kinder und Jugend­liche, die von Gewalt betroffen sind, von körperlicher Gewalt, von psychischer Gewalt betroffen sind, soll verbessert werden, um das Kindeswohl zu erhöhen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.05


Präsident Ingo Appé: Danke schön, Frau Bundesministerin.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

10.05.40Einlauf und Zuweisungen


Präsident Ingo Appé: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen sowie

der Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung ebenfalls angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(Anlage 1) (siehe auch S. 7)

2. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union:


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 26

Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufent­halt von Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz am 9. Mai 2019 im EU-Raum, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat durch Frau Bundesministerin Mag.a Dr.in Juliane Bogner-Strauß wahrgenommen werden, (Anlage 2)

den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek von 9. bis 12. Mai 2019 in Italien (Anlage 3)

und

den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien Mag. Gernot Blümel vom 8. (mittags) bis 10. Mai 2019 in Venedig (Anlage 4).

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder sowie Berichte der Volks­anwaltschaft:

(siehe Tagesordnung) sowie

42. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2018) (III-683-BR/2019 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

und

Datenschutzbericht 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-684-BR/2019 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

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BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 28

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Präsident Ingo Appé: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die bezie­hungsweise der Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände, den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“, sowie die Wahl eines Mitglieds und von zwei Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Ingo Appé: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 8 und 9 sowie 10 bis 12 jeweils unter einem abzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Dies ist nicht der Fall.

Fristsetzungsanträge


Präsident Ingo Appé: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäfts­ordnung eingebracht hat, wonach dem Gesundheitsausschuss zur Bericht­erstattung über den Gesetzesantrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sani­tätergesetz geändert wird, eine Frist bis 29. Mai 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung einge­bracht hat, wonach dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Ent­schließungs­antrag betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis 29. Mai 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristset­zungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.09.051. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2019 (III-668-BR/2019 d.B. sowie 10160/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.


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Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Bericht.


10.09.25

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Familie und Jugend über den Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2019.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2019 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Ingo Appé: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Martina Ess. Ich erteile ihr dieses.


10.10.27

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Ein herzliches Willkommen allen Jugendlichen, die gerade hier angekommen sind! Wir feiern heute den Europatag, wir feiern Frieden und Einheit, und wir alle können in gut zwei Wochen mit unserer Stimme maßgeblich dazu beitragen, zu entscheiden, in welche Richtung sich Europa bewegen wird.

Es gibt zahlreiche Themenbereiche, die können Länder alleine, die kann auch unser Österreich alleine nicht bewältigen. Auch die Themenbereiche Gleichstellung von Mann und Frau sowie Jugend müssen wir meines Erachtens miteinander, geschlossen und vor allem als Europa angehen. Wenn wir heute das EU-Jahresvorhaben vorliegen haben, dann blicke ich zu Beginn gerne auf die Tätigkeiten und die Erfolge der öster­reichischen EU-Ratspräsidentschaft zurück und in einem weiteren Schritt gerne auch in die Zukunft, konkret ins Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission.

Ich darf mit dem Bereich Gleichstellung von Mann und Frau beginnen. Da kann man unser geeintes Europa wirklich als den Motor der Gleichstellungspolitik bezeichnen. So freut es mich, dass unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ein Treffen aller GleichstellungsministerInnen in Wien stattgefunden hat. Das ist seit Längerem nicht mehr der Fall gewesen. Wir haben in den vergangenen Jahren in der Frauenpolitik sehr viel erreichen können. Das freut uns, aber wir haben doch noch in sämtlichen Be­reichen strukturelle Ungleichheiten; in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in der Bildung, in der Gesundheit und auch in der Politik. Mich hat es gefreut, dass 27 EU-Mitgliedstaaten bei der Zusammenkunft das Thema Geschlechtergleichstellung in Zukunft klar priorisiert haben.

Ich möchte kurz beschreiben, was für mich Gleichstellung bedeutet. Gleichstellung bedeutet keinesfalls Gleichmacherei von Mann und Frau. Sie bedeutet für mich vielmehr, dass Mann und Frau ihre Unterschiede gleichwertig leben können. Frauen und Männer brauchen natürlich in erster Linie gleiche Rechte. Was wir ganz dringend brauchen, sind aber auch gleiche Chancen. Dazu gehört für mich, dass unsere Arbeit, die Aufgaben, die von Mann und Frau täglich erledigt werden, gleich viel wert sind.

Was ist in diesem Zusammenhang konkret geplant, wenn es um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit geht? – Ganz grundsätzlich haben Stereotype in unserer Welt einfach keinen Platz mehr. Da möchte ich alle Mütter und Väter mit ins Boot holen,


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denn dies beginnt wirklich in der Erziehung. Wir Mütter, alle Väter sind gefordert, die Rollenbilder aufzubrechen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

In einem zweiten Schritt müssen die Arbeitsfelder neu bewertet werden. Es sollen vor allem jegliche Diskriminierungen in Kollektivverträgen beseitigt werden. Wir wissen, dass Frauen besonders bei der Anrechnung von Karenzzeiten benachteiligt sind. Es ist geplant, dass alle Sozialpartner bis Ende 2019 die Anrechnung von Karenzzeiten auf­nehmen, und zwar in allen Berufen und allen Kollektivverträgen.

Wenn es um die Schließung der Lohnschere geht, komme ich auf ein Thema zu sprechen, das unserer Bundesministerin ganz besonders wichtig ist: die Einkommens­transparenz. Es geht darum, da Klarheit zu schaffen. Es gibt sehr viele unterschied­liche Definitionen und auch Berechnungsmethoden des Gender Pay Gap; dies gilt es zu vereinheitlichen.

Ich danke für die zahlreichen Initiativen, mehr Lohngerechtigkeit für uns Frauen zu schaffen, denn wir Frauen verdienen in der Arbeitswelt immer noch weniger als Männer. Da sind sehr viele Gespräche mit Unternehmen am Laufen. Die haben statt­gefunden, und das sind wertvolle Impulsgeber. Ich setze mich persönlich ebenfalls überall dort ein, wo es mir möglich ist, Frauen zu empowern und zu stärken. Ich darf ganz speziell auf eine Initiative aufmerksam machen, nämlich auf die Sounding Boards. Diese finden jetzt im Juni zum vierten Mal statt. Das ist eine Initiative für mehr Lohngerechtigkeit. Da treffen sich Expertinnen und Experten und prüfen, wie die doch sehr unterschiedlichen Einkommensberichte bundesweit einheitlich standardisiert werden können.

Zusammengefasst zu diesem Punkt: Nur wenn wir Einkommenstransparenz haben, haben wir auch nachhaltig die Möglichkeit, die Gehälter von uns Frauen wirklich zu erhöhen.

Ich habe schon im ersten Teil meiner Rede von Chancen gesprochen, Chancen, die wir brauchen, gleiche Chancen von Mann und Frau. Dies muss auch vor dem Gesetz gelten. Grundsätzlich gilt, und das wissen auch die Jugendlichen, dass das Gesetz für alle gleich ist. Bei einem Thema, auf das die Frau Ministerin bereits eingegangen ist, nämlich beim Thema Gewalt, reichen die bestehenden rechtlichen Maßnahmen aller­dings nicht. Vor einer Woche wurde die Kriminalitätsstatistik veröffentlicht. Darin zeigt sich ein alarmierendes Ergebnis, denn die Zahl der Gewaltdelikte gegen Frauen steigt immer noch an. Wir Frauen benötigen dringend Gewaltschutz. Da sind wir uns auf allen Ebenen einig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das bedeutet für mich, Hilfe zu leisten, wenn Hilfe dringend benötigt wird. Unsere Frau Ministerin hat die zahlreichen Maßnahmen bereits erwähnt. Ich möchte das noch einmal verstärken, damit sie auch wirklich nicht untergehen, damit das jetzt alle noch einmal hören. Im März hat der Gewaltgipfel stattgefunden. Alle Landesräte, alle Landesrätinnen waren mit dabei. Es wurde auch die Taskforce gemeinsam mit unserer Generalsekretärin Karoline Edtstadler bereits erwähnt. Von dieser wurden 50 Maß­nahmen erarbeitet, auch Maßnahmen, von denen wir heute bereits gehört haben, wie Digitalisierung oder Maßnahmen gegen Hass im Netz. Ganz wichtig ist die jetzt geplante dreistellige Notrufnummer. Es wird Beratungsstellen für Opfer sexueller Ge­walt geben. Ich möchte auch die bundesländerübergreifende Bereitstellung von Frau­enhausplätzen noch einmal ansprechen, weil das etwas ganz Entscheidendes ist.

Diese Maßnahmen werden natürlich in einem engen Austausch mit den Bundes­län­dern erarbeitet. So werden die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen.


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Das Frauenthema ist für mich ein sehr, sehr wichtiges. Ich setze mich auch in meinem Bundesland sehr dafür ein. Der zweite große Themenbereich, nämlich die Jugend, die auch in der EU-Jahresvorschau vorkommt, ist mir ebenfalls sehr, sehr wichtig in meiner politischen Arbeit. Es wurde dazu heute aber auch schon sehr viel gesagt. Ich habe das genau beobachtet, es gab keinen Redner, der das nicht betont hat, und ich mache es auch noch einmal, nämlich die Wichtigkeit der Jugendbeteiligung. Ich gehe aber noch einen Schritt weiter, auch die Kinderbeteiligung ist entscheidend. Ich freue mich, dass auch dies im Aufkommen ist. In meiner Gemeinde haben wir gerade ein schönes Projekt laufen, eine Kinderzeitschrift mit dem Titel „Kinderstimme“.

Die Stimme der Jugend ist wichtig. Politik für Jugendliche soll nicht ohne die Jugend­lichen gemacht werden. Das haben wir heute nachdrücklich zu hören bekommen. Es freut mich, dass alle diesen Weg gehen möchten.

Eines haben wir noch nicht gehört: In der EU-Jugendstrategie sind drei Leitwörter ganz entscheidend, nämlich Beteiligung, Begegnung und Befähigung. Da geht es in erster Linie darum, dass die Jugendlichen befähigt werden müssen, das heißt, durch Qualität, Innovation und Anerkennung von Jugendarbeit gestärkt werden. Es geht darum, dass wir die Beteiligung der Jugendlichen am Leben stärken und dass die Jugendlichen einander im gesamten EU-Raum begegnen und sich miteinander auf den Weg machen.

Abschließend: Es freut mich, dass auch auf EU-Ebene zwei ganz unumgängliche und wichtige Bereiche angegangen werden, erstens Frauen und ihre Gleichstellung, ihre Rechte zu stärken, Frauen zu empowern, und zweitens, die Jugend anzuhören und sie aktiv in politische Prozesse einzubinden. Ich danke der Frau Bundesministerin, dass sie diese Themen so ernst nimmt und uns da wirklich einen großen Schritt nach vorne bringt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.19


Präsident Ingo Appé: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.


10.19.15

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht betreffend die EU-Jahresvorschau 2019 ist grundsätzlich zu begrüßen. Das ist natür­lich mit der Hoffnung verbunden, dass der ambitionierten Kongressrhetorik in Öster­reich und natürlich auch in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechend ambitionierte Taten folgen.

Österreich hat auf einiges Positives zu verweisen, das hat Kollegin Ess bereits ausgeführt. Es ist aber auch noch einiges zu tun; auch das wurde bereits erwähnt. In Österreich ist in den letzten Jahren der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen etwas kleiner geworden, die Schere droht aber nun wieder aufzugehen, wenn Frauen durch eine Vielzahl von Umständen – ich möchte da jetzt gar nicht einzelne herausgreifen – wieder in die Teilzeitfalle gedrängt werden. Es gilt hier ent­sprechend wachsam zu sein.

Es bleibt auch zu hoffen, dass der nun vorliegende Kommissionsvorschlag betreffend eine Quotenregelung für Führungskräfte in börsennotierten Unternehmen nicht länger vom Rat der Mitgliedstaaten blockiert wird. Im Parlament hat es ja bereits einmal ein positives Votum gegeben. Ich ersuche Sie, Frau Ministerin, auf Ihre Kolleginnen und Kollegen im Rat einzuwirken, damit wir dieser Regelung europaweit zum Durchbruch


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verhelfen. Sie haben unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, diese längst fällig Maßnahme durchzusetzen.

Was die Jugendbeteiligung betrifft, hat Österreich nicht zuletzt durch die Wahlalter­senkung auf 16 wirklich eine Vorreiterposition inne. Ich habe nachgeschaut, das ist jetzt zwölf Jahre her. Da sieht man schon, wie die Zeit vergeht. Ich war damals im Nationalrat damit befasst, das war mein Verhandlungsgegenstand, und das konnten wir gegen anfängliche Widerstände auch durchsetzen; dann waren alle Parteien plötz­lich dafür, was sehr, sehr erfreulich war. Es ist gerade auch angesichts der demogra­fischen Entwicklung sehr wichtig, dass die jüngere Generation eine stärkere Stimme, mehr Gewicht im politischen Spektrum bekommt. Das war ein äußerst wichtiges Signal, denn immerhin ist das Wahlrecht die Königsdisziplin der Demokratie. Öster­reich war das erste Land, das erkannt hat, dass Jugendliche ab 16 diese Königs­disziplin aktiv ausleben können sollten.

Da danke ich nach wie vor allen Fraktionen, die damals mitgegangen sind und die das auch aktiv mittragen, weil das natürlich entsprechende Folgewirkungen hat. Es haben sich die Fraktionen verstärkt auf junge Menschen ausgerichtet. Das kann ich wirklich querdurch feststellen und möchte das auch lobend erwähnen. Es haben sich auch Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung vermehrt, das war mir damals ein besonderes Anliegen, selbstverständlich schulisch – da bleibt aber natürlich auch noch einiges zu tun –, aber auch außerschulisch. In diesem Zusammenhang möchte ich auf unsere Demokratiewerkstatt verweisen, die ja auch im Zuge der Wahlaltersenkung geschaffen wurde und einen großen Beitrag zur politischen Bildung leistet. An ihr beteiligen sich alle Fraktionen sehr, sehr aktiv – dafür ein ganz großes Danke, denn das gehört natürlich dazu, dass die Jugend bestmöglich auf das Wahlrecht und auf diese große Verantwortung vorbereitet wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Bader.)

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ersuchen, Frau Ministerin, in Ihrem Wirkungsbereich, bei Ihren vielfältigen Kontakten auf europäischer und internationaler Ebene auch für die Wahlaltersenkung in anderen Staaten zu werben, unsere positiven Erfahrungen zu schildern. Heute sollte eigentlich ein Fernsehteam aus Frankreich hier sein, weil die Pariser Bürgermeisterin für Frankreich eine Wahlaltersenkung vorge­schla­gen hat. Das ist leider in Frankreich wieder ein bisschen abgewürgt worden. Die hätten hier heute nämlich gerne gedreht und eine Reportage gemacht. Es ist nicht einfach, in anderen Ländern Überzeugungsarbeit zu leisten, wie sich zeigt, aber es wäre äußerst wichtig, damit eben auch in anderen Ländern Aktivitäten für junge Menschen gestärkt werden, damit mehr gegen Jugendarbeitslosigkeit, gegen Perspek­tivlosigkeit getan wird, die ja in vielen Staaten der Europäischen Union immer noch traurige Realität ist. Da waren und sind wir also Vorreiter und müssen natürlich auch die Werbetrommel dafür rühren, dass viele unserem positiven Beispiel folgen.

Das Wahlrecht ist wie gesagt die Königsdisziplin der Demokratie, deshalb ist alles zu unternehmen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Gerade wir als Bundesrätinnen und Bundesräte verstehen uns ja nicht nur als Länderkammer, sondern auch als Europa­kammer mit einem sehr aktiven Amtsverständnis. Daher bin ich mir sicher, dass ich bei Ihnen offene Türen einrenne, denn es muss uns ja allen ein Herzensanliegen sein, dass die Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen hoch ist. Es geht schließlich darum, auf europäischer Ebene die Zukunft zu gestalten, die Zukunft für unsere Jugend positiv zu gestalten. Die Wahlbeteiligung bei den letzten EU-Wahlen lag gerade einmal bei 45,39 Pro­zent; da gibt es also schon noch ziemlich viel Luft nach oben.

Ich war bei der Wahlaltersenkung damals wie gesagt Zeitzeugin, aktive Zeitzeugin. Dem damaligen Vizekanzler Pröll war es ein sehr, sehr großes Anliegen, ein berech­tigtes Anliegen, muss ich sagen, auch die Briefwahl einzuführen. Das haben wir da-


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mals auch gemacht, eben mit dem Ziel, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Das hat sich durchaus bewährt, deshalb möchte ich heute folgenden Entschließungsantrag einbrin­gen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bewer­bung der Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai 2019“

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen folgenden Entschließungs­antrag:

„Der Bundesminister für Inneres, aber in diesem Zusammenhang auch alle übrigen Mitglieder der Bundesregierung, werden aufgefordert, alle Möglichkeiten, die ihr Res­sort bietet, zu nutzen, um die Wahlbeteiligung bei bundesweiten Wahlen zu erhöhen. Der Bundesminister für Inneres im Besonderen wird aufgefordert, die Wählerinnen und Wähler zu informieren, dass sie an der Europawahl bei abzusehenden Verhinde­rungs­gründen auch mit Briefwahl teilnehmen können.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das tun wir eh!)

10.27


Präsident Ingo Appé: Der von den BundesrätInnen Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Bewerbung der Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai 2019“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile ihr dieses.


10.28.27

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Minister! Werte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Der vorliegende Bericht gibt einen Rückblick auf die Tätigkeiten und auf die erfolg­reiche Gestaltung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft speziell im Bereich von Frauenangelegenheiten, von Gleichstellung und von Jugend, und es gibt eine sehr positive Bilanz.

Wie schon Kollegin Ess festgestellt hat, gab es ein informelles Treffen aller Minister, die für die Gleichstellung zuständig sind. Ich habe mir gedacht: Na ja, was ist daran so besonders? – Doch, es ist etwas Besonderes, denn offensichtlich war es in den letzten sieben Jahren nicht notwendig, dass man sich um dieses Thema kümmert. Dort ist auch die gemeinsame Erklärung „Gender Equality as a Priority of the European Union today and in the future“ unterzeichnet worden. Es wurde auch eine Jugendkonferenz in Wien abgehalten, an der rund 240 Jugendliche und Jugendminister aus 35 Ländern teilgenommen haben. Im Bericht werden basierend auf dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission auch die künftigen politischen Vorhaben auf EU-Ebene erläutert. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Eines haben wir heute noch nicht gehört: Die drei Länder, die den Vorsitz innehaben, sind Rumänien, Finnland und Kroatien, und sie bekennen sich ganz klar zur Förderung der Chancengleichheit, zur Inklusion, zur Gleichstellung der Geschlechter sowie zum Gender-Mainstreaming in allen politischen Bereichen.


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Bleiben wir bei den Frauen und bei der Gleichstellung: Dazu werden im Zuständigkeits­bereich von Bundesministerin Beate Hartinger einige Dossiers, die zu den politischen Vorhaben auf EU-Ebene gehören, verhandelt, nämlich die Richtlinie des Europäischen Parlaments zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und für pflegende Angehörige, die Antidiskriminierungsrichtlinie, die Richtlinie zur Erhöhung des Frauen­anteils in Verwaltungs- und Aufsichtsräten börsennotierter Gesellschaften – wobei anzumerken ist, dass in Österreich dieser Anteil seit 2018 von 18 auf 23 Prozent gestiegen ist –, der Aktionsplan der EU zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles und der Beitritt der EU zur Istanbulkonvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Heute haben wir den Fokus schon auf die Jugend gelegt, und dabei bleibe ich auch, denn es werden auch für die Jugend drei Dossiers im Bundeskanzleramt beziehungs­weise im Bildungsministerium verhandelt, nämlich das Nachfolgeprogramm des Euro­päischen Solidaritätskorps, wo jetzt auch die humanitäre Hilfe miteinbezogen wird, und die Implementierung der EU-Jugendstrategie, von der wir heute schon gehört haben, dass sie bewirken soll, dass die politischen Entscheidungen jugendgerechter werden. Diese EU-Jugendstrategie ist auch ein wichtiger Bestandteil der österreichischen ressortübergreifenden Jugendstrategie. Der Schwerpunkt ist dort mit drei Wörtern festgemacht: Beteiligung, Begegnung, Befähigung. 50 000 Jugendliche haben diese europäischen Jugendziele erarbeitet, und wir finden diese auch in der österreichischen Jugendstrategie wieder.

Verhandelt wird auch das Jugenddossier Erasmus+. Mit diesem EU-Jugendprogramm werden Jugendliche motiviert, mobiler zu werden und einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Es gibt das Programm DiscoverEU, das auch noch weiterentwickelt wird, bei dem es um das sprachliche und kulturelle Lernen geht. Man muss sich vor Augen halten, dass das Budget von 3,1 Milliarden Euro auch abgesichert wurde, das heißt, rund 10,3 Prozent des gesamten Budgets gehen an Jugendprogramme. Gerade im Bereich der Jugend ist den Vorsitzländern die Qualifizierung für das Berufsleben sehr wichtig.

Ein weiterer Schwerpunkt – und ich denke, das ist auch notwendig – ist die Vermittlung von Wissen über die EU an die Jugendlichen. Interessant für die Jugendlichen ist auch das Folgeprogramm von Erasmus+ und eben das Europäische Solidaritätskorps, an dem ab 2021 bis zu 350 000 junge Menschen im Laufe von sieben Jahren teilnehmen können. Außerdem gibt es auch ein eigenes Programm für den Europäischen Freiwil­ligendienst.

Österreich steht auch hinter einer bundesweiten Offenen Jugendarbeit mit nieder­schwelligem Zugang. Dazu gibt es das EU-geförderte Projekt Strukturierter Dialog reloaded. Im Juni wird die Österreichische Jugendkonferenz in Kärnten stattfinden. Neben einer EU-Konferenz gibt es dort auch ein Treffen der Landesjugendreferenten und aller Landesräte, die für den Jugendbereich zuständig sind.

Wir haben zum Thema Jugend heute schon einmal gesagt: Sehr vieles ist Quer­schnittsmaterie. Im Ausschuss wurde uns auf unsere Frage auch versichert, dass sich die Ministerien in sehr gutem Einvernehmen eng miteinander abstimmen.

Es geht in diesem Bericht um Initiativen für Jugend, Familie und Frauen in Österreich, und ich freue mich, dass dieser hier im Plenum einstimmig zur Kenntnis genommen wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.33


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Juliane Bogner-Strauß. – Bitte, Frau Bundesminister.



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10.33.57

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Jugendliche auf der Besuchergalerie! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als Bundesregierung haben und ganz Österreich hat ein arbeitsintensives Jahr hinter sich. Vor allem das zweite Halbjahr, als wir die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen durften, war sehr intensiv, aber auch extrem bereichernd.

Besonders gefreut hat mich – das hat heute schon Erwähnung gefunden –, dass wir erstmals seit über sieben Jahren ein informelles EU-GleichstellungsministerInnen­treffen gemacht haben. Dieses wurde in Wien abgehalten. Es waren alle Ministerinnen und Minister da, und wir haben es geschafft, eine Deklaration mit folgendem Titel zu unterschreiben: Geschlechtergleichstellung als Priorität der Europäischen Union heute und in der Zukunft. Diese Deklaration wurde von 27 Mitgliedstaaten unterschrieben; außer einem Mitgliedstaat haben sich alle dazu bekannt. Derzeit ist Geschlechter­gleichstellung auf EU-Ebene ein Working Paper, das Thema hat aber leider in den letzten Jahren extrem an Priorität verloren. Mit dieser Deklaration wollen wir als EU-Länder uns jedoch ganz klar dazu bekennen, dass Geschlechtergleichstellung auch auf EU-Ebene wieder zu einer Priorität werden muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben aber nicht nur dieses informelle Treffen abgehalten, sondern wir hatten auch ein Frühstück der Gleichstellungsministerinnen und -minister mit den Efta-MinisterIn­nen und auch mit den MinisterInnen des Westbalkans, um einen entsprechenden Austausch zu ermöglichen, und es gab auch eine Plattform, bei der die Jugendlichen miteinbezogen wurden.

Um es noch einmal zu betonen: Ich möchte nicht nur Politik für die Jugend machen, sondern ich möchte vor allem Politik mit der Jugend machen, und wir haben es bei dieser Konferenz der GleichstellungsministerInnen sogar geschafft, das in Umsetzung zu bringen. Wir haben gehört, was sich die Jugendlichen zur Gleichstellung denken und was sie auf den Weg gebracht haben möchten.

Außerdem geht es, wie bereits erwähnt wurde, gerade um eine Richtlinie betreffend Frauen in Aufsichtsräten. Im Moment gibt es noch keine qualifizierte Mehrheit bezie­hungsweise gab es zu dem Zeitpunkt, als wir diese Konferenz hatten, noch keine qualifizierte Mehrheit. Wir sind dem Ganzen einen Schritt näher gekommen: Gleich nach der Konferenz hat sich Spanien zu dieser Richtlinie betreffend Frauen in Auf­sichtsräten bekannt, und ich glaube, das ist genau dieser informellen Gleichstellungs­ministerInnenkonferenz zu verdanken, weil wir dort die Chancen und eine ent­sprechende Plattform hatten, um unter anderem diese Richtlinie ausführlich zu disku­tieren.

Es wurde auch schon kurz die Richtlinie zur Work-Life-Balance erwähnt, die unter der Federführung von Hartinger-Klein behandelt wurde und die unter rumänischem Vorsitz bereits zu Jahresbeginn 2019 abgeschlossen werden konnte.

Derzeit noch im Laufen ist die Antidiskriminierungsrichtlinie. Außerdem gab es heuer, im April 2019 – also gerade erst vor Kurzem, und daher habe ich leider noch keine Ergebnisse – eine öffentliche Konsultation zum Thema gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, und bei dieser Konsultation wurde erhoben, ob und, wenn ja, welche weiteren Maßnahmen wir auf europäischer Ebene setzen können, um die Lohnschere weiter zu schließen.

Kollegin Grossmann, Sie haben es schon erwähnt: Die Lohnschere hat sich in den letzten Jahren in Österreich Gott sei Dank ein Stück geschlossen. Wir sind jetzt bei knapp 20 Prozent. Im EU-Vergleich sind wir leider noch immer im hinteren Drittel


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beheimatet. Was ich aber jetzt nicht nachvollziehen kann, ist Ihre Aussage – ich zitiere –: Der Gender Pay Gap droht wieder aufzugehen. – Ist das Panikmache? Ist das Angstmache?

Ich bin Wissenschafterin und sage: Das ist kein wissenschaftlicher Ansatz! Ich schaue mir Studien an. Sie kennen vielleicht die Studie der Princeton University und der ETH Zürich, in welcher Kleven et al. gezeigt haben, dass wir in Österreich leider – und ich möchte sagen, dass wir diesbezüglich mit Deutschland und der Schweiz in schlechter Nachbarschaft sind – nach der Geburt eines Kindes nachhaltig zehn Jahre lang um 50 Prozent weniger verdienen. Ich darf Sie auch auf eines hinweisen: Es wurde keine direkte Kausalität hinsichtlich Kinderbetreuung gefunden. Das heißt, die Studie konnte nicht nachweisen, dass das damit zusammenhängt, ob Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen oder nicht, und es konnte auch kein Stadt-Land-Gefälle in Österreich nachgewiesen werden. Wie Sie wissen, gibt es sehr viele Umfragen, die besagen, dass jene, die Teilzeit arbeiten, das zum Großteil freiwillig tun und auch mit der Stundenzahl sehr zufrieden sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Eine letzte Umfrage hat uns sogar gezeigt, dass die Menschen, ganz im Gegenteil, eher weniger arbeiten wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich möchte aber jedenfalls wissenschafts- und datenbasiert arbeiten. Warum wollen die Menschen weniger arbeiten? – Meist ist es so, dass die Väter mehr arbeiten und die Mütter in Teilzeit gehen, wenn das erste Kind kommt. Diese Teilzeitarbeit ist sicherlich ein sehr gutes Konzept für eine gewisse Lebensphase. Ich bin aber sehr darum bemüht – was man, wie ich glaube, auch an meinen gesamten medialen Berichten im letzten Jahr gesehen hat –, diesbezüglich aufzuklären und Bewusstsein zu schaffen: Teilzeit kann nämlich für eine Lebensphase sehr gut sein, man muss aber darauf achten, wie viele Stunden man Teilzeit arbeitet und vor allem wie lange man in Teilzeit arbeitet. 75 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 arbeiten Teilzeit, während nur 5 Prozent der Väter mit Kindern Teilzeit arbeiten.

Mir ist es ganz wichtig, hier für die Väterbeteiligung eine Lanze zu brechen. Kollegin Ess hat es schon gesagt: Wir müssen als Eltern zu Hause die Rollenbilder bei unseren Kindern aufbrechen, denn Gleichstellung beginnt zu Hause. Natürlich müssen wir auch den Ausbau der Kinderbetreuung forcieren, wie das mit der neuen 15a-Vereinbarung geschieht, vor allem auch mit Fokus auf unter Dreijährige. Vor allem geht es aber, wie ich glaube, darum – und daran können wir alle gemeinsam arbeiten, worum ich bitten möchte –, die tradierten gesellschaftlichen Strukturen in Österreich aufzubrechen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gewaltprävention auf EU-Ebene. Da geht es darum, die Istanbulkonvention zu ratifizieren. Das wird im Außenministerium verhandelt.

Ich habe schon gesagt, mir ist es ganz wichtig, die Jugend in die Politik mitein­zubinden. Wir hatten eine informelle und eine formelle Jugendkonferenz. Bei der for­mellen Jugendkonferenz, beim formellen Jugendrat, wurde eine Ratsentschließung für die neue EU-Jugendstrategie angenommen. Das war wirklich ein Meilenstein des österreichischen Vorsitzes. Es gibt auch ein Nachfolgeprogramm zum Europäischen Solidaritätskorps. Das Budget konnte leider noch nicht fertig ausverhandelt werden, weil das noch in der Zuständigkeit des Mehrjährigen Finanzrahmens liegt. Betreffend Erasmus+ hat, wie schon erwähnt wurde, Kollege Faßmann die Federführung.

Anschließend darf ich jetzt noch zu den Schwerpunkten der rumänischen und der finnischen Präsidentschaft kommen: Der rumänische Vorsitz – Rumänien hat derzeit den Vorsitz inne – vertritt im Bereich der Geschlechtergleichstellung die Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen und Männern. Wir wissen, dass wirt­schaftliche Abhängigkeit oft dazu führt, dass es zu Gewalt kommt und dass Frauen aus dieser Gewaltspirale nicht ausbrechen können. Deswegen ist das meiner Meinung


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nach ein ganz wichtiger Punkt, der auch von mir in Österreich immer wieder medial transportiert wird. Es geht um die Verhütung und Bekämpfung von geschlechts­spezifischer Gewalt. Ich habe in diesem Zusammenhang auch schon den Ausbau der Beratungsstellen bei sexueller Gewalt, die derzeit in den letzten vier Bundesländern in Österreich ausgerollt werden, erwähnt. Dafür nehme ich auch frisches Geld aus dem Budget in die Hand.

Weiters geht es um die Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohnunterschiedes. Wie schon erwähnt, wird da offensichtlich gerade an vielen Schrauben gleichzeitig gedreht, was, wie ich glaube, ganz wichtig ist, denn eine Studie in Österreich hat ja gezeigt, dass 60 Prozent der Frauen, die in Unternehmen arbeiten, welche Einkom­mensberichte legen, gar nicht wissen, dass es diese Einkommensberichte gibt. Dabei sollte man diese Einkommensberichte als Chance nutzen und nicht als Belastung sehen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Im Bereich der Jugendpolitik will der rumänische Vorsitz die Ratsschlussfolgerung zum Thema young people and the future of work zu Ende bringen. Weiters geht es um die Implementierung des neuen EU-Jugenddialogs, und es gibt natürlich eine ganz enge Kopplung mit der Agenda 2030.

Ein finnischer Vorsitzschwerpunkt betreffend Geschlechtergleichstellung wird die geschlechtergerechte Wirtschaft sein. Auch diesbezüglich bin ich in Österreich, um das zu erwähnen, in sehr regem Austausch mit Unternehmen. Wir gehen da in Richtung Women’s Empowerment. Wir schauen, wie wir Frauen dazu bringen können, in Führungspositionen zu kommen. Wir stellen die Frage: Wie können wir Unternehmen davon überzeugen – und das sind ja bereits Hard Facts –, dass ein diverses Unter­nehmen mit einer diversen Führungsebene, die auch viele Frauen beinhaltet, wirt­schaftlich einfach besser abschneidet? Unternehmen machen einfach mehr Umsatz, wenn sie diverse Teams haben. – Diesbezüglich hat Österreich definitiv noch Aufhol­bedarf.

Im Hinblick auf den Beijing+25-Review wird eine Deklaration, eine Aktionsplattform und eine Schlussfolgerung des Rates angekündigt. Im Bereich der Jugendpolitik wird es eine Ratsschlussfolgerung zu den Themen Aus- und Weiterbildung von Jugend­arbei­tern und Jugendarbeiterinnen geben und natürlich – das sehe ich auch als wichtige Implementierung der Jugendstrategie – eine Ratsschlussfolgerung zur digitalen Jugend­arbeit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.45


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich erteile es ihr.


10.45.27

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vorsitzen­der! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe junge Men­schen, die ihr heute im Plenarsaal des Bundesrates dabei seid – es gibt gerade einen Wechsel, aber die Nächsten werden bestimmt kommen –, das ist Europa, das ist Österreich, das ist Demokratie, die ihr hier erlebt, und das ist uns ein ganz großes, wichtiges Anliegen!

Der heutige Europatag – wir können es gar nicht oft genug sagen – ist Anlass, über das zu sprechen, was Europa uns ermöglicht: Mehr als 512 Millionen Menschen sind in der Europäischen Union in vielen Bereichen engagiert, leben hier und entwickeln sich weiter, und im Übrigen sind es mehrheitlich Frauen.


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Ich möchte jetzt auf den Entschließungsantrag bezüglich Teilnahme an der Euro­pawahl eingehen und dann erst auf die EU-Jahresvorschau zu sprechen kommen.

Unsere Aufgabe ist es – das sehen wir auch als Länderkammer, als Bundesrat, so –, Begeisterung für die Europäische Union zu schaffen. Das tun wir alle: Das tun die Bundesministerien, das tun die Minister, das tun alle politischen Fraktionen und alle politischen Mandatare, und die Medien und die Öffentlichkeit weisen darauf hin, wie Sie feststellen können. Postwurfsendungen des Bundesministeriums für Inneres sind sicherlich auch ein Ansatz. Bei all dem, was wir in der Zwischenzeit medial an Informationen bekommen, glauben wir aber nicht, dass dafür noch eine besondere Notwendigkeit besteht, vor allem in dem Wissen, was Menschen mit Postwurfsen­dungen heutzutage tun, da sie über das Internet und soziale Plattformen entsprechend vernetzt sind. Daher meine ich: Begeisterung für die EU kann in vielen Bereichen geschaffen werden, damit steht auch die Aufforderung, zur Wahl zu gehen, im Zusam­menhang. Das ist der Grund, warum wir als ÖVP diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen werden.

Ich möchte jetzt aber zum eigentlichen Thema kommen. Es ist überraschend, dass Sie genau bei dem Punkt, bei dem es um Frauen geht, also um eines der besonders wichtigen Themen in der Europäischen Union, diesen Entschließungsantrag einbrin­gen – vielleicht deswegen, weil die Europäer mehrheitlich Frauen sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Zurück zum Thema: Ich danke unserer Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß, denn Finanzen sind das eine, gesellschaftliche Weiterent­wicklung im Themenbereich Frauen, Familie und Jugend ist das andere und wesentlich schwierigere Thema, denn gesellschaftliche Weiterentwicklungen kann man nicht ver­ord­nen, sondern nur Stück für Stück angepasst an die jeweilige Lebenssituation umsetzen.

Ich halte zum Beispiel die Strategie des Gender-Mainstreamings als eine der größten Veränderungen, die wir in der Europäischen Union, jeder Einzelne von uns, kennen­gelernt haben, für ganz wesentlich. Es geht dabei um lange Entwicklungsstränge: 1985 wurde im Rahmen einer UN-Women-Konferenz in Nairobi erstmals über Gender-Mainstreaming gesprochen. 1997 konnten wir das im Vertrag von Amsterdam um­setzen. Dass Gender-Mainstreaming aber in vielen Köpfen der europäischen Bevöl­kerung noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, ist leider eine Tatsache. Wir reden, wie gesagt, von sehr lange dauernden Entwicklungen.

Wenn man sich die aktuellen Zahlen und Statistiken anschaut, dann weiß man, dass es natürlich für jedes Land eine besondere Herausforderung ist, diese Fahrpläne umzusetzen. Wir in Österreich halten zum Beispiel den EU-Rekord bei Morden an Frauen: 15 Morde an Frauen in Österreich im heurigen Jahr sind eine traurige Bilanz. Das heißt, die Befassung mit dem Thema Gewalt und der Bekämpfung der Weiterentwicklung der Gewaltspirale ist natürlich eine große, wichtige Aufgabe, die unsere Ministerin nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Rat umzusetzen hat.

Wir sind mit einem Frauenanteil von 23 Prozent in Führungspositionen an viertletzter Stelle in der EU. Das Thema wurde bereits besprochen. Dass es auch anders geht, zeigt uns etwa Lettland als europäischer Spitzenreiter mit einem Frauenanteil von 53 Prozent in Führungspositionen. Das Land hat sich in relativ kurzer Zeit sehr, sehr gut entwickelt. Das heißt, die Frauen tun dem Land gut, auch an vorderster Stelle. Auch das ist als Aufgabe zu betrachten.

Mit 21,7 Prozent liegt Österreich hinsichtlich Einkommensunterschied unter dem EU-Schnitt. Mit der Teilzeitquote von 48,3 Prozent bei einer Frauenerwerbsquote von immerhin drei Viertel in relativ kurzer Zeit liegen wir noch weiter hinten. Die Teilzeit-


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quote in den Niederlanden – weil die nördlichen Länder immer wieder hervorgehoben werden – beträgt allerdings 76,4 Prozent.

Zur Teilzeitquote in Österreich: Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass 70 Prozent der Menschen, mehrheitlich natürlich Frauen und eher weniger Männer, die in Teilzeit arbeiten, sich diese Form wünschen. – Ich denke, der Wunsch der Menschen sollte unterstützt werden; gleichzeitig ist es aber auch unsere Aufgabe, aufklärend tätig zu sein und darauf hinzuweisen, dass ein geringeres Erwerbsausmaß auch geringere Pensionen schafft. Auch diese Aufgabe nimmt unsere Ministerin sehr ernst.

Hervorheben möchte ich im Anschluss an das Thema Teilzeitarbeit noch etwas sehr Wichtiges: Es gibt das EU-Projekt Trapez, Transparente Pensionszukunft. Dieses Projekt läuft vom 1. Februar 2019 bis 31.7.2020. Dabei geht es um deutliche ge­schlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Pensionshöhe in Österreich, bedingt durch geringere Erwerbsbeteiligung und Löhne von Frauen. Die vielen Ursachen dafür sind heute auch schon besprochen worden.

Das gesetzliche Pensionsantrittsalter ist komplexer. Österreich hat zum Beispiel die Barcelonaziele 2002 bisher nicht umgesetzt. Da geht es darum, dass Frauen keine besonderen finanziellen Anreize bekommen sollen, wenn sie früher in Pension gehen, sondern dass Frauen so lange wie möglich in der Erwerbsarbeit gehalten werden sollen, und zwar nicht nur, um ihnen eine entsprechende Pension zu ermöglichen, sondern um auch lebenslanges Lernen zu gewährleisten. An diesem Thema arbeiten wir alle schon längere Zeit. – Wie gesagt: Gesellschaftliche Veränderungen können nicht verordnet werden.

Das Ziel des Trapez-Projekts ist es übrigens, konkrete Faktoren und Ursachen für den Gender Pay Gap in Österreich zu differenzieren und zu analysieren. Damit sind wir dann auf einer Ebene, die nicht ideologisch, sondern wissenschaftlich begründet ist, und daraus werden Schlussfolgerungen abgeleitet.

Interessant und wichtig wird auch die verpflichtende Informationskampagne vonseiten der Pensionsversicherungsanstalt zum Thema Pensionssplitting sein. Auch das Thema Frauengesundheit ist, glaube ich, ein wesentlicher Aspekt. In diesem Zusammenhang wird eine besondere Gruppe hervorgehoben: Es geht um Unterstützungsleistungen für schwangere Frauen in Not- und Krisensituationen, die oft in einer sehr kurzen und schwierigen Lebensphase eine Entscheidung für sich und ihre Familie zu treffen haben. Das soll nicht nur durch Frauenberatungsstellen, sondern durch Geld-, Sach- und Beratungsleistungen unterstützt werden. – Danke, dass auch darauf ein Schwer­punkt gelegt wird.

All das ist in Summe eine große Aufgabe. Die EU gibt uns den entsprechenden Finanz­rahmen dazu, um das nach den Richtlinien umsetzen zu können.

Liebe Frau Ministerin, herzlichen Dank für deine Bemühungen und für deinen Einsatz für Österreich in einem vereinten Europa! Hoffentlich geben am 26. Mai so viele Menschen wie möglich ihre Stimme ab! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.54


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


10.54.53

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörer auf der Galerie! Es ist schön, den Europatag hier mit einer Diskussion über Gleichstellung, Antidiskriminie­rung und die Zukunft der Jugend zu begehen! Ich finde das großartig, und ich halte das


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auch für wichtig, weil gerade Antidiskriminierung, Gleichstellung, Frauen und Familie Bereiche sind, wo wir Kompetenzen an die Europäische Union abgegeben haben. Das ist auch wichtig, weil die EU Tempo macht, was wir zu Hause vermissen, etwa im Hinblick auf die vorhin erwähnte Ausgewogenheit im Bereich der Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen.

Der Kommentar in dieser Vorschau, die österreichische Position, könnte nicht noch lauer sein: „Der Richtlinienvorschlag kann mitgetragen werden.“ Er kann mitgetragen werden! Es heißt nicht, dass wir erfreut sind und alles daransetzen werden, dass es zu einer gerechten Gleichstellung und ausgewogenen Vertretung kommt. Sieben von 58 österreichischen börsennotierten Unternehmen haben eine Frau in Aufsichtsrat oder Vorstand, und nur ein einziges Unternehmen, die Vienna Insurance Group, hat mehr als eine Frau im Vorstand. Das ist doch erschütternd, oder? Noch dazu ist der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen um 1,2 Prozent gesunken. Die Euro­päische Union empfiehlt den Mitgliedstaaten, diesen Anteil zu erhöhen und nicht zu senken. Er ist aber von 6 Prozent auf gegenwärtig 4,8 Prozent gesunken. Jeder vierte Aufsichtsrat erfüllt die Vorgaben in diesem Bereich nicht.

Schauen wir uns zum Beispiel Deutschland an, mit dem wir uns ja gerne vergleichen: Dort ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen von 7,3 auf 8,6 Prozent gestiegen, während er in Österreich gesunken ist. – Es ist ganz einfach ein Armuts­zeugnis, dass da nichts weitergeht! Dafür braucht man eine Prioritätensetzung. Da kann man nicht in einen Bericht schreiben, dass die österreichische Position ist: „kann mitgetragen werden“. – Das heißt nämlich: Man will es nicht!

In sechs Branchen gibt es zum Beispiel keine einzige Frau in einem Aufsichtsrat oder in einem Vorstand, unter anderem in der Automobilbranche und in den Bereichen Energie, Rohstoff und Transport. Das geht nicht! Das geht einfach nicht, deshalb ist es wichtig, dass die Europäische Union an diesem Vorhaben auch in der Vorschau 2019 eisern festhält. Hoffentlich kommt das auch in der Bundesregierung an, damit aus „kann“ ein Muss wird! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Ich habe Frau Kollegin Schulz wirklich sehr genau zugehört. Ich vermute angesichts ihrer Ausführungen, dass sie bei einem späteren Tagesordnungspunkt, jenen betref­fend Mindestsicherung Neu, sprich Sozialhilfe, wahrscheinlich dagegenstimmen oder hinausgehen wird, wenn ich ihren Worten folge. In der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist der schöne und lang diskutierte Papamonat als gesetzliche Verpflichtung enthalten. Das zieht sich seit 2017! Seit 2017 fragt man sich: Wieso schaffen wir das nicht? Ein hoch bezahlter Vizekanzler kann das machen, aber warum ist das nicht ein allgemeiner Anspruch aller Väter? (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Frau Schulz hat auch über das geschlechtsspezifische Lohngefälle gesprochen. – Frau Schulz, hinter dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle stehen oft prekäre Beschäfti­gungs­verhältnisse und Teilzeitarbeit, und das wirkt doppelt negativ, und zwar das erste Mal beim Einkommen und das zweite Mal, wenn die betreffende Person irgendwann am Ende des Lebens in Pension geht; dann droht die Altersarmut. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schulz: Das habe ich gesagt! Das waren meine Worte!) – Ja, ja, ich unterstreiche das ja nur! Ich bin auch froh, dass Sie vor mir geredet haben! Ich habe mir gedacht, diese Debatte sollte nicht ganz ohne einen Mann hier auskommen, und deshalb unterstreiche ich das extra. (Heiterkeit des Bundesrates Bader.)

Wenn wir über das geschlechtsspezifische Lohngefälle sprechen, dann möchte ich noch bei Ihren Aussagen bleiben: Derzeit sind es 20,5 Prozent; Sie haben das gesagt. Unser krisengeschütteltes Nachbarland Italien schafft 5,3 Prozent, und Luxemburg, das


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sehr wohlhabend ist, schafft 5,5 Prozent. Da muss man also gar nicht bis in den Norden hinaufschauen. Das heißt: Andere Staaten um uns zeigen, dass es möglich ist, das ungleiche und so kritische Lohngefälle zu bekämpfen, und das müssen wir tun!

Nur zur Übersetzung: Die Istanbulkonvention ist ein Übereinkommen, das der Euro­parat zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geschlossen hat. Ja, wir sind da mit dabei, das ist wichtig. Viele sind schon dabei, aber immer wieder hat die EU bei solchen grundsätzlichen Konventionen ein Problem, als Ganzes beizutreten.

Viele beziehungsweise die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind so­wieso bei den wichtigsten Konventionen dabei. Nehmen wir zum Beispiel die Men­schenrechtskonvention: Im Lissaboner Vertrag wurde beschlossen, dass die Euro­päische Union als Gesamtes dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dieser Konvention beizutreten hat. – Gestern war ich bei einer Diskussion anlässlich 70 Jahre Europarat in der Diplomatischen Akademie; dort war auch der frühere Generalsekretär Schwimmer, und er hat gesagt: Ich hatte auch schon darum zu kämpfen – damals gab es noch keinen Lissaboner Vertrag –, und jetzt kämpfen wir weiter. Der nächste Kampf ist es, dass die Istanbulkonvention als Gesamtes von der Europäischen Union akzeptiert werden muss. Frau Kollegin Schulz hat hier auch gesagt, dass wir in einem Bereich dramatischer Spitzenreiter sind. Das heißt: Aktion ist wichtig. Der Schutz der Frauen, aber auch der Schutz vor häuslicher Gewalt sind wichtig.

An diesem Freudentag, der hoffentlich auch bald ein gesetzlicher Feiertag wird, sage ich: Kommen wir zum dritten Teil in diesem Ressort, nämlich zum Bereich der Jugend, der heute bereits viel diskutiert wurde!

Ich schaue einmal ganz kurz zu unserer Präsidentin Zwazl: Das Wichtigste in diesem Bereich ist, dass die jungen Menschen einen Job finden und dass sie von dem, wofür sie ausgebildet wurden, auch gut, selbstständig und autonom leben können. Wenn das nicht der Fall ist, dann schafft das wirkliche eine Gefahr für die Europäische Union, und in Europa liegt die Jugendarbeitslosigkeit in manchen Staaten noch immer bei über 35 Prozent. In einem Punkt verstehen wir, Frau Zwazl und ich, einander immer, und ich sage das hier noch einmal – Frau Bundesministerin, das betrifft nicht nur Ihr Ressort, das gilt aber prinzipiell –: Wir brauchen ein duales Ausbildungssystem in ganz EU-Europa. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir brauchen in ganz EU-Europa nach dem Ende der Grundausbildung entsprechende Schulen, damit die jungen Menschen nicht im Nichtstun auf der Straße herumlungern, sondern in eine weiterführende Ausbildung und in ein Beschäftigungsverhältnis kommen. Wir haben einen dramatischen Facharbeiter- und Facharbeiterinnenmangel in Europa, und genau da kann das duale Ausbildungssystem helfen. Ich bin froh, dass die ersten tausend Lehrlinge nach Europa aufgebrochen sind, und wir diskutieren das ja öfters: Wir müssen auch in die Lehrlingsausbildung ein solches halbes Jahr wie bei Erasmus hineinbringen. Das ist wichtig! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.) Die Lehrlinge dürfen nicht zurückgelassen werden, es dürfen nicht nur die Studierenden alle Vorteile von Erasmus haben!

Ein letztes Wort: Die größte Erfolgsgeschichte der Europäischen Union neben der Sicherung des Friedens ist das Erasmusprogramm, daher sollte es uns das wert sein, alles daranzusetzen, dass dieses weiter ausgebaut wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

11.05


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich habe dich fast übersehen! (Bundesrätin Zwazl: Aber nicht überhört) – Nein, das nicht!

Ich erteile dir das Wort.


11.05.57

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt hat es mich ein bisserl zerfetzt, jetzt musste ich herauskommen.

Ich sage ein herzliches Dankeschön. Die duale Ausbildung ist uns natürlich allen sehr wichtig, diese ist ganz einfach europaweit ein Vorzeigemodell. Das verlangt aber auch, dass wir unserer Jungen die entsprechende Achtung und Wertschätzung entgegen­bringen, dass sie diese hochwertige Ausbildung machen.

Ich denke, dass Niederösterreich das einzige Bundesland ist, das die Initiative Let’s Walz seit drei Jahren gemeinsam mit unseren Sozialpartnern betreibt: Wir schicken unsere Jugend ins Ausland, und es ist doch sehr schwierig, das zu organisieren, weil die jungen Leute nicht so wie die Studenten auf eine Uni gehen können, sondern weil wir Betriebe suchen müssen, in denen sie eine großartige Ausbildung und auch eine entsprechende Anerkennung bekommen, also auch etwas davon haben. Unsere jungen Leute fahren vier Wochen ins Ausland, kommen dann zurück und haben wirklich auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung einen ungeheuren Schub gemacht. Sie sind somit auch die besten Botschafter für die Innovationskraft, das Können und die Qualität unserer Betriebe.

Das Thema ist einerseits ganz einfach die Organisation und andererseits die finanzielle Situation, denn das ist anders als bei den Studentinnen und Studenten. Wir schicken unsere Leute vier Wochen ins Ausland, aber diese vier Wochen kosten 2 650 Euro. Es gibt zwar jetzt eine Unterstützung durch Erasmus, aber es geht sich trotzdem nicht aus, weil die Jugendlichen meist keine Unterstützung von den Eltern haben; diese können sich das nicht leisten, und die Jugend kann sich das auch nicht leisten.

Bei all diesen Konzepten, die man jetzt für die Lehrlinge macht, um jungen Menschen eine Chance zu geben, ist daher meine Bitte: Jeder, der eine duale Ausbildung macht, soll einmal in seiner Lehrzeit ein solches Praktikum machen können. Die Statistik sagt aus, dass jede Schülerin und jeder Schüler in der Oberstufe pro Jahr 9 300 Euro kostet. Im Hinblick darauf denke ich, dass es keine maßlose Forderung ist, dass man ein solches Praktikum ermöglicht. Man muss immer klein anfangen, man kann nicht gleich ein halbes Jahr machen, denn das muss ja bezahlt werden.

Der Grund, warum ich bei deiner Rede sehr aufmerksam zugehört habe, ist aber: Ich halte es ganz einfach nicht aus, wenn man jetzt nur über den Papamonat und über das Fehlen dieser Möglichkeit spricht und ganz vergisst, dass es seit dem 1. März 2017 einen Familienzeitbonus gibt und jeder berufstätige Vater sofort bis zu einem Monat zu Hause bleiben kann. Er bekommt pro Tag 22,60 Euro, also bis zu 700 Euro. Ich denke, die Männer beziehungsweise die lieben Väter hätten die Möglichkeit, das zu nützen und gleich zu machen! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.08

11.08.54


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Ich glaube, jetzt liegen dazu endgültig keine weiteren Wortmeldungen vor. Oder wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Bewerbung der Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai 2019“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

11.10.002. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (557 d.B., 496 d.B. und 565 d.B. sowie 10169/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (558 d.B. und 566 d.B. sowie 10159/BR d.B. und 10170/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 2 und 3, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. – Ich bitte um die Berichte.


11.10.15

Berichterstatterin Marianne Hackl: Wertes Präsidium! Sehr geschätzte Frauen Bun­desministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu Tagesordnungspunkt 2 erstatte ich Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird. (Präsident Appé übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht zu Tagesordnungspunkt 3: Bericht des Wirtschafts­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Wir gehen in die Debatte ein.


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Ich darf Frau Bundesminister Köstinger recht herzlich willkommen heißen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


11.12.33

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde zuerst kurze Ausführun­gen zu TOP 2 machen, mein Kollege Zaggl wird dann näher darauf eingehen.

Ich hoffe, es ist bekannt, dass die Bekämpfung der Energiearmut ein Bestandteil der sozialdemokratischen Energiepolitik ist. Am 16. Jänner haben Nationalrätin Muna Duzdar und Nationalrat Beppo Muchitsch ein Konzept zur Bekämpfung von Energie­armut vorgelegt. Das Konzept enthält neben der Forderung nach einer GIS-Gebüh­renbefreiung auch eine nach Befreiung von der Ökostromabgabe. Bei der letzten Sitzung des Bundesrates haben wir zum Thema Ökostromnovelle einen Gesetzes­antrag zur Änderung des Ökostromgesetzes bezüglich einer vollständigen Befreiung einkommensschwacher Haushalte von der Ökostromabgabe eingebracht.

Was ist passiert? – Das ist in den Wirtschaftsausschuss gekommen, und – wie es halt in der Politik ist, wenn man in der Opposition ist – es wurde eine fast gleichlautende Regierungsvorlage, nach Änderung weniger Worte, eingebracht. Im Grunde genom­men ist das angenommen worden, was wir hier im Bundesrat schlussendlich als Gesetzesantrag eingebracht haben. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Steiner: Ihr seid einfach gewaltig gut! Zwischenrufe bei der SPÖ. Bundesrat Steiner: Das war Ironie!)

Zu Punkt 2: Grundsatzgesetz. Der 14. Feber 2019 – Herr Kollege aus dem Zillertal, ein bisschen ruhig bleiben, du kannst dann ans Rednerpult kommen und reden (Heiterkeit bei der SPÖ) – war in der Geschichte des Bundesrates, denke ich, ein wirklich denkwürdiger Tag. Alle 21 SPÖ-Bundesräte haben in ihrer Einigkeit und aus Über­zeugung und Verantwortung gegen die Ökostromnovelle gestimmt und damit eine nötige Zweidrittelmehrheit für die Annahme des Gesetzes verhindert. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Bundesrat hat in dieser Angelegenheit seine wichtigste Kontrollfunktion unter Beweis gestellt. Die Länderkammer hat damit erstmals ein Gesetz zu Fall gebracht, ein Gesetz, das eine intransparente Fortschreibung der Förderung für Biomasseanlagen bedeutet hätte. Es wäre politisch verantwortungslos von uns gewesen, da mitzugehen. Obwohl das Problem bereits lange bekannt war, hat die Regierung versucht, das Gesetz im Eilverfahren und ohne Begutachtung durchzupeitschen. Das ist ja bekannt, bei vielen Gesetzen gibt es Initiativanträge, und das ist auch da passiert. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Man beachte, dass wir im Vorfeld immer wieder diesen Zeitfaktor angesprochen haben. Die Begutachtung ist in dem Fall schon möglich gewesen, die Sozialdemokratie als größte Oppositionsfraktion wurde aber nicht eingebunden. (Bundesrat Krusche: Das ist ja ganz schlimm!)

Die Zustimmung wäre einem Blankoscheck für Frau Umweltministerin Köstinger gleichgekommen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie hätte damit eine Summe von immerhin 150 Millionen Euro nach ihrem Gutdünken verteilen können, denn die genaue Ver­wendung der im Gesetz verankerten Förderung – 150 Millionen, die österreichische Stromkunden und Stromkundinnen mit ihren Ökostrombeiträgen finanziert haben  war in keiner Weise fixiert. Es wäre politisch verantwortungslos von uns gewesen, in diesem Fall als Erfüllungsgehilfe für die Regierung mitzustimmen. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)


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Wir haben aber von Beginn an immer wieder unsere Zusammenarbeit angeboten und unsere Bereitschaft zum Gespräch betont. Anstatt das aufzugreifen und mit uns zu verhandeln, hat man lieber eine Kampagne sondergleichen mit Vorwürfen, mit Schuld­zu­weisungen gegen uns gestartet. (Bundesrat Steiner: Ui! Ihr seid arm!) Das war im Vorfeld ein Lobbyismus – wie er zum Beispiel in Brüssel ist –, als es zu diesem Gesetz hätte kommen sollen und in weiterer Folge eine Diffamierung.

Ich kann nur eines feststellen, Frau Bundesministerin: Wir waren von Ihren in diesem Zusammenhang immer wieder gemachten Vorwürfen und Schuldzuweisungen peinlich berührt. Sie haben zum Beispiel in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses zehnmal gesagt, dass wir an dieser Situation schuld seien. Ich habe schön langsam das Gefühl, dass Sie ein schlechtes Gewissen haben und deshalb so argumentieren. Sie haben eine demokratische Entscheidung des Bundesrates nicht akzeptiert, Sie sind beleidigt, weil wir nicht mitgestimmt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Da kennt ihr euch ja bestens aus, beim Beleidigtsein!) Kollege Lettenbichler hat im Vorfeld noch festgestellt, irgendeiner von den Damen und Herren wird wohl umfallen. Keiner ist umgefallen, meine Damen und Herren! Wir haben das Gesetz so gesehen zu Fall gebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Der eigentliche Skandal ist, dass Sie die Beschimpfungen und Ihre Diffamierungen in der Zeitung, mit Großplakaten fortgeführt haben. Sie haben Lügeninserate – ich unter­streiche das Wort Lügeninserate, zu diesem Wort stehe ich – platziert (Bundesrat Steiner: Herr Präsident! Hallo!) und sind mit einer einstweiligen Verfügung dazu aufgefordert worden, diese zurückzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.  Bundesrat Steiner: Seit wann darf man Lügen sagen?)


Präsident Ingo Appé: Herr Kollege Novak! Ich bitte Sie, das Wort Lüge zurück­zunehmen. Sie wissen, dass das einen Ordnungsruf nach sich zieht.


Bundesrat Günther Novak (fortsetzend): Verehrter Herr Präsident! Das Wort Lüge werde ich nicht zurücknehmen, denn Lügeninserate entspricht der Wahrheit, sie haben uns beleidigt und diffamiert. Das ist in weiterer Folge untersagt worden, und diese Inserate mussten entfernt werden. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrätin Mühlwerth: So! Wo bleibt jetzt der Ordnungsruf? Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.20.01*****


Präsident Ingo Appé: Frau Kollegin, die Vorsitzführung habe ich. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich frage ja nur!)

Da Kollege Novak das Gesagte – „Lüge“ – auf meine Aufforderung hin nicht zurück­genommen hat, muss ich ihm einen Ordnungsruf erteilen, was ich hiermit mache. (Beifall bei der FPÖ.)

*****


11.20.20

Bundesrat Günther Novak (fortsetzend): Ja, es ist nun vielmehr die Verantwortung an die Bundesländer abgeschoben worden. Eine Mehrbelastung der Bürger wird riskiert, das sind immerhin 5 bis 6 Euro im Jahr, und das alles nur, weil man mit uns – der größten Oppositionspartei – nicht sprechen möchte. Jetzt geht man in ein Begutach­tungs­verfahren, das vorher nicht möglich war. Die Stellungnahmen sind im Großen und Ganzen ja bekannt. Jetzt, wo es unangenehm wird, schieben Sie die Verantwortung auf die neun Bundesländer ab. Wir machen heute ein Grundsatzgesetz, die neun Bundesländer müssen die Ausführungsgesetze machen. Es sind also zehn Gesetze


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notwendig, um das zu erreichen, was möglich gewesen wäre, wenn Sie zuvor mit uns gesprochen hätten.

Es wird wahrscheinlich ein EU-beihilferechtliches Verfahren sein, das wissen wir heute noch nicht. Von der ÖVP wird zwar festgestellt, dass das nicht der Fall sein sollte, aber es könnte sein, dass das Gesetz schlussendlich wieder abgeschafft werden muss, wenn schon Geld ausgezahlt wurde und Rückzahlungen geleistet werden müssen.

Die Länder sind gezwungen, eine Abgabe einzuführen; sie wird im Burgenland am höchsten sein, in Tirol am niedrigsten. Ja, Frau Bundesministerin, das ist die soge­nannte Köstinger-Steuer, die wir in Zukunft haben werden. Wir haben im Vorfeld, bei den Besprechungen mit Ihnen, versucht aufzuzeigen, wie man betreffend sechs Tagesordnungspunkte etwas gemeinsam schaffen könnte. Leider Gottes ist es der Sturheit beziehungsweise dem Umstand, dass keine Besprechung mit uns stattge­funden hat, zuzuschreiben, dass es nicht dazu gekommen ist.

Ich möchte nur einen dieser sechs Punkte herausnehmen, dazu hat es dann auch einen Entschließungsantrag im Nationalrat gegeben, in dem es darum gegangen ist, dass die Empfänger der Fördermittel aus Steuergeld öffentlich zu machen sind. Das ist nicht passiert. Dazu gibt es einen Entschließungsantrag mit 14 Punkten, der natürlich wieder abgelehnt worden ist.

Die Sozialdemokratie, werte Damen und Herren, bekennt sich klar zu mehr Ökostrom, zu mehr sauberer Energie, und das möglichst rasch. Schauen wir uns jetzt die Steuer­senkungen in diesem Gesetz an: Das hat überhaupt keine Berücksichtigung gefunden, also dort sind, glaube ich, 55 Millionen Euro mitverankert, und Österreich drohen in Zukunft Strafzahlungen für CO2-Emissionen von mehreren Milliarden Euro.

Sagen Sie also bitte nicht, wie Kollege Magnus Brunner das im Ausschuss gesagt hat: Ihr hättet ja nur mitstimmen müssen! Wir hätten auch nur eingebunden werden müssen (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), dann würden wir heute nicht hier stehen, dann hätten wir das Gesetz schon am 14. Februar beschlossen. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Köck: Riesenchance vertan!)

Werte Damen und Herren! Das ist das Beispiel für die Vorgehensweise dieser Regie­rung, dieser an der Macht stehenden Regierung. Auch die Sozialpartnerschaft ist ausgeschlossen worden, das ist das Gleiche. Bei Ihnen gibt es nur böse oder gut. Wir sind die Bösen, so sind wir immer und überall – sowohl in den Wirtschafts- als auch in den Ausschusssitzungen, in den Zeitungen, in Ihren Argumenten – genannt worden. Ihr seid die Guten und wir sind die Bösen. (Bundesrat Köck: Kommt ihr euch verfolgt vor?)

Schade, Frau Bundesministerin, dass Sie nicht mit uns sprechen. Schade, Frau Bun­desministerin, dass Sie uns diffamieren beziehungsweise dass Ihr Team uns diffamiert. (Bundesrätin Mühlwerth: Beleidigte Leberwurst!) Schade, Frau Bundes­ministerin! Die Länder werden sich bei Ihnen für die anstehende Köstinger-Steuer bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

11.24


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Bundesrat Magnus Brunner. Ich erteile ihm dieses.


11.25.08

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin etwas ratlos, muss ich ehrlich sagen, und in den letzten Wochen einfach auch nicht draufgekommen, warum man einer einfachen Verlängerung einer bisher schon gültigen


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Regelung, einer Rettung von über 40 Biomasseanlagen, einer aufgrund von einer eingetretenen Notsituation erforderlichen Rettung diese Mehrheit im Parlament nicht geben kann.

Warum die größte Oppositionspartei als einzige Partei dieser Rettung nicht zugestimmt hat, ist mir immer noch schleierhaft. Inhaltliche Gründe können es nicht gewesen sein, zumindest wurden keine artikuliert. (Bundesrat Novak: Aber jetzt haben wir drei Monate später!) Diese fünf Punkte, Kollege Novak, die sind relativ kurzfristig, einen Tag vor der Abstimmung, präsentiert worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da ist unter anderem die Entlastung für sozial schwach gestellte Personen dabei – die wird beschlossen, die war übrigens damals schon im Gesetzesvorschlag, das weißt du genau –, auch die Öffentlichmachung; das ist ja schon alles passiert, das findet ja schon statt, da muss man sich nur die Gesetzesnovellen der letzten Jahre anschauen. Inhaltliche Gründe können es also nicht gewesen sein.

Dann habe ich mir gedacht, vielleicht will die SPÖ die Verfassung hochhalten und hat deswegen eine verfassungsrechtliche Lösung abgelehnt, weil das Energierecht ja eine Artikel-12-Materie – also Grundsatzgesetzgebung Bund, Ausführungsgesetzgebung Länder – ist, was wir heute ja so vorschlagen. Da habe ich mir gedacht, vielleicht ist das der Grund, warum ihr damals nicht zugestimmt habt und heute zustimmen werdet, dass sozusagen der Geist Kelsens durch eure Klubräume gleitet und durch das Parlament weht – aber leider ist es das ja nun anscheinend auch nicht.

Die jetzigen Ausführungen des von mir sonst wirklich sehr geschätzten Kollegen Novak haben mich und wahrscheinlich, glaube ich, die meisten in dieser Republik auch nicht wirklich weitergebracht.

Das ist halt leider wieder einmal der Beweis für so ein prinzipielles Nein, für so ein parteipolitisch motiviertes Nein. Wir sehen auch wieder einmal: Der Standort bestimmt den Standpunkt. Wir haben 2017 eine Biogasrettung beschlossen. Das war genau dieselbe Situation. Damals habt ihr der Rettung noch ohne Weiteres zugestimmt: anderer Standort, dadurch auch anderer Standpunkt. Ihr wart aber natürlich damals auch in der Regierungsverantwortung. Dieser einzigen Möglichkeit zur Rettung der Bio­masseanlagen stimmen Sie heute nicht zu, das schaut schon sehr nach einer partei­politischen und prinzipiellen Haltung aus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bitte bedenkt heute auch, wo wir hier sind. Das ist eine Länderkammer. Das ist keine Parteipolitikkammer, sondern das ist eine Länderkammer. Gerade heute könnte man die Interessen der Bundesländer gut vertreten, man könnte sich überlegen, was für das jeweilige Bundesland gut ist, ob es gut für das Bundesland ist, wenn Anlagen zusperren müssen, Wertschöpfung und Arbeitsplätze vernichtet werden. Das alles kann man sich heute bei der Abstimmung überlegen.

Diese Regelung ist einerseits energiepolitisch wichtig, wenn man mehr Ökostrom im System haben will – wir wollen jede Kilowattstunde aus Ökostrom haben, die möglich ist –, und sie ist zweitens für die regionale Wertschöpfung und für die Arbeitsplätze (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), die in den Regionen gesichert werden, ein wichtiger Beschluss. Es handelt sich um eine Notfallsituation, deswegen musste auch schnell gehandelt werden. Diese Kurzfristigkeit, die du angesprochen hast, hat natür­lich auch einen Grund gehabt: eine massive Notsituation. (Bundesrätin Schumann: Monatelang ...!) Windwürfe in Kärnten, Borkenkäfer in Niederösterreich und Ober­österreich, das sind Notsituationen, und das Holz muss entsprechend verarbeitet werden können.

Natürlich haben Sie mit Ihrer Kritik recht, dass es ein etwas komplexer Weg ist, den wir heute beschreiten müssen, um die Biomasseanlagen zu retten. Es ist eigentlich, wenn man ehrlich ist, ein Zurückgehen in das Jahr 2002, als es im Ökostrombereich noch


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keine bundeseinheitlichen Lösungen gegeben hat. Ich muss es halt noch einmal sagen: Warum müssen wir diesen Weg beschreiten? (Bundesrat Weber: Weil ihr nicht mit uns geredet habt!) – Weil es zu einem Verfassungsgesetz zur Rettung der Biomasseanlagen von euch keine Zustimmung gegeben hat. Das ist der Grund, warum wir diesen Weg jetzt gehen müssen, um diese Biomasseanlagen schlussendlich hoffentlich doch noch retten zu können.

Deine Kritik, lieber Kollege Novak, an der Frau Ministerin, dass sie hier so angegriffen wird, ist eigentlich absurd, muss ich ehrlicherweise sagen. Du hast gesagt, sie hätte das Geld nach ihrem Gutdünken verteilen können. Das ist komplett absurd, denn das System, so wie es seit 2002 ist, ist keine Willkür. Es gibt klare Kriterien, die da gelten, festgelegt wurden sie übrigens im Ökostromgesetz, das ihr mitbeschlossen habt. In diesem Gesetzentwurf ist sogar ein Hinweis auf das Ökostromgesetz und auf die Kriterien des Ökostromgesetzes enthalten. Also dieses Gutdünken kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, die Regeln, die Transparenz sind ganz, ganz klar gegeben; um das zu wissen, muss man sich nur den Gesetzentwurf genau anschauen. Natürlich muss man das schon in Kombination mit dem Ökostromgesetz sehen und auf die entsprechenden Regelungen dort schauen.

Zum Thema Mehrbelastung: Es ist keine Mehrbelastung im Vergleich zum Verfas­sungsgesetz, überhaupt nicht, es kommt nur zu einer anderen Verteilung, weil die Länder jetzt die Höhe der Tarife selbst festlegen können. Natürlich wird jetzt ein Kärntner aufgrund dieser Tatsache, dass ihr das Verfassungsgesetz nicht mit beschlossen habt, ein bisschen mehr zahlen als ein Vorarlberger. Ein Vorarlberger zahlt übrigens null, also das mit Tirol hat nicht gestimmt, Vorarlberg hat nämlich keine Anlage und zahlt deshalb null. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Okay, ihr wolltet das so. Vorher wäre es sozial gerecht über ganz Österreich sozialisiert worden. Das ist jetzt nicht der Fall. Schade, schade für die Kärntner Haushalte, schade vor allem für die niederösterreichischen Haushalte.

Es sind so viele Themen, die man ansprechen könnte, ich möchte gar nicht auf alle eingehen, aber zum Thema früh eingebunden werden möchte ich noch sagen: Das stimmt ja nicht, es hat früh genug – im Dezember schon – Gespräche gegeben, das belegen ja auch SMS- und Whatsapp-Verkehre der Energiesprecher der SPÖ und der ÖVP. Die gibt es ja, die liegen ja vor. Die haben wir alle gesehen. Also, bitte, bitte hört damit auf, dass ihr nicht früh eingebunden worden seid. Es ist so früh gesprochen worden, aber es wurden halt ursprünglich andere Forderungen aufgestellt – ihr wisst auch ganz genau, was das war –, die nichts mit dem Ökostromgesetz an sich zu tun gehabt haben.

Im Wirtschaftsausschuss war ich als einziger Bundesrat als Zuhörer. Also ich habe das anders mitbekommen, ganz ehrlich gesagt, das war eine sachliche Diskussion. Natürlich hat man gesagt, dass wir diesen Weg jetzt gehen müssen, weil es keine Verfassungsmehrheit gegeben hat, ja das ist halt auch so, aber es war eine sachliche Diskussion. Die Aufregung über den Wirtschaftsausschuss, wo du, glaube ich, nicht warst, verstehe ich auch nicht.

Das Thema Köstinger-Steuer: Bitte hört auch damit auf! Das ist keine Steuer, es ist eine Belastung der Stromkonsumenten, aber es ist keine Steuer. Mit solchen Begriffen herumzuwerfen ist auch nicht gerade seriös. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte aber noch ganz kurz auf das Thema Energiearmut beziehungsweise Bekämpfung der Energiearmut eingehen. Mit dem heutigen Beschluss werden ja circa 300 000 Österreicherinnen und Österreicher von den Ökostromkosten befreit. Das wäre auch im Verfassungsgesetz schon vorgesehen gewesen. Leider ist das damals


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nicht gegangen, jetzt werden wir es Gott sei Dank – hoffentlich auch mit eurer Unter­stützung hinbringen.

Also abschließend: Habt keine Angst vor diesem Geist Kelsens, den ihr vielleicht herumschwirren gesehen habt, bewertet bitte die Inhalte und helft mit, diese Bio­masseanlagen zu retten, auch wenn wegen der ursprünglichen Ablehnung jetzt der Umweg über den etwas komplizierteren Weg von Grundsatzgesetz und Ausführungs­gesetzen gegangen werden muss.

Helft bitte mit, die Arbeitsplätze in den Regionen zu retten. Helft mit, die Wertschöpfung in den Regionen zu halten. Gebt euch bitte wirklich einen Ruck, denn wir wollen diese ambitionierten Ziele insgesamt auch in der #mission 2030 erreichen, und dazu brauchen wir jede Kilowattstunde Ökostrom, die es zu produzieren gibt. Bitte kommt auch wieder auf den gemeinsamen vernünftigen Weg der Energiepolitik zurück, den wir in den letzten Jahren eigentlich immer gegangen sind.

Bitte macht das jetzt und macht das auch bei den kommenden Verhandlungen zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Die nächste Generation und auch der angesprochene Geist Kelsens werden es euch danken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.34


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile ihm dieses.


11.34.39

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Grüne, ich habe das schon letztens erwähnt, wollen die Energiewende in Österreich und auch in Europa so schnell wie nur möglich schaffen.

Das heißt, wir müssen uns dementsprechend endlich einmal vom klimaschädlichen Öl und der Kohle in Europa und auch in Österreich befreien. Ich glaube, es ist jedem hier auch wirklich klar, dass uns das nur gelingt, wenn wir auf einen Energiemix aus erneuerbaren Energien setzen: aus Wasser, Photovoltaik, Windenergie und auch aus Biomasse.

Ich glaube, ich muss jetzt nicht mehr auf die politischen Geschehnisse, die in den letzten Wochen und Monaten passiert sind, eingehen oder zur Biomasse noch etwas sagen. Man hat es auch heute wieder gespürt, dass noch sehr viel Emotion da ist, in den letzten Monaten sehr viel politisches Kleingeld gewechselt wurde, aber dennoch muss ich anmerken, dass wir heute im Bundesrat ein Gesetz beschließen, das, ehrlich gesagt, in der Fachwelt nur Kopfschütteln verursacht.

Es geht um immerhin noch 39 Anlagen in ganz Österreich, die vor der Schließung stehen. Wir Grüne wollten mit einem Bundesgesetz im Verfassungsrang ohne viel mehr Verwaltungsaufwand, ohne massiven Hickhack eine einheitliche Verordnung haben, die den Weiterbestand dieser Anlagen wirklich garantiert.

De facto geht es darum, eine Übergangslösung zu schaffen. Es ging lediglich darum, für die Holzkraftwerke in Österreich, die Ökostrom und Ökowärme produzieren, eine Übergangslösung bis zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz 2020 in Form von finanzieller Unterstützung zu schaffen, damit diese weiterhin in Betrieb sein können. Deswegen haben wir uns und werden wir uns auch weiterhin für eine bundeseinheitliche Lösung einsetzen.

Frau Ministerin, wir werden diesem Grundsatzgesetz nicht zustimmen, denn das, was heute vorliegt, ist für mich, ehrlich gesagt, ein Rückschritt. Ich verstehe natürlich Ihre Intention dahinter, klar, aber Sie werden auch unsere Position verstehen, dass uns als


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Grüne ein bundeseinheitliches Gesetz 10 000-mal lieber ist als das, was uns heute hier vorliegt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann schon sein, aber dennoch geht es ums selbe!) Für uns ist es ein Rückschritt, ein Rückschritt von einem funktionierenden Bundesgesetz in neun, und das ist genau die Kritik dahinter, in der Praxis hoffentlich nicht allzu unterschiedliche Landesgesetze.

Das wird sich erst in der Praxis herausfiltern und herauskristallisieren, wie unter­schiedlich dann diese Landesgesetze ausgelegt werden, diese Geschichte mit der Erhebung der Kosten, werden die dann einheitlich zur Oemag gehen, und so weiter und so fort. Also das wird sich dann in der Praxis erst beweisen müssen, wie einheitlich neun unterschiedliche Gesetze in diesem Land sind.

Wir werden dann neun unterschiedliche Tarifstrukturen bekommen, in jedem Bun­desland eine andere. Es wird zu einer Mehrbelastung der einzelnen Haushalte kom­men, je nachdem, in welchem Bundesland man ist und wie viele Kraftwerke dieses Bundesland hat. Auch die Rechtssicherheit ist für mich und für uns Grüne nach wie vor noch unklar, ich spreche insbesondere die Bestimmungen betreffend Schadholz an, die im Gesetzestext noch dazugekommen sind. Es ist für mich noch unklar, ob das dann EU-konform ist oder nicht.

Ich hoffe, jeder hier im Hohen Haus weiß, dass dieses Gesetz definitiv nicht ideal ist. Ich glaube, das ist allen hier bewusst und auch klar, und ich hoffe, dass so eine Lösungsfindung, wie wir sie heute haben, wirklich eine Ausnahme bleibt, denn Um­weltschutz und die Energiewende sind für uns Grüne, für die Menschen in Österreich und allgemein auf der Welt einfach zu wichtige Themen, um dabei irgendwelchen politischen Hickhack zu betreiben, egal auf welcher Seite man auch immer die Schul­digen findet.

Ich kann nur hoffen, dass in den letzten Wochen und Monaten nicht zu viel Zeit und Energie von Ihrem Ministerium, von Ihnen in dieses Ökostromgesetz geflossen sind, denn wir stehen vor einer wichtigen Entscheidung, nämlich dem Erneuerbaren-Aus­bau-Gesetz, das dieses Jahr wirklich wie angekündigt kommen soll. Ich kann nur hoffen, dass dieses Gesetz wirklich kommen wird, nämlich ehestmöglich, und auch die nötige Mehrheit im Parlament bekommt, denn wir brauchen ein gutes Gesetz, ein Gesetz, das umfassend ist, das effizient ist, die Naturverträglichkeit miteinfließen und auch die sozialen Aspekte nicht außer Acht lässt.

Das sind wichtige Punkte, die in einem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, wie wir es uns erhoffen, wie wir es uns erwarten, von Ihrem Ministerium, von Ihnen, Frau Köstinger, wirklich auch umgesetzt werden.

Wenn ich die sozialen Aspekte gerade mit dem Netznutzungsentgelt als Stichwort einbringen darf: Das sind Fragen, die wir uns stellen müssen und bei denen wir auf eine gute Lösung kommen müssen, denn es geht wirklich um viel, um das EAG, das nicht dem politischen Hickhack zum Opfer fallen darf. Ich hoffe, wir sind uns auch darin einig, dass es hoffentlich keine Lösung sein wird, das EAG, das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz, in neun Bundesländer aufzusplitten. Das würde meiner Meinung nach eine Überforderung und ein totales Desaster in den Bundesländern und auch für das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz im Allgemeinen bedeuten.

Deswegen bieten wir Ihnen, Frau Ministerin, gerne unsere konstruktive Mitarbeit auch gerade beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz an. Denn ganz ehrlich, wir werden die Energiewende nur gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg – schaffen, wenn wir alle also die Fraktionsgrenzen überwinden.

Wir sind gerne dabei, denn es geht um unsere Zukunft. Es geht um die Zukunft der Energie. Deswegen bringe ich auch einen Entschließungsantrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 54

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „100 Pro­zent Ökostrom bis 2030“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, dem Nationalrat ehest, spätestens bis Ende Juli 2019, einen Gesetzesvorschlag zukommen zu lassen, der die Erreichung des neuen Ausbauzieles von 100 Prozent Ökostrom bis 2030 gewährleistet, sowie die Behandlung des jährlichen Berichtes zur Entwicklung von Ökostrom und Stromverbrauch (Ökostrombericht) im Nationalrat, sowie dem Bundesrat vorschreibt.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Es sollte unser gemeinsames Ziel sein, die erneuerbaren Energien voranzubringen, auszubauen und auch gemeinsam die Schritte zu gehen. Ich höre das jetzt gerade im EU-Wahlkampf – ich bin bei vielen Podiums­diskussionen, bei denen alle Parteien immer wieder die wichtige Energiewende voran­treiben wollen –, wie wichtig es ist, das bis 2030 zu schaffen. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ich erwarte mir heute, dass diesen Worten auch Taten folgen, um die erneuerbare Energie endlich voranzutreiben, aber bei einem Rückschritt, wie wir ihn heute be­schließen, können wir, wie gesagt, aus Sicht der Grünen nicht mitstimmen. Dennoch möchte ich noch etwas Positives herausheben, nämlich die Befreiung vom Ökostrom­beitrag für einkommensschwache Haushalte. Das ist, finde ich, eine wirklich großartige Geschichte; wir Grüne haben das schon 2011, also vor acht Jahren, gefordert.

Ich habe mir extra noch den Entschließungsantrag herausgeholt, der damals in der Verhandlung an der ÖVP, damals auch in Regierungsverantwortung, gescheitert ist. Man hätte bereits vor acht Jahren Menschen in Haushalten mit geringen Einkommen entlasten können, das ist leider nicht passiert. Nicht alles, was von der Opposition kommt, scheint also schlecht zu sein. – Es ist natürlich positiv, dass das jetzt, acht Jahre später, doch durchkommt; das ist, finde ich, großartig.

Wie gesagt: Diesem Gesetz werden wir natürlich zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

11.42


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Stögmüller und Dr. Dziedzic gestellte Entschließungsantrag trägt nur zwei Unterschriften und ist somit nicht genügend unterstützt.

Ich stelle daher die Unterstützungsfrage und bitte jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die diesen Antrag zusätzlich unterstützen wollen, also bisher nicht auf dem Antrag stehen, um ein Handzeichen. – Durch die zusätzliche Unterstützung ist der Antrag als genügend unterstützt anzusehen und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


11.43.32

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vize­prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Als freiheitlicher Bundesrat begrüße ich den Beschluss des Nationalrates


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vom 25. April betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird, und den weiteren Beschluss des Nationalrates vom 25. April betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse, das sogenannte Biomasseförderung-Grundsatzgesetz.

Im Zuge der Vorbereitung für die zwei Tagesordnungspunkte fragte ich mich: Wie muss sich ein sogenannter Sozialdemokrat fühlen, wenn er nur aus parteitaktischen Erwägungen am 14.2.2019 ein Gesetz blockiert und zu Fall gebracht hat (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ) und damit nicht nur die in dieser Form noch nie dagewesene Schadholzsituation in diversen Bezirken in Oberösterreich und in Niederösterreich verschärft hat? Ich möchte in Erinnerung rufen, dass er damit am 14.2. auch gegen die spürbare Entlastung einkommensschwacher Haushalte und damit gegen die Maß­nahme zur Bekämpfung von Energiearmut gestimmt hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ-Bundesratsfraktion, welche wesent­liche Änderung es mit der neuen Regierung gibt? – Ich kann es Ihnen verraten: Wir haben als soziale Heimatpartei, namens Freiheitliche Partei Österreichs, mit Herz und Hausverstand (Bundesrätin Grimling: Au!) gemeinsam mit unserem Regierungs­partner die Politik der sozialen Kälte der SPÖ-Regierungszeit beendet. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir stellen uns den Notsituationen und schieben diese nicht vor uns her, wie viele Jahre vorher die SPÖ das oft genug getan hat. Wir setzen mit dem Beschluss eine Maßnahme im Sinne der Bekämpfung der Energiearmut um, der einkommens­schwache Haushalte vom Mindestbeitrag von 20 Euro befreit. Ich werde aber jetzt auch noch einmal, wie bereits in meiner Rede vom 14.2.2019, darlegen, worum es überhaupt in diesem Gesetz geht. (Bundesrat Weber: Nicht noch einmal!)

Wie auch bereits im Zuge meiner letzten Rede zu diesem Thema ausgeführt, meint es die Bundesregierung ernst mit der Klimapolitik und der Energiewende. Das Ziel, im Jahr 2030 bilanziell 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, ist gesetzt. Um die Erreichung dieses Ziels zu ermöglichen, will die Regierung noch im heurigen Jahr durch das sogenannte Erneuerbare-Ausbau-Gesetz die Rahmenbedin­gungen für den deutlich beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung neu und effizienter gestalten.

Darüber hinaus ist es aber wichtig und dringend erforderlich, effiziente Bestands­anla­gen weiter am Netz zu halten – auch wenn es bereits sicher für den einen oder ande­ren schon eine Wiederholung darstellt, möchte ich speziell für die Kolleginnen und Kollegen der SPÖ-Bundesratsfraktion unter dem Motto: Man gibt nur einen Brief auf, sonst nichts!, einen nochmaligen Erklärungsversuch durchführen; vielleicht hilft es doch –, und um dies zu gewährleisten, braucht es eine Übergangslösung bis zum Inkrafttreten der neuen Langfristregelung.

Weiters hat es im vergangenen Jahr durch die Borkenkäfer- und die Sturmschäden leider einen massiven Anstieg auf circa 8 Millionen Festmeter Schadholz gegeben. Einer der größten Abnehmer für diese Schadhölzer sind unsere österreichischen Bio­mas­seanlagen, wobei bereits einige in den Jahren 2017/2018 aufgrund des Vertrags­endes herausgefallen sind, und wenn es keinen Nachfolgetarif gibt, werden 2019 weitere herausfallen. Unter diesen beschriebenen Umständen verstehe ich die diver­sen Aussagen von der SPÖ-Fraktion nicht. Es liegt wahrscheinlich an der mangelnden Kompetenz in Umwelt- und Energiefragen. Sie haben mit Ihrem Abstimmungsverhalten am 14.2.2019 einige Tausend Arbeitsplätze gefährdet. Ich verstehe die Vorgangsweise nicht. (Bundesrat Hahn: ... blöd!)


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Die auszuzahlenden Tarife über die Abnahme und Vergütung von Ökostrom werden seit dem Ökostromgesetz 2002 durch die verschiedenen Einspeisetarifverordnungen vom jeweiligen Bundesminister festgesetzt – egal in welcher Regierungskoalition, in früheren Zeiten auch mit der SPÖ. Am 14.2.2019 wurde diese Vorgangsweise von Ihrer Seite für nicht in Ordnung und als Grund empfunden, abzulehnen. Bei dem am 14.2. vorliegenden Änderungsantrag handelte es sich um die Verlängerung des Geset­zes, welches unter der rot-schwarzen Bundesregierung 2017 gemeinsam, auch mit Stimmen der SPÖ, beschlossen wurde. Komischerweise, ich habe nachgesehen, wur­de dieses Gesetz damals auch im Bundesrat einstimmig beschlossen. Nun hätte es nur um drei Jahre verlängert werden sollen.

Aufgrund dessen, dass wir von der Bevölkerung gewählt wurden, um für die Bevöl­kerung da zu sein und unser wunderschönes Heimatland zu erhalten und zu schützen, haben wir auch in dieser Situation kühlen Kopf bewahrt und eine gesetzliche Regelung mit unserem Regierungspartner erarbeitet, die mit einfacher Mehrheit umsetzbar ist. Man nennt es Grundsatzgesetz des Bundes und benötigt noch zusätzlich, wie erwähnt, neun Landesgesetze der Länder.

Mit dem Biomasseförderung-Grundsatzgesetz werden nunmehr die Bundesländer als Ausführungsgesetzgeber verpflichtet, Ökostromanlagen auf Basis fester Biomasse und auf Basis von Abfällen mit hohem biogenen Anteil in Entsprechung des Grundsatz­gesetzes des Bundes zu fördern. Im Sinne einer möglichst einheitlichen Vorgangs­weise der Bundesländer wurde nunmehr seitens des Bundesministeriums für Nach­haltig­keit und Tourismus ein Musterlandesausführungsgesetz, das den Vorgaben des Grundsatzgesetzes entspricht und in welchem die bereits im Vorblatt zur gegen­ständ­lichen Regierungsvorlage vorgeschlagenen Nachfolgetarife festgeschrieben sind, erar­beitet.

Dies entspricht auch dem Wunsch vieler Länder, der im Rahmen des Begutach­tungs­verfahrens artikuliert wurde. Die jeweiligen Landesgesetzgeber sollen die Inhalte des Musterausführungsgesetzes und damit die dort vorgeschlagenen Nachfolgetarife – bis 2 Megawatt: 10 Cent pro Kilowattstunde, größer 2 bis 10 Megawatt: 9 Cent pro Kilo­watt­stunde und über 10 Megawatt: 8,5 Cent pro Kilowattstunde – in die entsprechenden Landesausführungsgesetze übernehmen.

Es wurde angesprochen, dass die Bundesländer jetzt unterschiedliche Tarife einheben. Dazu möchte ich noch einmal betonen: Ja, das stimmt, aber ein einziger Bundesrat der SPÖ-Fraktion hätte das verhindern können. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn ihr im Sinne der Länder und nicht nach Parteiinteresse entschieden hättet. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Weber: Das glaubst du?!) Am 14.2.2019 ging es noch um 47 Kraftwerke, die vor dem Aus standen. Sieben konnten mittlerweile Gott sei Dank durch das neue Gesetz gerettet werden, eine Anlage hat zugesperrt und eine weitere kann, weil der Bundesrat heute mit einfacher Mehrheit entscheidet, weiter am Netz bleiben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Um zusätzlich weitere Anlagen am Netz zu halten, gibt es in § 5 Abs. 2a die Mög­lichkeit, dass der Landesgesetzgeber von dem im Abs. 2 festgelegten Brenn­stoff­nut­zungsgrad abweichen kann, sofern beim Betrieb der Ökostromanlagen gemäß § 3 aufgrund außergewöhnlicher Naturereignisse mehr als 50 Prozent Schadholz einge­setzt werden. Auch darauf wurde Rücksicht genommen.

Wenn Kollege Novak von haltlosen Vorwürfen spricht, dann hat er recht, aber dann hätte er sich vorher in der eigenen Fraktion umhören sollen, bei der SPÖ-Fraktion Niederösterreich, die ihre falschen Anschuldigungen und Unwahrheiten gegen meine Person innerhalb von zwei Stunden wieder von der Homepage herunternehmen musste. Die Zeitungsartikel, die geschrieben worden sind, die Pressemeldungen an die


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Zeitungen mussten alle wieder zurückgezogen werden. (Bundesrat Weber: Wer hat die Plakate runternehmen müssen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das waren Landesobmann Schnabl und Nationalrätin Melanie Erasim von Ihrer Fraktion. Sie waren die Initiatoren dieser falschen Anschuldigungen, aber sie haben halt so wie die ganze SPÖ-Bundesratsfraktion in der Angelegenheit keine Ahnung. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Ich habe dann von meiner Seite aus auch darauf verzichtet, das rechtlich zu verfolgen, weil ihr keine Ahnung habt. (Bundesrätin Grimling: Oh, na Gott sei Dank!) – Nur so viel zu diesem Thema. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mit Ihrem angekündigten Abstimmungsverhalten sind Sie weiter gegen Biomasse, die grundlastfähig ist, gegen Versorgungssicherheit und die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Abschluss hoffe ich zum Wohle unserer Kinder und Enkelkinder, doch noch den einen oder anderen Bundesrat der SPÖ davon überzeugt zu haben, dass es sehr wichtig wäre, über Parteigrenzen hinweg keinen Einspruch gegen die Beschlüsse des Nationalrates zu erheben. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile es ihr.


11.53.10

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das Biomasseförderung-Grundsatzgesetz – jetzt ist aber viel darüber spekuliert worden, warum das heute auf der Tagesordnung steht. Es ist einfach Tatsache, dass es heute auf der Tagesordnung steht, weil die Regierung, weil Sie, Frau Minister, das Votum des Verfassungs­gesetz­gebers in der Sitzung vom 14.2. nicht zum Anlass für weitere Gespräche genommen haben, sondern beschlossen haben, aus einem Schmollwinkel heraus einen ganz anderen Weg zu gehen, nämlich einen viel mühsameren, einen viel komplizierteren, einen Weg, der Ressourcen an Zeit und an finanziellen Mitteln verbraucht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Aus dem Schmollwinkel!)

Es ist zusätzlich ein Weg, der Risken mit sich bringt, Risken für die Anlagen­betrei­berin­nen und -betreiber, Risken für die Stromkunden (Bundesrat Steiner: Rrr, Rrr! – Bun­desrätin Schumann: Na, na!), Risken für die Länder, und das ist verantwortungslos.

Da möchte ich jetzt, lieber Kollege Magnus Brunner, auf die Aufforderung antworten, dass ein Vertreter der Länderkammer hier zustimmen muss. Gerade für einen Vertreter der Länderkammer ist es verantwortungslos, einem Grundsatzgesetz zuzustimmen, das die Verantwortung auf die Länder überwälzt – die Verantwortung und auch die finanzielle Last.

Zusätzlich wissen wir – das wurde auch von den Experten nicht in Abrede gestellt –, dass die Ausführungsgesetze sehr wohl unter der Beobachtung der EU-Kommission stehen werden. Wenn ihr annehmt, dass dieses Grundsatzgesetz nicht von der EU-Kommission geprüft werden muss, dann ist das die eine Sache, aber die Ausfüh­rungsgesetze der Länder werden sehr wohl überprüft werden. Jetzt haben wir schon einen sehr langen Gesetzgebungsprozess. Diesen Prozess hätte man mit Gesprächen vermeiden können. Es wurde eindeutig und laut von der SPÖ kommuniziert, dass mit ein paar Änderungen, mit ein paar zusätzlichen, schriftlich festgehaltenen Punkten kein Hinderungsgrund vorhanden gewesen wäre, das ursprüngliche Gesetz auf den Weg zu bringen. Frau Minister, Sie haben sofort medial verkündet, dass Sie dafür nicht zur Ver­fügung stehen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Was passiert, wenn die Ausführungsgesetze der Länder von der EU-Kommission nicht als beihilfenrechtlich konform angesehen werden? – Ich nehme an, dass die Anlagen­betreiber jetzt nicht bis zum Ende aller Prüfverfahren ohne Geld bleiben werden. Das hoffe ich ja doch nicht. Es wird also Vorauszahlungen geben. Kann es dann Rück­zahlungen und Rückforderungen geben? Setzen Sie die Betreiber jetzt diesem Risiko aus? (Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Außerdem ist es ein Grundsatzgesetz, das den Ländern wenig Spielraum lässt. Sie müssen sich letztlich an die Tarife des Grundsatzgesetzes halten, denn alles, was darüber hinausgehen würde, wäre ganz bestimmt ein Anlass, dass es nicht durch die EU-Kommission als beihilfenrechtlich in Ordnung bewertet wird. Damit schränkt es schon einmal das Recht des Landes ein. Das war eine Machtdemonstration, nichts anderes (Bundesrat Bader: Der SPÖ!), eine Machtdemonstration, mit der diese Regierung beweisen wollte, dass sie niemanden braucht – dass ihr allein über richtig oder falsch entscheiden könnt. (Bundesrätin Mühlwerth: So ist es auch!) Das ist keine Demokratie, das ist kein Respekt gegenüber dem Parlamentarismus, das ist kein Respekt gegenüber den Menschen in diesem Land. Ihr zeigt keinerlei Respekt! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja, ist schon gut!)

Ihr werdet dieses Grundsatzgesetz heute auf den Weg bringen. (Bundesrat Bader: Richtig erkannt, Frau Kollegin! – Bundesrätin Mühlwerth: So ist es!) Das ist wohl mit Sicherheit zu sagen, weil ihr eure Verantwortung als Vertreter der Länder nicht wahrnehmt (Heiterkeit des Bundesrates Steiner), weil ihr hinnehmt, dass es auf den Rücken eurer Bundesländer und unseres Bundeslandes weitergeschoben wird. (Neu­erlicher Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Jetzt hätten sie fast zu klatschen vergessen!)

Es bleibt zu hoffen, dass diese Machtdemonstration, die ihr bei diesem Grund­satz­gesetz zeigt, nicht dazu führt, dass jene, denen ihr vorgebt helfen zu wollen, letztlich auf der Strecke bleiben, denn das kann auch passieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eduard Köck. Ich erteile es ihm.


11.59.24

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Frau Duzdar! Kollege Leichtfried hat heute vielleicht keine Zeit zum Aufpassen gehabt, jetzt sitzt sie allein hier. (Bundesrat Beer: Was soll denn das?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ihr habt eine wirklich große Chance vertan (Bundesrätin Grimling: Ja, bitte!): Ihr seid bei der Energiewende nicht dabei! Ein machtpolitisches Spiel war euch wichtiger. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Es war euch wichtiger zu demonstrieren, dass ihr auch noch ein bisschen mitmischen könnt, und ihr habt eben dabei den Ökostrom über die Klinge springen lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau! – Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Kollege Stögmüller, der leider nicht anwesend ist, hat gesagt, wir verstehen ihn immer so schlecht, er hat ganz gute Ideen zum Ökostrom. Er sagt, wir müssen mehr auf Wind, Sonne, Biomasse und Wasser setzen. Er sollte jedoch mit seinen Leuten in Graz reden, denn die haben ganz andere Ideen. Wenn dann alle die gleichen Ideen haben, verstehen wir es auch viel besser. Die Grazer Grünen sind ja gegen Wasserkraft!

Zum vorliegenden Gesetz: Als Betroffener und Vertreter von Betroffenen muss ich ein ganz großes Danke sagen. Ich möchte die Situation auch auf meine Situation herun­ter-


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 59

brechen. Ich habe jetzt noch 500 Festmeter Käferholz liegen (Bundesrätin Schumann: Oh, ein reicher Bauer!), die seit zwei Monaten geschnitten sind und eigentlich nicht verkauft werden können. Es ist jetzt eine Fuhr ins Werk gegangen, sie ist zurück­geschickt worden, weil man gesagt hat, das ist eigentlich kein Blochholz mehr, das ist Faserholz. Für das Blochholz habe ich früher einmal 100 Euro gekriegt, jetzt würde ich 35 Euro kriegen, für das Faserholz 10 Euro. Faserholz wird aber nicht gehandelt, ich kann es also nicht verkaufen. So geht es sehr vielen Forstwirten bei uns, die ihr Holz vermodern lassen müssten.

Das gibt uns jetzt die Möglichkeit, dass wir dieses Holz verhacken, verstromen und mit dem Erlös die Kosten decken. Sonst nichts – da geht es nur mehr um Kostendeckung. Deshalb ein sehr großes Dankeschön dafür, dass durch dieses Gesetz letzten Endes diese Möglichkeit geschaffen wird, dass wir hier ein Ventil haben, das uns in dieser Krise helfen kann. Es ist total verfänglich, wenn die SPÖ Rohstoff vermodern lassen will, riesige Anlagen stillstehen lassen will, die Ökostrom produzieren könnten. (Bun­des­rätin Grimling: Glaubt der wirklich, was er sagt? – Zwischenrufe der Bundesräte Schabhüttl und Novak.)

Wenn wir diesen Ökostrom nicht haben, brauchen wir auf der anderen Seite den Kohlestrom; das ist aber schlecht, das wollen wir nicht. Ich werde Ihnen sagen, warum es sehr viel wichtiger ist, Ökostrom zu produzieren.

Für die Gewerbebetriebe, die bei mir das Holz umgeschnitten haben, habe ich den Schnittlohn bezahlt, die haben damit Löhne für ihre Mitarbeiter gezahlt, Lohnsteuer gezahlt, Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, Umsatzsteuer gezahlt, Körperschaft­steuer gezahlt und Kommunalsteuer bezahlt. Dann brauche ich jemanden zum Hacken und zum Abtransportieren – zum Teil werde ich das vielleicht selbst machen. Das sind wieder Gewerbebetriebe, die Löhne zahlen, Lohnsteuer zahlen, Einkommensteuer zahlen, und, und, und, so wie vorher ausgeführt. (Bundesrat Wanner: Da geht es um den eigenen Gewinn! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Dann kommt dieser Rohstoff ins Werk. Das Werk, in das mein Rohstoff kommt, hat 45 Millionen Euro an Investitionen gekostet. Die Firmen, die dort die Investitionen getätigt haben, haben Löhne gezahlt, Lohnsteuer gezahlt, Einkommensteuer gezahlt, Umsatzsteuer gezahlt, Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. (Bundesrätin Grimling: Das gilt für die Papierfabriken und alle Holzverwertungen!) Dann wird aus diesem Holz Strom gemacht und für diesen Strom wird ein Erlös erzielt. Mit diesem Erlös werden wieder Löhne gezahlt, Lohnsteuer gezahlt, Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, Ein­kommensteuer gezahlt, Körperschaftsteuer bezahlt und Kommunalsteuer gezahlt. (Bundesrätin Grimling: So wie alle anderen auch!) So funktioniert Wertschöpfung! – Wenn wir Kohlestrom produzieren, kommt die Kohle aus dem Ausland, und das Geld ist weg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Julia Herr, Kandidatin der SPÖ für die EU-Wahl, hat gestern in „Pro & Contra“ gesagt, es ist besser, wenn die Kohlekraftwerke weiterlaufen, damit die Arbeiter nicht ihren Arbeitsplatz verlieren. Ihr seid für Kohlestrom und wir für Ökostrom! Das ist die Wahrheit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Bei den Kohlekraftwerken seht ihr plötzlich, dass Arbeitnehmer Arbeit verlieren, bei den Ökostromanlagen seht ihr das nicht. Ihr könnt euch das alles anhören, es gibt Gott sei Dank Mediatheken, auch von Puls 4. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie hat es gesagt! Ja, es ist so! (Bundesrätin Schumann: Aber Atomstrom geht immer?) – Nein, es ist so! Ihr seid für Kohlestrom, wir sind für Ökostrom! Wir wollen die Wertschöpfung in Österreich, ihr habt eure eigene Wirtschaftspolitik (Bundesrätin Grimling: Na stell dir vor!), die immer noch auf der von Kreisky fußt. Kreisky hat das Motto gehabt: Jetzt machen wir ordentlich Schulden und dann leben wir von den Zinsen davon. (Bundesrat


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Beer: Lass den Kreisky in Ruh!) Es ist aber nicht gegangen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Auch der immer wieder geäußerte Vorwurf, dass dieser Ökostromzuschlag zu hoch ist und dass der Strom dann so teuer wird, ist grundsätzlich falsch. Der Strom an den internationalen Börsen ist von einem Wert von 8,4 Cent im Jahr 2008 auf jetzt 4,4 Cent gefallen. – Der Verursacher ist Ökostrom, aber allein das bringt den Ökostrom­zu­schlag, den die Menschen zahlen müssen, wieder herein. Ökostrom bringt sich selbst herein. Gott sei Dank wollen wir für jene Menschen, die wenig verdienen, einen Köstinger-Bonus beschließen, dass diese nämlich diesen Zuschlag nicht zahlen müs­sen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Wanner: Da lacht er selber!)

Noch eine gute Meldung zum heutigen Tag: Gerade gestern wurde von Eurostat verkündet, dass Österreich den CO2-Ausstoß im Jahr 2018 zum ersten Mal um 1,1 Prozent verringert hat. Daran sieht man, was möglich ist, wenn die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist. Wir haben den Turnaround geschafft, da müssen wir weiter darauf setzen, da müssen wir weiter daran arbeiten. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Aber nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! –Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Das gilt auch für andere biogene Anlagen für Energie, ich meine hier durchaus auch Biogasanlagen. Hier müssen wir darauf setzen, intelligente Lösungen für den Nach­betrieb zu schaffen. Wir können doch nicht auch diese Anlagen nach 13 Jahren still­stehen lassen. Diesbezüglich gibt es Ideen für Green Gas, diesbezüglich gibt es weitere Ideen für den Weiterbetrieb. Ich hoffe, dass wir auch da gemeinsam etwas zustande bringen, damit wir die Wertschöpfungskette, die ich vorher beschrieben habe, bei uns in Österreich lassen, damit die Menschen bei uns Arbeit haben, damit eben diese gute Entwicklung bei uns bleibt. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Abschlussmotto: Wir, die Regierungspartei, sind für Ökostrom (Bundesrätin Schumann: Parteien! Zwei sind es!)  habe ich ja gesagt! –, ihr seid für Kohlestrom. Danke an die Regierung, danke an die Frau Ministerin! Alles richtig gemacht – wir können wert­schöpfen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.07


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir dürfen auf der Galerie die Neue Mittelschule aus Haslach aus Oberösterreich begrüßen. – Herzlich willkommen hier im Plenarsaal! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl. Ich erteile es ihm.


12.07.53

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Die SPÖ tritt schon lange dafür ein, einkommensschwache Haushalte gänzlich von den Kosten der Ökostromförderung zu befreien. Die ÖVP hat diese Forderung in den Beschluss zur intransparenten Biomasseförderung in der Höhe von rund 150 Millionen aufgenommen, wollte die SPÖ damit ködern beziehungsweise hat der SPÖ dann tatsächlich vorgeworfen, gegen die Bekämpfung der Energiearmut zu sein.

Im Nationalrat erfolgte daher auf Bestreben der SPÖ eine getrennte Abstimmung über die Befreiung von den Ökostrombeiträgen, der einstimmig zugestimmt wurde. Bei der Behandlung der Ökostromnovelle im Bundesrat haben die Bundesräte und Bundes­rätinnen der SPÖ eine Gesetzesänderungsantrag des Ökostromgesetzes eingebracht, der auf eine vollständige Befreiung einkommensschwacher Haushalte von der Öko-


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strom­förderung, Ökostrompauschale und Ökostromförderbeitrag abzielt. Es ist schön, zu sehen, dass es nun auf Drängen der SPÖ eine Änderung geben wird. Das Bun­desgesetz aus dem Jahre 2012, in dem es eine Deckelung des Jahresbetrags von 20 Euro gab, wird nun zum Wohle der sozial Schwachen auf eine allgemeine Befreiung abgeändert. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Dann könnt ihr ja zustimmen! – Bundesrätin Schumann: Dem stimmen wir eh zu!) – Ich bin bei Tagesordnungs­punkt 2.

Der Bericht der E-Control weist im März 2019 117 000 Haushalte auf, die bereits in Energiearmut leben, dies ist schockierend. Kinder, Familien, Pensionistinnen und Pensionisten, jene, die bereits am Limit leben, haben in den Wintermonaten nicht einmal ein warmes Zuhause, ein warmes Essen, Licht und warmes Wasser. Könnten Sie sich vorstellen, dass Ihr Kind im eigenen Zimmer frieren muss? (Bundesrat Rösch: In Wien haben sie den Heizkostenzuschuss gestrichen! So schaut es aus! – Bun­desrätin Mühlwerth: So wie in Wien!) Diese Gesetzesänderung hätte es schon vor Langem geben müssen. Überlegen Sie, dass Gemeinden auch noch Heizkosten­zu­schuss an sozial Schwache zahlen, um nochmals direkt vor Ort zu helfen.

Diese Gesetzesänderung ist der erste Schritt auf einem langen Weg. Für uns muss leistbare Energie ein wichtiger Punkt sein, und wir müssen diesen auch für unsere Bevölkerung umsetzen. Wir werden heute selbstverständlich bei Punkt 2 zustimmen. Wir sollten nicht vergessen, dass die ÖVP das Thema Energiearmut erst auf Drängen der SPÖ in die Biomassesonderregelung aufgenommen hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ich meine, was wollt ihr eigentlich?)

12.10


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Elisabeth Köstinger. Ich erteile ihr dieses.


12.11.07

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ge­schätz­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich glaube, zum Thema Biomassekraftwerke ist in den letzten Wochen und Monaten wahr­scheinlich schon mehr gesagt worden, als uns allen zum Teil lieb ist, und wahrschein­lich auch mehr, als wirklich notwendig ist, wenngleich ich wirklich auch dazusagen möchte, dass wir beim Thema erneuerbare Energie viel mehr Aufmerksamkeit brauchen. Wenn ich mir etwas wünschen darf, wäre diese dann aber auf den zukünftigen Ausbau und weniger darauf zu richten, dass wir für bestehende Anlagen, die hoch effizient sind, die funktionieren, die jetzt für Wärme und Stromversorgung in diesem Land sorgen, kämpfen müssen. Das ist aber die Ausgangssituation, und ich bin sehr dankbar dafür, dass wir es mittlerweile geschafft haben, heute, am 9. Mai, wieder hier zu stehen und eine Gesetzeslösung für die effizienten Bestandsanlagen in Umsetzung zu bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bereits Anfang des Jahres haben wir diese Übergangslösung für damals rund 47 Be­standsanlagen, die vor dem Auslaufen gestanden sind, präsentiert. Ich glaube, die Geschichte ist hinlänglich bekannt, die unterschiedlichen Erzählungen dazu haben wir heute auch noch einmal gehört. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass es im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit dazu gegeben hat, weil die NEOS der Verlän­gerung des bestehenden Gesetzes zugestimmt haben. Hier im Bundesrat haben auch die Grünen zugestimmt. Einzig und allein eine Stimme hat gefehlt, um ein bestehendes Gesetz, das seit 2012 in Kraft war, für drei Jahre zu verlängern.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, war die Ausgangssituation. Herr Bun­desrat Novak hat sich sehr wortreich darüber beschwert, dass die Verantwortung bei der SPÖ liege. Na ja, es ward halt einmal nur ihr, die dem eben nicht zugestimmt be-


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ziehungsweise es abgelehnt habt. Daher gebe ich Ihnen auch recht, der 14. Februar war denkwürdig, aber auch nur, weil Sie Parteiinteressen vor Ihre Landesinteressen gestellt haben. Das ist ein Faktum! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich möchte an dieser Stelle auch nochmals ausdrücklich erwähnen, dass es sich um eine Notsituation handelt. Das war auch mit ein Grund, warum wir das dann so ge­macht haben, wie wir es gemacht haben, warum auch im Nationalrat jetzt noch einmal die Schadholzsituation speziell aufgenommen wurde, damit eben auch speziell das Schadholz in die Verwertung geht. Natürlich macht es keinen Sinn, hochwertiges Holz zu verbrennen – das kaskadische Nutzungsprinzip steht da an oberster Stelle –, aber wir haben mittlerweile einen enorm großen Schadholzanfall, der mittlerweile wirklich ein katastrophales Ausmaß annimmt. Ich habe es wirklich sehr bedauerlich gefunden, dass sich Teile der SPÖ-Fraktion darüber lächerlich gemacht haben, als Herr Bun­desrat Köck gesprochen und diese Geschichte erzählt hat. Es ist wirklich existenz­bedrohend, was die Betriebe draußen in den Regionen mitmachen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Genau! Richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal zum Vorwurf der Intransparenz: Am 5. Dezember sind alle relevanten Unterlagen mit den Tarifen, mit Brennstoff­nutzungsgrad, mit allem, was dafür notwendig war, an die Parlamentsklubs übermittelt worden. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Schumann: Aufpas­sen! – Bundesrat Steiner: Nein, nein, ich habe schon aufgepasst! – Bundesrätin Schumann: Aufpassen! – Bundesrat Steiner: Ich lass mir nicht drohen! – Bundesrätin Mühlwerth: Das Drohen könnt ihr euch abgewöhnen!)

Es hat dann auch die Verhandlungen und Einigungen gegeben, es hat Zweidrittel­mehrheiten gegeben. Alle haben versucht, konstruktiv an diesem Gesetz mitzuar­beiten. Der Vorwurf, es wurde nicht geredet, kann somit eindeutig widerlegt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte, da wir ja in Zukunft über das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz verhandeln müssen, würde ich Ihnen wirklich emp­fehlen: Fordern Sie von Ihrer Partei ein, dass Sie zeitgerecht informiert werden, damit wir dann nicht wieder dort stehen, wieder eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat haben und es dann wieder an Ihren Parteiinteressen zu scheitern droht – es wird zulasten der Bundesländer, es wird zulasten des Klimaschutzes und es wird zulasten des Ausbaus der erneuerbaren Energie in diesem Land gehen. Auch Sie als Oppo­sitionspartei tra­gen Verantwortung und auch Sie können sich nicht aus dieser Verant­wortung stehlen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eines lasse ich so nicht im Raum stehen: Bundesrat Novak hat behauptet, wir wären beleidigt. Herr Bundesrat, das Gegenteil ist der Fall! (Bundesrat Weber: Ein bisschen schon! – Bundesrätin Hahn: Offenbar schon!) Ich ärgere mich nur maßlos darüber, dass wir meine Energiesektion, alle Mitarbeiter in den Bundesländern, alle rundherum damit beschäftigen müssen, eine Ersatzlösung zu finden, anstatt ein Gesetz, das bestanden hat, zu verlängern. Das ist mein Ärger, der diesbezüglich besteht.

Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie aus Parteiinteresse dann auch so abgestimmt haben, das ist Ihr gutes Recht. Ich muss mich in die ideologischen Fragen und Entschei­dungen der SPÖ nicht einmischen, das ist Ihr Recht, aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass diese Parteiinteressen dazu geführt haben, dass speziell in Kärnten die Haushalte mehr belastet werden als in anderen Ländern. Sie hätten es in der Hand gehabt, genau das Gegenteil zu bewirken und sehr schnelle Übergangs­lösungen zustande zu bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Novak: Sie hätten es in der Hand gehabt, das ordentlich zu machen! – Bundesrätin Hahn: Das ist der Respekt vor der Opposition!)


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Eine sehr wichtige Maßnahme, die wir auch bereits im Jänner beschlossen haben, war die spürbare Entlastung für einkommensschwache Haushalte, die jetzt eben auch von den Kosten ausgenommen werden. Diese Entlastung wäre auch bereits im Februar möglich gewesen, auch das wurde im Bundesrat blockiert.

Wir haben jetzt die zweitbeste Lösung in der Umsetzung. (Bundesrat Novak: Ihre Schuld!) Mit dem Biomasseförderungs-Grundsatzgesetz wollen wir den betroffenen Anlagebetreibern unter die Arme greifen, ihnen möglichst rasch helfen, regionale Wertschöpfung und vor allem eben auch die damit einhergehenden Arbeitsplätze sichern. Nicht zuletzt ist der Schadholzabtransport für uns wirklich sehr entscheidend, weil speziell der Borkenkäferbefall massiv um sich greift.

Wir werden die Biomasseanlagen damit vor dem Aus retten, wir haben eine Über­gangslösung für drei Jahre geschaffen. Der Unterschied zur ursprünglichen Regelung ist, dass die Länder eben die Tarife selbst festlegen müssen und damit auch einen gewissen Spielraum haben.

Was Frau Bundesrätin Kahofer zum Teil kritisiert hat, stimmt auch nicht, die Tarife sind nicht im Biomasseförderungs-Grundsatzgesetz verankert. (Zwischenruf der Bundes­rätin Kahofer.) Ja, es wird unterschiedliche Tarife geben, das stimmt, aber, wie gesagt, der einzige Grund war Ihre Ablehnung am 14. Februar.

Wir haben höchstes Interesse daran, dass es in der Umsetzung sehr gut funktioniert, wir haben dazu auch ein Musterausführungsgesetz mit den Bundesländern erarbeitet, damit es eine möglichst einheitliche Vorgangsweise gibt. Das war im Rahmen der Begutachtung auch der Wunsch sehr vieler Länder. Wir haben auch mehrere Ge­spräche mit allen Bundesländern dazu geführt.

Wir haben selbstverständlich auch namhafte Verfassungsrechtler miteinbezogen, bei­spielsweise Herrn Professor Mayrhofer aus Linz, der diese Variante als verfassungs­konform bezeichnet hat – dazu gibt es ein Gutachten. Dieser Lösungsweg wurde weiters vom Verfassungsdienst geprüft und auch entsprechend bestätigt.

Es steht auch der Vorwurf im Raum, dass es beihilfenrechtlich nicht halten wird. Auch das wurde von unserer Seite analysiert. Für die Regierungsvorlage ist keine beihil­fenrechtliche Notifikation bei der EU-Kommission notwendig, da eben auch kein rele­vanter Eingriff in die beihilfenrechtliche Substanz erfolgt, weil es ja auch schon einmal mit einer Zweidrittelmehrheit und einstimmig im Bundesrat beschlossen worden ist, EU-rechtlich notifiziert ist und wir uns auch genau an diesen Spielraum halten. Falls Sie das nächste Mal den Vorwurf der Intransparenz in den Raum stellen: Das ist der eindeutige Beweis dafür, dass wir einfach nur ein Gesetz verlängert haben.

Frau Bundesrätin Kahofer hat aber schon recht: Halten sich Bundesländer nicht an den Spielraum, dann droht natürlich eine beihilfenrechtliche Prüfung beziehungsweise eben auch eine Ablehnung. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Das ist aber dann nur für dieses eine Bundesland, das sich nicht an den Spielraum des bereits notifizierten Gesetzes hält. (Bundesrat Novak: Alles verhindern, Frau Bundesministerin!) Wenn man dann also quasi diesen Pfad verlässt, dann droht auch eine beihilfenrechtliche Ablehnung vonseiten der EU-Kommission. Hier haben es also die Länder auch wirklich selbst in der Hand. (Bundesrätin Hahn: Die Verantwortung abschieben!) Das liegt leider nicht mehr in der Hand des Bundes.

Es geht beim Ökostrom auch sehr, sehr stark um das Thema Klimaschutz. Lassen Sie mich noch einmal betonen: Ich möchte Sie wirklich bitten, nicht permanent etwas ein­zufordern, zu kritisieren und dann bei der kleinsten Gelegenheit – und das ist wirklich die kleinste Gelegenheit gewesen – den Ablehnungsknopf zu drücken.


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Diese Anlagen sind funktionstüchtig, sie stehen in den Regionen, sie sind auch in Zukunft für die Strom- und Wärmeversorgung wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte. Wenn wir auf erneuerbare Energien setzen, dann haben wir mit sehr starker Volatilität zu kämpfen: Sonne scheint, scheint nicht, Wind weht, weht nicht – wir werden auch in Zukunft Energieformen brauchen, mit denen wir Ausgleichs­energie zur Verfügung stellen. Deswegen wird auch die Biomasse in Österreich in Zukunft eine entscheidende und wichtige Rolle spielen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.21


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile ihm dieses.


12.21.09

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auf die ziemlich banale Argumentation der SPÖ nicht wirklich eingehen, die wir hier zum zweiten Mal schon wie ein Perpetuum mobile ertragen müssen und die nun hinlänglich auch von der Frau Bundesministerin widerlegt wurde. (Ah-Rufe bei der SPÖ.)

Mir gibt etwas anderes zu denken (Bundesrat Schennach: Besprich das mit der Frau Bundesministerin!): Heute ist schon der Name Kelsen gefallen – von dir, lieber Prä­sident Brunner. Da hat es die Assoziation gegeben, dass die Verfassung, die Kelsen 1920 geschrieben hatte, eigentlich ein Bruchteil oder praktisch die Hälfte der heutigen Verfassung ist. Ich möchte da auf den großen Verfassungsrechtler Felix Ermacora zurückgreifen, der schon gesagt hat, es ist eine Unart in Österreich, alles in Verfas­sungsrang zu heben.

Das könnte man vielleicht zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, warum es sein kann, dass bei einem ganz einfachen, nur prolongierten Gesetz, eben diesem Öko­stromgesetz, ein ganzes Land von der SPÖ in Geiselhaft genommen werden kann. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das kann es doch nicht sein! (Bundesrätin Schumann: Aber den Wirtschaftsstandort geben wir in Verfassungsrang! Schau an!) Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man bemüht sich darum und setzt bei Felix Ermacora an, die Verfassung eines Tages wieder auf die Ursprünge zurückzuführen, oder – und das ist ein Appell an die Wähler – wir schwächen vor allem in Wien die SPÖ weiter, damit so eine Situation, wie wir sie am 14. Februar vorgefunden haben, nicht mehr kommt, man ihr also die Möglichkeit des Einspruchs gegen eine Verfassungsmehrheit hier im Bundesrat nimmt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dieses Thema ist ein interessantes Forschungsthema, ein investives und innovatives Thema für die Wirtschaft. Ich möchte darauf eingehen, vielleicht auch auf die Unter­schiede zwischen Umweltschutz und Klimaschutz. Für mich ist, ehrlich gesagt, der Umweltschutz das Interessantere, denn der Klimaschutz spielt sich eher in der Strato­sphäre ab, beim Umweltschutz – um es vereinfacht herunterzubrechen – geht es um das, was wir hier täglich einatmen.

Im Bereich der Mobilität laufen die großen Diskussion über den Energiewandel beim Auto, weg vom Verbrennungsmotor, vor allem hier in Europa – in Österreich haben wir leider nicht die entsprechenden Konzernvielfalt – zwischen Volkswagen und dem Industrie- und Autozulieferer Bosch ab. Volkswagen setzt auf die Zukunft der Batte­riezelle, Bosch auf die Zukunft der Brennstoffzelle, also Wasserstoff. Das sind zwei große Richtungen, wo wir heute noch nicht wissen, in welche Richtung es in Zukunft gehen wird.


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Deswegen ist es ganz wichtig, die Forschungscluster zu erweitern, zu unterstützen, zu fördern, aber die Richtung – das ist das Entscheidende – noch nicht vorzugeben, noch nicht zu sagen, welche dieser Energieträger – sei es Wasserkraft, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse oder eben dieses energiegetriebene oder wasserstoff­getrie­bene Auto – die Zukunft sind. Man sollte den Wettbewerb werken lassen und nicht alles auch teilweise zu hoch fördern und so in gewissem Sinn auch eine Hängematte zu verursachen und falsche Richtungen vorzugeben. Einer der beiden, Volkswagen oder Bosch, wird eine falsche Richtung haben. Das wird Milliardeninvestitionen benötigen, aber es ist auch interessant, diesen Wettbewerb zu verfolgen.

Umweltschutz ist Heimatschutz, und da sind für mich in erster Linie der Wald und die Natur ein ganz wichtiges Thema. Wenn wir heute die Erkenntnisse vermittelt bekom­men, dass jedes Jahr auf der Welt Land in der Größe von England abgeholzt wird, dann gibt das doch zu denken, wenn wir über CO2-Emissionen sprechen, auf der anderen Seite aber der Wald hemmungslos abgeholzt wird. Diesbezüglich ist auch Wien keine Ausnahme. Was in Wien täglich und jährlich an Waldflächen verschwindet, ist beispielslos. (Bundesrätin Schumann: Was? Geh bitte!) – Diesbezüglich ist eine wichtige Änderung angedacht.

Baumrodungen sind in Wien seitens der SPÖ an der Tagesordnung. Ihr habt die Symbiose mit der Baulobby geschlossen, die wir von der FPÖ klar ablehnen und von der wir uns distanzieren wollen. (Bundesrätin Grimling: Das darf doch nicht wahr sein! – Rufe bei der SPÖ: Unglaublich! Immer gegen Wien!)

Ein zweites interessantes Thema ist die Gerechtigkeit, der gerechte Zugang beim Thema CO2-Emissionen, zum Beispiel beim Flugverkehr. Die europäischen Fluglinien unterliegen alle dem CO2-Emissionshandel, dem unterliegen aber zum Beispiel chinesische Fluglinien nicht, wenn sie Österreich oder Europa anfliegen. Die sind davon befreit. Wenn dann seitens der Europäischen Kommission die Idee aufgegriffen wird, China vielleicht doch den CO2-Handel vorzuschreiben, die Zugehörigkeit aufzu­zwingen, dann sagen die chinesischen Repräsentanten: Wir kaufen dann halt keine Airbusse mehr!, und die Europäische Union in Brüssel geht gleich in die Knie. So kann es ja auch nicht sein! Wir wollen eine gestärkte EU-Kommission haben, was aber mit dem derzeitigen Team offensichtlich nicht geht. Da ist der amerikanische Zugang ein wesentlich besserer. Die wissen genau, wie man mit China verhandelt, aber nicht mit dieser Goodwillaktion, wie es restlos naiv in der Europäischen Kommission derzeit gehandhabt wird.

Die Biodiversität, die Erhaltung des Waldes, aber auch die Erhaltung der Holzwirtschaft sind wichtig. Ich muss auch einmal ambivalent ansprechen, warum Holz per definit­ionem als CO2-frei gilt. Ich gebe das zu bedenken, denn jeder weiß, dass die Ver­brennung von Holz CO2-Ausstoß verursacht. Da ist die Diversifizierung in andere Energieträger wie Sonnenenergie oder Wasserkraft doch ein entscheidendes Krite­rium.

Auch die Industrie kann viele fossile Energieprozesse umstellen, innovativ erneuern, wenn sie ökonomisch sinnvoll und wettbewerbsfähig dargestellt und umgesetzt werden können.

Fazit: Es ist ein gutes Übergangsgesetz – und nichts anderes ist es, ein ganz ein­faches, notwendiges Übergangsgesetz. Interessant und wichtig wird das darauffol­gende Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.

Alles Gute, Frau Ministerin, ein gutes Gesetz! – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.27



BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 66

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses.


12.27.53

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich denke, es ist reiner Zufall, dass ich die Rednerliste genauso wie am 14. Februar zum Ökostromgesetz schließen darf. (Bundesrat Schennach: Ja, du bist ja auch drauf!) Der einzige Unterschied ist, dass das Gesetz mit Verspätung, auch mit wirt­schaftlichem Nachteil für die Forstwirtschaft und für die betroffenen Anlagebetreiber rechtswirksam wird. Dafür, glaube ich, trägt sicherlich die SPÖ-Fraktion die Hauptverantwortung. Sie haben die Tür zugemacht, nicht die Frau Ministerin. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schennach: Sie hat sie nie aufgemacht!)

Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus hat im zweiten Anlauf ein Biomasseförderung-Grundsatzgesetz zum Beschluss vorbereitet – ich möchte mich wirklich sehr herzlich dafür bedanken –, und der Bundesrat wird es heute beschließen. Es wurde schnell gehandelt, man hat schnell begonnen, eine Regelung auszuarbeiten, die mit einfacher Mehrheit umsetzbar ist und über 40 Biomasseanlagen in ganz Österreich vor der Stilllegung retten wird. Wir haben die Übergangsregelung bis zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das bis zum Jahr 2020 ausverhandelt werden soll, und wir lassen unsere Betreiber nicht im Stich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Vorgangsweise – es ist schon erwähnt worden – ist aufgrund der Blockierung durch die SPÖ-Fraktion notwendig geworden, und da ist mein Gedanke gewesen: Warum einfach und schnell, wenn es auch sehr umständlich und verwaltungstechnisch sehr aufwendig möglich ist?

Liebe Frau Bundesminister, dir und deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlichen Dank für die Vorbereitung sowie für die wirklich klare Positionierung zu diesem Thema.

Der Zusammenhang mit der sozialen Komponente ist schon erwähnt worden, er ist von der SPÖ-Fraktion eingebracht worden. Umso unverständlicher ist für mich daher, dass sie im Februar diese Eingabe, die eigentlich zu 100 Prozent im Gesetz gestanden wäre, abgelehnt hat. (Ruf bei der SPÖ: Da musst du einmal die Geschäftsordnung lesen!)

Nun möchte ich ein paar Stichworte zum Thema Klimaschutz ansprechen. Österreichs Ziele für den Klimaschutz sind wirklich sehr, sehr ehrgeizig, und das Ziel: 100 Prozent Stromproduktion aus erneuerbarer Energie bis 2030, ist eines dieser Ziele. Ob Strom­produktion aus Wasserkraft, Sonnenenergie oder Windkraft, jede Form der erneuer­baren Energiegewinnung ist Teil dieser Klimastrategie. Biomassekraftwerke produzie­ren durchgängig Ökostrom – bedarfsgerecht, unabhängig von den äußeren Bedin­gungen, unabhängig von der Jahreszeit und der Witterung –, um Produktionsschwan­kungen entgegenzuwirken. Dies ist ein wesentlicher Aspekt.

Unserer Bundesregierung ist wirklich jede Kilowattstunde, die aus Ökostrom gewonnen wird, sehr, sehr wichtig. Es geht um die Erreichung der Klimaziele, um weniger Ab­hängigkeit von fossilen Energieimporten – gesprochen wurde von Kohle – und Atom­strom, um eine gesunde Lebensgrundlage für unsere Nachwelt, für unsere Kinder und Enkelkinder.

Punkt 2, Thema Forstwirtschaft: Eines wundert mich: Von der SPÖ-Fraktion war kein Beitrag dabei, in welchem von der Forstwirtschaft überhaupt nur ansatzweise die Rede war. Entweder Sie verstehen von der Forstwirtschaft nichts oder es ist Ihnen egal. Die momentane Situation ist katastrophal und absurd. Einerseits sind die großen Mengen


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 67

an Schadholz auf dem Markt, die keinen Platz haben und die man mit hohen Kosten aufarbeiten muss, wo man dazulegen muss, andererseits bestehen Anlagen, die den heimischen Rohstoff bräuchten, aber nicht betrieben werden können. Das Ergebnis sind Energieimporte aus dem Ausland.

Es geht um die Verwendung von heimischem Rohstoff, sprich Biomasse, die wir wirk­lich sprichwörtlich vor der Haustüre haben. Es geht um Kreislaufwirtschaft, um Nachhaltigkeit, um den Erhalt klimafitter Wälder und die Aufrechterhaltung der Schutz­funktion vieler Wälder. Wenn ich daran denke, wie das Holz kreuz und quer in den Wäldern umherliegt und die Bauern und Forstbetriebe dies aufarbeiten müssen – auch um die Begehbarkeit des Waldes für alle Erholungssuchenden wieder herzustellen –, frage ich mich: Soll dies so wenig Wertschätzung verdient haben? – Das glaube ich nicht. Es ist immer noch wesentlich günstiger, in die Erhaltung gesunder Wälder zu investieren, als für kostenintensive Wildbachverbauungen das Vielfache an Geld auszugeben, wenn die Schutzfunktion des Waldes nicht mehr gegeben ist.

Mit dem Ökostromgesetz wird die Forstwirtschaft entlastet, die sich ja in Österreich und in Europa in schwierigen Zeiten befindet. Das minderwertige Schadholz, das in großen Mengen vorhanden ist und so schnell wie möglich aufgearbeitet werden muss, wird auf dem überfüllten Markt hoffentlich Platz finden.

Nun noch ein paar Sätze zum Wirtschaftsstandort: Wir sichern mit dem Gesetz über 6 000 Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich. Kollege Edi Köck hat die Auswirkungen auf diese Arbeitsplätze in der ländlichen Region bereits erwähnt. Wir sparen auch 450 Millionen Liter Heizöl und haben noch Luft nach oben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Klimaziele, die sich Österreich gesetzt hat, haben in der Bundesregierung sehr große Priorität und stehen sehr weit oben. Es ist eine Veränderung spürbar, es machen sich viele Menschen und auch die Jugend berechtigte Sorgen – vielleicht mehr, als wir wahrhaben wollen. Sie stellen sich die Frage, wie es mit der Klimaveränderung bei uns, mit dem Klimaschutz weitergeht.

Was könnte eine Antwort von vielen sein? – Zum einen ein gut ausgearbeitetes Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das in Vorbereitung ist. Dazu ergeht die Bitte an die SPÖ-Fraktion, sich miteinzubringen. Im Vordergrund stehen nicht die Frage, wer die Schuld für den Klimawandel hat, und der Fingerzeig auf andere Branchen oder Berufsgruppen, sondern dass allgemein eine Vorreiterrolle eingenommen wird, wie wir das in Österreich auch tun. Wer wirklich vorne mit dabei ist, hat auch in der Euro­päischen Union mehr Gestaltungsmöglichkeit. Klima- und Energiepolitik und Umwelt­schutz sind Europapolitik. Dies hat keine regionalen Grenzen und kann vor solchen Grenzen nicht Halt machen.

Klimaschutzpolitik bedeutet Politik für die Zukunft und für unsere Nachkommen. Ich denke, unsere Bundesregierung und wir alle – jeder Einzelne – müssen Teil der Lösung sein und nicht Teil des Problems. In diesem Sinne wünsche ich alles Gute. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.36


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


12.36.48

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte eine tatsächliche Berichtigung zur Aussage von Herrn Köck machen. Es geht um Julia Herr. Wenn man sich allein die Plakate anschaut, dann ist, glaube ich, ganz klar, dass sie für den Ausstieg aus der Kohle ist.


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Ich weiß nicht, vielleicht hast du das falsch verstanden, sie hat gesagt: Aber es darf nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen kommen! – Das war die tatsächliche Aussage. (Bundesrat Köck: ... Kohlekraftwerke weiterlaufen lassen, damit Arbeitsplätze nicht verloren gehen!) Sie ist für eine grüne Joboffensive, also diese Green Jobs. Julia Herr ist nicht für die Kohle. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Doch! Schon!)

12.37


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu einem weiteren Redebeitrag hat sich Herr Bundesrat Köck gemeldet. – Bitte.


12.37.53

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Diese tatsächliche Berich­tigung war falsch, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen wurde. (Bundesrat Novak: Ja, du hast es gesagt, aus dem Zusammenhang gerissen!) Sie hat gesagt, die Kohlekraftwerke sollen weiterlaufen, damit die Arbeitsplätze nicht verloren gehen. Das habe ich gesagt, und das hat sie gesagt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Na, das hat sie aber nicht!)

12.38

12.38.09


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­ge­setz und bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von min­destens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest. – Das ist der Fall.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Moment, Moment!) – Ich lese das noch einmal vor.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßi­ge Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Danke, einstimmig angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 69

Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Biomasseförderung-Grundsatzgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „100 Prozent Ökostrom bis 2030“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

12.41.36 4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 (544 d.B. und 575 d.B. sowie 10171/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Andrea Wagner. – Ich bitte um den Bericht.

12.41.38


Berichterstatterin Andrea Wagner: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verord­nung (EU) Nr. 511/2014.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. Ich erteile ihr dieses.


12.42.07

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Zuseher! Das Protokoll von Nagoya ist Teil eines Übereinkommens über biolo­gische Vielfalt, der Convention on Biological Diversity. Wann, glauben Sie, wurde dieses Abkommen geschlossen? – Angesichts der aktuellen Dramatik des vorliegen­den UN-Berichtes über das Artensterben kann man kaum glauben, dass dieses Abkommen bereits vor 27 Jahren beschlossen wurde. Seit 27 Jahren macht man sich auf internationaler Ebene bereits Gedanken über diese Thematik. 1992 wurde dieses Abkommen in Rio de Janeiro beschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 70

Diese Konferenz stellt einen Meilenstein in der Diskussion über Umweltthemen in globalem Rahmen dar. Es sind vor allem die südlichen Regionen, die reich an bio­logischen Rohstoffen sind, mit ihren Regenwäldern, mit ihren Korallenriffen. Bereits Paracelsus schrieb im 16. Jahrhundert der Koralle Heilkräfte zu, und heute hofft man auf Rettung aus dem Riff in Form neuartiger Antibiotika oder Krebsmedikamente.

Mit der zunehmenden rasanten Entwicklung in der Biotechnologie verschärfte sich das Ungleichgewicht zwischen Ressourcengebern und Ressourcennehmern. Man setzte sich gemeinsam an den Tisch, verhandelte mehrere Jahre. 2010 kam es zum Protokoll von Nagoya, das 168 Staaten unterzeichneten und bisher von 114 Staaten ratifiziert wurde. Damit hat man einen international anerkannten Rahmen für den Zugang zu genetischen Ressourcen und zu traditionellem Wissen geschaffen.

Dieser Zugang erfordert die Zustimmung der entsprechenden staatlichen Behörden oder der indigenen Völker. Die Herkunftsländer werden an den Vorteilen der Nutzung beteiligt. Dies bietet den Herkunftsländern ökonomische Anreize zum Schutz der Artenvielfalt. 2014 wurde von der Europäischen Union eine Verordnung zum Protokoll erlassen. Mit dem heutigen Beschluss wird auf nationaler Ebene das Bundes­minis­terium für Nachhaltigkeit und Tourismus zur zuständigen Behörde bestimmt. Sie ist zuständig für die Anwendung der Verordnung, für Kontrollen und auch eventuelle Strafen.

Ich möchte noch einmal kurz auf den eingangs schon erwähnten Weltbiodiver­sitäts­bericht eingehen. Österreich ist seit 2014 Mitglied. Ich bedanke mich bei unserer Bun­desministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus dafür, dass die Erarbeitung der neuen Biodiversitätsstrategie 2030 für Österreich bereits gestartet ist. Ab Juni finden thematische Workshops statt. Eine öffentliche Konzertation zur Einbindung der Bürger ist bereits geplant.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen, beim Artenschutz ist es wie beim Klimaschutz oder beim Trinkwasserschutz ein Prozess, in den die gesamte Gesellschaft einbe­zogen werden muss und der auch die ganze Gesellschaft erfassen muss. Wie Dr. Staudinger, Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, gestern bei der Enquete gesagt hat, sind wir aber Weltmeister im Ausredenfinden. Es sind immer die anderen zuständig. Sie sollen sich damit beschäftigen. Die Industrie oder der Konsument oder die Politik oder der Bürger oder die Medien oder die Wissenschaft sind für die Bewusstseinsbildung zuständig.

Wollen wir aber in diesem Bereich entscheidende Fortschritte erzielen, ist es so, dass diese Herausforderungen unser aller Anliegen und das Anliegen jedes Einzelnen sein müssen. Werte Kollegen und Kolleginnen, diese Herausforderungen sind komplex, und mit einer Schlagwortpolitik werden wir sie nicht lösen können. Wir befinden uns in einem Spannungsfeld. Wir werden einen tragfähigen Kompromiss zwischen Erhaltung unserer Ressourcen und ihrer Nutzung finden müssen. Beides brauchen wir zum Leben. Was können wir tun?

Auch hier wurden in der gestrigen Enquete von Dipl.-Ing. Dr. Max Kuderna, WPA Beratende Ingenieure GmbH, einige Ansätze geliefert: Bewusstsein bilden, beraten, Einsatz technischer Innovation. Digitalisierung ermöglicht zum Beispiel einen punkt­genauen sparsamen Einsatz von Betriebsmitteln in Landwirtschaft und Industrie. Alle möglichen Handlungsoptionen werden wir in Betracht ziehen müssen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, diese Herausforderungen sind komplex, und, um nochmals auf Dr. Staudinger zurückzukommen, ich glaube, Aufgabe der Politik ist es, diese Herausforderungen in ihrer Komplexität anzunehmen und auf verschiedenen Ebenen nach Lösungen zu suchen. Ich glaube auch, dass die Bürgerinnen und Bürger die Vielschichtigkeit dieser Probleme erkennen.


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Ich begrüße daher sehr, dass die Bundesregierung Bürger durch Konsultationen einbindet, und denke, dass wir dieses Instrument noch stärker anwenden müssen. Mit dem heute voraussichtlich einstimmigen Beschluss gehen wir wieder einen Schritt weiter in Richtung Erhalt der Artenvielfalt. Es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.48


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bettina Anna Lancaster. Ich erteile es ihr.


12.49.12

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Bundesratskollegen und -kolleginnen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor Ort und via Livestream! Österreich ist seit 2018 Vertragspartei des Nagoyaprotokolls. Zur einheitlichen Umsetzung der Verpflich­tungen aus dem Protokoll auf Unionsebene gibt es eine EU-Verordnung, die auch Maßnahmen seitens Österreich erforderlich macht.

Mit dem vorliegenden Bundesgesetz wird der fällige Schritt für die Umsetzung getätigt. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus wird zuständige Bundes­behörde. Das Ministerium kann bei Bedarf auf die Expertise des Umweltbundesamtes zurückgreifen. Im Kern geht es darum, zu gewährleisten, dass sich Nutzer von gene­tischen Ressourcen an die Gesetze der Herkunftsländer dieser Ressourcen halten. Die zuständige Behörde hat dazu regelmäßig die entsprechenden Akteure zu kontrollieren. Verstöße werden nach der Gesetzesvorlage mit bis zu 50 000 Euro sanktioniert.

Geschätzte Damen und Herren, vor dem Hintergrund des UN-Berichtes über das Artensterben erhält das Nagoyaprotokoll eine noch größere Dringlichkeit. Das Aus­beuten von Ökosystemen, das kurzfristig verlockend und profitabel erscheint, zerstört die Artenvielfalt und damit unsere Lebensgrundlage. Das Nagoyaprotokoll bietet die Chance für dringend notwendige Alternativen. Biologische Vielfalt wird in Wert gesetzt und wirtschaftlicher Anreiz für den Naturschutz wird zusätzlich geboten.

Es ist im Klartext ein notwendiges Instrument zur Verhinderung von Biopiraterie. Es gibt den Herkunftsländern von genetischen Ressourcen, die oftmals Schwellenländer oder Entwicklungsländer sind, und den Nutzerländern einen verlässlichen Rahmen bei der Verwertung von genetischen Ressourcen. Das Protokoll nimmt auch den privaten Sektor in Verantwortung. Wenn zum Beispiel genetische Ressourcen genutzt werden, Produkte daraus entwickelt werden und dabei wirtschaftlicher Profit erzielt wird, soll damit auch zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in den Ländern beigetragen werden, wo sie herstammen. Somit kann auch in diesen Ländern der Lebensraum geschützt und können Arten erhalten werden.

Mit der Umsetzung des Nagoyaprotokolls wird ein längst fälliger Schritt gesetzt, um den Artenschutz zu fördern und um einen Ausgleich zwischen den Ursprungsländern von genetischen Ressourcen und den Nutzerländern von genetischen Ressourcen zu schaffen. Die Sozialdemokratie wird diesem Bundesgesetz zustimmen. Unserer An­sicht nach leistet das Nagoyaprotokoll einen notwendigen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung, jedoch müssen noch viele weitere Schritte in Richtung In-Wert-Setzung von Umweltdienstleistungen getätigt werden, um die Lebensbedingungen von Men­schen in benachteiligten Regionen und Ländern zu verbessern und den nachfolgenden Generationen ein friedvolles Miteinander ohne Ressourcendruck zu gewährleisten.

Geschätzte Frau Ministerin, wir brauchen dazu einen starken Umweltausschuss, wo Themen behandelt werden, wo Anträge auch von den Regierungsparteien eingebracht


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 72

werden. In den letzten acht Sitzungen wurde hierzu nur ein Antrag von den Regie­rungsparteien eingebracht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Bun­desministerin. Ich erteile ihr dieses.


12.53.38

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren BundesrätInnen! Mit der Umsetzung des Nagoyaprotokolls wollen wir Rechtssicherheit und Transparenz sowohl für die Anbieter als auch für die Nutzer genetischer Ressourcen sicherstellen. Das Nagoyaprotokoll wird ja in der Europäischen Union durch eine Verordnung geregelt. Die wichtigsten Bestimmungen sind zum einen die Nennung einer zuständigen nationalen Behörde, aber eben auch Kontrollen und Sanktionen. Mit dem vorliegenden Bundesgesetz werden diese Punkte nun für Österreich geregelt. Mein Bundesministerium übernimmt die Aufgabe der zuständigen Behörde, und wir können speziell auf die Expertise des Umweltbundesamtes zurückgreifen, insbesondere was das Thema der Kontrollen betrifft.

Grundsätzlich – und das ist wichtig zu erwähnen – ist zwischen dem Zugang zu genetischen Ressourcen in Österreich und dem Zugang zu genetischen Ressourcen durch österreichische Akteure in anderen Ländern zu unterscheiden. Der Zugang in Österreich bleibt weiterhin frei und wird nicht zusätzlich geregelt. Es gelten aber beispielsweise Bestimmungen des Naturschutzgesetzes. Beim Zugang durch österreichische Akteure wie beispielsweise Forschungsinstitute, Sammlungen oder auch Unternehmen in anderen Ländern, die nach dem Nagoyaprotokoll den Zugang regulieren, gilt: Die Bestimmungen und Voraussetzungen des Herkunftslandes müssen eingehalten werden, die zuständige Behörde in Österreich muss regelmäßig kontrol­lieren und bei Verstößen dafür sorgen, dass Sanktionen verhängt werden.

Ich darf Ihnen versichern, dass wir die Umsetzung, insbesondere die Kontrollen so schlank und vor allem auch ressourceneffizient wie möglich gestalten werden, damit es auch für die Nutzer von genetischen Ressourcen zu keinem Mehraufwand kommt.

Wir sind zuversichtlich, dass durch den Beschluss dieses Bundesgesetzes und dessen Umsetzung auch das im Vorjahr von der EU-Kommission eingeleitete Vertragsver­letzungsverfahren eingestellt wird.

Wir werden als nächsten Schritt alle relevanten österreichischen Akteure zu einer Arbeitsgruppe einladen und freuen uns über Vorschläge, wie wir die konkrete Um­setzung effizient und praxistauglich gestalten können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.55


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. Ich erteile es ihm.


12.56.08

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Nagoyaprotokoll ist ein wichtiger und notwendiger Schritt zur Umsetzung internationaler Verpflichtungen. Seine Wurzeln liegen im Übereinkommen über die biologische Vielfalt aus dem Jahre 1992, das die Biodiversität durch den Schutz der Ökosysteme bewahren soll und in dem der nationalen Souveränität über genetische Ressourcen Vorrang vor dem Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit eingeräumt wird.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 73

Das Protokoll beruht auf dem Prinzip der Ausgewogenheit und zielt darauf ab, historische und politische Ungleichgewichte in der Nutzung von genetischen Res­sourcen für die Forschung und Produktentwicklung auszugleichen. Weiters enthält es klare Regeln gegen Biopiraterie. Weltweit wurden seit Jahrzehnten lokale Gemein­schaften durch Biopiraterie entrechtet und geschädigt, der Zugang zu den eigenen Ressourcen durch geistige Eigentumsrechte versperrt. Eine Beteiligung am erzielten Profit fand jedoch nur in den seltensten Fällen statt. Das soll sich mit dem Nagoya­protokoll nun grundlegend ändern.

Um Biopiraterie zu unterbinden und Saatgut als Gemeingut zu sichern, müssen nun allerdings auch Non-Profit-Akteure und Privatpersonen einen gewissen bürokratischen Aufwand betreiben. Das System kann aber nur funktionieren, wenn alle Transfers der genetischen Ressource nachvollziehbar sind. Das Gesetz enthält überdies die Ver­pflichtung zur Durchführung von Kontrolltätigkeiten und sieht Verwaltungsstrafen bis zur Höhe von 50 000 Euro vor. Österreich ist im Bereich der Biodiversität Vorreiter auf europäischer Ebene.

Der bewusste Umgang mit natürlichen Ressourcen steht im Fokus der Bundes­regierung. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass am 13. März dieses Jahres die Bioökonomiestrategie im Ministerrat beschlossen wurde. Die Erarbeitung dieser Strategie kann durchaus als Leuchtturm der Klima- und Energiestrategie, der #mission 2030, die im Mai 2018 von der Bundesregierung beschlossen wurde, be­zeichnet werden. Der Prozess zur Erarbeitung der Strategie ist ein ressortüber­greifendes Projekt zwischen den Bundesministerien für Nachhaltigkeit und Tourismus, Verkehr, Innovation und Technologie sowie Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss uns jedoch bei allen positiven Beschlüssen, Abkommen und Strategien betreffend Klimaschutz und Nachhaltigkeit eines klar sein: Ohne eine Änderung unseres Kauf- und Konsumverhaltens, ohne das Bewusstsein, dass unser eigener CO2-Fußabdruck von enormer Wichtigkeit ist, werden wir gewisse Ziele möglicherweise nicht erreichen. Es wird Ihnen auch nicht verborgen geblieben sein, dass in den vergangenen Tagen und Wochen über die Medien von einem noch nie dagewesenes Artensterben in der Tier- und Pflanzenwelt berichtet wurde, etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht.

Die Weltgemeinschaft muss sich dringend weg vom wirtschaftlichen Wachstum als zentralem Ziel hin zu nachhaltigen Systemen wenden. In ihrem ersten Weltbericht zum Zustand der Artenvielfalt reihen die UNO-Experten beängstigende Fakten aneinander. Drei Viertel der Naturräume an Land wurden vom Menschen schon erheblich ver­ändert, in den Meeren sind es zirka zwei Drittel. Außerdem wird in diesem Bericht verdeutlicht, dass der Verlust von Biodiversität kein reines Umweltthema ist, sondern auch Entwicklung, Wirtschaft, politische Stabilität und soziale Aspekte wie zum Beispiel Flüchtlingsströme beeinflusst. Gravierende Folgen für die Menschheit weltweit sind inzwischen sehr wahrscheinlich.

Für Gegenmaßnahmen ist es jedoch noch nicht zu spät, aber nur, wenn wir sofort und auf allen lokalen bis globalen Ebenen damit beginnen, ansonsten untergräbt die Menschheit ihre eigene Lebensgrundlage. Unsere Kinder und Kindeskinder haben ein Recht darauf, in einer intakten Umwelt aufzuwachsen. Es liegt ausschließlich an uns, ihnen dies zu ermöglichen.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei der Bundesregierung und bei jedem Einzelnen in diesem Land, der zum Schutz unserer Umwelt seinen Beitrag leistet, bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.00

13.00.35


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 74

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, darf ich Frau Bundesminister Mag. Beate Hartinger-Klein begrüßen. – Willkommen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.01.245. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden (514 d.B. und 588 d.B. sowie 10158/BR d.B. und 10165/BR d.B.)

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Ich bitte um den Bericht.


13.01.51

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistik­gesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrations­gesetz-IntG) geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fraktionsführerin Korinna Schumann. Ich erteile dieses.


13.02.55

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Arm zu sein oder armutsgefährdet zu sein ist eine schwere Last für alle Menschen, die davon betroffen sind. Niemand in unserem Land ist gerne arm. Die staatliche Mindestsicherung dient als unterstes und letztes soziales Netz. Es geht immer um Menschen und es geht um menschliche Schicksale.

Mit diesem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz leitet die Bundesregierung einen grundsätzlich ablehnenswerten Wandel in der Sozialpolitik ein: weg von der Mindestsicherung als staatliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens hin zu einer Sozialhilfe,


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die nur – Zitat – Unterstützungsleistung, auch noch unter integrationspolitischen und fremdenpolizeilichen Zielen, ist. 70 000 Kinder schickt diese Regierung in die Perspek­tivenlosigkeit.

Die den Ländern übertragenen Aufgaben der Sozialhilfe können nicht als ein Unter­stützungsbeitrag gesehen werden, wie es im vorliegenden Gesetz in Artikel I angeführt ist, sondern es geht um die Sicherung von Lebensbedürfnissen wie Nahrung, Be­kleidung, Körperpflege, Heizung, Energie, aber auch, und das ist ganz wesentlich, um die Möglichkeit zur sozialen und kulturellen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Darum muss es gehen. Ziel der Sozialpolitik kann es nur sein, Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic) und eine dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung ins Erwerbsleben zu ermög­lichen. Genau das passiert mit diesem Gesetz nicht; nein, es fördert die Armut und die Ausgrenzung von Menschen. Sie sparen auf Kosten von Familien und Kindern.

332 236 Personen wurden 2017 durch die Mindestsicherung unterstützt, mehr Frauen als Männer, 35 Prozent davon sind Kinder. Die Hälfte der BezieherInnen sind öster­reichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Einen überdurchschnittlich hohen Anteil an nichtösterreichischen BezieherInnen gibt es in Tirol und Vorarlberg. 52 Prozent der BezieherInnen hatten ein anrechenbares Einkom­men, der größte Teil mit 43 Prozent sind BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. (Bundesrat Steiner: Vorleseübung!) 16 Prozent der Mindestsicherungs­bezieherInnen haben ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit, 8 Prozent der Bezie­herInnen sind Personen im Pensionsalter. Insgesamt sind 70 Prozent der BezieherIn­nen Aufstockerinnen und Aufstocker. Keine Gruppe in diesem Land ist so gut doku­mentiert, zahlenmäßig erfasst und beleuchtet wie die Armen in diesem Land. So eine genaue und transparente Beleuchtung wäre auch bei der Einkommensgruppe am anderen Ende der Gesellschaft mehr als wünschenswert.

Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und die von der Regierung mitgelieferte Interpretation versucht auf wirklich ganz schlimme Weise die armen Menschen in diesem Land als Personen zu diskreditieren, die in einer Art sozialen Hängematte liegen und sich der Erwerbsarbeit entziehen wollen. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Das Gegenteil ist der Fall: Die Bezugsdauer bei 69 Prozent der Personen betrug sieben bis zwölf Monate.

Welche Auswirkungen dieses Gesetz aber am Arbeitsmarkt hat, ist doch auch klar. Der Druck am Niedriglohnsektor wird enorm steigen, Löhne und Gehälter kommen unter Druck. Es ist die zynische Spekulation dieser Regierung, die dahinter liegt, dass Be­schäftigte zu schlechteren Bedingungen arbeiten werden, weil Ihnen die Angst, arbeitslos zu werden, eine noch größere Last als die Mindestsicherung ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist die Antwort dieser Bundesregierung auf Globalisierung und auf die Heraus­forderungen der Digitalisierung am Arbeitsmarkt, und allen Personen aus Drittstaaten, die jetzt über die noch stärkere Lockerung der Voraussetzungen der Rot-Weiß-Rot-Karte zu uns kommen, muss gleich gesagt werden: Sollten Sie den Job verlieren oder erkranken, haben Sie keine Chance auf Sozialhilfe, denn erst nach fünf Jahren mit fixem Wohnsitz in Österreich besteht ein Anspruch darauf. (Zwischenruf des Bundes­rates Steiner.)

Besondere Beachtung muss man in diesem Zusammenhang auch dem Regierungs­pro­gramm schenken. Die Neuregelung der Mindestsicherung ist ja nur der erste Schritt. Geplant ist die Reform der Arbeitslosenleistungen, Abschaffung der Notstands­hilfe. Das bedeutet ein Abrutschen von vielen NotstandshilfebezieherInnen in diese neue Sozialhilfe mit all ihren Auswirkungen auf die zu erwartende Höhe der Leistung,


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den Zugriff auf das eigene Vermögen und die Tatsache, dass die Zeiten des Bezugs der Sozialhilfe nicht auf die Pension angerechnet werden.

Auch die Frage der Gegenfinanzierung der Steuerreform spielt dabei eine wichtige Rolle. Zusätzlich möchte diese Regierung noch an den Pensionsschrauben drehen und den Zugang zur Pension erschweren. Wir wissen, dass schon jetzt die Gruppe der am schwersten von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen jene der älteren Arbeitneh­merInnen ist. Es muss klar sein. Wenn an den Pensionsschrauben gedreht wird, kommen diese Menschen noch mehr unter Druck. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit diese Sozialabbauentwicklung nicht passiert, dafür werden wir Sozialdemo­kra­tinnen und Sozialdemokraten uns mit aller Kraft einsetzen. Betroffene Menschen wieder rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren war immer das Ziel der Mindest­sicherung. Für die unterstützenden Maßnahmen braucht es genügend Mittel des AMS, und es braucht genügend Angebote an Sprachkursen, aber in diesem Bereich wurde ja ganz bewusst gespart.

Gleichzeitig ist die Regelung der Frage der Sprachkompetenz im Gesetz ein ganz besonderes Kapitel. Das geforderte Deutschniveau ist B1 oder das Englischniveau C1; und das ganz Besondere: vom Pflichtschulabschluss abhängend die Entscheidung, ob man 300 Euro von der Sozialhilfe abgezogen bekommt oder nicht. Personen ohne Pflichtschulabschluss müssen nun ihre Deutschkenntnisse am Amt nachweisen; Österreicherinnen und Österreichern ohne Pflichtschulabschluss droht nun so eine Kürzung – also wieder eine Gruppe von Menschen, die Ausgrenzung erfährt. – Haben Sie das gewollt?

Erst auf großen Druck der Zivilgesellschaft hin ist es gelungen, dass Menschen mit Behinderung einen Bonus erhalten und Geldspenden nicht auf den Sozialhilfebezug angerechnet werden.

Den AlleinerzieherInnen zeigen Sie aber die kalte Schulter. Sie, die besonders von Armut bedroht sind, waren Ihnen nur eine Kann-Bestimmung wert. (Bundesrat Rösch: Das stimmt nicht!) Es kann ein Bonus ausgezahlt werden, kein Rechtsanspruch! (Bundesrat Rösch: Habt’s Angst vor Wien oder was?!)

Dieses Gesetz schränkt den Handlungsspielraum der Länder ganz wesentlich ein. Das muss uns im Bundesrat klar sein. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es wird ein Deckel für die Sozialleistungen eingeführt, die monatliche Obergrenze wird mit dem Netto-Aus­gleichszulagenrichtsatz festgelegt. Unter dieser Grenze dürfen die Länder regeln, darüber nicht; also eine Spirale nach unten und – noch einmal –: Der Handlungsspiel­raum der Länder wird ganz, ganz wesentlich eingeschränkt! (Beifall bei der SPÖ.)

Der nie bezifferte Verwaltungsaufwand wird enorm sein: unglaubliche verwaltungs­technische Herausforderungen für Gemeinden und Städte, im Übergang zwei parallel zu führende Systeme – das der Mindestsicherung und gleichzeitig das neue System der Sozialhilfe –, periodische Überprüfung der Einkommens- und Vermögens­verhält­nisse und daraus ableitend die wirksamen Sanktionen. Das ist bisher schon passiert, doch jetzt kommt noch die amtswegige Überprüfung der Sprachkompetenz dazu; extrem aufwändig. Das ist ein amtswegiges Verfahren, das sehr viel Verwaltungsaufwand be­nötigt.

Eine Steigerung der Verwaltungskosten und Kürzung für Kinder und Familien, das erreichen Sie mit diesem Gesetz. Für das dritte Kind nur 1,50 Euro pro Tag. Das hat sich kein Kind verdient! (Bundesrat Rösch: Aber den Mehrkindzuschlag, den sie kriegen ...! Passt schon!)

Wir Bundesrätinnen und Bundesräte der sozialdemokratischen Fraktion werden dieses Gesetz vor den Verfassungsgerichtshof bringen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun-


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desrätin Dziedzic.) Dieses Gesetz, dieses eindeutige Sozialabbaugesetz, sichert kein Existenzminimum, greift zu stark in die Kompetenzen der Länder ein und enthält EU-Rechtswidrigkeiten.

Werte Bundesrätinnen und Bundesräte der Regierungsfraktionen, machen Sie sich Folgendes auch anhand der aktuellen Zahlen der Statistik Austria klar: In Österreich waren 2018 1,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger von Armut bedroht, 32 Prozent aller alleinlebenden Frauen. Ein Viertel aller armutsbedrohten, ausgrenzungsgefährdeten Menschen sind Kinder und Jugendliche. Für viele dieser jungen Menschen ist be­drückendes Sparen bei der Ernährung Teil ihrer Lebensrealität. Herzlosigkeit gegen­über den Ärmsten der Gesellschaft wird durch dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz zum System gemacht.

Was Österreich immer ausgezeichnet hat, war das System des sozialen Friedens, das man mit Mühe erhalten und positiv gepflegt hat. (Beifall des Bundesrates Schennach.) Mit diesem Gesetz ist dieser soziale Friede gefährdet, denn sozialer Friede funktioniert nur, wenn es auch soziale Gerechtigkeit gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

13.12


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste gelangt die Frau Bundesministerin zu Wort. – Bitte.


13.12.43

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Werter Bundesrat! Werte Frau Abge­ordnete Schumann! Ich möchte gleich zu Beginn diese Unwahrheiten, die Sie hier erzählen und ausführen, aufs Schärfste zurückweisen. Ja, es geht um die Menschen, das ist vollkommen richtig, aber es geht auch um eine faire Sozialpolitik, um die Hilfe für jene, die wirklich Hilfe brauchen. (Bundesrätin Hahn: Leider nicht für alle!) Es sind keine Almosen. Es geht weder um Missbrauch noch um Sozialtourismus, sondern um eine gerechte und sinnvolle Hilfe für all jene Menschen, die unverschuldet in eine schwierige Lage kommen.

Diese Bundesregierung bekennt sich zum Sozialstaat, bekennt sich selbstverständlich zum sozialen Frieden. Es ist dort Hilfe zu leisten, wo die Menschen sie wirklich nötig haben: bei Menschen, die jahrelang gearbeitet haben und plötzlich vor dem Aus stehen (Bundesrätin Hahn: ...Mindeststandards!); bei Menschen, denen eine Krankheit übel mitgespielt hat und die nun hart um die Zukunft kämpfen; bei Menschen, die wirtschaftlich hingefallen sind. Wir reichen ihnen die Hand, nämlich ganz gezielt jenen, die sie brauchen und auch ergreifen wollen.

Wir tun das nicht, um ein paar vermeintlich milde Gaben zu verteilen und den bedau­erlichen Zustand zu verlängern (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), nein, wir tun das, um diesen Menschen eine Chance zu geben, nämlich eine Chance für eine bessere Zukunft. Aus diesem Ziel leiten sich unsere drei Schwerpunkte, die ich Ihnen kurz darlegen möchte, ab.

Erstens: Es geht um eine soziale Absicherung und nicht um Almosen. So können zum Beispiel dauerhaft erwerbsunfähigen Personen Leistungen unbefristet gewährt werden. Sie können damit bessergestellt werden als andere Sozialhilfebezieher. Wir werden bedürftige Menschen nicht, wie es sonst manchmal passiert, hintansetzen. Wir werden sie absichern (Bundesrätin Schumann: Und 537 Euro ...!) und ermutigen, ihre Zeit vielleicht auch für Besseres zu nützen, nämlich für Weiterbildung als Grundstein ihrer Zukunft oder für die Suche nach einer Arbeit oder für ihre Freunde und ihre Familie, die sie dringend brauchen.


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Zweitens: Positive Anreize stehen dabei sehr im Vordergrund, nicht Sanktionen. Aus diesem Grund wollen wir Menschen, die arbeiten oder bereits jahrelang gearbeitet haben, finanziell besserstellen als andere, die das nicht tun oder getan haben. Miss­brauch kann auch durch zu verschiedene Regeln ohne gemeinsame Basis entstehen. Umso erfreulicher ist es, dass uns erstmals in der Geschichte ein Grundsatzgesetz des Bundes gelingt (Ruf bei der SPÖ: In verschiedenen Varianten!), nach erfolglosen Anläufen in den 1960er-Jahren. Dieses Gesetz harmonisiert nämlich alle wesentlichen Prinzipien in diesem Bereich.

Die Vorteile eines Grundsatzgesetzes liegen auf der Hand. Einerseits schafft das Grundsatzgesetz einen verbindlichen Rahmen für alle Bundesländer, und dort, wo ein Grundsatzgesetz gar keine Vorgaben trifft, können die Länder selbstverständlich völlig frei ihre Regelungen treffen. (Bundesrätin Schumann: Können sie nicht, das ist gedeckelt! Es gibt eine Obergrenze! Das stimmt ja nicht!) Das heißt, es ist ein sicheres Fundament. Andererseits werden die Länder aber auch innerhalb des Rahmens dieses Grundsatzgesetzes Spielräume für ihre sozialpolitischen Schwerpunkte haben, damit nicht zuletzt ihre verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte gewahrt bleiben.

Ich glaube, dass bei der Frage, welche Optionen die Länder hier haben, noch etwas Unklarheit herrscht, sonst würden sie nicht solche Unwahrheiten behaupten. (Bundesrätin Schumann: Wir tun keine Unwahrheiten behaupten! Das steht im Gesetz!) Das hat übrigens auch die eine oder andere Stellungnahme gezeigt, die uns im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens erreicht hat. Lassen Sie mich die Situation daher anhand von Beispielen erklären!

Das Gesetz sieht neben verbindlichen Vorgaben wie zum Beispiel Höchstgrenzen auch Kannbestimmungen vor, also freie und eigenverantwortlich auszugestaltende Wahl­möglichkeiten für die Bundesländer. Diese Wahlmöglichkeiten gestatten den Ländern gleichzeitig zum Beispiel auch ein Abfedern von Härten oder die Berücksichtigung der Bedürfnisse von ganz besonders schützenswerten Personengruppen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das sind zum Beispiel Menschen mit Behinderung und Menschen mit Betreuungspflichten gegenüber Kindern oder pflegenden Angehörigen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.)

So haben die Länder beispielsweise folgende Möglichkeiten: Sie können die Decke­lung der Geldleistungen so ausgestalten, dass besonders schutzbedürftige Menschen überhaupt ausgenommen sind. Sie können regional höhere Wohnkosten mit zusätz­lichen Sachleistungen abdecken. Sie können Zuschläge für Alleinerziehende ausbe­zahlen, zum Beispiel beim ersten Kind bis zu 106 Euro. Sie können bei der Versorgung durch Sachleistungen entscheiden, in welcher Form sie diese erbringen wollen, also ob sie Wohnkosten direkt an den Vermieter oder Wohnungen zur Verfügung stellen.

Wir denken auch an jene Menschen, die mit der regulären Sozialhilfe nicht mehr das Auslangen gefunden haben. Für sie haben wir diese Härteklausel verankert. Diese ermöglicht es den Ländern, auch außerordentlichen Unterstützungsbedarf für Lebens­unterhalt und in Bereichen des Wohnens abzudecken. Dass es hier Einzelfallrege­lungen geben kann, war uns sehr, sehr wichtig. Deshalb wird es auch trotz Deckelung der Geldleistung im Mehrpersonenhaushalt möglich sein, zusätzliche Sachleistungen zum Wohnen zu gewähren.

Allein dieser kurze Einblick zeigt, dass das Grundsatzgesetz insgesamt viel mehr Spielräume gewährt, als das Ihre kritischen Stimmen eingestehen wollen.

Der dritte Punkt, Sozialtourismus: Wir alle sind vor allem jenen Menschen in Österreich verpflichtet, die bereits jahrelang Beiträge für Österreich und unser Sozialsystem geleistet haben. (Ruf bei der SPÖ: Sauerei!) Es macht keinen Sinn, durch attraktive Sozialleistungen unser Land für Einwanderer, die womöglich gar nicht arbeiten wollen,


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 79

attraktiv zu machen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bun­desrätin Gruber-Pruner: Unterstellung!) Ganz im Gegenteil, es macht Sinn, für leis­tungswillige Menschen attraktiv zu sein, die dann aber in einer Notlage von ihren bisherigen Leistungen und Beiträgen voll profitieren können. Das ist sinnvoll und gerecht, meine Damen und Herren, und für Missbrauch gibt es keinen Platz! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Es kommt für uns nicht infrage, volle Leistungen ohne Wenn und Aber für neu Zuge­wanderte zu gewährleisten. Nach unserem Modell sollen neu zugewanderte Menschen künftig einen stärkeren Beitrag zur Integration in die österreichische Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt leisten. Aus diesen Gründen sollen die vollen Leistungen nur jenen zustehen, die einen notwendigen Beitrag für unser gemeinsames Sozialsystem geleis­tet haben. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Sozialer Frieden!) Die reduzierte Leistung schafft den notwendigen Anreiz dafür, die notwendigen Kriterien für einen Arbeits­qualifizierungsbonus zu erfüllen, und natürlich auch dafür, sich ausreichende Deutsch­kenntnisse anzueignen.

Wir haben uns mit der neuen Sozialhilfe und ihren vielen Teilaspekten in den letzten Monaten sehr genau befasst. Es gab ein sechswöchiges Begutachtungsverfahren mit reger Beteiligung – es sind 150 Stellungnahmen eingegangen – und wir haben manchen Punkten noch einen Feinschliff verpasst. So ist zum Beispiel ein Zuschlag für Menschen mit Behinderung jetzt verpflichtend zu gewähren.

Zweitens: Die Angehörigen, die Demenzkranke oder Minderjährige - - (Zwischenrufe der BundesrätInnen Beer und Hahn.) – Ich weiß nicht, was Sie daran stört, dass wir so etwas verpflichtend für Behinderte machen. Wollen Sie die Behinderten nicht besser­stellen? Also ich bin wirklich enttäuscht von Ihrem Verhalten!

Angehörige, die Demenzkranke oder minderjährige Familienmitglieder pflegen, sind nun ebenfalls besser abgesichert. Spenden jeglicher Art sollen nicht angerechnet werden. Darunter fallen neben freiwilligen Geldleistungen auch Sachleistungen, und Zuschüsse für Heizkosten werden weiterhin auch als Geldleistung gewährt werden. (Bundesrätin Grimling: ..., dass man einen Wirbel macht!)

Die Zuschläge für Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung sind geregelt, ebenso die Erhöhung und Ausdehnung des Vermögensbeitrages, der längere Schutz von selbst bewohnten eigenen Immobilien; die Schonfrist ist von sechs Monaten auf drei Jahre verlängert worden.

Zusammenfassend: Ich freue mich, dass wir dieses so wichtige Vorhaben gemeinsam mit dem Koalitionspartner auf den Weg bringen konnten, und ich gehe davon aus, dass nun auch die Länder ihren Beitrag zu einer bundesweiten harmonisierten Regelung leisten werden. Es bringt letztendlich Fairness für Staatsbürger, Fairness für Erwerbs­tätige und Hilfe für jene, die wirklich Hilfe brauchen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

13.21


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser zu Wort. – Bitte.


13.21.47

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da sind schon harte Worte gefallen: Gefährdung des sozialen Friedens. (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Was gefährdet ist, ist eventuell, wenn wir so weiterwurschteln, unser Sozialstaat. Diesen gilt es zu erhalten. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: ...1 Prozent der Sozialausgaben! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Sie haben den Unterschied zwischen einem Einwanderungsland und einem Sozialstaat noch immer nicht verstanden. Klassische Einwanderungsländer sind Amerika, Aus­tralien, Neuseeland meinetwegen. Wir haben uns zum Sozialstaat bekannt und sind somit kein Einwanderungsland. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Wer ist „wir“?)

Sie haben es ja gehört, im Gegensatz zu meiner Vorrednerin von den Sozial­demo­kraten sehe ich in dieser neuen Sozialhilfe sehr viel Positives. (Ruf bei der SPÖ: Soziale Heimatpartei!) Dieses Gesetz wird, wie es die Frau Ministerin schon gesagt hat, mehr Gerechtigkeit bringen, dieses Gesetz wird mehr Fairness bringen (Bundes­rätin Grimling: Für wen?), nämlich für die Leistungsträger in unserem Land. Es ist ein weiterer mutiger Schritt, ein weiterer positiver Meilenstein in unserem Land.

2016 ist ja die 15a-Vereinbarung mit den Ländern ausgelaufen. Seither ist eigentlich nicht viel passiert, und jetzt, seitdem die türkis-blaue Regierung am Ruder ist, geschieht halt etwas. Das passt euch nicht ganz, das ist mir schon klar. Wenn ich jahrelang untätig bin und dann jemand anderer etwas für mich macht, würde mir das auch nicht passen (Bundesrätin Grimling: Aber die ÖVP war schon dabei!); aber seid vernünftig, es ist ein gutes Werk! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die Sozialhilfe hat sich dann so entwickelt, dass es in den neun Bundesländern neun verschiedene Sozialhilfegesetze gibt. Es ist nicht verwunderlich, dass sie sich unter­schiedlich entwickelt haben. Es ist auch nicht verwunderlich, dass es zwischen den einzelnen Gesetzen eklatante Unterschiede gibt. Letztendlich hat es wie ein Flickwerk ausgesehen. Mit dem neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wird jetzt eben ein einheit­liches Gesetz geschaffen. Es wird eine einheitliche Regelung geben, aber – und das ist gerade für uns Ländervertreter sehr wichtig – es wird dennoch für die Länder, für unsere Bundesländer genügend Spielraum geben, um auf regionale Gegebenheiten eingehen zu können.

Wir alle dürfen nicht vergessen, dass die Leistungen aus der Sozialhilfe öffentliche Mittel sind, welche lediglich der Unterstützung hinsichtlich des Lebensunterhalts dienen sollten, integrationspolitische Ziele und insbesondere das Ziel der Eingliederung oder Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verfolgen sollten. Sozialhilfe dient den Menschen in einer Notlage, Sozialhilfe ist eine Überbrückungshilfe, aber die Sozialhilfe darf kein – darf kein! – Ersatz für Erwerbstätigkeit sein! Das geht gar nicht! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

In diesem Gesetz sind sehr viele Verbesserungen drinnen. (Anhaltende Zwischenrufe der Bundesrätin Hahn.) Einige hat die Frau Minister ja schon angesprochen.

160 Euro für Behinderte: Es ist ein Novum, es ist erstmalig, dass, was die Sozialhilfe anbelangt, Behinderte extra berücksichtigt werden. Menschen mit Behinderung bekom­men einen Zuschlag von 18 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Grimling: ... keine Ahnung, ... Steiner!) – Ich finde es ja lieb, wie sich die Kollegen aufregen.

Es sind wirklich positive Regelungen. Alleinerzieher werden mit zusätzlichen Boni bes­sergestellt. Es werden, wenn man § 4 anschaut, Sozialtourismus und Sozialmigration reduziert werden. Wenn man sich die Zahlen der Mindestsicherungsbezieher anschaut, sieht man, dass die mit österreichischer Staatsbürgerschaft ab 2011 in etwa gleich geblieben sind, die Zahl der Mindestsicherungsbezieher mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft hingegen eklatant in die Höhe gegangen ist. (Bundesrätin Grimling: Eklatant? Was ist eklatant?) Das sind großteils Menschen, die nicht einmal einen Tag hier gearbeitet haben, und trotzdem haben sie volle Länge Bedarfs­orien­tierte Mindestsicherung gekriegt! (Bundesrätin Dziedzic: Das stimmt doch nicht!)


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Hat man sich dann die Fälle angeschaut, sich ein bisschen umgehört und gelesen – das hat schon Formen angenommen, die eher an eine orientalische Bedarfssicherung als an eine Bedarfsorientierte Mindestsicherung erinnern. (Bundesrätin Grimling: Orientalisch ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es gibt Salzburger Beispiele dazu. Ihr habt auch den Heizkostenzuschuss kritisiert, der ja nicht angerührt wird, aber schauen wir in die Länder! Ich bin, weil ich ein paar Interventionen von Salzburger Haushalten gehabt habe, denen mitten im Jahr plötzlich der Heizkostenzuschuss gestrichen wurde, auf Folgendes draufgekommen: Wir haben im Salzburger Landtag eine Anfrage gestellt, und es hat sich herausgestellt: Tat­sächlich, das Geld für den Heizkostenzuschuss ist weg! Dann haben wir uns die Zahlen genauer angeschaut und sind draufgekommen, dass sich die Ausschüttung bei den Heizkostenzuschüssen für syrische Staatsbürger verfünfzigfacht hat! (Bundesrätin Grimling: ...Und darum sind’s 50! Haben Sie so viele aufgenommen?) Salzburger Familien, Salzburger Haushalte sind durch den Rost gefallen, weil eben mitten im Jahr das Geld aus war! Es ist nämlich keine Muss-, sondern eine Kann-Bestimmung (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Positiv: Das Schonvermögen wird erhöht. Ich glaube, um 1 000 Euro ist es mehr, 5 300 Euro Schonvermögen bleiben den Menschen im Börsel. Das kann ich aber auch nur haben, wenn ich vorher gearbeitet habe. Eine andere positive Änderung ist die Eintragung ins Grundbuch nach drei Jahren statt, wie bisher, nach sechs Monaten.

Was mich aber an der ganzen Diskussion wirklich ein bisschen irritiert, ist: Was habt ihr gegen die deutsche Sprache? Es ist unsere Muttersprache. Was habt ihr dagegen? (Bundesrätin Hahn: Sinnerfassend zuhören!) Deutsch verbindet uns, es ist die gemeinsame Landessprache; es steht in der Bundesverfassung in Artikel 8 drinnen, dass Deutsch die Landessprache ist. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie man so schön sagt: Durchs Reden kommen d’Leut z’samm’. Und glaubt mir, als langjährige AMS-Mitarbeiterin, die ich sehr oft und sehr viel mit Menschen, die Arbeit suchen, zu tun habe, weiß ich: Die kriegen ja fast keine Arbeit, wenn sie nicht gut Deutsch können. Wie sollen die denn das ihren Kindern weitergeben können? Und da fängt es ja an. Darum setze ich mich sehr dafür ein, dass diese 300 Euro für Deutschkurse verwendet werden. (Ruf bei der SPÖ: Was kostet ein Deutschkurs? – Bundesrätin Schumann: 537 Euro zum Leben!)

Vorhin habe ich schon gehört, dem AMS sind die Kurse gestrichen worden. – Na Pustekuchen, wir können gleich im Internet nachschauen: Wir haben Deutschkurse Ende nie gehabt, aber dafür keine Buchhaltungs- und Drehbankkurse, die wir aber für die Qualifizierung brauchen. (Rufe und Gegenrufe zwischen den BundesrätInnen Schumann und Steiner.)

Wenn dann die Herrschaften gut Deutsch können, können sie einen Pflichtschul­ab­schluss machen, können sie einen Lehrabschluss machen und können zur Verrin­gerung unseres Facharbeiterdefizits beitragen, wenn sie möchten. Wenn sie nicht möchten, werden sie vielleicht eine Lösung finden, dass sie nicht in Österreich bleiben (Bundesrätin Grimling: Zuerst holen wir uns die Fachkräfte und dann ...!) oder schon da bleiben und sich, sagen wir, hier integrieren. Man fängt bei der Integration mit der Sprache an. Und wie ich schon erwähnt habe: Durchs Reden kommen d’Leut z’samm’! Es ist einfach so, dass die Sprache verbindet. Es ist die beste Integration in Österreich, in die Gesellschaft, in die Arbeitswelt. (Präsident Appé übernimmt den Vorsitz.)

Ihr seid ja Parlamentarier, ihr solltet ja das Beste für Land und Leute machen. Ich finde es schade, dass ihr bezüglich des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in der Öffentlichkeit bewusst – bewusst!, sage ich – Angst, Unsicherheit, schlechte oder falsch gezeichnete


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Bilder bringt! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Nein, es steht im Gesetz!)

Krempelt doch bitte mit uns die Ärmel auf! Unterstützt uns lieber, die Armut treffsicher zu vermeiden und zu bekämpfen! Es brauchen jene Menschen eine Hilfestellung, die unbewusst, unschuldig, sagen wir, in Armut geraten sind, die wirklich die Unterstützung benötigen. Ich ersuche euch auch um Unterstützung bei Sanktionen für jene, die diesen Sozialstaat ausnutzen (Bundesrätin Schumann: Die hat’s immer schon gege­ben! – Bundesrat Steiner: Jetzt habt ihr’s zugegeben!), nur so können wir es schaffen, Österreich als Sozialstaat zu erhalten. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich merke, ihr seid ein bisschen aufgeregt. Ich habe Zuckerl gekauft, ganz saure Zuckerl, denn sauer macht lustig, sagt man ja. Ich habe einen ganzen Sack mit, ich gebe sie euch gern. Ich esse selbst auch eines. Machen wir doch miteinander das Beste! Wir alle haben einen Eid geschworen, wir alle sind Parlamentarier, und wir sollten das Beste für Land und Leute tun. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.31


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr. – Bitte. (Bundesrat Rösch – in Richtung der sich zum Rednerpult bege­benden Bundesrätin Dziedzic –: Gar kein Pflasterstein! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Rösch: Gewalt ist nicht schön!)


13.31.24

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Beeindruckend, wie Sie sich das alles hier schönreden! Tatsache ist aber, dass wir ja schon länger haben kommen sehen, worüber wir heute hier diskutieren.

Der Vertrag zwischen Bund und Ländern über die bundeseinheitliche Mindestsicherung ist, das werden Sie ja wissen, bereits Ende 2016 ausgelaufen. In Vorbereitung der Verhandlungen zur Fortführung dieses Vertrags legte damals die ÖVP einen Deckel von 1 500 Euro pro Haushalt fest, obwohl Sie damals gewusst haben sollten, dass es dazu ein Judikat vom VfGH aus dem Jahr 1988 gegeben hat, das genau dem wider­sprochen hat. Im Herbst 2015 hat man dann die Verhandlungslatte um die Mindest­sicherung light nochmals erhöht, obwohl man auch da gewusst hat, dass diese Position gleich mehrfach im Widerspruch zur Bundesverfassung und zum europä­ischen Recht steht.

Die Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und Burgenland setzten ja zum Teil dann 2016 – wohlgemerkt gegen die Einwände zahlreicher ExpertInnen und JuristInnen – den sogenannten Deckel und diese Mindestsicherung light auf landes­gesetzlicher Ebene um. Wir wissen, was dann in Niederösterreich passiert ist, nämlich eine teilweise Aufhebung dieser Landesgesetze.

Genau das ist für mich der Kernpunkt dieser Debatte. Gesetze sind kein Wunsch­konzert, und Hunger ist auch dann Hunger, wenn es sich um Menschen handelt, die nicht genug Deutsch sprechen oder mehrere Kinder haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Der Verfassungsgerichtshof hat da den Schutz für die sozialen Sicherungssysteme gestärkt – und Sie kommen hier mit einer zynischen Argumentation daher, verteilen Zuckerl (Bundesrat Rösch: Besser als Gewalt!) für die Schwächsten der Schwachen in unserer Gesellschaft, und machen sich darüber lustig, welche Auswirkungen dieses Gesetz auf sie haben wird! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


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Eine Bundesrätin der FPÖ hat heute in der Aktuellen Stunde gesagt – ich darf zitieren –: „Wenn die jungen Menschen in unserem Land profitieren, dann profitiert die ganze Gesellschaft“. – Und was tun Sie? Sie wissen sehr wohl, dass durch diese Kürzungen sehr vielen jungen Menschen Chancen genommen werden, sodass sie an dieser Gesellschaft nicht im gleichen Ausmaß werden partizipieren können.

Sie wissen auch sehr wohl, wer zu den Verlierern und Verliererinnen dieser Ge­setzgebung gehören wird. Das sind vor allem Kinder in Familien mit drei oder mehr Kindern. Die beschlossenen 215 Euro für das erste, 130 Euro für das zweite und nur mehr 43 Euro für jedes weitere Kind sind eine deklarierte Verurteilung zu einem Leben in Armut. Dabei können gerade Kinder nichts dafür, wie es ihren Familien, ihren Eltern finanziell geht. Sie erleben es dann nur, indem sie eine geringere Selbstwirksamkeit haben (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), ausgegrenzt werden, weil sie an vielen Dingen gerade in der Schule nicht teilnehmen können und dann auch am eigenen Leib erfahren, wie sich nicht nur die Bildung, sondern auch die Armut verstärkt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Rösch: Die hat aber keine Kinder, oder?)

Sie wissen sehr wohl auch, dass alle Menschen, die über kein finanzielles Kapital verfügen, eigentlich sehr schnell, manchmal von einem Tag auf den anderen, von Arbeitslosigkeit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit oder einem sonstigen Schicksals­schlag betroffen sein können und auf genau dieses soziale Netz, das wir heute diskutieren, angewiesen sind. Und was machen Sie? Sie zerreißen dieses soziale Netz, Sie treten nach unten, und in dieser Klarheit muss man das auch festhalten. Sie haben sich von der Armutsbekämpfung verabschiedet und Sie instrumentalisieren bestehende Sorgen und Ängste der Bevölkerung, die durchaus berechtigt sind, indem Sie nämlich diese Angst auf jene vor Fremden übertragen und unterteilen, ausgrenzen und spalten.

Hinzu kommt noch, und auch das war schon Thema, dass viele dieser Kannbe­stim­mungen zu Chaos bei dieser zukünftigen – und ich nenne es trotzdem absichtlich so – Almosenverteilung führen werden. Sie verstärken nicht nur Armut (Bundesrat Rösch: Das macht ihr! Das ist ja euer Vorschlag!), Sie bauen auch noch Hürden für die Bundesländer auf.

Wieso? – Laut Experten sind nämlich folgende Punkte wahrscheinlich verfassungs­widrig (Bundesrat Rösch: Was für ein Experte?): Die Kinderzuschläge zu kürzen ist eine schlicht und einfach unsachliche Schlechterstellung. Die Kosten für Sprachkurse werden auf Länder abgewälzt. Natürlich sind Sprachkenntnisse wichtig, aber wenn Sie diese zum Kriterium dafür machen, ob jemand durch eine genügende Existenz­siche­rung überhaupt erst integrationsfähig ist, dann ist das nichts anderes als niederträchtig.

Hinzu kommt ja auch noch das Unsagbare, dass man in Zukunft die Herkunft der Eltern wissen möchte. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.) Ich weiß, Sie haben es nicht so mit dem Datenschutz, dafür aber eine Vorliebe für Überwachung. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sollte euch aber bekannt vorkommen! Das ...!)

Im Zusammenhang mit den Sprachkenntnissen ist mir eine Sache auch noch ganz wichtig: Meine Eltern hätten womöglich diese B1-Stufe nicht geschafft. Hätten sie mir damals erklärt, dass wir dadurch womöglich, weil sie nicht kontinuierlich arbeiten können, weniger Geld haben, damit ich meine Ausbildung abschließen kann, dann weiß ich nicht, was ich gemacht hätte. Ich hätte mich womöglich aufgegeben, wie es viele, viele der Jugendlichen und Kinder tun, die aus sogenannten Migrationsfamilien kommen, weil sie genau diese Ausgrenzung, die Sie schüren, am eigenen Leib spüren.


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(Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Pisec: Studieren kostet ja nichts! 19 Euro pro Semester! Das kostet einen Lacher!)

Eine Sache noch, die ganz, ganz wichtig ist: Einerseits werden ausschließlich B1-Zertifikate des Österreichischen Integrationsfonds anerkannt, andererseits darf das Zertifikat nicht älter als sechs Monate sein. Ich finde, wir haben viel zu kurz darüber geredet. Wieso? – Das ist nämlich zusätzlich noch eine perfide Geschichte. Der Monopolanbieter, nämlich der Fonds der Republik, ein Partner des Ministeriums für Integration und Äußeres, bekommt nämlich mit diesem Status eine alleinige Steue­rungsmöglichkeit darüber, wie viel Angebot es geben wird, wie viele Menschen überhaupt so ein Zertifikat werden machen können und wer überhaupt in Österreich eine Prüfung ablegen kann, indem sie nämlich die alten Zertifikate nicht anerkennen.

Wenn man da monopolisiert, gleichzeitig aber das Angebot nicht sicherstellt und das dann auch noch auf die Länder abwälzt, wie soll sich das bitte ausgehen?! Es ist so offensichtlich, was Sie hier vorhaben! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Sie möchten, dass möglichst wenige Menschen über diese Zertifikate verfügen und somit Anspruch auf Sozialhilfe haben. Das ist die Wahrheit! (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, Ihre Wahrheit! Nicht die Wahrheit, Ihre Wahrheit!)

Deswegen schließe ich mich da der SPÖ an und bin sehr froh darüber, dass ihr diese Verfassungsklage jetzt prüfen lasst, denn nur durch eine Verfassungsklage können die kompetenz-, verfassungs- und EU-widrigen Teile dieses Grundsatzgesetzes des Bundes vor der politischen Umsetzung in den Landtagen geklärt werden.

Zum einen muss der Bundesrat als Länderkammer handeln, zum anderen kann es Ihnen als Ländervertreter genauso wie den Landeshauptleuten nicht egal sein, dass ein Gesetz unzählige Kinder in die Armut drängt oder kranke, lernschwache Menschen und pflegende Angehörige massiv benachteiligt. Auch die Umstellung auf ein obliga­torisches Sachleistungssystem beim Wohnbedarf führt nicht zu einer Verbesserung, sondern womöglich nur zum Chaos, das die Länder dann werden ausbaden müssen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich schließe damit – weil Sie ja natürlich von sich selbst so überzeugt sind, dass Sie gar nicht auf die sachlichen Argumente hören wollen (Bundesrat Rösch: Auf sachliche würden wir schon hören!) –, dass dieses Sozialhilfegesetz Neu - - (Bundesrätin Mühlwerth: Welche denn? – Bundesrat Pisec: Wenn jemand sagt, in Österreich kann man nicht studieren, ... um 19 Euro! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ich glaube, ich habe da mehr Erfahrung als Sie.

Ich schließe damit, dass sich dieses neue Sozialhilfegesetz sehr gut in den Kontext der unsozialen Gesetze (Bundesrätin Mühlwerth: Welche?), die diese türkis-blaue Regie­rung in den letzten 500 Tagen beschlossen hat, einreiht. 500 Tage Türkis-Blau bedeu­ten nämlich nicht nur 61 rechtsextreme Einzelfälle – womöglich sind es in der Zwischenzeit schon mehr –, sondern 500 Tage Türkis-Blau bedeuten auch 12-Stunden-Tage statt Entlastung für ArbeitnehmerInnen, bedeuten auch aufgeblähte Kabinette, Verbindungsmänner vom Bundesheer in Ministerien, bedeuten auch eine Ausgaben­steigerung von fast 45 Millionen Euro für Eigen-PR und bedeuten ein permanentes Hickhack zwischen denen da drüben und uns hier herüben, denen da oben und denen hier unten, zwischen den Zugewanderten, den Einheimischen, den Deutsch­sprechen­den und denen, die sich nicht integrieren wollen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, zu Recht!) Dieses permanente Hickhack, da gebe ich Korinna Schumann recht, trägt nicht zum sozialen Frieden bei, sondern gefährdet diesen sozialen Frieden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


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500 Tage türkis-blaue Koalition sind eine sozialpolitische Schande. Wir werden nicht aufhören, Ihnen das aufzuzeigen und für die Bevölkerung sichtbar zu machen, was Sie hier veranstalten. Das ist kein Beitrag zu einer demokratischen, friedlichen Gesell­schaft, in der wir in Österreich leben wollen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Stögmüller. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, die friedliche Gesellschaft! Mit Über­griffen der Zugewanderten! Mit Mord und Vergewaltigung!)

13.42


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr. – Bitte.


13.43.03

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Kollegin Dziedzic, ich glaube, wir zwei leben in zwei verschiedenen Ländern. Ich lebe in Österreich, in einem guten Land, in einem solidarischen und sozialen Land. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Ich lebe gerne in Österreich und kann Ihre Ausführungen von vorhin natürlich überhaupt nicht teilen. (Bundesrätin Dziedzic: Die Betroffenen schon! – Bundesrat Pisec: Sie vermisst die DDR! Wo ist die DDR?)

Diese Regierung hat für die sozial bedürftigen Menschen einiges gemacht. 900 000 Öster­reicherinnen und Österreicher profitieren seit 1.7.2018 von einer Senkung der Arbeits­losenversicherungsbeiträge. Es gab eine Pensionserhöhung über der Inflationsrate, speziell für die, die kleinere Pensionen beziehen; und vom Familienbonus Plus – ja, liebe Kollegin, du hast es heute schon erwähnt – profitieren seit Beginn des Jahres 950 000 Familien mit rund 1,6 Millionen Kindern, und ich kenne sehr viele davon. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das greift, und die Menschen reden mich an und sagen: Da habt ihr wirklich etwas Tolles auf die Beine gestellt! Das kann man wirklich nicht kleinreden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Frau Ministerin hat es schon gesagt: Das neue Sozialhilfe-Grundsatzgesetz trägt von unserem Standpunkt aus zu mehr Gerechtigkeit in unserem Land bei. Es ist ein weiterer Meilenstein dieser Bundesregierung und auch in der Sozialpolitik in Österreich. Wir folgen damit dem Grundsatz der Sozialhilfelogik: Wer lange einbezahlt hat, bekommt auch mehr heraus. Ziel ist es, wie schon die Frau Ministerin gesagt hat, dass die Leistung all jenen zugutekommt, die sie tatsächlich benötigen. Wir lassen niemanden im Stich. (Bundesrätin Schumann: Darum schaffen wir die Notstandshilfe ab!)

Kollegin Dziedzic, weil du vorhin das Beispiel deiner Familie gebracht hast: Wir lassen diese Familien nicht im Stich. Das möchte ich auf das Entschiedenste zurückweisen. Ich kenne insbesondere aufgrund meiner Position als Vorsitzende der Frauenhilfe Salzburg Mitbürgerinnen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr arbeiten können. Da müssen wir helfen. Daher war es notwendig, die Mindest­siche­rung zu reformieren, damit wir auch in Zukunft helfen können. (Bundesrätin Schumann: Zu kürzen, damit wir besser helfen können!) Es ist wichtig, jenen zu helfen, die diese Hilfe wirklich benötigen. Das Geld muss bei jenen Menschen ankommen, die diese Min­destsicherung wirklich benötigen; daher gibt es dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das in Zukunft für alle neun Bundesländer gelten wird.

Ich habe mir die Zahlen von Salzburg herausgesucht: 2018 waren dort 8 426 Personen in der Mindestsicherung; das sind 1,5 Prozent der Salzburger Bevölkerung, wir gaben 32 Millionen Euro dafür aus. (Bundesrätin Schumann: Die kürzen wir jetzt!) 2017 waren


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es noch 8 873. – Gott sei Dank ist die Zahl rückläufig, das ist auch gut so. (Bundesrätin Schumann: Steigend, hat die Kollegin gesagt!)

Einer der Grundsätze der Mindestsicherung Neu, ist: Arbeit muss sich lohnen. Es muss ein Unterschied sein zwischen Einkommen aus Arbeit und Einkommen aus Sozial­leistungen. Es geht, wie die Frau Ministerin schon gesagt hat, darum, positive Anreize ohne Sanktionen zu setzen. Ich darf Ihnen da ein Beispiel geben: Ein Verkäufer hat drei Kinder, eine Frau, erhält monatlich in etwa 1 600 Euro netto, mit allen Zulagen 2 500 Euro mit dem 13. und dem 14. Gehalt. Ein Ehepaar in der Mindestsicherung in Wien mit drei Kindern und ohne Deutschkenntnisse erhielt bisher bis zu 2 600 Euro. Jetzt frage ich Sie, speziell Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Wie erklären Sie das der Kellnerin, die 40 Stunden arbeitet, oder dem Koch oder der Verkäuferin, dass sie viel weniger verdienen, oder dem Schweißer, der 2 200 Euro brutto verdient? Das ist doch nicht gerecht, da müssen Sie mir doch zustimmen! Auf Ihre Antworten bin ich noch gespannt. Sie haben ja noch Zeit zu replizieren. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Spanring: Sozialistisches Gießkannenprinzip!)

Wie gesagt, wir lassen keinen im Stich. (Ruf bei der SPÖ: Oh doch!) Eine fünfköpfige Familie, Eltern mit drei Kindern, bekommt in Zukunft einen Nettobetrag von 1 640 Euro pro Monat an Sozialhilfe, dann kommt noch die Familienbeihilfe dazu – bei den drei Kindern sind das rund 630 Euro –; das sind dann 2 270 Euro netto für diese fünfköpfige Familie. Das möchte der Schweißer auch verdienen. (Ruf bei der SPÖ: Bei 537 Euro ...!)

Wie schon erwähnt, die neue Mindestsicherung bringt auch Geld für jene, die es brauchen, wie AlleinerzieherInnen und Menschen mit Behinderungen. Ich glaube, da sind wir uns ja einig, dass das gut und notwendig ist. Die AlleinerzieherInnen be­kommen, wir haben das schon besprochen, abgestuft je nach Land - - (Bundesrätin Schumann: Kannbestimmung!) – Richtig, wir haben das auch im Ausschuss be­sprochen. Ich kann Ihnen jedenfalls betreffend mein Bundesland versichern, dass es da sicherlich den Betrag geben wird, der notwendig ist; und ich habe auch von den anderen fünf ÖVP-geführten Ländern gehört, dass sich da sicherlich kein Landes­hauptmann lumpen lassen wird. (Bundesrätin Ecker: Und die anderen sind eh SPÖ-Länder!)

Für Behinderte gibt es 160 Euro, auch das haben wir im Ausschuss diskutiert. Es gibt auch eine Härtefallregelung, die eben sehr große Spielräume bietet – auch das haben wir im Ausschuss diskutiert, Kollege Stögmüller –, die Länder haben damit Überschrei­tungsmöglichkeiten, bei uns in Salzburg mit dem Wohnkostenzuschuss bezie­hungs­weise mit der Pauschale, weil wir natürlich da eine andere Situation haben als die östlichen Bundesländer. Da ist es wichtig, dass die Länder flexibel gestalten können, und das werden sie auch tun.

Heizkostenzuschüsse sind weiterhin möglich, diese müssen nicht auf die laufenden Sozialhilfeleistungen angerechnet werden. Das gilt auch für Spenden. (Bundesrätin Schumann: Nicht für alle Spenden!) Als Frauenhilfe-Vorsitzende kann ich sagen: Wir geben regelmäßig kleine Beträge, und das ist gut und notwendig, denn da geht es ja um eine Soforthilfe.

Mir ist auch wichtig, dass die Sozialhilfe Neu, wie ich sie nennen darf, das Eigentum schützt. Wie Frau Kollegin Steiner-Wieser schon gesagt hat, gibt es jetzt eine Schon­frist für das Wohnungseigentum von drei Jahren, erst danach kann eine Grund­bucheintragung erfolgen; davor waren es sechs Monate. Es gibt jetzt ein Schon­vermögen für eigene Ersparnisse bis zu 5 300 Euro; das wurde auch um 1 000 Euro erhöht. (Bundesrätin Schumann: Und dann schaffen Sie die Notstandshilfe ab!) Und


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es gibt einen Wiedereinstiegsbonus, damit Mindestsicherungsbezieher im Arbeitsleben wieder Fuß fassen können.

Nun zu den Zahlen für das dritte Kind: Die Mindestsicherung Neu sieht vor, dass Kinder an sich nochmals extra bewertet werden. Was Sie behaupten, gibt es nicht. Es gibt keine Kinderarmut aufgrund der neuen Mindestsicherung. (Bundesrätin Schumann: Oh! – Bundesrätin Hahn: Wie kommen Sie da drauf?) Man muss die Summe ins­gesamt zusammenzählen. Wir haben das zuvor schon im Nationalrat immer wieder gepredigt. Bei drei Kindern erhält man ungefähr 400 Euro, dann kommt noch die Familienbeihilfe von in etwa 600 Euro dazu, und dann kommt auch noch das Schulstartgeld dazu. Das macht in Summe mehr als 1 000 Euro pro Monat für die Kinder, und das ist ja nicht wenig. (Bundesrätin Schumann: Die Katholische Frauen­bewegung sieht das ganz anders!) Bleiben Sie also bitte bei den Fakten, zählen Sie alles zusammen und teilen Sie nicht einzeln auf, wie Sie das gemacht haben!

Zur Thematik Deutsch: Fakt ist, ich glaube, da geben Sie mir alle recht, dass Deutsch eine Grundvoraussetzung ist, damit man in Österreich am Arbeitsmarkt integriert werden kann. Egal, was Sie machen, Sie müssen Deutschkenntnisse vorweisen. Warum ist es dann aber so verwerflich, wenn wir schauen, dass wir da einen Anreiz schaffen? Diese 300 Euro sind nun als Arbeitsqualifizierungsbonus vorgesehen; wir stellen sie nicht mehr als Geldleistung, sondern als Sachleistung zur Verfügung. Damit sorgen wir dafür, dass die Menschen schneller in den Arbeitsprozess hineinkommen. Ich verstehe die Aufregung darüber nicht. (Bundesrätin Schumann: Die kommen dadurch ja nicht schneller hinein, sondern sie bekommen einfach weniger!)

Die Mindestsicherung Neu unterstützt wie gesagt durch Geld- und Sachleistungen. Sie schafft wirksame Kontrolle und Sanktionen, damit Mindestsicherung nur bekommt, wer sie wirklich braucht. Menschen, die jahrelang eingezahlt haben, werden finanziell bessergestellt. Wir helfen AlleinerzieherInnen, wir helfen Menschen mit Behinde­rungen, und die Mindestsicherung Neu unterstützt die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Bei der Mindestsicherung Neu geht es uns wie gesagt um jene, die sich selbst nicht helfen können. Wie Kollegin Marlies Steiner-Wieser schon gesagt hat, ist es eine Überbrückung. Menschen mit Behinderungen und Alleinerziehende werden mit diesem Gesetz bessergestellt.

Wir lassen keinen im Stich! Vielen Dank, Frau Bundesministerin, dass Sie sich da so engagiert haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Nein!)

13.52


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.


13.53.07

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause via Livestream; auf der Galerie ist ja derzeit niemand. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Ausführungen meiner Vorrednerinnen und Vorredner so ein bisschen Revue passieren lasse, dann frage ich mich schon: Wie weltfremd und realitätsfern kann eine Bundesregierung eigentlich sein und agieren? Wie weit weg von der Realität der Menschen wie die zurzeit amtierende kann eine Bundesregierung sein? – Es ist dramatisch. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Im Gegenteil! Wir sind viel näher bei den Menschen!)

Ich erkläre Ihnen auch, warum ich das für so dramatisch halte. Kollegin Steiner-Wieser ist jetzt weg. (Bundesrat Steiner: Nein, das stimmt nicht! – Bundesrätin Steiner-Wieser, die hinter Bundesrat Rösch Platz genommen hat, steht auf.) – Ach da, sie hat


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sich hinten versteckt. Sie hat gesagt, die Sozialhilfe Neu soll kein Ersatz für Erwerbs­tätigkeit sein. (Zwischenrufe der Bundesräte Rösch und Steiner.) – Das ist mehr als zynisch! Sagen Sie das beispielswiese einmal einem Betroffenen 50 plus, der 100 oder 200 Bewerbungen abgeschickt hat und oft nicht einmal eine Absage erhält! Dem erklären Sie dann, dass die Sozialhilfe Neu, wie Sie es jetzt dann nennen möchten, keine soziale Hängematte sein soll! (Bundesrat Steiner: Es gibt so viele freie Stellen!) Das ist mehr als zynisch und aus meiner Sicht wirklich, wirklich gefährlich. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.  Bundesrat Steiner: Händeringend suchen die Unternehmer Arbeitskräfte! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sie können sich gerne danach noch zu Wort melden; inzwischen hören Sie vielleicht aktiv zu, damit Sie auf Beiträge unsererseits dann auch richtig replizieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf uns zunächst einmal zwei Zahlen zu Gemüte führen, nämlich 1 259 Euro für eine Person und 2 643 Euro für eine Familie mit zwei Kindern. Das ist laut Armuts­konferenz die Armutsgefährdungsschwelle, Stand April 2019. Wenn einem also weni­ger als dieser Betrag pro Monat zur Verfügung steht, hat man als armutsgefährdet zu gelten beziehungsweise ist man als arm zu definieren. Armut, das wissen wir, bedeutet natürlich immer auch eine Einschränkung von Möglichkeiten. Armut bedeutet nicht nur ein geringes Einkommen, sondern ist, wir haben es heute schon gehört, oft verbunden mit schlechteren Bildungschancen, mit häufigeren gesundheitlichen Problemen und geringeren Möglichkeiten zur Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Kurz gesagt: Armut grenzt aus.

Wir haben vorgestern im Kinderrechteausschuss von ausgezeichneten Experten des Netzwerks Kinderrechte eine besorgniserregende Zahl bestätigt bekommen (Bundesrat Rösch: Das waren also ausgezeichnete Experten?), nämlich: In Österreich sind derzeit 324 000 Kinder armutsgefährdet, 130 000 von ihnen leben in akuter bezie­hungsweise manifester Armut. – Das sollte uns zu denken geben. Das einzig Positive in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass diese Zahl in den vergangenen Jahren wegen richtiger und wichtiger treffsicherer Maßnahmen – das ist uns auch bestätigt worden – der Vorgängerregierung immerhin rückläufig war. Wenn es nach dieser Bundesregierung geht, wird diese positive Tendenz mit der Umsetzung der Sozialhilfe Neu jetzt aber gestoppt, und ja, es wird ganz bewusst in Kauf genommen, dass die Zahl armutsgefährdeter Kinder wieder steigen wird. Das bereitet nicht nur mir sehr große Sorge.

Wir alle hier in diesem Raum haben zahlreiche Nachrichten, Appelle von NGOs, von Organisationen, aber auch aus der Zivilbevölkerung bekommen, diesem Gesetz unsere Zustimmung zu verweigern. Wir haben heute und hier alle miteinander die Chance, diese Sorgen wirklich ernst zu nehmen und zu zeigen, dass uns die Men­schen, die Hilfe brauchen, die Unterstützung brauchen, auch etwas wert sind. Daher mein Appell an Sie: Bekennen Sie nun auch wirklich Farbe in dieser Angelegenheit! (Rufe bei der FPÖ: Haben wir eh getan!)

Kleines Detail am Rande: Bei der Vorbereitung auf die heutige Sitzung bin ich auf etwas gestoßen, das mir dadurch wieder in Erinnerung gerufen wurde. Ich habe im Jahr 2017, im Juni war das, in der Budgetsitzung des Landtages von Niederösterreich, damals eben noch als Landtagsabgeordnete, einen Resolutionsantrag gegen die Einführung eines Hartz-IV-Modells – oder Kurz IV, wie ich das damals formuliert habe – eingebracht. (Bundesrätin Mühlwerth: Hartz IV haben Rot-Grün in Deutschland eingeführt!) Siehe da, daran habe ich mich gut erinnern können. Ich habe es dann noch einmal nachgelesen und habe es auch schwarz auf weiß hier. (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Damals hat die FPÖ noch fröhlich mit uns mitgestimmt. Ich frage mich also schon: Woher kommt dieser plötzliche Meinungsumschwung? So


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ändern sich offenbar die Meinungen, wenn man in einer anderen Position ist. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Jetzt regen sich natürlich wieder einige von Türkis und Blau im Plenum auf, und es stimmt schon: Die Sozialhilfe Neu ist nicht Hartz IV oder Kurz IV, sie ist auch nicht wie Hartz IV. Die Sozialhilfe Neu ist in Wahrheit noch viel schlimmer als Hartz IV (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner) – das bestätigen uns unter anderem auch die Diakonie und die weiteren insgesamt 139 negativen Stellungnahmen, die im Parlament dazu eingegangen sind –, denn wir und vor allem auch Sie wissen ganz genau, dass besonders Familien mit mehreren Kindern in Zukunft mit noch weniger als bei Hartz IV in Deutschland werden auskommen müssen. Nur mehr 1,50 Euro pro Tag ist unserer Bundesregierung das dritte Kind einer Familie wert. (Bundesrat Steiner: Sie können einfach nicht rechnen! Da fehlt die Kinderbeihilfe! – Bundesrat Rösch: Das stimmt nicht!)

Und noch ein pikantes Detail am Rande: Wenn ich diese Kürzungen bei Familien und Kindern addiere und hochrechne, ergibt das in etwa 40 Millionen Euro, und das ent­spricht in etwa dem Betrag, den die Kabinette in dieser Bundesregierung für PR und Werbung ausgeben. – Das zeigt schon recht deutlich die wahren Prioritäten und Inter­essen dieser blau-türkisen Regierung.

Mit Kürzungen beziehungsweise mit einer Deckelung müssen beispielsweise Men­schen rechnen, die in Wohngemeinschaften leben. Wir haben das heute schon gehört. Eine solche WG mit – zum Beispiel – fünf Personen erhält demnach in Zukunft 1 549,60 Euro. Das schaut auf den ersten Blick nach sehr viel aus, das sind aber, wenn man es dann doch durch diese fünf Personen dividiert, gerade einmal 310 Euro pro Person im Monat, mit denen es auszukommen gilt. (Bundesrätin Mühlwerth: Die leben dann ja eben zusammen!)

Die Frau Ministerin schafft es ja sogar mit 150 Euro im Monat. Wie das funktioniert, bitte, da hätte ich gerne noch eine Erklärung dazu. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist doch ein völliger Unfug!) Ich sehe diese Bestimmung auch als einen Angriff auf Stu­dierende (Bundesrätin Mühlwerth: Die ganzen Langzeitstudenten, genau!), als einen Angriff auf Menschen mit Behinderung und als einen Angriff auf Frauen, die von Gewalt betroffen sind, denn diese Personen sind es, die am häufigsten in WGs leben.

Betroffen sind außerdem Personen mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen, wie wir schon gehört haben. Ich muss das jetzt nicht noch näher ausführen. Es ist ab jetzt ein Sprachniveau von B1 notwendig. So weit, so gut – aber da schwingt schon ein gewisser Hohn mit, wenn man bedenkt, dass gerade im Bereich der Sprachkurse massiv gekürzt wurde. Den Menschen zunächst einmal die Möglichkeit nehmen, Deutsch zu lernen, und sie dann bei der Sozialhilfe benachteiligen, weil sie nicht Deutsch können, ist an Zynismus nicht zu überbieten. Das hat mit der ihnen vielfach vorgeworfenen Integrationsunwilligkeit überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Besonders pikant und unverständlich ist für mich, dass die Sozialhilfe Neu unter anderem auch Lernschwache benachteiligt. Menschen ohne Pflichtschulabschluss sind davon betroffen; wir haben das heute schon gehört. Das sind in Österreich immerhin 16 000 Menschen, und das sind überwiegend keine Menschen, die aus Faulheit keinen Schulabschluss haben, sondern da ist beispielsweise eine frühe Schwangerschaft dazwischengekommen oder ein Schicksalsschlag, von dem wir nichts wissen. Also das ist auch mehr als zynisch.

Zu kritisieren ist, dass es in diesem Gesetz nur so von Kannbestimmungen wimmelt, so zum Beispiel beim AlleinerzieherInnenbonus, beim Heizkostenzuschuss und bei vielem mehr. Das schiebt im Grunde nur die Kompetenz und die Verantwortung vom


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Bund weg hin zu den Bundesländern. Das eröffnet wiederum einen Wettbewerb nach unten, zumal ja jetzt im Gesetz keine Mindeststandards mehr festgeschrieben sind, wie das bei der Mindestsicherung der Fall war, sondern stattdessen lediglich Höchst­grenzen eingezogen werden. (Bundesrat Steiner: Habt ihr Angst vor Wien, dass da der Heizkostenzuschuss abgeschafft wird?)

Alles in allem werden dadurch Existenzen bedroht. Es werden ein Klassenkampf von oben betrieben und Menschen wie auch Bundesländer gegeneinander ausgespielt. Das Gesetz insgesamt würde ich als inhaltlich und handwerklich schlecht gemacht beurteilen. Obendrein ist es, wie wir bereits gehört haben, unter Umständen verfas­sungs­widrig.

Erlauben Sie mir noch ein paar persönliche Worte zum Abschluss: In meiner Praxis als Lehrerin habe ich es immer wieder einmal erlebt, dass Kinder nicht auf Exkursionen mitfahren können, nicht auf Skikurse mitfahren können, sich unter Umständen keinen neuen Taschenrechner kaufen können, weil das Geld dafür in der Familie eben nicht vorhanden ist. Sie können sich offensichtlich gar nicht vorstellen, wie unangenehm es den Eltern manchmal ist, um eine Förderung anzusuchen. Es ist ihnen zutiefst unan­genehm, es ist peinlich, weil man ganz schnell als schwach, arm und faul abgestempelt wird, und ja, es ist mit einer gewissen Scham verbunden. (Bundesrätin Mühlwerth: Nur bei den Inländern!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss: Kein Kind kann es sich aus­suchen, in welche Familie es hineingeboren wurde oder wird. Kein Kind hat die Wahl, ob seine Familie reich ist oder eben nicht. Die Politik hat da eine Verantwortung, eine Verantwortung dahin gehend, nicht die Spaltung unserer Gesellschaft, sondern die Solidarität mit den Schwächeren, mit jenen, die Unterstützung brauchen, um dann wirklich aus eigener Kraft das eigene Leben sichern und bestreiten zu können, voran­zutreiben.

Ich wiederhole es gerne noch einmal (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, bitte nicht!): Keinem einzigen Menschen geht es auch nur um ein Quäntchen besser, wenn Sie einem anderen etwas von seinem Existenzminimum wegnehmen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, nehmen mit diesem Gesetz Tausenden Kindern die Chance auf ein glückliches, erfülltes Leben. Jetzt, hier und heute haben Sie die Möglichkeit, den Menschen einen Anspruch auf ein Existenzminimum, als das die Mindestsicherung ja angelegt war, zuzugestehen.

Ich darf mit einem Zitat von Barbara Prammer, die es wirklich auf den Punkt gebracht hat, schließen: „Gerechtigkeit bedeutet, dass Schwächere, Benachteiligte und Ärmere nicht an den Rand gedrängt werden, sondern durch Inpflichtnahme der Stärkeren und Reicheren einen Ausgleich erhalten.“ (Bundesrat Steiner: Stimmt ja nicht!) Mein Appell an Sie: Sorgen Sie heute für Gerechtigkeit, damit wir morgen nicht in den Zeitungen lesen müssen: Wer schafft die Armut? – Die türkis-blaue Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist eine kommunistische Doktrin von Barbara Prammer!)

14.05


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile ihm dieses.


14.05.11

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister Mag. Hartinger! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Was ich da jetzt gehört habe, übersteigt in Wirklichkeit jedes Kabarettprogramm. (Bundes­rätin Hahn: Immer wieder gerne! – Bundesrätin Mühlwerth: Ein schlechtes!) In der


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SPÖ scheint es um die Vergabe der Silbersteinmedaille zu gehen. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ganz ehrlich: Ihr wendet euch mit einem falschen Programm auf falsche Art gegen ein Gesetz, wobei ihr alles verdreht und anscheinend nicht verstanden habt, was das Gesetz bringt. Dieses Grundsatzgesetz, das erlassen wird, ist ein Meilenstein. (Bundesrätin Schumann: Das Gesetz ist ein Mühlstein, der die Armen immer weiter nach unten zieht!) Dieses Grundsatzgesetz ist etwas, was schon seit Jahrzehnten benötigt worden wäre, etwas, was die Rahmenbedingungen vorgibt. Es ist für Leute, die Hilfe, die Unterstützung brauchen. Das Wort Unterstützung bedeutet ja schon: Ich unterstütze dich, damit du an der Gesellschaft so wie die anderen teilnehmen kannst. Du bekommst Hilfe, ja, und die Regeln sind alle gegeben. Weil in den Bundesländern die Regeln nicht so ganz gerecht greifen können, weil es dort einfach unterschiedliche Voraussetzungen gibt, gibt es eben auch Ermessensspielräume beispielsweise bei Mieten, wenn irgendwo die Mieten höher sind. Dort kann das dann praktisch ergänzt und überschritten werden.

Ich muss sagen, es zeigt sich eine ganz tolle soziale Einstellung dieser Regierung in diesem Gesetz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand dagegen sein kann, dass man Menschen hilft, dass man Menschen unterstützt und dass man nicht nur gerecht ist, denn manche verwechseln Fairness und Gerechtigkeit. Nicht alles, was gerecht ist, ist auch fair, möchte ich sagen. Deswegen ist das Zitat von Frau Prammer nicht ganz richtig. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Wenn ich immer nur gerecht bin und nicht auch fair, dann kann es auf jeden Fall auch so sein, dass Benachteiligte, die ge­rechterweise irgendetwas zugeteilt bekommen, nicht fair behandelt werden, weil es ihnen nichts nützt.

Wir sind da eher umsichtig, und deswegen möchte ich der Frau Bundesminister zu diesem Gesetz gratulieren. Die Zukunft wird das auch beweisen, da bin ich mir ganz sicher. Die Zukunft wird beweisen, dass diese weisen Lösungen gut sind. Man hat auf die Situation des Marktes, der Arbeitsplätze und so weiter Rücksicht genommen. Diejenigen, die sich etwas geschaffen haben und im Alter vielleicht in die Arbeits­losig­keit geraten, verlieren nicht gleich ihre Wohnung, die sie sich geschaffen haben, oder ihre Ersparnisse. Die können sie behalten.

Die Situation, die jetzt eintritt, ist besser. Das kann ich mit hundertprozentiger Sicher­heit sagen. (Bundesrätin Schumann: 100 Prozent wovon?) Deswegen verstehe ich überhaupt nicht, warum ihr gegen dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz stimmt, das wirklich eine große Chance für alle ist, die akut Hilfe brauchen. Ihr tut das nur, weil ihr wieder einmal beweisen wollt, dass ihr da irgendeinen Theaterdonner inszenieren könnt. Ihr tut das mit Dingen, bei denen man euch nicht mehr folgen kann. (Bundes­rätin Schumann: Das steht in eurem Regierungsprogramm, dass ihr die Notstandshilfe abschaffen wollt!) Das ist so weit weg von der Realität, dass ich mich frage: Habt ihr niemanden, der im Sozialbereich arbeitet, der euch da gebremst hätte? (Bundesrätin Schumann: Oh ja, die sehen das alle so!) Diese Rede hätte ich mir nie schreiben lassen. (Bundesrätin Schumann: Ich schreibe die Reden selbst! Das ist eine Beleidi­gung!) – Nein, das glaube ich nicht! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

So bösartig wollte ich nicht sein, zu unterstellen, dass das eine eigene Rede ist, aber das mag so sein. Ich habe das nicht behauptet, aber Frau Kollegin Schumann hat gesagt, dass es ihre eigene Rede ist. (Bundesrätin Schumann: Das sind immer meine Reden!) – Das soll so sein. (Bundesrätin Schumann: Zu 100 Prozent!)

Ihr seid diejenigen, die Almosen verteilen wollen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als in Wien der Heizkostenzuschuss abgeschafft worden ist, denn das alles braucht man ja angeblich nicht. Damit man ein bisschen die Gemeindewohnungen finanzieren kann, hat man ganz höhnisch gesagt: Okay, die neuen Thermen werden


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damit finanziert, und dafür müssen die Betroffenen dann – ich weiß nicht – 30, 50 Prozent selbst in die Hand nehmen. Aber die Leute, die sich die Heizkosten nicht leisten konnten, konnten sich diesen Eigenanteil auch nicht leisten, und die haben dann auch weder neue Heizgeräte noch sonst etwas bekommen. – Das war ganz einfach sozial unverträglich, das kann man ruhig so sagen.

In Wien zum Beispiel, und deswegen kommt ja Wien so häufig vor - - (Bundesrätin Grimling: Wir reden über ein bundesweites Gesetz und nicht über Wien!) – Ja, ja. Dieses Gesetz ist super.

Im Hinblick auf Wien kann ich euch zeigen, wovor ich Angst habe. Ich hoffe, dass dieses Grundsatzgesetz mit seinen Rahmenbedingungen hoffentlich so hält, dass Wien sich endlich einmal sozial verhält. Als man damals das Tor mit Seitenteilen aufgemacht hat, damit Smartcity Wien eine Zwei-Millionen-Stadt wird, hat sich jeder gefragt, warum das so sein muss. (Bundesrätin Grimling: Es ist einfach so!) Wien muss überhaupt nicht Zwei-Millionen-Stadt werden (Bundesrätin Grimling: Es wird es aber!) und vor allen Dingen nicht mit Menschen, die keine Ausbildung haben, die wir nicht in den Arbeitsprozess hineinbringen.

Ja, natürlich, wenn man an der Armutsverwaltung verdient und wenn man sich da breitmacht, dann kann man sich schon vorstellen, dass man diese Dinge verteidigt, aber ganz ehrlich: Ihr seid diejenigen, die Almosen vergeben wollen! (Bundesrätin Grimling: Na, geh bitte!) Ihr seid diejenigen, die den Tourismus-Welcome-Scheck erfinden wollen, damit man ihn dann vielleicht gleich in den Sektionen auszahlen kann. – Wir brauchen das nicht! Wir wollen, dass das Geld, das die Regierung zur Verfügung stellen möchte, ganz treffsicher jene erhalten, die es wirklich brauchen, die sich damit auch bemühen können – so sie es können, ja –, in die Gesellschaft - - (Bundesrätin Schumann: Betonung auf „so sie es können“!) – Ja, genau! Ihr seid diejenigen, die Almosen verteilen wollen, wir sind diejenigen, die ein Recht schaffen wollen, dass Menschen praktisch am Alltag der Gesellschaft teilnehmen können.

Ich wurde zu 100 Jahre ILO, 100 Jahre Internationale Arbeitsorganisation, eingeladen. Das war wirklich interessant. Die Frau Bundesminister hat sich dort genau in die Richtung geäußert, wie wichtig Wohlstand, wie wichtig sozialer Zusammenhalt ist, um Frieden herzustellen. (Bundesrätin Grimling: Ja eh!) Als ich jetzt Frau Dziedzic zugehört habe, habe ich mich gefragt, warum sie so hektisch und verbittert in das Mikrofon hineinbrüllt. – Das ist so, weil die Freunde des Schwarzen Blocks dann halt nicht mehr so leicht hereinkommen und praktisch von den sozialen Errungenschaften Österreichs einfach so mitleben können werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

Dann wird es halt den einen oder anderen Pflastersteinwerfer oder den einen oder anderen von den Leuten, die Drohungen aussprechen, weniger geben. (Bundesrat Steiner: Genau! Richtig!) Damit können wir aber gut umgehen, denn Österreich ist ein friedvolles Land und braucht das nicht. Es braucht keine Gewaltandrohungen, es braucht keine Politiker, die sogar hier auf dem Rednerpult Pflastersteine platzieren, um den anderen Angst zu machen. Solche Politiker braucht kein Mensch! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Genauso wenig brauchen wir Zustände wie in Frankreich, denn dort sind natürlich viele Berufsdemonstranten dabei, und denen geht es überhaupt um nichts anderes als darum, nur Krawalle zu veranstalten, nur alles kaputt zu machen. Gott sei Dank! Damit kann man natürlich dieses Zickzackreisen nicht ganz hintanhalten, aber unterbinden, dass man die dann vielleicht da auch noch versorgt.

Wir wollen mit diesem Gesetz wirklich nur die ansprechen, die es brauchen. Die sollen treffsicher Unterstützung bekommen. Wenn sie unschuldig in Not geraten sind – das


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haben wir von der Frau Minister gehört –, dann sind sie unsere Priorität, und das ist gut so. Ihr werdet sehen, ihr werdet - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ja. Ich kann nur eines sagen: Ich liebe es immer, den Mehrwissern zuzuhören und nicht den Besser­wissern! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

14.13


Präsident Ingo Appé: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bun­desrätin Korinna Schumann zu Wort gemeldet. – Ich erteile Ihnen das Wort. (Bun­desrat Rösch – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Bundesrätin Schumann –: Ich habe mich schon entschuldigt! Die Rede ist - -! – Bundesrätin Grimling: Nein!)


14.13.45

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesrat Rösch hat behauptet, dass ich meine Reden nicht selbst schreibe. – Das ist unrichtig. (Bun­desrat Rösch: Ich nehme es auch zurück!) Ich schreibe jede einzelne meiner Reden selbst. (Bundesrat Rösch: Ich habe es nicht für möglich gehalten!) – Ja, weil sie gut war. Das ist mir ohnehin klar.

Die Grundlage der Arbeit an einer Rede ist das Studium im Vorfeld. Erstens: Wir lesen das Gesetz; das ist die Grundlage. Als Nächstes liest man die Stellungnahmen der Caritas, der Katholischen Frauenbewegung, der Diakonie mit allen von ihnen geschil­derten Auswirkungen.

Tatsache ist: Ich schreibe meine Reden selbst. Ich habe die Entwicklung der Sozialhilfe insgesamt 30 Jahre lang im Sozialministerium miterlebt und begleitet. Also ganz ehrlich: Das ist wirklich unter der Gürtellinie, und ich glaube, das ist dieses demo­kratischen Hauses nicht würdig; wirklich, ehrlich! (Beifall bei der SPÖ.)

14.14


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr dieses.


14.14.56

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Sozialhilfe-Grundsatzgesetz: Zum Glück heißt es wenigstens nicht mehr Mindestsicherung, denn das Existenz­mini­mum sichert es ja definitiv nicht ab. Das Einzige, was es absichert, ist, dass Arme arm bleiben, dass Kinder, die in Armut aufwachsen, möglichst wenig Chancen bekommen, dieser zu entkommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ohne dass sie sich anstrengen müssen? Wozu auch?) Es sichert, dass einzelne Gruppen an den Rand und ins Abseits gedrängt werden. Keine Mindeststandards, nur Höchstgrenzen – mit diesem Gesetz wird nicht die Armut bekämpft. Das wird auch gar nicht vorgegeben, denn ganz bewusst fehlt ja die Formulierung, dass die Vermeidung von Armut die Zielsetzung ist. Die Abschaffung der Mindestsicherung ist nicht nur eine Änderung in der Wortwahl, sie stellt vor allem auch einen Paradigmenwechsel dar, eine Abwendung von den grund­legenden Prinzipien: Armutsbekämpfung, Existenzsicherung und Teilhabe aller Men­schen. Es ist eine klare Abwendung von der Menschlichkeit in der Sozialpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum das? Etwa, weil dadurch die nötigen finanziellen Mittel weniger werden? – Nein! Es wird ja gar nicht bestritten, dass das neue System teurer ist. Es geht nicht um Einsparung. Es muss also einen anderen Grund haben. Ist der Grund vielleicht, dass sich Arbeit lohnen muss? Bekommt jetzt jemand, der arbeitet, auch nur eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer, auch nur einen Cent mehr? Oder bekommt jetzt


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eine oder einer der Aufstocker – 70 Prozent der Mindestsicherung fließen in den Fonds der Aufstocker – mehr für ihre/seine Grundleistung, für ihre/seine Arbeit? – Arbeit muss sich lohnen ist in diesem Zusammenhang einfach nur ein leerer Slogan und wird vorgeschoben.

Es ist in der Debatte deutlich geworden, dass für den einen oder anderen der Haupt­grund für das Gesetz ist, dass Zuwanderer benachteiligt werden sollen. Sie nehmen dabei ganz bewusst in Kauf, dass 50 Prozent – das sind die Österreicher – dafür mit über die Klinge springen. Grundsätzlich ist es schon menschenverachtend, dass ihr die Zuwanderer strafen wollt (Bundesrat Samt: „Über die Klinge springen lassen“ ist eine menschenverachtende, blutrünstige Formulierung!), noch menschenverachtender ist, dass ihr die eigenen Leute mit über die Klinge springen lässt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: „Über die Klinge springen“ ist ganz schön menschenverachtend!)

Eines passiert mit diesem Gesetz aber ganz sicher: Die Wertehaltung in Österreich wird neu definiert. Das wollt ihr so! Ihr wollt den Menschen nahelegen, dass Familien mit mehr als zwei Kindern – teilweise sogar mit mehr als einem Kind – nicht erstrebenswert sind. (Bundesrat Rösch: So ein Blödsinn!) Ich hoffe nicht, dass auch nur einer hier so hochmütig ist, anzunehmen, dass es nicht auch ihm passieren kann, dass ihn einmal ein Schicksalsschlag trifft. Dann ist es hier in Österreich nicht ratsam, mehr als ein Kind zu haben, geschweige denn drei, denn für das dritte Kind bekommt man dann schon nur noch 44 Euro pro Monat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Damit wird eine Gesellschaft geschaffen, in der Kinder keine Wertigkeit mehr haben, und das angesichts der demografischen Entwicklung in diesem Land!

Vorhin haben wir über die Jugend gesprochen, darüber, wie wichtig, wie wertvoll Kinder sind. In einem Karl-May-Film hätte ein Indianer wahrscheinlich gesagt: Weißer Mann oder weiße Frau spricht mit gespaltener Zunge. (Bundesrat Spanring: Ja, die SPÖ!) Partnerschaften haben keine Wertigkeit; wenn es dir schlecht geht, ist es besser, du bist allein.

Mit diesem Gesetz wird versucht, der Gesellschaft zu zeigen, dass Solidarität nicht wichtig ist, dass Hilfsbereitschaft keinen Wert hat (Bundesrätin Hahn: Nicht gewünscht wird!), keinen Mehrwert, weder für den Betroffenen noch für den Gebenden. Wir haben vorhin gehört, dass es bei Sachspenden in den Ländern eine Kannbestimmung gibt, es ist aber auch klar, dass Sachspenden von Dritten bei der Sozialhilfe in Abzug gebracht werden. Gibt man einer bedürftigen Familie einen gebrauchten Kühlschrank, ein Ein­richtungsstück, so wird das in Abzug gebracht. (Bundesrat Rösch: Der Heizkosten­zuschuss nicht!) Wir lehren die Menschen, dass Solidarität keinen Wert hat. Es wurde sogar festgehalten, dass die Länder sicherstellen müssen, dass Sachzuwendungen gemeldet werden. Wenn das nicht der Fall ist, muss es abschreckende Maßnahmen geben. Schon bei dieser Bezeichnung bekomme ich Gänsehaut. (Bundesrat Samt: „Über die Klinge springen“, das geht bei Ihnen aber schon!) – Das soll für eine Gesellschaft gesund sein?! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Kampfrhetorik geht nur bei der SPÖ!)

Positiv ist die Mussbestimmung für den Bonus bei erwachsenen Menschen mit Behinderung in Höhe von 18 Prozent, also rund 155 Euro. Dennoch kann es auch da passieren, und es wird wohl immer wieder der Fall sein, dass behinderte Erwachsene, die zum Beispiel in Gemeinschaft mit einem Elternteil leben, verlieren. Es gibt dazu ein Beispiel:

Eine Pensionistin mit 1 167 Euro Einkommen im Monat – da ist alles dazu hinein­gerechnet – hat ihre erwachsene behinderte Tochter bei sich. Da wird eine Bemes­sungsgrundlage von etwas über 600 Euro berechnet. Der verbleibende Betrag darüber muss angerechnet werden. Das verliert die erwachsene behinderte Tochter, und dieser


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bleibt dann genau nur der Bonus, genau die 155 Euro. Zusätzlich darf sie dann – das ist auch gut so – in einer Integrationswerkstätte arbeiten und bekommt dort Taschen­geld; vielleicht noch weniger als 1,50 Euro pro Stunde. – Wird das dann auch noch in Abzug gebracht?

Zusätzlich wurde in der 15a‑Vereinbarung festgehalten, dass innerhalb von drei Monaten eine Entscheidung getroffen werden muss, ein Bescheid ergehen muss, ob die Mindestsicherung gewährt wird oder nicht. Das wird jetzt nicht mehr festgehalten. Damit kommt die allgemeine Regelung zur Anwendung, und es kann sechs Monate dauern. – Warten Sie einmal in einer Notsituation sechs Monate darauf, bis Sie überhaupt erfahren, ob Sie etwas bekommen werden, geschweige denn dann tat­sächlich etwas erhalten! Bis dahin kann es längst zu spät sein. (Bundesrat Rösch: Na, spät ist es schon!)

Der Boden wird umgeackert, er wird vorbereitet. Er wird darauf vorbereitet, dass die Saat aufgehen kann, die die gesellschaftliche Spaltung in diesem Land vorantreibt. Da gibt es dann nur Verlierer, nicht nur finanziell, vor allem auch menschlich.

Zusätzlich bestehen große Bedenken im Hinblick auf die Verfassungskonformität. Gemäß Art. 12 Abs. 1 B-VG ist die Gesetzgebung über Grundsätze Bundessache. Der Bundesgesetzgeber muss sich aber eben auch auf Grundsätze beschränken. Einzel­regelungen sind unzulässig; es darf nicht derart konkretisiert sein. – Die Regierungs­vorlage beschränkt sich nicht auf den Erlass von Grundsatzbestimmungen. Anspruchs­voraussetzungen und Leistungsumfang sind starr vorgegeben. Da bleibt kein Spiel­raum! Es gibt Höchstgrenzen, es gibt das Verbot von zusätzlichen Leistungen.

Mit ein bisschen Empathie, aber auch mit politischem Verständnis, was da vorbereitet wird, was das für die Zukunft der Menschen und für so viele Kinder in diesem Land bringen wird, kann man nicht zustimmen, gerade – wieder, wie schon vorher – auch als Vertreter in der Länderkammer nicht, wenn Kompetenz und Verantwortung auf die Länder abgeschoben werden, das aber schon mit ganz konkreten engen Grenzen ver­sehen wird.

Meine Kollegin Doris Hahn hat zuvor mit den Worten: Wer schafft die Armut?, ge­schlossen. (Bundesrat Rösch: Habt ihr das zu zweit vorbereitet, oder was?) Ich will ergänzen: Da wird eine Armutsfalle geschaffen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Weber: Wir halten uns alle an das!)

14.26


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile es ihm.


14.26.43

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Man sollte an einem Tag zumindest ein schönes Bild betrachten, ein sinnvolles Gedicht lesen und, wenn möglich, ein paar vernünftige Worte von sich geben. – Johann Wolfgang von Goethe. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) Ein hoher Anspruch, dem auch hier im Haus nicht alle gerecht werden. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.) – Ich werde es zumindest versuchen!

Das Leben in der Gesellschaft ist wie ein buntes Mosaik. Es gibt eine Unmenge von persönlichen und Gruppeninteressen wirtschaftlicher, sozialer und politischer Art. Es gibt Bedürfnisse, die der/die Einzelne selber oder zusammen in einer Gruppe befrie­digen kann, und es gibt solche, die nur von einer höheren Stelle erfüllt werden kön­nen. – Es braucht also eine eigene Instanz, die die vielen Interessen so koordiniert, dass möglichst alle ein menschenwürdiges Leben führen können. Diese Institution ist


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der Staat – da sage ich ja nichts Neues – mit seinen gewählten, verantwortungs­be­wussten Entscheidungsträgern.

Entscheidend für den Baustein Gemeinwohl ist die Einsicht, dass das Wohl aller nicht automatisch als Ergebnis von individuellen und Gruppeninteressen hervorgeht, son­dern dass dies bei aller Wahrung der Subsidiarität durch eine eigenständige Autorität angestrebt werden muss.

Mit der Gesetzesvorlage Sozialhilfe Neu wird Leistungsgerechtigkeit geschaffen. Das Gesetz, geschätzte Frau Bundesminister, ist eine Punktlandung.

Jenen, die sich selbst helfen können, die das aber nicht wollen, kann auf Dauer keine Unterstützung gewährt werden. Es liegt in unserer Verantwortung, diesem Grundsatz mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gerecht zu werden, das für alle neun Bundes­länder gilt. Die Sozialhilfe Neu – das wurde auch schon angesprochen; es ist ja klar, dass es, wenn man als achter, neunter Redner an die Reihe kommt, Wiederholungen gibt – gilt als Überbrückung. Von jenen, die arbeiten können, wird erwartet, dass sie die Arbeit auch annehmen.

Menschen mit Behinderung und Alleinerziehende werden bessergestellt, das ist auch nicht neu. Neu ist also der Bonus für alleinerziehende Menschen, und vor allem bekommen Menschen mit Behinderung, wie bereits angeführt, 160 Euro mehr. Bei einer Einzelperson ändert sich nichts. Mindestpensionisten sind von der neuen Regelung in keiner Weise betroffen. Hervorzuheben ist auch der Wiedereinstellungs­bonus. Leistungen müssen angerechnet werden. Es gibt zudem eine Härtefallregelung, die auch Spielräume für die Vollzugsbehörden wie Bezirkshauptmannschaften und Magistrate bietet.

Der bisherige Länderleistungsfleckerlteppich wird durch diesen bundeseinheitlichen Rahmen eingeschränkt, der den Ländern jedoch einen Spielraum bei der Durchführung lässt. Zum Beispiel können die Länder bei den unterschiedlichen Bedingungen am Wohnungssektor einen Wohnkostenzuschuss von bis zu 30 Prozent dazugeben.

Das Rahmengesetz sieht grundsätzlich eine Maximalsumme in der Höhe des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes vor, das sind wie angeführt 885,47 Euro für 2019 und für Paare zweimal 70 Prozent des Richtsatzes, derzeit eben 1 239,66 Euro. 300 Euro können davon abgezogen werden, und zwar dann, wenn keine Deutschkenntnisse auf Niveau B1 oder Englischkenntnisse auf Niveau C1 vorliegen. (Bundesrätin Grimling: Aha!) Es sind Grundvoraussetzungen, damit man am Arbeitsmarkt integriert werden kann und auch das Zusammenleben in unserer Gesellschaft funktioniert. Gerade durch das Erlernen der Sprache wird dem Land und dessen Bevölkerung auch eine Wertschätzung entgegengebracht.

Eine kurze Randbemerkung: Jeder von uns, der, wenn er sich ins Ausland begibt, vorher ein paar Höflichkeits- und Überlebensvokabeln wie zum Beispiel für die Nah­rungsaufnahme lernt, wird anders wahrgenommen und aufgenommen als jene, die sich nur nonverbal mit Händen und Füßen verständigen können.

Wie sozial dieses Gesetz ausgeprägt ist, zeigt auch folgender wichtiger Hinweis auf Personen, die ausgenommen sind – was auf alle Fälle auch noch einmal erwähnt gehört –: Menschen ab dem 60. beziehungsweise 65. Lebensjahr, Personen mit Betreuungspflichten für Kinder bis drei Jahre, pflegende Angehörige, Personen in Ausbildung, wegen einer Behinderung berufsunfähige Personen sowie solche, die die Pflichtschule mit Deutsch als erster Unterrichtssprache abgeschlossen haben oder die ein Erwerbseinkommen von mindestens 885 Euro pro Monat nachweisen.

Ich möchte hier aber schon eine Facette ansprechen, die gerade in der Sozialagenda ganz wichtig ist, nämlich das Generationenproblem. Diese Regierung hat dieses Prob-


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lem mit großer Sorgfalt und Verantwortung nicht nur aufgenommen, sondern begegnet diesem auch konsequent. Immer mehr Ältere müssen von immer mehr Jüngeren unterhalten – und ich sage bewusst nicht erhalten – werden. (Bundesrat Schabhüttl: Das stimmt ja gar nicht!) – Aber natürlich, nachlesen! (Bundesrat Schabhüttl: Die Zuschüsse sind fallend! – Bundesrätin Schumann: Aber Sie machen Pensionsreform!)

Die Pensionisten können nach der erfreulichen Tatsache, die auch in die nicht ganz unbekannte Textzeile „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ eingearbeitet wurde, auch einem verdienten Lebensgenuss frönen. Man wird älter, aber man möchte nicht als alt bezeichnet werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat der Danzer schon gesungen! Der Danzer war das!) In Amerika wird man übrigens mit 72,6 Jahren als alt bezeichnet, bei uns in Österreich ist man ab dem 18. Lebensjahr großjährig und bleibt das bis zum Lebensende – also für immer jung.

Diese erfreuliche Tatsache führt auch unweigerlich zu einer Überforderung der mittleren erwerbstätigen Generation, der sogenannten Sandwichgeneration. Diese Generation ist zwischen den Ansprüchen der Kinder und der Eltern, also der schon etwas Älteren, eingeklemmt. Sie muss für Unterhalt und Ausbildung der eigenen Kinder aufkommen – heute nicht selten bis weit ins Erwachsenenalter, weil diese vielleicht länger brauchen – und gegebenenfalls gleichzeitig für den Unterhalt, für die häusliche Pflege ihrer Eltern.

Gelebte Solidarität bezieht sich nicht nur auf die gegenwärtige Generation, sie schließt die Verantwortung für die kommenden Generationen mit ein. Die gegenwärtige Generation darf nicht auf Kosten der Kinder und Kindeskinder wirtschaften, die Res­sourcen verbrauchen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft aus­höhlen, ständig Schulden machen und die Umwelt belasten. Auch die künftigen Generationen haben das Recht, in einer intakten, gesellschaftlich und sozial geprägten Umwelt zu leben und deren Ressourcen auch in Anspruch zu nehmen.

Die neue Bundesregierung setzt mit ihrem zukunftsorientierten Handeln und Tun im Bereich der Finanz- und Sozialpolitik Maßstäbe, die den soeben aufgezählten Be­reichen für gelebte Solidarität verantwortungsbewusst entsprechen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das vorliegende Sozialhilfegesetz ist notwendig, um auch diesen ganzen Sozialtourismus in Österreich zu beenden. Es ist ein Gesetz für alle, die gerne gesellschaftlich, leistungs- und zukunftsorientiert in unserem lebens- und liebenswerten Heimatland Österreich leben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.34


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich erteile dieses.


14.35.06

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Die Regierungsvorlage zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz schafft – anders als bisher – nicht Mindeststandards, die nicht unterschritten werden dürfen, sondern nicht überschreitbare Höchstgrenzen, haushaltsbezogene Obergrenzen, ein faktisches Verbot, Menschen in der Sozialhilfe zusätzliche Sozialleistungen oder Sonderzahlungen zukommen zu lassen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das stimmt ja schon einmal nicht! Das ist ja unwahr!)

Die Vorrednerinnen und Vorredner haben ja bereits wesentliche Aspekte dargelegt. Es geht vor allem um alleinstehende Erwachsene, um Paare, um Kinder in Mehrkind­familien und vieles mehr. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Ich möchte dem noch ein paar grundsätzliche Überlegungen anschließen, die die große Gruppe der Pen­sionistinnen und Pensionisten betreffen. Ich verbinde damit auch ein paar grund­sätz-


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liche Überlegungen zur Vorgehensweise bei der Entstehung dieses Gesetzent­wurfs, zur möglichen Umsetzung und zur Wertigkeit.

Festzuhalten ist einmal grundsätzlich, dass dauerhaft arbeitsunfähige Menschen zum Beispiel in Wien sowie Menschen im Pensionsalter in Kärnten und in Tirol, die keine Pension bekommen, zukünftig Sonderzahlungen verlieren, die sie auf die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes heben. (Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt müssen sie für den Ökostrom auch noch mehr zahlen!) Das sind Menschen, die im Sinne des ASVG invalid sind, aber keine Invaliditätspension bekommen. Die verlieren 1 770 Euro pro Jahr. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kostet der Ökostrom!)

Ein weiterer Punkt ist, dass keine zusätzlichen Leistungen mehr zu gewähren sind. Das heißt, den Bundesländern wird untersagt, den Betroffenen zusätzliche Leistungen zu gewähren, wenn diese gänzlich oder teilweise, direkt oder indirekt der Unter­stüt­zung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen oder die Wohnungsversorgung betref­fen. Es bedeutet eine klare Entmündigung der Länder, wenn erstmals Höchst­grenzen eingeführt werden.

Da letztlich jede Sozialleistung direkt oder indirekt der Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts dient – denn genau dafür ist sie ja da –, dürfen Sozialhilfebezieher zukünftig genau genommen gar keine anderen Sozialleistungen mehr in Anspruch nehmen. Das ist ganz sicherlich verfassungswidrig. Somit werden Bezieher von Sozial­hilfe im Vergleich zu anderen – weniger verdienenden – Menschen auch noch diskrimi­niert.

Im Jahr 2017 bezogen knapp 803 000 Menschen irgendwann einmal Mindestsiche­rung. Im Jahresdurchschnitt bezogen pro Monat etwa 240 000 Menschen in ganz Österreich rund 8,5 Monate lang Mindestsicherung. 43 Prozent dieser Menschen waren entweder Kinder, Schülerinnen und Schüler oder im Pensionsalter befindliche Menschen und daher nicht arbeitsfähig, 4 Prozent hatten Betreuungs- und Pflege­verpflichtungen, 8 Prozent der BezieherInnen hatten eine Behinderung oder eine schwere Erkrankung.

Insbesondere bei den älteren Menschen, 50 plus, ist es natürlich ein Problem. Das sind die besonders stark Betroffenen, weil sie kaum mehr in den Arbeitsprozess einzu­gliedern sind. Bei ihnen steigt die Arbeitslosigkeit nach wie vor, und die Bundes­regierung hat ja, wie wir wissen, die Aktion 20 000 abgeschafft (Bundesministerin Hartinger-Klein: Zu Recht!), obwohl das eigentlich für viele ein letzter Strohhalm war. Bei einigen ist es auch gelungen, sie wiederum einzugliedern. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Das war das Unnötigste, was es je gegeben hat!)

Frau Kollegin Eder-Gitschthaler hat heute gesagt, Arbeit muss sich lohnen. Da stimme ich ihr natürlich vollkommen zu. (Bundesrätin Zwazl: Na super!) Ja, natürlich, aber man muss vorher eine Arbeit haben, liebe Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frau Ministerin hat heute gesagt, sie verstehe das Verhalten der Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten hier im Bundesrat nicht und Korinna Schumann habe die Unwahrheit gesagt. Frau Ministerin, wenn Sie behaupten, dass man mit 150 Euro im Monat leben kann, diskreditieren Sie all jene Menschen, die sozial gefährdet und arm sind. (Bundesrat Rösch: Das hat niemand gesagt! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein alter Hut! – Bundesrätin Grimling: Sicher, das war im Fernsehen!) Hier fehlt es Ihnen zweifellos an entsprechendem politischen Realitätsbewusstsein. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Was ist nun wirklich neu an der Sozialhilfe Neu? – Der Name Bedarfsorientierte Mindestsicherung wird durch Sozialhilfe ersetzt. Das ist mehr als bloße Semantik. Das Ziel der Sozialhilfe ist es nicht mehr, verstärkt die Bekämpfung und Vermeidung von


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Armut zu realisieren und soziale Ausschließung zu verhindern, sondern sie soll zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohn­bedarfs beitragen.

Völlig neu ist ein Verbot, den Betroffenen Leistungen zukommen zu lassen, die der Unterstützung des Lebensunterhalts dienen. So sollen Verbesserungen durch die Bundesländer, die die Armut besser bekämpfen wollen, verhindert werden. Zukünftig gelten keine Mindeststandards mehr, sondern Höchstsätze, die nicht überschritten werden können. Dieses Gesetz dient daher künftig nicht mehr der Bekämpfung und Vermeidung von Armut und der sozialen Ausschließung, sondern nur mehr der Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts. Das heißt, Menschen haben in Zukunft keinen Anspruch auf ein Existenzminimum. Es geht also mehr um einen Beitrag und nicht mehr um eine Mindestsicherung. Damit meint man, erreichen zu können, dass Beschwerden von Betroffenen beim Verfassungsgerichtshof abgewehrt werden können.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die österreichi­sche Sozialpolitik torpediert und es wurde damit ein scharfer Paradigmenwechsel eingeleitet. (Bundesrat Steiner: Gut so!) Die Mindestsicherung als letztes Auffangnetz für in Not geratene Menschen wird von einem verfassungsrechtlich höchst bedenk­lichen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz abgelöst, das nicht mehr für Solidarität steht, son­dern für kalte Unsozialpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Gesetz wird nicht mithelfen, Armut abzufedern, sondern es wird ganz massiv neue Armut in unserem Land produzieren. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Es geht der Regierung nicht mehr um die Festlegung des zur Sicherung des Lebens Mindesten, sondern um die Formulierung von Höchstgrenzen des Helfendürfens.

Es ist völlig unverständlich, wenn die Frau Sozialministerin ständig wiederkehrend argumentiert, dass dieses Gesetz dazu beitragen würde, die Menschen in den Arbeits­markt zu bekommen. Es befindet sich keine einzige Passage in dem Gesetzestext, die eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme enthalten würde.

Meine Damen und Herren, was hier in unserem Lande vor unser aller Augen passiert, ist ein brandgefährlicher sozialpolitischer Umbau unserer Gesellschaft. Wir messen uns nicht am erstrebenswerten Mehr, sondern am beschämenden Weniger. (Zwischen­ruf des Bundesrates Krusche.) Bedauerlicherweise verfolgt die Regierung den sozial­politischen Ansatz des Ausgrenzens. So wird die neue Sozialhilfe die Armut in unse­rem Land weiter verschärfen und niemandem wird geholfen. Niemandem!

Mit der Abschaffung der Mindestsicherung verschärft man die Lebenssituation von Kindern, vor allem von Frauen, von Pensionistinnen und Pensionisten und von Men­schen mit Behinderung. (Bundesrat Rösch: Das hat schon die Schumann gesagt! Alles ist schlecht!) Wem geht es besser, wenn man jenen, denen es ohnehin schlecht geht, noch etwas wegnimmt? (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Wem geht es besser, wenn sich Menschen das Nötigste nicht mehr leisten können? Wir lehnen auch – heute von der Frau Kollegin geäußert – eine ausländerfeindliche Neid­genossenschaft ab. Das ist eine unglaubliche Hetzkampagne, die in unserem Land Österreich nichts verloren hat. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic. – Bundesrätin Mühlwerth: Nehmt euch das einmal zu Herzen! Nehmt euch das einmal zu Herzen! Wer hat dir die Rede geschrieben? – Bundesrat Steiner: Habt ihr das gemacht?)

Mindestsicherung ist als Instrument der Existenzsicherung zu verstehen, und zwar für jene, die nicht arbeiten können, die in Not geraten sind, und sie ist auch als Sprung­brett auf den Arbeitsmarkt zu verstehen. Jene Menschen, die eine Mindestsicherung in Anspruch nehmen oder nehmen müssen, sind nicht arbeitsscheu und liegen in der


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Hängematte, sie sind sozial gefährdet. Es ist ungeheuerlich, den in Not geratenen Menschen Arbeitsscheuheit und Arbeitsunwilligkeit zu unterstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Man sollte die stabilen Werte, die dieses Österreich als Wirtschaftsstandort, als Land, in dem viele internationale Lösungen besprochen oder zustande gebracht wurden, so einzigartig machen, nicht riskieren. Das ist nämlich, was unser Land so einzigartig und besonders macht: der soziale Friede! (Bundesrat Steiner: Dass man mit 49 in Pension geht!)

Dieser vorliegende Gesetzentwurf ist jedoch von sozialer Kälte geprägt. Es ist dies kein Sozialhilfegesetz, sondern es ist dies ein Sozialabbaugesetz. Es schafft Kinderarmut, Bildungsdefizite, spaltet unsere Gesellschaft und setzt den Grundstein für Lohn­dumping in Österreich. Verfassungsrechtler haben festgestellt, dass dieser Gesetz­entwurf den Zweck sozialer Gesetze missachtet. Es wird nichts vom Existenzminimum gesagt. Es wird festgehalten, dass dieses Gesetz seinen Zweck nicht erfüllt. (Zwi­schenruf des Bundesrates Köck.)

Wenn man die Erkenntnis aus der Geschichte berücksichtigt, dass soziale Sicherheit die wichtigste Grundlage der Demokratie ist, dann ist der vorliegende Gesetzentwurf eine Gefährdung der Demokratie. (Bundesrat Köck: Das gibt es ja nicht! Das muss man sich anhören!) Dieses Gesetz verursacht zunehmende Armutsgefährdung, Mehr­kosten in der Verwaltung und eine vermehrte Ungleichbehandlung der Menschen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Bundesrat können daher einem solchen Gesetzentwurf niemals unsere Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrat Rösch: Das war aber die gleiche Rede das zweite Mal!)

14.45


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner. Ich erteile dieses.


14.45.45

Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Es wurden nun, glaube ich, aus­führlich alle Positionen dargelegt. Die einzelnen Fraktionen haben ganz klar erörtert und in ihren Redebeiträgen dargebracht, was an Fronten aufgetan ist. Herr Dr. Leitner, ich glaube, verhungert ist bei uns aber noch niemand, wenn Sie davon reden. (Bun­desrätin Hahn: Aber jetzt sind sie am besten Weg! – Bundesrat Rösch: Der Gusenbauer und so! – Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Eines möchte ich noch einmal ganz klar betonen: Es geht um Leistungsgerechtigkeit und nicht um Verteilungsgerechtigkeit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich untermauere es gerne mit den Worten unseres Herrn Landeshauptmannes Her­mann Schützenhöfer, der immer wieder auf den Stellenwert von sinnerfüllter Arbeit hinweist. Er warnt auch ganz klar davor, dass die Gesellschaft immer mehr zerfällt, und zwar in jene, die aus dem Leben etwas machen wollen, und jene – diese Minderheit scheint auch immer wieder im Wachsen zu sein – (Ah-Rufe bei der SPÖ), denen eigentlich alles – auf gut Steirisch – wurscht ist und die sich auf Kosten der anderen durchs Leben bringen wollen. (Bundesrätin Hahn: Was unterstellt ihr den Menschen?) Um den sozial Schwachen helfen zu können, muss man den Selbstbedienungsladen für jene, die es sich auf Kosten der anderen richten, aber arbeiten könnten, schließen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Bist du wahnsinnig!)


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Es wurde immer wieder Solidarität erwähnt – da darf ich ein bisschen in die Sozial­hilfelogik eintauchen. Wir helfen jenen Menschen, die unsere Hilfe benötigen. Wir helfen denen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen, obwohl sie gewillt sind, ihren Teil an unserer Gesellschaft zu leisten. Wir können aber jenen, die in der heute schon oft zitierten sozialen Hängematte leben, sich selbst helfen könnten, es aber nicht wollen, auf Dauer die Unterstützung nicht bieten. (Bundesrätin Schumann: Wo sind die Arbeitsplätze?) Wir können nicht für staatliche Rundumversorgung von der Wiege bis zur Bahre sorgen. Leistung muss sich wieder lohnen, und wir möchten allen, die arbeiten, die hart arbeiten und somit ihren Beitrag am Sozialsystem leisten, wieder in die Augen schauen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Es ist vielmehr unsere Aufgabe und unsere Verantwortung all jenen gegenüber, die in unser Sozialsystem einzahlen, die dieses System erst durch ihre Leistungen ermög­lichen, im Grundsatz treu zu sein und auch gerecht zu werden. Dazu ist dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, welches in Zukunft für alle neun Bundesländer gilt, der Garant, meine Damen und Herren! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Liebe Damen und Herren hier im Haus, vor allem auf der linken Seite! Tun wir nicht so blauäugig, zu glauben, dass die Länder die Sätze möglicher Zuschläge nicht voll aus­schöpfen werden. Durch das Grundsatzgesetz bei der Sozialhilfe ist vielmehr klar geregelt, dass in unseren Bundesländern nicht der Sozialbasar ausgerufen werden kann. (Bundesrätin Hahn: Sozialtourismus! Sozialbasar! Was soll das?) Wir stehen ganz klar zu einem Leitspruch: Hilfe für diejenigen, die Hilfe benötigen, aber nicht ständig Sorge um die Sorglosen in diesem Land. Wir stehen dazu! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

14.49


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Schererbauer: Schon wieder!)


14.50.10

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte eigentlich nur ganz kurz auf die Präpotenz und das Demokratieverständnis von Kollegen Rösch eingehen. Ich denke, es reicht jetzt langsam wirklich! (Bundesrat Steiner: Pflaster­steine!) Ich kann nachvollziehen, dass Sie Politikerinnen wie mich, die lautstark aus­sprechen, wofür Sie Verantwortung tragen, schlecht aushalten, ich unterliege auch nicht Ihrer Message Control. (Bundesrat Steiner: Pflastersteine!) Es ist eine andere Sache, dass es demokratiepolitisch fraglich ist, wie Sie das argumentieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Steiner: Pflastersteine! – Bundesrätin Mühlwerth: Fangen Sie einmal bei sich selber an! Seien Sie nicht so wehleidig!)

Ich weise aber aufs Vehementeste zurück, dass ich hier jemandem Angst machen wollte. (Bundesrat Steiner: Na sicher! Pflastersteine!) Das ist auch nachprüfbar und ergibt sich aus dem Inhalt meiner Rede. Das war kein Angstmachen, das war kein Gewaltaufruf, das bezog sich auf eine Rede - - (Bundesrat Steiner: Pflastersteine! Sie haben sich nie entschuldigt bei der Frau Minister!) – Hören Sie mir zu! (Bundesrat Steiner: Entschuldigen Sie sich!) – Hören Sie mir zu! Die Pflastersteine bezogen sich auf eine Rede von Willi Mernyi, der ein Video auf Facebook gestellt hat, wo er darüber spricht, was es für den Pflasterer Günther bedeutet, in Zukunft 12-Stunden-Tage zu haben. (Bundesrat Steiner: Entschuldigen Sie sich!) Das habe ich klargestellt und ich habe auch klargemacht, dass es hier um die Arbeitsleistung geht. Ich habe keinen Gewaltaufruf getätigt, das weise ich von mir! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Steiner: Entschuldigen Sie sich!)


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Und noch etwas: Während Ihrer Partei die Verbindungen zu rechtsextremen Tätern ja nachgewiesen werden können, können Sie nicht bei mir permanent auf den Schwarzen Block und meine Nähe zu diesem verweisen. (Bundesrat Krusche: Das haben wir nur von Ihnen gelernt!) Das ist nicht nur überholt, sondern stimmt so einfach nicht und ist in der Argumentation nicht haltbar. (Bundesrat Rösch: Wenn Sie sagen, das stimmt so nicht, dann kann es ja stimmen!) Das ist eine Unterstellung! Das ist eine bewusste Unterstellung von Ihnen, und auch die weise ich zurück.

Noch eines: Sie stellen ja nicht nur die Flüchtlinge als Horrorszenario dar – alle wollen einwandern –, sondern sprechen zunehmend auch von einem linken Demotourismus. (Ruf bei der FPÖ: Sehr richtig!) Wissen Sie, was? – Bei all diesen Verschwörungs­theorien bin ich sehr geneigt, Ihnen das nächste Mal ein Geschenk mitzubringen, näm­lich einen Aluhut. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.53


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Schilchegger.


14.53.44

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Stögmüller und die Kollegin von den Grünen verwahren sich zuerst dagegen, dass sie irgendwo mit dem Schwarzen Block in Verbindung gebracht werden. Ich kenne Sie nicht, Frau Kollegin, Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie mit dem Schwarzen Block irgendetwas zu tun haben. Ich unterstelle Ihnen das auch nicht. (Bundesrat Stögmüller: Nie im Leben! Aber Sie zu den Identitären!)

Sie unterstellen mir jetzt irgendeine Nähe zu den Identitären, wissen aber ganz genau, dass das vollkommen haltlos ist. Ich bin auch nicht Kassier von irgendeinem Verein, das habe ich auch schon richtiggestellt. (Bundesrat Stögmüller: Kassier! Sie müssen unterschreiben!) – Jetzt kommen wir aber schon weit weg von der Debatte! Lesen Sie einmal die Richtigstellungen in den „Oberösterreichischen Nachrichten“, die diese ganze Identitären-Debatte als das entlarvt haben, was sie eigentlich ist: auf Sand gebaut und in Wahrheit eine reine Fake-News-Aktion, die von den „Oberösterreichi­schen Nachrichten“ losgetreten wurde. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Kommen wir jetzt zur Mindestsicherung Neu, zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Frau Kollegin Dziedzic, Sie haben einige verfassungsrechtliche Argumente genannt, zum Beispiel, dass der Verfassungsgerichtshof die niederösterreichische Regelung in Teilbereichen, was den 1 500-Euro-Deckel betrifft, aufgehoben habe und dass sich daraus ergibt, dass die Kinderstaffelung ebenso eine unsachliche Schlechterstellung sein sollte.

Damit verkennen Sie aber, worauf der VfGH in mehrfachen Entscheidungen auch immer wieder hingewiesen hat, zum Beispiel im Burgenland-Erkenntnis, im Ober­österreich-Erkenntnis von zuletzt Ende 2018 oder auch schon im Vorarlberger Erkenntnis vom 12.12.2017. Ich zitiere hier wörtlich: Die degressive Staffelung der Mindestsicherungsbeträge bei minderjährigen Personen, „für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, korrespondiert mit der Erhöhung der Familienbeihilfe bei entsprechender Anzahl der Kinder“. Das ist der sogenannte Mehrkindzuschlag bei Mehrkindfamilien aus der Familienbeihilfe. Ich zitiere weiter: „Damit knüpft der“ Norm­geber „in sachlicher Weise am Bedarf der jeweiligen Personen an und berück­sichtigt die Familienbeihilfe“. Das heißt, genau solche degressiven Staffelungen, wie es dieser


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Entwurf vorsieht, sind bereits als verfassungskonform befunden worden. So viel zu diesem Argument.

Der zweite Punkt: Sie haben gesagt, die Kosten für Sprachkurse werden auf die Länder abgewälzt. Bitte, die gesamte Sozialhilfe ist, was die Finanzierungsfrage betrifft, Ländermaterie, das war immer schon so. Wir haben Beispiele aus der Ersten Republik, aus der Monarchie, wo schon immer verschiedene Hilfe-zur-Selbsthilfe-Regelungen getroffen wurden. Sie auf der linken Seite kommen immer nur auf die Idee, man gibt den Leuten einen Sack Geld in die Hand, und das war die Sozialhilfe. Genau das wollen wir nicht. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Wir setzen auf Sachleistungen, wir setzen auf Hilfe zur Selbsthilfe. Eine dieser Maßnahmen ist zum Beispiel die Sprach­kursbereitstellung, natürlich durch die Länder finanziert, damit die Leute in der Lage sind, durch die Integration, durch entsprechende Deutschkenntnisse am Arbeitsmarkt teilzunehmen und aus der Sozialhilfe schnell herauszukommen und eben nicht jahrelang alimentiert zu werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Novak: Ein Gestandener!)

Frau Hahn, Sie haben gesagt, das dritte Kind ist nur 1,50 Euro am Tag wert. Dieses Argument ist mehrfach gekommen, es ist sachlich falsch. Falsch, falsch! Es steht auch im Gesetz so drinnen, lesen Sie bitte § 5 Abs. 3: Alle Beträge, die den minderjährigen Personen im Haushalt zur Verfügung stehen sollen, sind auf alle diese minderjährigen Personen rechnerisch gleichermaßen aufzuteilen. (Bundesrätin Schumann: Das Gesetz ist schlecht!) Das heißt, Sie werden niemals erleben, dass ein Kind nur 44 Euro erhält. (Bundesrätin Hahn: Das macht die Summe nicht besser!) Das wird es niemals geben. Zusätzlich verschweigen Sie auch immer wieder und immer wieder, dass die Familienbeihilfe in einer Weise noch obendrauf dazukommt, die der Verfassungs­gerichtshof bekanntlich als zulässig befunden hat.

Sie haben gesagt, Kinder können in der Schule nicht mehr partizipieren, sie können nicht mehr an Skikursen teilnehmen oder sich einen Taschenrechner kaufen bezie­hungsweise dass das oft so als Problem empfunden wird. Da kann ich nur sagen, ja, das ist wahrscheinlich ein Problem, aber derartige Leistungen werden durch dieses Gesetz gar nicht, nicht einmal ansatzweise, eingeschränkt. (Bundesrätin Schumann: Was? – Das schaue ich mir an!) Es handelt sich nämlich um schulbezogene Leis­tungen, Sonderleistungen, die nichts mit dem Lebensunterhalt oder dem Wohnbedarf zu tun haben. Da kann ich Sie also beruhigen – auch weiterhin wird es Zuschläge für Schulskikurse geben können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Frau Kahofer, Sie haben gesagt, Sachspenden von Privatpersonen sollen in Abzug gebracht werden, zum Beispiel ein gebrauchter Kühlschrank, der irgendwo privat einer bedürftigen Familie geschenkt wird. Das ist falsch! (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.) Schauen Sie sich nur § 7 Abs. 4 Satz 2 an. Klarstellung: Private Spenden werden nicht angerechnet. (Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt bricht aber euer Gebäude zusammen! – Bundesrätin Schumann: Schauen wir einmal, was der Verfassungs­ge­richtshof sagt!)

Wir haben dann noch das nächste Argument, das auch immer wieder kommt. (Bundes­rätin Schumann: Schauen wir, was der Verfassungsgerichtshof sagt!) – Hören Sie bitte einmal zu, dann lernen Sie noch etwas und brauchen hier nicht immer Fake News zu verbreiten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Es ist immer wieder das Argument gekommen: Es gibt keinen Spielraum für die Länder. Doch, es gibt genau diesen Spielraum! Das ist dann immer genau das, was halt wieder als fehlende Verein­heitlichung beanstandet wird. Was wollen Sie jetzt? Wollen Sie jetzt eine maximale Vereinheitlichung oder wollen Sie einen maximalen Spielraum? Beides geht sich irgendwie nicht ganz aus. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Frau Schumann, Sie haben zum Beispiel gesagt, warum der Alleinerzieherbonus nur eine Kann-Bestim-


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mung ist und dass der Handlungsspielraum der Länder eingeschränkt wird. Das haben Sie sogar in einem Satz hintereinander gesagt. (Bundesrätin Schumann: Nein, ich weiß, was ich gesagt habe!) Es ist doch wohl klar, dass durch diese vielen Kann-Bestimmungen im Gesetz der Handlungsspielraum der Länder geradezu erweitert und gestärkt wird. (Bundesrätin Hahn: Wettbewerb nach unten!)

Herr Dr. Leitner, zum Verbot, den Menschen zusätzliche Leistungen zukommen zu lassen: Das ist falsch – § 6 Härtefallregelung. Lesen Sie das genau durch, Sie werden feststellen, Sachleistungen können bei tatsächlich nachgewiesenem Bedarf auch weiterhin in unbegrenzter Höhe erbracht werden. Damit ist auch sichergestellt, dass keiner jemals in Österreich verhungern wird. (Bundesrätin Grimling: Aha!)

Sie haben auch gesagt, dass die Pensionisten verlieren. Nein, falsch! Im Gesetz ist klargestellt, dass altersbedingter Sonderbedarf auch weiterhin abgedeckt werden kann, und zwar nicht nur dann, wenn jemand einen Pensionsanspruch hat. Überdies brauchen Sie auch alle Personen, die das Pensionsantrittsalter erreicht haben, nicht zu verunsichern, weil auch im Gesetz klargestellt ist, dass diese von der verpflichtenden Arbeitsbereitschaft natürlich ausgenommen sind.

Sie haben auch noch gesagt, es gäbe keine einzige Passage im Gesetz, die einen arbeitsmarktpolitischen Anreiz schaffen würde. Ja bitte, haben Sie § 5 Abs. 9 und den Wiedereinsteigerfreibetrag, § 7 Abs. 6 des Gesetzesbeschlusses gelesen? Das sind nur zwei Beispiele für ganz klare arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen und Anreize. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Zum letzten Argument, das mir auch noch sehr gut gefällt – ich weiß nicht mehr genau, wer es gesagt hat –: Ja warum ist denn kein Hinweis auf Bekämpfung der Armut und keine Existenzsicherung im Grundsatzgesetz verankert? (Bundesrätin Hahn: Weil ihr euer wahres Gesicht zeigt!) Schauen Sie doch bitte das Vorarlberger Mindest­siche­rungsgesetz an. Da gibt es überhaupt keine Ziele, da heißt es nur lapidar: „Min­destsicherung ist die staatliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens“. Na bitte, verhungert jetzt in Vorarlberg irgendjemand, weil dort die Existenzsicherung als Zielbestimmung nicht im Grundsatzgesetz verankert ist? Es muss doch wohl darauf ankommen, was die Leute wirklich bekommen.

Bleiben wir bei einer Einzelperson: Eine Einzelperson erhält als Grundleistung bis zu 880 Euro netto pro Person. Netto! Wir reden immer von Nettobeträgen; das ist das, was ein Arbeitnehmer erst ganz zum Schluss, nach Abzug aller Beiträge für Kranken­versicherung, Steuern und so weiter, erhält. Das ist dann der Nettobetrag, ja. (Zwi­schen­rufe bei der SPÖ.)

Das sind schon einmal bis zu 880 Euro als Grundbetrag, zusätzlich kommen Gebüh­ren­befreiungen, Heizkostenzuschüsse dazu, es kommt eine Krankenversicherung dazu. (Bundesrat Novak: Oberlehrermäßig ...!) Es kommen Sachleistungen in Form der Wohnkostenpauschale dazu. Es gibt dann auch noch den Wiedereinsteiger­freibetrag und es gibt natürlich auch die Möglichkeit, zusätzliche Sachleistungen in Form der Härtefallklausel zu gewähren. Bei all diesen Zusatzbeträgen und natürlich der Familienbeihilfe bei Familien: Sagen Sie mir bitte, hüpfen Sie mir das bitte vor, wie man mit so einem Betrag in Österreich in die Armut fallen kann? Danke schön, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.01

15.01.47


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 105

Ich lasse über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, abstimmen.

Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Wir gehen daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch den Herrn Schriftführer in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

Ich ersuche nun den Schriftführer um Aufruf der Bundesrätinnen und Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Beer geben die BundesrätInnen ihr Stimm­verhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja.“

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche die Sitzung kurz zur Auszählung der Stimmen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 15.07 Uhr unterbrochen und um 15.09 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates vom 25. April betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Sozialhilfe-Grundsatz­gesetz und ein Sozialhilfe-Statistikgesetz erlassen und das Integrationsgesetz geän­dert werden, keinen Einspruch zu erheben, bei 59 abgegebenen Stimmen 36 „Ja“-Stimmen und 23 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag ist somit angenommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Aschenbrenner;

Bader, Berger-Grabner, Bernard, Brunner, Buchmann;

Ecker, Eder-Gitschthaler, Ess;

Froschauer;

Gfrerer;


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 106

Hackl, Holzner;

Köck, Krusche;

Mattersberger, Mühlwerth;

Neurauter;

Ofner;

Pisec, Preineder;

Raggl, Rösch;

Samt, Saurer, Schererbauer, Schilchegger, Schwindsackl, Seeber, Spanring, Sperl, Steiner, Steiner-Wieser;

Wagner;

Zeidler-Beck, Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer;

Dziedzic;

Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kahofer, Kaske, Koller, Kovacs;

Lancaster, Leitner;

Novak;

Prischl;

Reisinger;

Schabhüttl, Schennach, Schumann, Stögmüller;

Wanner, Weber;

Zaggl.

*****

15.09.286. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz über die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben (Konsulargesetz – KonsG) (512 d.B. sowie 10161/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich die Frau Außenminister ganz herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Bernd Saurer. – Ich bitte um den


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Bericht.


15.10.05

Berichterstatter Mag. Bernd Saurer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Hohes Haus! Nach dieser hitzigen Debatte kommen wir vielleicht zu einem etwas weniger emotionsgeladenen Tagesordnungspunkt.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz über die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben, das Konsulargesetz.

Der Inhalt des Verhandlungsgegenstandes liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


15.11.11

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! So hinuntergreifen! (Der Redner fährt das Rednerpult in die Höhe. – Bundesrätin Mühlwerth: Sehe dich noch! Zu niedrig!) Ich komme zum Konsulargesetz. An sich hatten wir ja noch kein Konsulargesetz. Insofern ist es zu begrüßen, dass wir nun ein Konsulargesetz haben. Es ist auch zu begrüßen, dass die Europäische Union eine Richtlinie vorgegeben hat, die vom Prinzip als sehr positiv zu bewerten ist und jetzt mit großer Verzögerung zu einer Umsetzung kommt.

Wir sind in einer Europäischen Gemeinschaft, und in dem einen oder anderen Staat kann ein Bürger oder eine Bürgerin der Europäischen Gemeinschaft konsularische Hilfe benötigen. Diese Person aus dem Gebiet der Europäischen Union kann sich an jede Konsularbehörde eines EU‑Staates wenden.

Das ist im Prinzip auch nichts Neues, weil wir ja auch in der Vergangenheit von anderen Botschaften konsularische Tätigkeiten durchführen haben lassen. Wenn wir in Europa bleiben: Zum Beispiel war bis zur Eröffnung unserer Botschaft in Chișinău die rumänische Botschaft dafür zuständig. Wir waren nur mit vier Attachés da, die konsularische Arbeit hat aber die rumänische Botschaft gemacht. Wenn in Russland in der Nähe von St. Petersburg jemand ein Visum beantragt, um nach Österreich zu kommen, geht er zum Beispiel zur finnischen Botschaft in St. Petersburg, die das für Österreich macht.

Also diese gegenseitige Hilfe ist nichts Neues – auch für Österreich machen andere Botschaften oder Konsularbehörden diese Tätigkeiten –, das ist etwas ganz Normales, es gab nur kein Konsulargesetz. Es gab damals die sogenannte Wiener Konvention. Nun wurde diese Richtlinie – Sie sind ja immer so gegen Gold Plating – so umgesetzt, dass wir – und nicht nur wir – sagen, das ist problematisch. Zum Beispiel sagt das eigene Justizministerium in der Begutachtung, dass der zuständigen Behörde ein zu weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird. „Das Ausmaß dieses Ermessens sollte genauer umschrieben und durch entsprechende Ermessensleitlinien ergänzt werden [...]. Die Einräumung von Ermessen ohne jede Eingrenzung, in welchem Sinn das Ermessen auszuüben ist, wäre unzulässig [...]. – Das ist eine Stellungnahme des eigenen Justizministeriums, nicht meine, weil Sie mich so anschauen, sondern die des Justizministeriums.


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Das heißt, wir haben bei diesem Konsulargesetz einer Behörde plötzlich einen zusätzlichen Ermessensspielraum eingeräumt, der bedenklich ist. Gleichzeitig wurde es medial so begründet, dass man das macht, um keine IS‑Heimkehrer zu haben.

Frau Bundesministerin! Sie und ich, wir beide wissen ganz genau, dass dieses Gesetz mit der Frage von IS-Rückkehrern und -Rückkehrerinnen genau null zu tun hat. Wer immer eine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, hat das Recht, in das eigene Land zurückzukehren. Wer immer eine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, hat das Recht, in das Heimatland seiner Staatsbürgerschaft zurückzukehren, auch wenn österreichische Strafverfolgungsbehörden per Interpol eine Person suchen lassen. Das heißt, dieser Ermessensspielraum hat mit einer ganz, ganz schwierigen Frage zu tun: Was tun wir mit den zwei Kindern eines 15-jährigen Mädchens, das aus irgendeiner Verblendung dorthin gereist ist und – wir wollen alle nicht wissen, unter welchen Um­ständen – zwei Kinder von wem auch immer bekommen hat, nun offensichtlich tot ist und zwei Kinder zurücklässt?

Dieses Konsulargesetz berührt diese Frage nicht. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Frau Bundesminister, wenn Sie in Ihrer Stellungnahme hier und jetzt dies einmal klarstellen, denn es ist unerträglich, wenn man in der öffentlichen Darstellung Dinge sagt, die nicht wahr sind. Ich kann sogar verstehen, dass nicht in jeder Situation konsularisch aktiv geholfen werden kann und dass man sagt, das geht nicht, denn wir können ja unsere Beamten und Beamtinnen in einem Konsulat nicht einer Gefährdung aussetzen.

Ich habe nach dem Ausschuss von der Situation erzählt, als in Haiti das schwere Erdbeben war. Zwei Babys waren dort, die schon adoptierte österreichische Staats­bürger waren. Das Chaos in Haiti kennen wir alle. Der österreichische Botschafter in der Dominikanischen Republik ist unter großem Aufwand über Landstraßen nach Haiti gefahren und hat diese zwei Babys zurückgeholt, sodass diese zwei Babys, die zu diesem Zeitpunkt schon adoptiert waren, den österreichischen Müttern in der Domi­nikanischen Republik übergeben werden konnten.

Das ist etwas Außergewöhnliches. Wir wollen nicht, dass eine Gefährdung besteht, aber das kann nicht heißen, dass man den Ermessensspielraum nicht eingrenzt. Wir hätten das sehr, sehr gerne mitgetragen, denn das ist ein wichtiges Gesetz. Wenn aber selbst das Justizministerium – der Minister gehört ja dieser Regierung an – solche Bedenken hat, verstehen Sie bitte, dass die Opposition sagt: Wenn solche Bedenken vorliegen, dann werden wir da nicht mitstimmen. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrätin Mühlwerth: Ja eh!)

15.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


15.18.42

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt wieder einer der Fälle, wo man das Haar in der Suppe sucht, um irgendetwas zu finden, warum man es dann doch ablehnen kann. (Bundesrätin Grimling: Habt ihr uns vorgemacht!)

Das zeichnet die Sozialdemokratie ja seit Beginn der schwarz-blauen Bundesregierung aus, dass man, wenn es nicht gerade um irgendwelche technischen Adaptierungen geht, einmal alles ablehnen muss, was von dieser Regierung kommt. (Ruf bei der SPÖ: Stimmt ja nicht!) Das ist ja Ihr gutes Recht, Sie dürfen das ja machen, aber ich darf das natürlich auch etwas ironisch beleuchten.


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Wir haben erstmalig, ja, das stimmt, ein Konsulargesetz, das es ja in vielen anderen Ländern schon lange gibt. Wir haben uns bis jetzt auf diese Wiener Vereinbarung gestützt. Vieles davon ist ja in das Gesetz miteingeflossen, Dinge, die sich bewährt haben, weil man völlig richtigerweise einmal eine klare gesetzliche Regelung haben wollte, die auch die neuen Herausforderungen beinhaltet.

Der Ermessensspielraum ist im Ausschuss schon thematisiert worden, wo Ihnen, Herr Kollege Schennach, der Herr Botschafter ja schon gesagt hat, dass er betreffend Vereinbarkeit mit der Richtlinie der Europäischen Union kein Problem sieht, da die jetzt auch in der Regierungsvorlage berücksichtigt ist.

Also ich weiß nicht, warum man immer Dinge wiederholt, die schon widerlegt worden sind, aber gut, das hatten wir beim Integrationsgesetz auch. Es wird zwar nicht wahrer, wenn Sie es noch zwanzigmal behaupten, aber Sie versuchen es halt immer wieder. Was sollen wir da tun?

Betreffend Ermessensspielraum aber, das muss ich schon sagen, finde ich, dass man den Beamten, die das ja bis jetzt auch immer hervorragend gemacht haben – an dieser Stelle ein Dank an alle Beamten im auswärtigen Dienst, die vor Ort in den Konsulaten und in den Botschaften sind, ein herzliches Dankeschön für ihre Tätigkeit, die sie hervorragend machen (Beifall bei FPÖ und ÖVP) –, für die Bewältigung der gegenwärtigen Lage vor Ort einen Ermessensspielraum zutrauen und geben kann.

Es ist schwierig, wenn ihnen ein derart enges Gerüst gegeben und gesagt wird, an das müsst ihr euch jetzt nach Punkt und Beistrich halten. Wir kennen zwar die Situationen in verschiedenen Ländern, aber die Situation zu der Zeit, zu der jemand um konsu­larischen Schutz ansucht, kennen wir nicht.

Ja, wir bekennen uns auch dazu, dass ein Beamter einen Ermessensspielraum hat und sagen kann: Ich gebe keinen konsularischen Schutz. Betreffend IS-Kämpfer der Frau Ministerin zu sagen, dass sie doch wisse, jeder Staatsbürger hätte das Recht zurück­zukehren: Es geht da schon um den konsularischen Schutz. Oft genug wird ja auch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um einen solchen angesucht. Genau da ist der Beamte aber dann ermächtigt zu sagen, ich gebe keinen Schutz, was in der Mehrzahl der Fälle gar nicht geschehen wird. In Fällen, in denen es um Leib und Leben derer geht, die Hilfestellung geben sollen, ist es richtig, dass die Behörden vor Ort auch einen gewissen Spielraum haben, um zu urteilen, was richtig und angemessen ist.

Die Frau Ministerin hat es im Nationalrat ja sehr gut mit der Situation verglichen wir haben jetzt erst in der Zeitung über einen solchen Fall gelesen –, in der die Bergrettung jemanden gerettet hat, der aus Leichtsinn in die Berge gegangen ist und dann dieselbe Bergrettung, die ihn unter zumindest einem gewissen Gefahrenpotenzial gerettet hat, angezeigt hat. Der konnte zwar nicht abschätzen, wie gefährlich es ist, wenn er in die Berge geht, aber plötzlich kann er abschätzen, wie viele Helfer nötig gewesen wären, um ihn zu retten. Da hört sich der Spaß wirklich auf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Verhältnismäßigkeit ist ja im Gesetz festgeschrieben. Es ist auch festgeschrieben, dass der Kontakt zu den EU-Behörden, aber auch zu den staatlichen Behörden stattfinden muss. Kollege Schennach, also wirklich, da suchen Sie echt das Haar in der Suppe, um das ablehnen zu können, denn ein wirkliches Argument – das wissen Sie selber – haben Sie nicht vorgebracht.

Wir finden, das ist ein richtiges Gesetz und ein gutes Gesetz. Betreffend IS-Kämpfer: Ja, wir sind für die Sicherheit Österreichs, der Österreicherinnen und Österreicher verantwortlich und nicht für die Sicherheit derer, die zurückkommen wollen. Ich weiß nicht mehr, wer es war, aber irgendjemand hat im Nationalrat gesagt, wenn so eine arme 15-Jährige einmal einen Fehler gemacht hat, dann darf man nicht so sein. Dazu


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muss ich schon etwas sagen: Wir lassen die Kinder mit 16 wählen. Die gehen einfach in ein Land, schließen sich aus welchen Gründen auch immer – dort einer terroris­tischen Vereinigung an, dürfen bei uns zwar mit 16 wählen, aber dann plötzlich sagen wir, da sind wir nicht so, die können das ja noch nicht abschätzen.

Wenn jemand in diesem Alter – das waren ja nicht nur 15-Jährige –, mit 16, 17, 18, etwas abschätzen kann, zum Beispiel bei einer Wahl (Ruf bei der SPÖ: Ja was jetzt?), dann, würde ich aber doch meinen, kann er auch andere Dinge abschätzen, dann kann er auch die Folgen seines Tuns und Handelns im Wesentlichen abschätzen. Ich muss sagen, ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass man da so großes Mitleid zeigt. Daher: Wir werden diesem Gesetzentwurf mit Freude zustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.25


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Anton Froschauer. Ich erteile es ihm.


15.25.12

Bundesrat Anton Froschauer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuseher zu Hause und hier im Saal! Kollege Schennach hat den Anlass – die EU-Richtlinie 2015 –, um die wechselseitige konsularische Vertretung zu regeln, ausgeführt.

Erwähnt wurde die große Verzögerung in der Umsetzung. Diese Verzögerung war nicht Jux und Tollerei, sondern – darauf wurde bereits Bezug genommen – man wollte umfassendere Regelungen treffen. Bisher bezog man sich bei den konsularischen Aufgaben auf die Wiener Konsularrechtskonvention aus dem Jahr 1969. Dort wurden manche Dinge in den dahinterliegenden Gesetzesmaterien vielleicht nicht als proble­matisch angesehen, aber man hat diese EU-Richtlinie zum Anlass genommen, um diese allgemeinen Fragen des Konsularrechtes und die Besonderheiten in den Mate­riengesetzen zu regeln.

Im Wesentlichen sind das drei Teile. Der erste Teil: die allgemeinen Bestimmungen, Grundsätze, Umfang der Vertretung, Umgang mit Daten, konsularische Aufgaben auch hinsichtlich des konsularischen Schutzes und – Herr Kollege Schennach hat es er­wähnt – mögliche Einschränkungen der konsularischen Vertretung oder sogar deren Ablehnung.

Es ist für mich immer wieder bereichernd, im Rahmen von Gesprächen aus dem reichen Erfahrungsschatz des Kollegen Schennach schöpfen zu dürfen. Das meine ich sehr ernst. Nun gibt es Zweifel am zu großen Ermessensspielraum und gleichzeitig ist das Beispiel Haiti, das du auch wieder angeführt hast, im Gespräch. Genau an diesem Beispiel zeigt sich, wie groß dieser Ermessensspielraum vor Ort sein muss. Wir haben dort großartige Damen und Herren, die diese Vertretung wahrnehmen und die im Kontext des jeweiligen Anlasses entscheiden können müssen. Schränken wir sie ein, ist es eine Gefahr für Leib und Leben derjenigen, die Hilfe und Schutz bieten sollten. – Das ist der eine Bereich.

Das Zweite: Es wurde Bezug auf die IS-Thematik genommen. Eines ist dabei schon sichergestellt: Das Recht auf Rückkehr wird dadurch ja nicht eingeschränkt, es wird nicht einmal berührt. Die Frage ist nur: Leisten wir dabei Hilfe oder nicht? (Bundesrat Schennach: Genau!)

Kollegin Mühlwerth hat auf das Alter Bezug genommen, und so wird das im Kontext zu betrachten sein. Es gibt Menschen, die mit 15, 16 Jahren sehr weit in ihrer Entwick­lung, vor allem sehr weit in der Bewusstheit ihrer Entscheidungen sind, es gibt aber


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auch Menschen, die ein deutlich höheres Alter haben und diese Bewusstheit nicht aufweisen. So gesehen ist auch da wieder ein triftiger Grund für diesen Ermessens­spielraum.

Durch den zweiten Teil in diesem Gesetzentwurf, in den §§ 10 bis 19, werden be­stimmte Ausnahmen, Abweichungen möglich, die rechtlichen und faktischen Bedingun­gen, die Rechtsstellungen, Anträge, Akteneinsicht werden geregelt und es wird auf das AVG 1991 und die Besonderheiten vor Ort – das sind natürlich unterschiedliche Vor­aus­setzungen in verschiedenen Ländern  Bezug genommen. Verwaltungsstrafgesetz und Verwaltungsvollstreckungsgesetz sind davon nicht berührt, da sie vor Ort nicht anwendbar sind. 

Dann haben wir den dritten Teil – dieser ist im Wesentlichen aus dem Anlassgrund, aus dieser EU-Richtlinie entstanden –, da geht es um die Zusammenarbeit, die Solidarität bei den Konsularbehörden, nicht vertretenen Unionsbürgern dieselbe Ver­tretung, denselben Schutz durch die jeweilige Unionsbehörde angedeihen zu lassen. Eine Wahlmöglichkeit, im Sinne von: Ich gehe lieber zu den Deutschen als zu den Österreichern!, ist nicht Ziel und Zweck, aber wenn eine regionale Vertretungsbehörde des Herkunftslandes nicht vorhanden ist, dann ist sichergestellt, dass der gleiche Schutz durch ein EU-Land gegeben wird.

Insofern glaube ich, ist es ein gutes Gesetz. Man könnte im Detail das eine oder andere immer wieder diskutieren, egal, welche Materie, aber ich denke, wir sollten ge­meinsam zustimmen. Verbesserungsvorschläge einzubringen, bleibt jedem unbenom­men. Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.29


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminis­terin Dr. Karin Kneissl. – Bitte, Frau Bundesminister.


15.30.05

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ich habe Ihren Ausführungen aufmerk­sam zugehört und darf mich vorerst bedanken und meinen Respekt zollen, dass sich jeder mit dieser Gesetzesmaterie sehr ausführlich auseinandergesetzt hat.

Es ist keine einfache, aber – wie hervorgehoben – eine alte Gesetzesmaterie. Es wurde mehrfach die Wiener Konsularkonvention von 1968 referiert. Die Geschichte reicht eigentlich noch sehr viel weiter zurück. Wir können ins Mittelalter, bis ins 15., 16. Jahrhundert zurückgehen: Reisetätigkeit, die Kaufleute im Osmanischen Reich, die Ursprünge des konsularischen Schutzes et cetera. Damit haben wir es mit einer sehr alten völkergewohnheitlichen Praxis zu tun. Dieses Gewohnheitsrecht wurde zu verschiedenen Zeitpunkten auch immer wieder kodifiziert. Die letzte große Kodifzie­rungsübung war in den späten 1960er Jahren. Seither hat sich die Welt noch einmal mehrfach in alle Richtungen gedreht.

Ich darf hier den französischen Politikwissenschafter Frédéric Charillon, mit dem ich vor vielen Jahren einmal zusammengearbeitet habe, zitieren. Er hat, glaube ich, vor 15, 20 Jahren schon einmal den etwas ironischen Satz geprägt, der mir in diesem Zusammenhang wieder gut einfällt. Er sagte damals: Die Bürger, egal wo, bewegen sich heute – ob als Touristen oder Terroristen – weltweit. – Es ist diese intensive indi­viduelle Mobilität, die unsere Konsulate, egal wo, vor ganz neue Herausforderungen stellt.

Zur Umsetzung dieser Richtlinie, die Sie vielleicht kritisch als eine übereifrige Übung sehen – Sie haben eben den Vorwurf des Gold Plating gebracht –: Ich darf diesen Vorwurf insofern zurückweisen, als man sehr viele technische Aspekte miteinbeziehen


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musste, gerade was die Refundierung von Konsulargebühren erfordert, wenn Unions­bürger von Drittstaaten betreut werden. Die Praxis gab es bereits, aber wir hatten immer wieder Probleme bei der Refundierung, wenn es um die Rückerstattung der Reise-, der Betreuungskosten, der Notdarlehen et cetera ging.

Zum Einwurf betreffend das Justizministerium hinsichtlich des Ermessensspielraums: Dieser Einwurf wurde berücksichtigt. Der Justizminister hat der neuen Version zuge­stimmt. Wir haben dazu lange verhandelt. Ich habe mich in der Schlussphase auch persönlich immer wieder eingebracht. Mein Dank geht hier an die Kollegenschaft im Völkerrechtsbüro und in der Konsularsektion, die sehr intensiv die Legistik erstellt haben.

Zur Frage zum konsularischen Schutz minderjähriger Kinder: Betreffend Angehörige von IS-Kämpfern wurde in den letzten vier Monaten sehr viel medial berichtet. Ich habe mich stark dafür verwendet, wenn es um Kinder geht, bei denen nachweislich festgestellt werden kann, dass sie österreichische Staatsbürger sind. Es handelt sich um ein-, zwei-, drei-, vierjährige Kinder. Wir haben es meistens mit dieser Altersgruppe zu tun. Sie können nichts für das, was ihre Eltern in einer völligen Verblendung angerichtet haben, die sehr wohl wider besseres Wissen aufgebrochen sind, um ein Land zu zerstören, das Syrien oder Irak heißt; die also aufgebrochen sind, um sich einer sehr gewalttätigen Ideologie anzuschließen. Die dort geborenen oder teilweise entführten, verschleppten Kinder – wir haben auch solche Fälle – können nichts dafür.

Was die Frage der Erteilung des konsularischen Schutzes im Sinne eines Ermes­sens­spielraums anbelangt, darf ich mich bei Ihnen, Frau Bundesrätin Mühlwerth, bedanken, in Erinnerung an das, was ich in der Nationalratsdebatte gesagt habe: Ja, es geht immer um die Frage der Gefahr, der sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussetzen, um diesen konsularischen Schutz wahrzunehmen. Es geht um Distanzen und persönliche Gefahr – und diese besteht heute in Syrien und in anderen Kampf­gebieten. Das andere ist die Frage der Verhältnismäßigkeit, die grundsätzlich ins Spiel kommt. Verhältnismäßigkeit, Schutz, Gefahren, Beteiligung für die Helfer sind etwas ganz Wesentliches.

Der konsularische Schutz ist mir persönlich aus verschiedensten Gründen ein sehr hohes Anliegen. Er ist ein integraler Bestandteil der Arbeit des Außenministeriums. Wir haben eine ganze Sektion, die sich damit beschäftigt. Ich habe sie auch bewusst wieder in konsularrechtliche Sektion umbenannt. Sie hieß eine Weile Servicesektion, aber für mich ist Konsularisches viel mehr noch als das Bürger- und Unternehmens­service, das Teil des Ganzen ist. Es geht um einen alten Rechtsanspruch des Staats­bürgers, der aber, wie gesagt, immer im Zusammenhang mit den Rechten und Pflich­ten, mit der Eigenverantwortung des mündigen Bürgers zu sehen ist. Es beinhaltet sowohl Reisewarnungen als auch das, was Anhängen an eine verbrecherische Ideologie bedeutet. So kann man sich da und dort in dessen Schutz begeben, diesen aber auch nicht in dem Umfang wahrnehmen, wie er grundsätzlich vom Gesetzgeber her geplant ist.

Die Materie ist komplex, aber ich freue mich, dass es mit vereinten Kräften im Zusam­menwirken mit verschiedensten Ressorts und mit den Sektionen im Außenministerium gelungen ist, diese Materie neu zu ordnen.

Wie schon mehrfach betont, es ermöglicht eine wirkliche Mobilität in einem gemein­samen Europa, die Reisenden, Studierenden und Unternehmen genauso zugute­kommt. Überall dort, wo wir in Drittstaaten nicht vertreten sind – und unser Vertre­tungsnetz ist nicht vergleichbar mit dem einiger anderer großer europäischer Staaten –, können österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sehr wohl im Falle einer Evakuierung, eines Passverlustes oder was auch immer bei einer Reise, bei einer


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beruflichen Auslandstätigkeit passieren kann, von diesem Schutz Gebrauch machen. Die technische Abwicklung der Refundierung ist hiermit auch geregelt und soll kein Hindernis mehr darstellen.

Ich darf mich bei all jenen, die sich mit dieser Materie so intensiv auseinandergesetzt haben, und auch für Ihre Redebeiträge bedanken. Damit schließe ich. – Vielen Dank, Herr Präsident! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.37

15.37.33


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort?– Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.38.007. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädi­gungsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden (Anti-Gold-Plating-Gesetz 2019) (508 d.B. und 583 d.B. sowie 10162/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung, zu dem ich Herrn Bundesminister Dr. Josef Moser ganz herzlich bei uns begrüße. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


15.38.26

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterneh­mensgesetzbuch, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesen­gesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden, das sogenannte Anti-Gold-Plating-Gesetz 2019.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zum Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stim­men­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile es ihm.



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15.39.52

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Herr Justiz­minister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierung legt ihr erstes Anti-Gold-Plating-Gesetz vor. Ein weiteres Paket soll angeblich bis Herbst 2019 folgen.

Worum geht es dabei überhaupt? – Österreich hat in vielen Lebensbereichen bessere Schutzbestimmungen, bessere Regeln als die Europäische Union, und wir können und sollten darauf eigentlich auch sehr stolz sein. Das sind oft harte Errungenschaften, zum Beispiel beim Konsumentenschutz, bei Lebensmittelbestimmungen, bei Umweltstan­dards, wie zum Beispiel auch bei der Wasserqualität. Ich gratuliere Präsidenten Ingo Appé zu dieser sehr beeindruckenden Enquete am gestrigen Tag. (Beifall bei der SPÖ.) Es war dies wieder eines der vielen Lichtmomente des Bundesrates (Bundesrat Steiner: Die habt ihr fast niedergestimmt, die Enquete!), wo sich unsere Kammer wieder einmal als die Zukunftskammer in Österreich erwiesen hat. Ich gratuliere dazu.

Es sind dies natürlich auch Errungenschaften im Arbeitnehmerschutzbereich, und ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was soll daran negativ sein, wenn wir in Österreich die Mindeststandards überspringen und besser als viele andere sind?

Die SPÖ sagt ein ganz klares Ja zum Abbau von Bürokratie. Wir sind klar gegen eine unnötige Überbürokratisierung. (Bundesrat Steiner: Seit wann?!) Es war immer wieder die Rede von der Torte, die nicht in den Kindergarten mitgebracht werden kann, und all diesen Dingen. Da haben wir zumindest einen Punkt, in dem wir einer Meinung sind: Solcher Unfug gehört abgeschafft, da sind wir auch sofort dabei.

Wir diskutierten am Dienstag im Justizausschuss miteinander. Es wurden für das Anti-Gold-Plating-Gesetz an die 800 Vorschläge eingebracht, wo überall die Richtlinien teils gesenkt werden sollten. Wenig überraschend dabei ist, von wem die meisten Vorschläge, nämlich an die 500, gekommen sind. Die meisten Vorschläge, Standards zu reduzieren, kommen von der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer – zur Überraschung aller! Stellungnahmen von der Arbeiterkammer und vom ÖGB wurden eher liegengelassen – zu aller Überraschung!

Ja, auch mit diesem Gesetz werden nationale Kontrollvorschriften leider rückgebaut, zum Beispiel beim Investmentfondsgesetz, beim Immobilien-Investmentfondsgesetz, wo Aufsichtsräte zum Teil nicht mehr bewilligen, sondern nur mehr bloß informiert werden. Es folgen ja noch weitere – angeblich 160 – Gesetze, die ebenfalls bereinigt werden sollen. Dazu wollen wir ganz klar eine gründliche Begutachtung und eine genaue Abwägung bei jedem einzelnen Gesetz haben, Herr Minister.

Klar ist, Konzerne sind dahinter, Standards zu senken. Diese Standards und diese Besserstellungen wurden aber auch nicht willkürlich gewählt, sondern sie haben ihre klare Berechtigung. Wir nehmen es nicht in Kauf, dass Konsumentenschutz und Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Warum ist der Konsumentenschutz dann pleite durch die SPÖ?!)

Wir werden ganz genau darauf achten, was uns bei diesen kommenden 160 Gesetzen vorgelegt wird, denn für uns kommt ein Abbau von Schutzbestimmungen unter dem Mäntelchen des Abbaus von Bürokratie zum Beispiel im Lebensmittelbereich, bei der Wasserqualität oder im Konsumentenschutz natürlich nicht infrage. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber das sind ja Unterstellungen ... bis zum Gehtnichtmehr! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Kein Vorteil ohne Nachteil, kein Nachteil ohne Vorteil: Das waren auch die Worte am Dienstag im Justizausschuss. Höhere Standards helfen, nützen dem einen, aber schaden unter Umständen anderen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) – zum Bei-


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spiel der Profitgier, Herr Kollege. Für uns ist es wichtig, die Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie den Konsumentenschutz dabei in den Vordergrund zu stellen. (Bundesrat Steiner: Das glaubt euch kein Mensch!) Wir sagen ein klares Nein zum Demolieren von Schutzbestimmungen, wir sagen ein klares Nein zum Rückbau sinnvoller Kontrollbestimmungen. (Bundesrätin Mühlwerth: Hat dir die Corinna die Rede geschrieben?! Weil das hört sich alles gleich an!) Eine Zustimmung zu einem Konzernwunschkonzert wird es von der SPÖ nie geben (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), und aus diesem Grund lehnen wir dieses heutige Gesetz auch ab. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.45


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Doris Berger-Grabner. Ich erteile es ihr.


15.45.28

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuhörer via Livestream und auf der Besuchergalerie! Endlich gehen wir gegen unnötigen Bürokratieaufwand und unnötige Belastungen vor – für unsere Unter­nehmer und Unternehmerinnen und unsere Bürger und Bürgerinnen. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Na endlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn die Übererfüllung von EU-Richtlinien zur Last wird und keinen Nutzen für die Bevölkerung und für die Wirtschaft bringt, dann gilt es zu handeln. (Bundesrat Schennach: Danke, das war sehr aufschlussreich!) Ein großer Dank ergeht an die Bundesregierung (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ), dass sie hier nun wirklich handelt. Gehandelt wurde unter Einbindung aller Stakeholder, auch der Arbeiterkammer, Unternehmer, Unternehmerinnen, Wirtschaftskammer, Industriellen­vereinigung, Berufsverbände, Beamten und so weiter, um vorerst 40 Bestimmungen auf ein sinnvolles Maß zurückzuführen, um Menschen und Unternehmen Zeit und Geld zu ersparen. (Ruf bei der SPÖ: Weil jetzt ist es umgekehrt?!) Wichtig dabei ist auch – Kollege Weber, an Sie gerichtet –: Schutzvorschriften bleiben klar bestehen.

Es liegen vorerst elf Gesetze vor, an denen Änderungen vorgenommen werden, teilweise nur kleine Änderungen, teilweise größere Änderungen, und das ist erst der erste Schritt in die richtige Richtung (Rufe bei der SPÖ: Eine Drohung! Das ist eine gefährliche Drohung!) – ein Prozess der Rechtsbereinigung und Deregulierung, ein Prozess, der notwendig ist, um allen unseren Unternehmern und Unternehmerinnen (Bundesrat Schennach: Ah, wir sind schon wieder im Text!) unnötige Bürokratie zu ersparen: überflüssige Prüfpflichten, Meldepflichten und Mitteilungspflichten. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Alle 800 Meldungen, die eingelangt sind, wurden sorgfältig über­prüft, Doppelmeldungen ausgeschieden. Man hat sich bei jeder Meldung die Frage gestellt, welche Belastungen diese Bestimmungen bringen und was für einen Vorteil eine Änderung für Österreich auch im Hinblick auf unsere Arbeitsplätze hat – so viel zum Hintergrund.

Ich habe Ihnen nun ein Beispiel mitgebracht, ein Beispiel des Verbands Öster­reichi­scher Entsorgungsbetriebe betreffend das Abfallwirtschaftsgesetz 2002. Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil wir jetzt schon einiges über die anderen Gesetze gehört haben und dieses Gesetz, finde ich, bisher noch sehr wenig thematisiert wurde.

Nehmen Sie einmal an, Sie möchten sich im Garten ein kleines Schwimmbad bauen und heben dafür eine Baugrube aus. Was übrig bleibt, sind einige Kubikmeter Garten­erde. Ihr Nachbar kann diese Erde gut brauchen. Dürfen Sie ihm diese Erde geben? (Bundesrat Weber: Nein!) – Nein, und ich sage Ihnen auch, warum: weil diese Erde,


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wenn Sie diese selber nicht verwerten können, aufgrund der Entledigungsabsicht als Abfall gilt. Was fordert daher zum Beispiel die Abfallwirtschaft? – Dass Naturmate­ria­lien, die aufgrund nur dieser Entledigungsabsicht zu Abfall geworden sind, auf ein­fachem Wege aus dem Abfallregime entlassen werden.

Ein weiteres Beispiel: Sie können jetzt dieses Material nicht wiederverwerten und führen es auf eine Deponie. Was passiert dort? – Fachpersonal ist notwendig, um die erforderlichen Untersuchungen anzustellen. In Österreich wird diese Richtlinie so aus­gelegt, dass diese Untersuchungen nur von akkreditierten Labors und Prüfstellen durchzuführen sind.

Sie, meine geschätzten Damen und Herren, können sich jetzt sicher vorstellen, welchen Mehraufwand, welche Mehrkosten und Zeitverzögerung die Auslegung dieser Richtlinie bedeutet. (Bundesrat Schennach: Da war aber Schwarz-Blau an der Regierung! Also!) Daher sind Neuregelungen dringend erforderlich, die jetzt auch passieren. Diese Neuregelungen in diesem Bereich besagen zum Beispiel für die Ab­fallwirtschaft, dass kein eigenes Labor mehr erforderlich ist, sondern dass die Qua­litätssicherung dort von qualifizierten Personen durchgeführt wird.

Meiner Ansicht nach ist das eine großartige Neuerung. Wenn jetzt jemand der Ansicht sein sollte, dass das kein großer Wurf ist, dann sage ich Ihnen: Fragen Sie zum Beispiel die Entsorger, fragen Sie die Abfallwirtschaft, welche enorme Zeit- und Kos­tenersparnis diese Neuerung für sie bedeutet.

Fragt man Unternehmer, was für sie die größten Hürden im Arbeitsalltag sind, dann kommt allem voran die Antwort: bürokratische Belastungen und die Vermeidung von Gold Plating – vor allem für unsere EPUs. Davon gibt es in Österreich eine ganze Menge, es sind rund 60 Prozent. Sie tun sich oft wirklich sehr, sehr schwer mit unnöti­gem bürokratischem Aufwand.

Es geht jetzt keinesfalls darum, Sozialstandards oder sonstige Schutzstandards zu beseitigen (Bundesrätin Schumann: Steht aber auf der Liste!), nein, sondern es geht darum, den heimischen Standort und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu stärken. Das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria hat errechnet, dass die österreichische Wirtschaft durch die Übererfüllung von EU-Regelungen mit rund 500 Millionen Euro pro Jahr belastet wird. Dazu kommen noch circa 100 Millionen Euro pro Jahr in der öffent­lichen Verwaltung. (Bundesrat Schennach: Sie bestätigt die Weber-Rede!) Fakt ist, ohne Gold Plating könnte das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent, sprich 800 Millio­nen Euro, höher ausfallen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Zweitens, es hätte eine höhere Beschäftigung – um rund 2 300 Personen – zur Folge. Drittens, das Nettoeinkommen der Beschäftigten würde um 250 Millionen Euro zulegen.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jetzt noch jemand von Ihnen der Meinung ist, dass die Beseitigung dieser unnötigen Überbürokratisierung keine gute Sache ist. Ich, auf alle Fälle, danke der Bundesregierung und Ihnen, Herr Minister, dass Sie mit Ihrem Ressort in einem Bottom-up-Prozess tatsächlich alle Stakeholder miteinbeziehen und jede einzelne Meldung auch auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüfen.

Ich komme auch schon zum Schluss, meine geschätzten Damen und Herren: Ich bin überzeugt, dass diese Bundesregierung auf einem zielführenden Weg ist. Bürokratie wird abgebaut, Schutzbestimmungen bleiben erhalten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Die Bundesräte Schennach und Weber: Für wen? Für wen?)

15.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile es ihm.



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15.52.43

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Galerie und die, die via Livestream dabei sind! Auf den billigeren Bau des Schwimmbades werde ich nicht eingehen. Das wäre eine eigene Diskussion, aber das ist wohl nicht Gegenstand der Debatte.

Meine geschätzten Damen und Herren, wie Kollege Weber bereits ausgeführt hat, hat die österreichische Bundesregierung ihr erstes Anti-Gold-Plating-Gesetz auf den Tisch gelegt, und ich möchte eigentlich nochmals verstärken, was Kollege Weber gesagt hat, nämlich dass wir eigentlich bisher stolz waren, in vielen Lebensbereichen bessere Re­gelungen und Schutzbestimmungen als in der Europäischen Union zu haben, ob das der Konsumentenschutz, das Lebensmittelrecht, Umweltstandards oder die Ab­wasser­richtlinie sind. Wie gesagt, das wurde schon alles erwähnt.

Es beschleicht mich das Gefühl, diese Schutzbestimmungen und -regeln sind jenen, die nur Deregulierung und Verschlechterungen im Sinn haben, ein Dorn im Auge – schlicht und einfach. Da können sich die Industriellenvereinigung, die Wirtschaft und die Europäische Kommission die Hand geben, und die Bundesregierung ist dabei, Erfüllungsgehilfe derer zu sein, die statt besserer Regeln für Bürgerinnen und Bürger, für Konsumenten nur ihren Vorteil im Fokus haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren, ich sage es Ihnen ganz klar: Einem Wunsch­konzert für Konzerne werden wir als Fraktion nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das macht dann eh der Schieder im Europaparlament! – Bun­des­rat Rösch: Oder seine Frau bei Siemens!)

Es wurden bereits das Investmentfondsgesetz und das Immobilien-Investment­fonds­ge­setz erwähnt. Ich halte, so wie es Kollege Weber gesagt hat, solche Entwicklungen für sehr gefährlich, wenn nicht für brandgefährlich. Es geht nämlich in Richtung Freibrief für Manager, und darüber hinaus frage ich mich schlicht und einfach: Wo bleibt denn da der Anlegerschutz? Von dem war nämlich nicht die Rede.

In dieser ersten Sammelnovelle sind insgesamt rund 40 Streichungsvorschläge ent­halten, insbesondere, wie bereits erwähnt, zum Wirtschafts- und Umweltrecht. Auch wenn die erste Welle noch nicht den endgültigen Dammbruch zum Abbau von öster­reichischen Standards darstellt, kommt es entgegen den Behauptungen der Bundes­regierung zu teilweisen Verschlechterungen, die schon überprüfenswert sind.

Ich möchte Ihnen dazu drei Beispiele geben. Zum Ersten: Die Berechnungen der Rück­stellungen für Abfertigungen und Jubiläumsgelder werden auf eine finanzmathe­ma­tische Methode umgestellt. Dadurch besteht jedoch die Gefahr einer Unterdeckung und damit eines Ausfalls von Ansprüchen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Zweites Beispiel: Die Preisauszeichnungspflicht beim Geldwechseln in Wechselstuben sollen nur mehr gelten – ein Nachteil –, wenn KonsumentInnen damit nicht mehr auto­matisch über die zu erwartenden Spesen informiert werden.

Und zum Dritten: Die Streichung einer Bestimmung im Unternehmensgesetzbuch führt dazu, dass Kleinstgesellschaften Haftungsverhältnisse und wesentliche finanzielle Ver­pflichtungen nicht mehr offenlegen müssen. Das wirkt sich wiederum negativ auf den Gläubigerschutz aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht verfestigt sich hier der Ein­druck: Die Wirtschaft bestellt und die Regierung liefert. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Schön wär’s!)


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Dass seitens der Wirtschaft das schrille Lied der Überbürokratisierung, so wie es die Frau Kollegin gerade gesagt hat, gesungen wird, ist nicht neu (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von FPÖ und SPÖ), wohl aber, dass die österreichische Bun­desregierung die Begehrlichkeit nach maßloser Deregulierung zur Staatsdoktrin erhebt. Das ist neu, würde ich sagen, von billiger und unseriöser Argumentation ganz abge­sehen. Die Deregulierungswünsche der Wirtschaft als EU-Auftrag einzuführen ist eben­so unseriös und ein Bärendienst auch für die EU-Stimmung in Österreich. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist aber auch kein Fehler, der Wirtschaft und vor allem den KMUs das Leben ein wenig zu erleichtern! – Rufe bei der ÖVP: Danke!) – Frau Kollegin, ich weiß, Zuhören ist nicht Ihre Stärke, aber was nicht ist, kann noch werden, vielleicht im nächsten Leben. – Okay? (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, hier wird rein innenpolitisch motiviert einer breiten Nivellie­rung von Standards nach unten der Weg bereitet. Das ist auch ein Bruch des Ver­sprechens, dass die europäische Integration zur Verbesserung der Lebens- und Ar­beitsbedingungen beitragen soll. Damit, meine Damen und Herren der Regierungs­parteien, nähren Sie die EU-Skepsis in unserem Land. Anstatt wie im Sport stolz zu sein, dass wir in vielen Disziplinen Gold holen, wollen Sie für die Beschäftigten und für Konsumentinnen und Konsumenten bei den Rechten und Schutzbestimmungen Blech statt Gold zum österreichischen Standard erheben. Ich sage Ihnen: Nicht mit uns! Wir werden uns dafür einsetzen, dass die hohen österreichischen Standards erhalten bleiben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Dr. Josef Moser. – Bitte, Herr Bundesminister.


16.00.03

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte einleitend einmal darauf hinweisen, dass für uns alle die Schutzstandards, die wir haben, von Bedeutung sind.

Es ist auch in den Ausführungen immer wieder dargestellt worden, dass nicht beab­sichtigt ist, Arbeitnehmerschutzstandards zu senken, Umweltschutzstandards zu sen­ken oder – in diesem Fall – auch für die Konsumenten Verschlechterungen vorzuneh­men. Wenn Sie sich das Paket anschauen, sehen Sie, dass dieses Paket genau in die Richtung geht, dass das eben nicht beinhaltet ist, denn es ist uns darum gegangen – auch wir sind stolz darauf –, dass wir in gewissen Bereichen höhere Standards haben.

Es geht aber auch darum, und da geht es um die Wirtschaft, in Österreich keine Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Wettbewerbsfähigkeit und gleichzeitig auch die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und damit zulasten von Arbeitsplätzen in Österreich gehen. In dem Paket, das wir vorgelegt haben, geht es genau darum, dass wir überflüssige Mitteilungspflichten, Meldepflichten, Zulassungspflichten und gleich­zeitig Prüfpflichten beseitigen, die sehr viel an Kosten verursachen, ohne aber einen Nutzen für die Konsumenten beziehungsweise auch für die Arbeitnehmer zu bringen, sehr wohl aber zu Belastungen führen und unsere Unternehmen dadurch beeinträch­tigen.

Das heißt, auch wir sind stolz, dass wir höhere Standards haben, aber wir sehen es als unsere Verpflichtung an, in jenen Bereichen, in denen Bürokratie keinen Zweck und keinen Sinn hat und nur zu Belastungen führt, diese Maßnahmen zu beseitigen. Und das tun wir. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Dass wir in dem Bereich nicht fahrlässig, sondern sehr gewissenhaft vorgegangen sind, das ist auch aus den Redebeiträgen hervorgegangen. Es sind in meinem Minis­terium 800 Meldungen eingelangt, davon 300 Doppelmeldungen, das heißt, es sind 500 Meldungen übrig geblieben. Von den 500 Meldungen haben wir 300 ausge­schie­den, die in die Richtung gehen würden, dass man Arbeitnehmerschutzstandards, gleich­zeitig Umweltstandards oder gleichzeitig auch Konsumentenschutzstandards senken würde. Die haben wir ausgeschieden.

Die restlichen 200, die wir einbezogen haben, sind solche, die genau in diese Richtung gehen, wie ich sie erwähnt habe, nämlich überflüssige Mitteilungspflichten, Melde­pflichten, Zulassungspflichten, Prüfpflichten. Wir sind dabei so vorgegangen, dass wir ein erstes Paket mit 40 Maßnahmen vorgelegt haben, bei denen klar war, dass es keine Belastungen für irgendjemanden, sondern Vorteile für alle – für die Unterneh­men, damit auch für die Arbeitnehmer – gibt, wenn man diese Übererfüllung, die von der EU nicht gefordert wird und zu Belastungen führt, wegnimmt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die restlichen 160 Bestimmungen werden auch überprüft. Dabei lege ich Wert darauf, dass dies ein sehr partizipativer Prozess ist, dass alle miteingebunden werden, dass gleichzeitig mit allen erarbeitet wird, welche Regelungen wegfallen sollen, weil ihr Nutzen wesentlich geringer ist als die Kosten, die durch sie verursacht werden.

Ich werde dieses Paket natürlich sehr wohl vorlegen, damit es einer Beurteilung durch die Arbeiterkammer, den Gewerkschaftsbund, die Wirtschaftskammer, die Industriel­lenvereinigung und alle anderen unterzogen wird, und daran anknüpfend das zweite Paket im zweiten Halbjahr – aufgrund des Begutachtungsverfahrens – auch dem Bundesrat vorlegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das ist der Weg – wobei ich auch darauf hinweisen möchte, dass es mir wichtig war, alle Interessen und alle Einwendungen, die da waren, dementsprechend zu berück­sichtigen und in die Beurteilung miteinzubeziehen. Da war es eben so, dass gewisse Vorschläge beziehungsweise bestimmte Anmerkungen nicht dazu geeignet waren, um daraus klar eine nötige Maßnahme ableiten zu können, da sie sehr pauschalierend gewesen sind beziehungsweise keinen konkreten Inhalt gehabt haben. Aus dem Grund sind sie nicht berücksichtigt worden.

Ich möchte in dem Zusammenhang erwähnen, dass das Paket, das wir vorlegen, und die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, auch dazu führten, dass beispielsweise auch der Länderbericht zum Europäischen Semester Österreich ein positives Zeugnis ausstellt, weil wir eben zum einen eine Rechtsbereinigung durchgeführt haben und andererseits auch eine Übererfüllung des EU-Rechts zurücknehmen. Österreich baut damit Bürokratie ab und stärkt den Wirtschaftsstandort, ohne die Arbeitnehmerrechte in irgendeiner Art und Weise zu beeinflussen.

Aus diesem Grund, glaube ich, liegt es im Interesse von uns allen, diesen Weg weiter­zugehen, wohl wissend, dass wir stolz sein können – da bin ich Ihrer Meinung –, dass wir höhere Standards haben, und dass es wichtig ist, diese Standards für unseren Wirtschaftsstandort, aber auch für unser Sozialgefüge weiter aufrechtzuerhalten. In diese Richtung werden wir auch weiter arbeiten. Deshalb schauen Sie sich bitte den Bereich noch einmal an.

Vielleicht auch noch eine Anmerkung betreffend den Aushang beispielsweise von Sparzinsen und dergleichen: Da haben wir eine Wahlmöglichkeit für das Kreditinstitut vorgesehen, die Informationen entweder im Internet oder gleichzeitig durch Aushang bekanntzugeben. Das heißt, das Institut hat damit eine Wahlmöglichkeit, wird aber nicht verpflichtet, beiderlei Maßnahmen zu setzen.


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Was die Änderung im Rechnungswesen betrifft, so geht es darum, mehr Rechts­sicher­heit zu schaffen. Wichtig ist mir auch, was Sie angeführt haben, die Frage, wie es bei der Berechnung von Abfertigung und Rückstellung und so weiter ausschaut. Auch dabei hatten wir derzeit die Problematik, dass sowohl versicherungsmathematisch als auch finanzmathematisch zu berechnen war. Es waren zwei Berechnungen anzu­stellen, die nicht notwendig sind, weil ja auch die finanzmathematische Berechnung sehr wohl auf alle statistischen Daten zurückgreifen beziehungsweise auch konkrete Schätzungen zugrunde legen muss, das heißt, auch versicherungsmathematische Daten miteinfließen müssen. Beide Berechnungen zu verlangen wäre also eine Über­erfüllung, ohne dass damit ein zusätzlicher Wert geschaffen wurde.

Ich glaube, wir sind sehr vorsichtig, aber sehr wohl so vorgegangen, dass unser Anlie­gen – auch das haben Sie bekundet –, Bürokratie abzubauen, Österreich als Wirt­schaftsstandort zu stärken, ohne die Arbeitnehmerrechte zu schmälern, umgesetzt werden kann. Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.06


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.


16.06.42

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegen Bundesräte! Zu Herrn Kollegen Kaske, Arbeiterkammerpräsident außer Dienst: Mir reicht es jetzt dann langsam. Jedes Mal müssen wir uns hier ein Unternehmerbashing von der besten Sorte à la AK und Sozialisten anhören!

Jetzt breche ich hier endlich einmal eine Lanze für alle Kleinunternehmer, so wie ich einer bin, die täglich aufstehen und schauen müssen, wovon sie leben können. (Beifall bei der FPÖ.) Das sind nicht solche, bei denen das Geld von selber hereinfliegt, so wie Sie das immer darstellen. Was glauben Sie denn überhaupt? Alle Tage stehen wir auf, alle Tage, täglich! Wir arbeiten nicht im geschützten Bereich, so wie Sie das Ihr Leben lang gemacht haben, Herr Kaske. (Rufe bei der SPÖ: Oh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dann hier von Reformen und Deregulierung zu sprechen, Herr Kaske, wo die Arbei­terkammer das Best-Practice-Beispiel für mehr, mehr, mehr Regulierungen, noch mehr Hürden, noch mehr Aufbürden ist, ist an Ironie schon fast nicht mehr zu überbieten. Sie gehen auf die bösen Konzerne los, aber wenn die Sozialisten in Wien scheitern, wie die Frau des Herrn Spitzenkandidaten Schieder, dann schicken wir sie gerne in den Siemenskonzern, damit sie versorgt ist, gell? (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Mühlwerth: Da sind wir schon froh, dass es den bösen Konzern gibt!)

Jetzt kommen wir aber zurück zum Gold Plating. Was heißt das? Das heißt etwas vergolden, im konkreten Fall heißt es das Übererfüllen von EU-Regelungen. Darin war ja die letzte Bundesregierung wirklich Weltmeister. Alles, und war es noch so ein Blödsinn, wurde sofort und ohne über die Konsequenzen nachzudenken, umgesetzt und zum Leidwesen unserer Bürger dann auch noch übererfüllt. Mit dem Anti-Gold-Plating-Gesetz setzen wir nun einen ersten richtigen und wichtigen Schritt, dem aber noch viele, viele Schritte folgen müssen. (Ruf bei der SPÖ: Das befürchte ich auch!) Dieses Gesetz wird über 40 Überregulierungen beseitigen und somit natürlich zum Bürokratieabbau beitragen.

Wir haben den Österreichern im Wahlkampf versprochen, Österreich schlanker, ge­rechter und fairer zu machen. (Beifall bei der FPÖ.) Dazu gehört auch, unnötige Mehrbestimmungen, Hürden, staatliche Bevormundungen sowie Überregulierungen abzuschaffen. Nun ist mir schon klar, liebe SPÖ, dass es für euch eigenartig und


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befremdlich sein muss, wenn eine Partei daherkommt und Wahlversprechen umsetzt. Nun, liebe Genossen, Entschuldigung, GenossInnen, an das werdet ihr euch halt gewöhnen müssen. Wir stehen den Österreichern im Wort und setzen unsere Ver­sprechen um. (Bundesrätin Schumann: Ja, 14 Milliarden Steuer!)

Österreich ist das Regulierungsland Nummer eins. Jetzt liegt es an der neuen Bun­desregierung und an uns Abgeordneten, im Interesse unserer Bürger diese überbor­denden Regulierungen genau anzusehen und abzubauen.

Österreichs Unternehmen dürfen einfach nicht schärferen Bestimmungen unterliegen als ihre Konkurrenten in der restlichen EU, denn wohin führt uns das sonst? Wir schwächen den Wirtschaftsstandort Österreich und gefährden auch unsere Arbeits­plätze.

Wir führen mit dieser Regierung die Bürokratiebremse in Österreich ein. Auf diese Bremse haben die Bürger schon viel zu lange gewartet, denn anstatt weniger gab es unter den Vorgängerregierungen immer mehr Bürokratie in Österreich, sie ist konstant angewachsen.

Eines, soviel ich jetzt da gehört habe, verstehe ich wirklich nicht, nein, ich verstehe es beim besten Willen nicht (Bundesrat Weber: Ich glaub, du verstehst vieles nicht! Bundesrätin Grimling: Das ist ja das Problem!) – hört mir zu! –: Warum wollen die Sozialisten partout nicht mithelfen, in diesem Staat Bürokratie abzubauen? Die Errun­genschaften in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz und Konsumenten­schutz werden dadurch keinesfalls angetastet, wie wir im Ausschuss gehört haben. Wart ihr (in Richtung Bundesrätinnen Grimling und Schumann), die ihr so lacht, im Ausschuss? Wart ihr zwei im Ausschuss? Nein! (Bundesrat Weber: Aber ich!)

Im Ausschuss haben wir gehört, dass der Experte – der heute ja hier ist, habe ich ge­sehen – gesagt hat: Erfundene Standards, die vorher niemand vermisst hat, kann auch niemand abschaffen. Weiters hat der Experte gesagt: Von dieser EU-Gesetzes­berei­nigung sind unsere Standards – hört mir zu! – nicht betroffen, da wir diese Standards schon weit vor dem Beitritt in die Europäische Union gehabt haben. Das ist euch aber alles egal, das wollt ihr gar nicht hören. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Haupt­sache, wir sind dagegen – wie die Kinder im Kindergarten, das ist wirklich fast schon peinlich.

Zumindest – das ist das nicht so Schlechte – erkennt man bei den Sozialisten nun eine Konstante, die man ja in der Zeit, als sie in der Regierung waren, sehr vermisst hat, denn da waren sie ja – frei nach Ostermayer – sehr situationselastisch. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.– Ja, der war so unwichtig, dass ich den Namen schon wieder vergessen habe.

Jetzt habt ihr eine Konstante: Zu allem, was von der Regierung kommt – und sei es auch noch so vernünftig und wichtig für Österreich –, sagt ihr einfach kategorisch Nein.

Am Regierungsprogramm – ich weiß schon, ihr wollt es nicht lesen – steht in dicken Lettern ganz vorne drauf: „Zusammen. Für unser Österreich.“ (Bundesrätin Grimling: Mit dir nicht!) Vielleicht nehmt ihr euch das einmal zu Herzen, um zusammen für Öster­reich zu arbeiten, und vielleicht fängt ihr endlich einmal an, für Österreich zu arbeiten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.13


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Rudolf Kaske zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.13.44

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Zum Ersten möchte ich vor­weg sagen: Ich habe großen Respekt vor allen, die in der Wirtschaft tätig sind. Ich sage aber auch dazu, die Wirtschaft sind wir alle, davon gehe ich aus.


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Zur tatsächlichen Berichtigung: Der Abgeordnete vor mir hat in seiner Rede behauptet, ich hätte mein Leben lang im geschützten Bereich gearbeitet. (Bundesrat Steiner: Ein Jahr nicht!) Ich will jetzt nicht auf das eingehen, was Sie sagen. (Bundesrat Steiner: Was wollen Sie berichtigen?) Ich will nur sagen, dass Sie sich nur meinen Lebenslauf anzuschauen brauchen. Ich habe mein Leben lang a) gearbeitet, b) war ich während der letzten fünf Jahre als Präsident der Wiener Arbeiterkammer und der Bundesar­beits­kammer ein von den Bürgerinnen und Bürgern, Arbeitnehmerinnen und Arbeit­neh­mern in diesem Land gewähltes Organ. (Ruf bei der FPÖ: Das ist auch ein geschützter Bereich! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Gegenruf bei der SPÖ: Du sitzt auch im geschützten Bereich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Insgesamt bin ich seit 48 Jahren tätig. – Ich sage das nur der Ordnung halber dazu. (Bundesrätin Mühlwerth: Hat ja keiner gesagt, dass du nichts arbeitest!) Daher ist die Behauptung, dass ich ein Leben lang im geschützten Bereich gearbeitet habe, unrichtig. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15

16.15.26


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.15.508. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz und das Bundesverwaltungs­gerichts­gesetz geändert werden (561 d.B. und 584 d.B. sowie 10163/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsgebührengesetz, die Insolvenzordnung, das Kärntner Erbhöfe­gesetz 1990, das Tiroler Höfegesetz und das Rechtspflegergesetz geändert werden (Zivil­rechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019 – ZZRÄG 2019) (560 d.B. und 585 d.B. sowie 10164/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungs­punkten 8 und 9, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um die Berichte.


16.16.29

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichts­organisationsgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz, das Sachverständigen- und Dol­metschergesetz und das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:


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Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme weiters zum Bericht betreffend den Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anerbengesetz, das Außer­streitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsgebührengesetz, die Insolvenzord­nung, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Tiroler Höfegesetz und das Rechtspfle­ger­gesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile es ihm.


16.18.34

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass ich jetzt zu einem Tagesordnungspunkt des heutigen Tages reden darf, bei dem, glaube ich, ein großer Konsens in diesem Haus besteht, dass mit den Gesetz­entwürfen, die wir heute beschließen werden, in unserem Land durchaus etwas weiter­gebracht wird.

Ich bedanke mich jetzt schon beim Herrn Bundesminister, dass er diese Gesetz­ent­würfe hier zur Abstimmung im Bundesrat vorgelegt hat.

Worum geht es im Detail? Es gibt Anpassungen im Gerichtsorganisationsgesetz, im Gebührenanspruchsgesetz, im Sachverständigen- und Dolmetschergesetz und im Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, allesamt Regelungen, die, glaube ich, eine Vereinfachung und Beschleunigung des Gerichtsbetriebes mit sich bringen, was wir alle, glaube ich, auch unterstützen.

Was heißt das? Sachverständige und Dolmetscher haben schon lange das Anliegen deponiert, dass sie von den sehr strengen und auch notwendigen Sicherheitskontrollen bei den Eingängen zu den Gerichtsgebäuden ausgenommen werden sollen, da sie da natürlich auch in den Stau hineingeraten und dann oft zu spät zu Verhandlungen kommen. Wenn man weiß, dass diese Personen bei ihrer Zulassung schon strenge Prüfungen hinsichtlich ihrer Vertrauenswürdigkeit über sich ergehen lassen müssen, dann ist, glaube ich, zu unterstützen, dass diese Personen von den Sicherheits­kon­trollen ausgenommen werden.

Zudem sollen Dolmetscher und Gerichtssachverständige verpflichtet werden, den elek­tronischen Rechtsverkehr zu benützen, was natürlich auch dazu führt, dass die Gerichtsabläufe, die Verfahrensabläufe beschleunigt werden. In diesem Zusammen­hang soll auch das Gebührenanspruchsgesetz angepasst werden, denn sollten zusätz­liche Kosten für die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs anfallen, müssen diese natürlich auch abgegolten werden.

Zudem soll es eine Änderung bei den Fristen im elektronischen Rechtsverkehr hin zum Bundesverwaltungsgericht geben. Ich habe mir diese Sache angeschaut. Mich hat es schon ein bisschen gewundert, ich habe das etwas als antiquiert empfunden: Der Fristenlauf beim Bundesverwaltungsgericht endet bei per Mail oder über den elek-


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tronischen Rechtsverkehr gemachten Eingaben am letzten Tag mit Ende der Betriebsstunden, wahrscheinlich um 17 Uhr. Wenn ich aber einen Boten oder einen Brief schicke, dann beginnt der Fristenlauf erst an dem Tag, wo ich es abgebe, also auch am letzten Tag; da wird der Postweg in den Fristenlauf nicht eingerechnet. Da bin ich sehr froh, dass man das anpasst, das ist, glaube ich, sehr zeitgemäß.

Ein ganz wesentlicher Punkt, den wir unter Tagesordnungspunkt 9 behandeln, ist die Anpassung des Anerbengesetzes. Da bin ich als bäuerlicher Interessenvertreter ebenfalls dankbar, dass man das endlich angegangen ist. Ich habe dabei aber ein lachendes und ein weinendes Auge: einmal lachend, weil die langjährige Forderung der bäuerlichen Interessenvertretung erfüllt wird, dass die Grenze, ab wann das Anerbenrecht zur Geltung kommt, von einer zweiköpfigen Familie auf eine einköpfige Familie gesenkt wird – was das bedeutet, das werde ich noch erläutern –, das befür­worte ich sehr.

Auf der anderen Seite habe ich, wie schon gesagt, ein weinendes Auge, wenn ich die Entwicklung sehe. Ein durchschnittlicher Hof – das ist auch im Tiroler Höfegesetz beschrieben – hat ursprünglich, im Jahr 1900, als das Tiroler Höfegesetz erlassen wurde, eine fünfköpfige Familie erhalten. In den 1980er-Jahren wurde das einmal angepasst. Man hat gesagt, dass sich das alles geändert hat, dass sich die Einkom­menssituation in den bäuerlichen Betrieben leider verschlechtert hat. Damit das Gesetz überhaupt noch eine Wirkung hat, gehen wir auf eine zweiköpfige Familie zurück. Seit den 1980er-Jahren bis zum heutigen Zeitpunkt ist der gleiche Betrieb leider nur mehr fähig, eine einköpfige Familie zu erhalten. Daran sieht man die wirtschaftliche Entwick­lung in der Landwirtschaft, die uns allen zu denken geben muss.

Was bewirkt jetzt das Anerbengesetz? Es kommt ja leider zu oft vor, dass der Bauer oder die Bäuerin als Eigentümer eines Hofes durch einen Arbeitsunfall oder was auch immer ohne vorherige Regelung der Erbfolge aus dem Leben scheidet. Mit dem Anerbengesetz will man verhindern, dass bei solch unregulierten Erbfällen der Hof auf drei, vier, fünf Erbberechtigte aufgeteilt wird, da dies nicht zielführend ist, weil dann der Hof nicht mehr weiter bewirtschaftet werden kann. Da greift das Anerbenrecht und sorgt schlussendlich dafür, dass – falls minderjährige Kinder da sind – dieser Betrieb dann, wenn die minderjährigen Kinder das entsprechende Alter erreicht haben, wieder ins Alleineigentum eines Hofnachfolgers übergeht. Das ist richtig und wichtig.

Leider müssen wir, wie ich schon betont habe, die Grenze da immer weiter absenken. Damit das Gesetz überhaupt noch greift, sind wir schon bei der einköpfigen Familie. Ich glaube, weiter hinunter können wir nicht mehr gehen. Da fragt man sich schon: Wer will sich diese Arbeit auf unseren Höfen noch antun, wenn einfach kein Einkommen mehr da ist?

Abschließend darf ich in diesem Haus einen Appell an Sie richten: Wir brauchen, glaube ich, alle miteinander eine funktionierende Landwirtschaft. Wir alle können das auch unterstützen, indem wir unser Bewusstsein betreffend regionale Qualität steigern. Das können wir insbesondere durch Einkauf beim Bauern oder durch Einkauf von heimischen oder regionalen Produkten zeigen.

Was uns am meisten weiterbringen würde und ganz wichtig wäre: Der Konsument sollte klar sehen, woher das Produkt, das er kauft, kommt. Diesbezüglich wäre eine entsprechende Kennzeichnung, eine entsprechende Kennzeichnungsverpflichtung von verarbeiteten Produkten oder vor allem von Lebensmitteln, die in öffentlichen Kantinen oder Küchen ausgegeben werden, sehr zielführend.

Es ist durch Umfragen nachweisbar: Der Konsument will wissen, woher sein Essen kommt, und wir sollten das unterstützen, indem wir früher oder später zu einer klaren Kennzeichnungspflicht kommen und damit den Absatz heimischer Produkte steigern


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und unseren Bauern das Überleben erleichtern. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.25


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf zu den folgenden Tages­ord­nungspunkten bereits jetzt Herrn Bundesminister Norbert Hofer herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. – Bitte.


16.26.06

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Gerichtsorgani­sa­tionsgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz und weitere Materien bereits am Dienstag im Ausschuss sehr ausführlich diskutiert.

Ich kann auch heute Herrn Dr. Raggl beruhigen und ihm in vielen Dingen auch recht geben. Ich habe ihm am Dienstag im Ausschuss schon gesagt, dass die SPÖ da mit­gehen wird.

Wir stimmen dieser Änderung sehr gerne zu, denn es ist natürlich immer gut, wenn es für Berufsgruppen im Justizwesen und für Berufsgruppen, die der Justiz nahestehen, gewisse Erleichterungen gibt. Daher begrüßen wir natürlich, dass es nun für gerichtlich beeidete Dolmetscher und auch für die Gerichtssachverständigen zu gewissen Verbes­serungen kommt.

Zum Beispiel werden mit dieser Novelle die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, Dolmetscherinnen und Dolmetscher von der Sicher­heitskontrolle bei Gerichten ausgenommen. Sie bekommen nun wie Rechtsanwälte nach Vorlage ihrer Ausweise unkontrollierten Zugang. Termine können so in Zukunft ohne Verzögerungen wahrgenommen werden. Als Wermutstropfen bleibt, dass sich hauptamtliche Bewährungshelfer – sie sind genauso vertrauenswürdig wie Sachver­ständige – weiterhin ausweisen müssen und nach wie vor den Sicherheitsbestim­mun­gen unterliegen.

Zweifelsfrei ist es auch so, dass wir mehr Rechtssicherheit haben werden, was die Einbringung von Schriftsätzen anbelangt. Herr Dr. Raggl hat den elektronischen Rechtsverkehr schon erwähnt. So soll es nun im zivilen Bereich wie im Verwal­tungsbereich auch gleiche Regelungen geben, denn es gibt ja keine Rechtfertigung dafür, dass es dort anders gemacht wird wie da. Die direkte Übermittlung von Doku­menten und Gutachten an das Gericht entspricht damit den zeitgemäßen Bedürfnissen nach raschen und kurzen Arbeitsabläufen. Da werden wir, wie schon erwähnt, auch mitgehen.

Nichtsdestotrotz möchte ich schon noch anmerken, dass das für uns trotzdem eine eher kleine Reform ist, da diese Gesetzesänderung nur die kleinen Probleme löst, während die großen oder größeren Probleme weiterhin ungelöst bleiben. Eine langjährige Forderung der SPÖ war es zum Beispiel immer, dass es für Dolmetscher und Dolmetscherinnen und Sachverständige eine bessere Abgeltung geben soll. Diese ist ja teilweise, wir haben es auch am Dienstag im Justizausschuss besprochen, sehr gering, wenn nicht gar beschämend. Es geht da schließlich um unsere Demokratie, um unseren Rechtsstaat. Wenn wir wollen, dass unser Rechtsstaat gut funktioniert, dann muss es uns auch wert sein, dass unsere Dolmetscherinnen und Dolmetscher und Sachverständigen entsprechend gut bezahlt werden. Das sind genau jene Bereiche, die mit dieser Gesetzesänderung nicht behandelt werden, Herr Minister, und das haben wir auch schon am Dienstag kundgetan.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 126

Dann gibt es natürlich ein weiteres großes Problem, und zwar betreffend die Per­sonalsituation bei den Gerichtssachverständigen. Wir wissen ganz genau, dass viele Sachverständige in den nächsten Jahren in Pension gehen werden. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es entsprechende Nachbesetzungen gibt. Auch zu diesem Problem finde ich da leider keine Lösung.

Der Hauptverband der Gerichtssachverständigen und der österreichische Verband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher kritisieren in ihren Stel­lungnahmen den Entwurf ebenso, mit den gleichen Begründungen. Die Aufgaben der Sachverständigen und Dolmetscher werden immer komplexer und gleichzeitig finan­ziell immer unattraktiver. Leider wird mit dieser Novelle die Bewältigung weiterer sehr dringender, seit Jahren anstehender Anliegen nicht in Angriff genommen.

In dieser Regierung ist es da und dort leider öfters der Fall, dass nur kleine Ge­schichten geregelt werden, dass aber, wenn es darum geht, große Herausforderungen, große Probleme zu lösen, die Dinge unbeantwortet bleiben. Daher möchte ich Sie, Herr Minister, auffordern und ersuchen, in Zukunft bitte wirklich darauf zu achten, dass es zu wesentlichen Verbesserungen im Justizbereich kommt, weil das unserer Ansicht nach viel zu wenig passiert und es da und dort schon sehr dringend und wichtig wäre, die großen Probleme zu lösen.

Ich wünsche Ihnen auch bei den Budgetverhandlungen viel Glück und Durchset­zungs­kraft, nichtsdestotrotz werden wir heute bei dieser Gesetzesänderung mitgehen. Danke dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

16.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile es ihm.


16.31.45

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Das Paket bringt eine bessere Einbeziehung von Sachverständigen und Dolmetschern in den Justizalltag sowie Klarstellungen und Verbesserungen in Verfahrens- und Gebührengesetzen.

Wir werden diesem Antrag daher zustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) 

16.32


Vizepräsident Hubert Koller, MA (den Vorsitz übernehmend): Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.


16.32.16

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Das österreichische Recht kennt die Sonderform des Erb­rechts, das sogenannte Anerbenrecht, da will ich mich jetzt aber nicht verbreitern, weil Herr Dr. Raggl hier der Fachmann ist und das, Gott sei Dank, schon ausführlich erklärt hat. Die Novelle ist aber notwendig und die Ausweitung auf die forstwirtschaftlichen Be­triebe wichtig.

Ich möchte zum Verlassenschaftsrecht kommen. Im Außerstreitgesetz gibt es ein ver­einfachtes Verfahren, bevorrechtete Forderungen von gerichtlichen Erwachsenenver­tretern, den bisherigen Sachwaltern, auch weiterhin bevorrechtet zu halten. Mit dieser Novelle werden diese bevorrechteten Forderungen auf alle gesetzlichen Vertretungen ausgeweitet, das heißt, das gilt nun für alle gesetzlichen Erwachsenenvertreter, für gewählte Erwachsenenvertreter und für Kuratoren. Da das Erwachsenenschutz-Gesetz


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 127

das Ziel hatte, die gerichtlichen Erwachsenenvertretungen zu reduzieren, ist dies also eine konsequente Weiterführung dieses Gesetzes.

Ich möchte auch betreffend Gerichtssachverständige und Dolmetscher betonen, wie meine Vorredner schon gesagt haben, dass die Abschaffung der Sicherheitskontrollen für beide Berufsgruppen sehr wichtig ist, weil sie im gerichtlichen Alltag oft sehr eng getaktete Termine haben und die Kontrollen natürlich einen Zeitaufwand bedeuten. Erfreulich ist auch, dass diese Berufsgruppen zukünftig den elektronischen Rechts­verkehr nützen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber auch auf die Entlohnung der beiden Berufs­gruppen zu sprechen kommen, die meiner Meinung nach zu gering ist und auch dazu geführt hat, dass sich zu wenige Fachleute als gerichtlich beeidete Sachver­ständige beziehungsweise Dolmetscher zur Verfügung stellen. Ich weiß, dass Sie, Herr Minister, in diesem Punkt bereits Initiativen ergriffen haben, und ich danke auch für Ihre heute in den Medien wiedergegebene Aussage, dass beim Rechtsstaat nicht gespart werden darf. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es geht natürlich darum, Gehör beim Finanzministerium zu finden, und ich bitte Sie um die Fortsetzung Ihrer Bemühungen in diese Richtung. Wir alle wissen, dass die derzeitigen Stundensätze einen gewöhnlichen Handwerker, der zu einer Wasch­ma­schinenreparatur nach Hause gerufen wird, nicht einmal dazu bewegen würden, seine Firma zu verlassen. Die Gebührensätze wurden nämlich seit zwölf Jahren nicht erhöht, während die Aufgabenstellungen immer komplexer wurden und die Gerichts­gebühren, die dem Staat zukommen, in diesem Zeitraum bereits viermal erhöht wurden. Wir haben ein sehr gut funktionierendes Gerichtssystem, in dem aber die Sachverstän­digen und Dolmetscher eine wichtige Rolle spielen. Die Sorge ist, dass sich eben unter diesen Umständen sehr schwer oder gar nicht Nachfolger finden lassen.

Ich danke für die Klarstellung im Gerichtsgebührengesetz hinsichtlich der Mehrfach­vergebührung bei Pfandrechten. In der Praxis ist es nämlich zu erheblichen Gebühren gekommen. Wenn man zum Beispiel eine belastete Liegenschaft geteilt hat und wo­möglich noch gleichzeitig einen Eigentümerwechsel vorgenommen hat, sind doppelte Kosten angefallen. Mit dieser Novellierung hat man Rechtssicherheit.

Sehr positiv ist auch, dass mit dieser Novelle betreffend Bundesverwaltungsgericht vorgesehen ist, dass elektronische Eingaben als rechtzeitig eingelangt gelten, wenn sie am letzten Tag der Frist vor Mitternacht angekommen sind. Alle diese Schritte, auch wenn sie klein sind, verbessern den Zugang zum Recht und sind Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger. – Vielen Dank dafür, Herr Minister, und vielen Dank für die allgemeine Zustimmung. (Allgemeiner Beifall.)

16.36


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Dr. Moser. – Bitte sehr.


16.36.40

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte mich herzlich bedanken, dass auch diese Vorlagen Ihre einhellige Zustim­mung finden, weil sie doch Regelungen enthalten, die zum einen weniger Bürokratie für die Bürgerinnen und Bürger und gleichzeitig – das ist von Frau Bundesrätin Neurauter angesprochen worden – auch mehr Bürgernähe, einen besseren Zugang zum Recht bedeuten. Nicht zuletzt geht es in die Richtung, dass die Land- und Forst­wirtschaft in Zukunft, was das Anerbenrecht betrifft, stärker geschützt ist.


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Das sind Maßnahmen, die notwendig und zweckmäßig waren, genauso wie es zweck­mäßig war – auch das haben Sie, Frau Bundesrätin, angesprochen –, dass beispiels­weise Mehrfachvergebührungen, gerade beim Pfandrecht, wegfallen. Will man darüber hinaus die Bürgerinnen und Bürger näher zum Recht führen, ist es auch wichtig, dass der Zugang zur Verfahrensautomation Justiz in Zukunft kostenfrei sein wird.

Das sind positive Entwicklungen. Genauso positiv ist, dass sich nun auch Sach­ver­ständige und Gerichtsdolmetscher bereit erklärt haben, verpflichtend den elektroni­schen Akt oder elektronischen Rechtsverkehr anzuwenden, was notwendig ist, weil dadurch Medienbrüche beseitigt werden. Diese Maßnahmen, die heute Ihre Zustim­mung finden, wurden natürlich auch mit dem Hauptverband, sowohl jenem der Sachverständigen als auch jenem der Dolmetscher, besprochen und vereinbart, es wurde gemeinsam diese Lösung gefunden.

Im Rahmen der Debatte wurde, gerade von Ihnen, Herr Bundesrat Weber, auf eine langjährige Forderung hingewiesen: dass Sachverständige und Dolmetscher eine Ent­schädigung bekommen sollen, die ihrer Mühewaltung tatsächlich angemessen ist. Es ist eine Diskussion, die seit dem Jahr 2007 geführt wird und davon gekennzeichnet ist, dass nach dem Jahr 2007 keine Valorisierung, das heißt keine Anpassung, mehr durchgeführt wurde, mit dem Ergebnis, dass die Entschädigungen 24 Prozent an Kaufkraft verloren haben.

Dies führt natürlich dazu, dass es von jungen Sachverständigen und Dolmetschern nicht mehr als sehr attraktiv angesehen wird, diese Funktionen für das Gericht auszu­üben, denn beispielsweise gibt es für ein aufwendiges Gutachten eines Psychiaters, das sehr viele Ressourcen verlangt, in letzter Konsequenz eine Entschädigung von 118 Euro. Das ist ein Zustand, der meines Erachtens behoben werden muss. Dies ist jedoch nicht nur vom Justizminister alleine zu bewerkstelligen, sondern es ist vorgesehen, dass derartige Anpassungen im Einvernehmen zwischen Finanzminister und Justizminister durchgeführt werden. Ich bin diesbezüglich auch an den Finanz­minister herangetreten, denn es wäre notwendig und zweckmäßig, dieses Missver­hältnis zwischen Leistung und Abgeltung zu beheben. Ich hoffe daher, dass auch dieses Problem bei den Budgetberatungen gelöst werden kann.

Ein weiteres Thema, das Sie noch angesprochen haben, betrifft den Zugang und die Sicherheitskontrollen, die nunmehr für Sachverständige und Dolmetscher nicht mehr notwendig sein werden. Sie haben angeführt, dass dies auch auf Bewährungshelfer ausgeweitet werden sollte. Dabei gilt es, auch im Hinblick auf die Vorfälle in Vorarlberg, den Aspekt zu beachten, dass gerade die Sicherheit ein Element ist, das möglichst zu gewährleisten ist. Da ist die Situation so, dass Gerichtssachverständige und Dol­metscher ein sehr strenges Zertifizierungs- und Rezertifizierungsverfahren durchlaufen und auch gerichtlich ausgestellte Ausweise als gerichtlich bestellter Sachverständiger oder Dolmetscher haben. Bei den Bewährungshelfern, mit denen das Justizressort sehr gut zusammenarbeitet und die beim Verein Neustart angestellt sind, handelt es sich um Privatangestellte, die dieses Zertifizierungsverfahren, wie es Sachverständige durchlaufen, nicht haben. Das ist die Problematik.

Eine weitere Ausweitung, auch unter Einbeziehung der Bediensteten, konnte bisher und wird im Hinblick auf die Sicherheitsüberlegungen nicht vorgenommen werden. Schaut man sich die diesbezügliche gesetzliche Vorlage an, so wird dies auch vom Gesetzgeber nicht forciert beziehungsweise mitunterstützt, da er gerade in dem Bereich strengste Sicherheitsvorkehrungen vorschreibt, denen wir auch nachkommen. Dessen ungeachtet ist die Zusammenarbeit mit den Bewährungshelfern eine hervor­ragende, und sie werden auch von meinem Ressort sehr geschätzt.


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Abschließend daher: Noch einmal herzlichen Dank, auch für die inhaltliche Debatte! Das ist ein Schritt weiter auf dem Weg zu weniger Bürokratie und mehr Bürgernähe, und diesen Weg werden wir sicherlich auch gemeinsam weitergehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.41

16.41.17


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. April 2019 betreffend ein Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.42.3010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (562 d.B. und 567 d.B. sowie 10166/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle) (559 d.B. und 568 d.B. sowie 10167/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend Protokoll zur Ände­rung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemein­schaft und ihren Mitgliedstaaten (511 d.B. und 569 d.B. sowie 10168/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 10 bis 12, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Ich bitte um die Berichte.


16.43.27

Berichterstatter Christoph Steiner: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Maut­gesetz 2002 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 130

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßen­verkehrsordnung 1960 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile dieses.


16.45.12

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Wir diskutieren unter den Tagesordnungspunkten 10 bis 12 die Änderung des Bundes­straßen-Mautgesetzes, die Änderung der Straßenverkehrsordnung und die Änderung des Luftverkehrsabkommens zwischen den USA und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten.

Ich kann eines vorwegnehmen: Die SPÖ-Fraktion wird dem Bundesstraßen-Maut­ge­setz und dem Luftverkehrsabkommen die Zustimmung erteilen; der Änderung der Straßenverkehrsordnung werden wir nicht zustimmen. Warum das so ist, werde ich kurz zusammenfassen.

Beim Mautgesetz wird ein umweltfreundliches Mautsystem integriert, sodass Kraftfahr­zeuge über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht mit einem Elektro- oder Wasserstoffantrieb eine eigene Mauttarifgruppe bekommen. Das heißt nichts anderes, als dass umwelt­freundliche Lkw zukünftig weniger Maut zu entrichten haben. Das ist ein ziel- und lenkungsorientierter Beitrag zu mehr Umwelt- und Klimaschutz und deshalb auch voll und ganz zu begrüßen.

In unserer positiven Beurteilung war uns auch noch wichtig, dass die Daten­speiche­rung in Vollziehung dieses Gesetzes, die natürlich auch notwendig ist, der Datenschutz-Grundverordnung entspricht. Die Speicherung erfolgt pseudonymisiert, ist auf ein Jahr beschränkt und lässt auch keine Rückschlüsse auf das Mobilitätsverhalten der Men­schen zu.

Das Luftverkehrsabkommen wird ebenfalls, ich habe es erwähnt, positiv gesehen. Es stärkt die internationale Zusammenarbeit gerade in den Regelbereichen Luftsicherheit und Umweltschutz und schafft zusätzliche Möglichkeiten für Investitionen und weitere


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 131

Marktzugänge. Darüber hinaus wurden ins Regelwerk auch soziale Aspekte aufge­nom­men. All das findet unsere Zustimmung.

Jetzt komme ich auf die 31. Novelle der Straßenverkehrsordnung zu sprechen, die wir, wie gesagt, ablehnen werden. Es werden hier einige Themenfelder ergänzt, neu defi­niert, Termini werden geändert; aus der Militärstreife wird zum Beispiel die Militärpolizei und so weiter und so fort. Einiges davon wäre durchaus unterstützungsfähig, in Summe überwiegen aber die negativen Feststellungen. Die immer wieder angekün­digten Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit fehlen leider. Ein Beispiel ist die Verordnungsermächtigung für Gemeinden betreffend ein Rechtsabbiegeverbot für Lkw.

Wo sehen wir nun Defizite und Probleme? – Erstens, die Novelle sieht im Zusam­menhang mit dem Reitverbot und der sogenannten Blaulichtsteuer – das ist eine Gebühr, die bei Verkehrsunfällen mit Sachschaden anfällt – Ausnahmen für Dienst­pferde vor. Dieses von Innenminister Kickl völlig unnötig ins Leben gerufene Projekt lehnen wir grundsätzlich ab. Dabei geht es um reine Selbstinszenierung ohne jegliche sicherheitspolizeiliche Relevanz. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens, der neu geschaffene § 88b behandelt das Fahren mit elektrisch betriebenen Klein- und Minirollern, den sogenannten E-Scootern, bis zu einer Leistung von 600 Watt und einer Bauartgeschwindigkeit von maximal 25 km/h. Sie werden zukünftig den Fahrrädern gleichgestellt. Das Fahren auf Gehsteigen, Gehwegen und Schutz­wegen ist grundsätzlich verboten, wenn da nicht die Ausnahmen wären, die Behörden erlassen können. Greift nämlich diese Ausnahme, darf wiederum mit Schrittge­schwin­digkeit auf Gehsteigen und Gehwegen gefahren werden. Ich frage mich nur, wer das Ganze überwachen soll. Glaubt hier wirklich jemand, dass es Lasermessungen auf Gehsteigen geben wird? – Die Polizei hat weder die zeitlichen noch die personellen Ressourcen dafür. Ihr fehlen außerdem auch die technischen Hilfsmittel, um die Leis­tungsgrenzen dieser E-Scooter zu überwachen. Da hat man offensichtlich nicht bis zu Ende gedacht.

Drittens, uns fehlen auch die schon erwähnten und mehrmals angekündigten Verkehrs­sicherheitsmaßnahmen für Lkw. Betreffend Abbiegeassistent für Lkw werden wir auf die EU-Regelung, die es erst ab 2022 geben wird, vertröstet. Die versprochene Verord­nungsermächtigung für die Gemeinden fehlt in dieser Novelle ebenfalls.

Ich weiß schon, der Herr Minister wird mir antworten, diese Verordnung ist in der 32. StVO-Novelle vorgesehen – Letzteres hoffe ich zumindest, sie ist, glaube ich, gerade in Begutachtung. Ich frage mich nur: Warum dauert das alles so lange? Damit könnte man Menschenleben retten. (Beifall bei der SPÖ.)

Betreffend Abbiegeassistent – das ist meine persönliche Meinung – würde ich auch einen Alleingang Österreichs riskieren, denn wie gesagt, es geht nicht um irgendetwas, es geht um den Schutz von Menschenleben.

Abschließend noch eines: Herr Bundesminister, ganz ehrlich, ich nehme Ihnen Ihr persönliches Bemühen in dieser Frage grundsätzlich ab, aber völlig unglaubwürdig ist das Verhalten der FPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament. Bei der Abstimmung über den Abbiegeassistenten – und es waren auch noch andere technische Sicherheits­maß­nahmen dabei – Mitte April dieses Jahres enthielten sich nämlich drei von vier Abge­ordneten ihrer Stimme; einer fehlte bei dieser Abstimmung, darunter auch ein gewisser Herr Vilimsky, der jetzt Spitzenkandidat für das EU-Parlament ist. Das ist meiner Meinung nach der reinste Hohn, und aus den genannten Gründen wird die SPÖ diese Gesetzesänderung nicht mitbeschließen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

16.51



BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 132

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Bitte.


16.51.57

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Die Gesetze, um die es hier geht, wurden ja bereits angesprochen. Über den Luftverkehr wird mein Kollege Samt noch ausführlich referieren, ich beschränke mich also auf die ersten beiden.

Das Mautgesetz: Hierzu wurde bereits von Kollegen Reisinger das Wesentliche ge­sagt. Hinzuzufügen ist noch, dass dreirädrige Fahrzeuge im Zusammenhang mit der Maut jetzt als zweirädrige eingestuft werden und nicht mehr wie mehrspurige bezahlen müssen. Über die Ökologisierung wurde bereits gesprochen, und auch die Datenbank wurde erwähnt, bei der es um eine Verwaltungsvereinfachung in Zweifelsfällen, wenn man nicht feststellen kann, ob es über 3,5 Tonnen oder unter 3,5 Tonnen sind, geht. So wird es in Zukunft genügen, wenn dies einmal händisch – manuell – nachbearbeitet und entsprechend gespeichert wird.

Kommen wir nun zur StVO-Novelle, zu der über das Inhaltliche schon einiges berichtet worden ist. Jetzt sind wir wieder beim berühmten Haar in der Suppe, das hier gefunden wurde, weswegen diese Novelle vonseiten der SPÖ-Fraktion abgelehnt wird. Ich habe mir aufgeschrieben, was da übrig bleibt: Sie wird deswegen abgelehnt, weil Dinge, die ihr gerne hättet, nicht enthalten sind. Das ist ein bisschen eine skurrile Argumentation: Ich lehne Vorhaben ab, weil andere Dinge, die ich gerne haben möchte, nicht in diesem Gesetz stehen. (Bundesrätin Schumann: Nein, gar nicht!) Man sollte sich bei der Beurteilung eines Gesetzes schon auf das beschränken, was eigentlich drinnen steht, und nicht auf das zielen, was nicht drinnen steht. – Das war das eine. Da Sie grundsätzlich gegen die berittene Polizei sind, sollte auch der Verkehrsminister das Reiten der berittenen Polizei nicht erlauben. – Na gut, das ist Ihre Logik.

Die Überwachung der Schrittgeschwindigkeit erscheint mir nun wirklich nicht so schwierig, denn es ist relativ einfach, festzustellen, ob jemand mit Schrittgeschwin­digkeit auf einem Gehweg unterwegs ist oder ob er eben mit 20, 25 km/h dahindüst. Ich traue das jedem Polizisten zu, muss ich ganz ehrlich sagen. Es gibt ja auch andere gesetzliche Regelungen, die Schrittgeschwindigkeit vorschreiben, beispielsweise in Spiel- und Wohnstraßen, wo das ja auch nicht ausschließlich mit Lasermessgeräten überwacht wird. Ich halte das für ein schwaches Argument. Gänzlich skurril ist, dass Sie dem Gesetz nicht zustimmen wollen, weil die FPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament bei irgendetwas nicht mitgestimmt haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also man sieht schon, ihr seid zwar sehr erfinderisch, wenn es darum geht, Gründe für eine Ableh­nung zu finden, aber leider seid ihr dabei nicht sehr logisch. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was mich bei diesen beiden Gesetzesnovellen besonders freut, ist, dass das Ministerium sehr rasch auf geänderte Rahmenbedingungen reagiert. E-Scooter hat es eben vor einiger Zeit noch nicht gegeben, da war das noch kein Thema. Mittlerweile gibt es in Wien schon sechs Anbieter für Leih-E-Scooter, und ich glaube, zwei sollen noch hinzukommen. In Deutschland ist man meines Wissens noch immer nicht so weit, dass man ein entsprechendes Gesetz auf Schiene gebracht hat.

Mit dieser Novelle wird nun ein rechtsfreier Raum beseitigt, und es wird für alle Be­nützer, aber auch für die Exekutive Rechtssicherheit geschaffen. Das ist sehr erfreu­lich, deshalb werden wir diesen beiden Materien natürlich sehr gerne zustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.56



BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 133

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Wolf­gang Beer. Ich erteile dieses.


16.56.45

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuhörer! Wir stim­men heute über drei Gesetze ab. Grundsätzlich wurde schon erläutert, dass wir einem Gesetz nicht zustimmen werden, und ich möchte auf das Haar in der Suppe zurückkommen. (Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wir haben in vielen Jahren erlebt, wie viele Haare die Freiheitlichen in der Suppe gefunden haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Schön langsam habt ihr eh keine Haare mehr! – Bundesrat Krusche: Aber die haben wenigstens Substanz gehabt, diese Haare!) Also es war bei euch ja nicht irgendwie so, dass ihr allem zugestimmt hättet, ganz egal, ob es gut war oder nicht. So ist das halt ganz einfach. Wir waren in der Sache immer sehr hart, aber doch in einer Art und Weise verbunden, dass man sich nachher noch zusammensetzen konnte. (Bundesrätin Mühlwerth: Hart, aber herz­lich!) – In einer bestimmten Art und Weise schon, ich muss nur sagen, das verändert sich in letzter Zeit (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr aber auch!) und es gibt auch per­sönliche Angriffe; das hatten wir vorher nie, sondern es waren Angriffe in der Sache, das ist ganz einfach ein schönerer Stil.

Nun aber zu den Gesetzen: Zum Bereich E-Scooter wurden die wesentlichsten Dinge eigentlich schon angesprochen. Es ist, glaube ich, eine ganz gute Vorgehensweise, dass die E-Scooter mit den Fahrrädern gleichgestellt werden und auf dem Gehsteig nicht mehr fahren dürfen. Es gibt nämlich erhebliche Verletzungsrisiken für Fußgänger, und die Zahl der Verletzungen steigt. Es ist tatsächlich so, dass E-Scooter nicht einfach nur so ein Ding für Kinder sind, sondern ein echtes Fortbewegungsmittel.

Über die berittene Polizei möchte ich mich nicht näher auslassen. Ich glaube, es muss jeder selbst entscheiden, was er von einer berittenen Polizei in Österreich hält.

Die Maut für dekarbonisierte Fahrzeuge günstiger zu machen ist eigentlich eine recht intelligente Sache und bringt sicherlich auch der Wirtschaft etwas. Ich hoffe nur, dass dies die Wirtschaft an die Konsumenten weitergibt. Als wir in diesem Bereich schon einmal Erleichterungen geschaffen haben, wurde nämlich nichts an Konsumenten weitergegeben.

Man muss aber auch, wenn man das jetzt mehr fördert, beobachten und überprüfen, ob die E-Mobilität wirklich das Allheilmittel ist. Es gibt bereits Stimmen von namhaften Professoren und Spezialisten, die sagen, dass die E-Mobilität nicht den gewünschten Effekt bringt und die Umweltbelastung fast mit jener durch ein Dieselauto gleichzu­setzen ist. Man muss also dabei auch wirklich darauf achten, wo welches Material ab­gebaut wird, ob das von Kindern gemacht wird, ob in diesem Bereich ganz einfach auf Umweltstandards geachtet wird.

Dann haben wir die Kapazität der Ladestationen: Geht sich das aus, wenn dann alle mit elektrischem Strom fahren? – Ich glaube, es wird sich nicht ganz ausgehen, wenn alle Autos durch E-Fahrzeuge ersetzt werden. Das müssen wir aber ganz einfach evaluieren, beobachten und eben darauf reagieren.

Eine gute Sache ist auch, dass wir nun die Mautpreller besser in die Pflicht nehmen können. Die Organe werden mit besseren Möglichkeiten ausgestattet.

Es gefällt mir aber in keiner Weise, dass wir in Bezug auf den Abbiegeassistenten nicht wirklich jetzt schon etwas gemacht haben. Wir haben in Wirklichkeit über 46 000 Ver­letzte im Jahr, davon 409 getötete Menschen. Von diesen 46 000 sind 8 200 Radfahrer


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 134

und davon 41 Todesopfer. Wir haben 3 800 Fußgänger, die verletzt werden, und 47 getötete. Wir hatten im Jahr 2018 „nur“ – und dieses nur bitte unter Anführungs­zeichen – drei getötete Kinder. Es ist angesichts dieser Zahlen eigentlich erschreckend, dass wir mit der Regelung betreffend Abbiegeassistenten warten.

Die Unfallzahlen entwickeln sich zugegebenermaßen nach unten. Wir verzeichnen in diesem Bereich wirklich eklatante Rückgänge – außer bei den E-Scootern, da haben wir einen sehr starken Anstieg von Unfällen, aber bei den Fußgängern, bei den Radfahrern, bei den Autofahrern sind die Zahlen überall rückläufig.

Der Abbiegeassistent ist möglich. Wien rüstete die magistratischen Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten aus. Warum kann das Wien machen und andere Betreiber von Lkws nicht? (Bundesrat Spanring: Im Probebetrieb!) – Nicht Probebetrieb, sondern ausgerüstet! Den Probebetrieb haben wir schon lange hinter uns. Es wird ein Lkw nach dem anderen mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet.

Man hätte also im Nationalrat nicht auf die 32. Novelle warten müssen, sondern hätte unseren Entschließungsantrag betreffend die Ermächtigung der Gemeinden zur Erlassung des Rechtsabbiegeverbots einfach annehmen können. Es hätte die Wirt­schaft nichts gekostet, und wir wären auf der sicheren Seite gewesen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

17.04


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte.


17.05.00

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Zur Arbeit unserer modernen, initiativen Bundesregierung gehört es auch, verstaubte ältere Ge­setze einfach zeitgemäß anzugleichen und natürlich zu verbessern. Daher sind eine Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes aus dem Jahre 2002 und die Änderung der Straßenverkehrsordnung aus dem Jahre 1960 und dann natürlich des schon genannten im April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den USA und der Europäischen Union höchst notwendig.

Einiges wurde schon gesagt, aber eine alte Schulweisheit lautet: Bei allem, was man zwei, drei Mal hört, ist die Chance groß, dass man sich das eine oder andere dann vielleicht auch merkt.

So sollen bei Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen mit 1.1.2020 Fahrzeuge mit reinem Elektro­betrieb oder mit reinem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb im Rahmen der Fest­setzung der fahrleistungsabhängigen Mauttarife zur Anlastung der Infrastrukturkosten gefördert werden. Durch die Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes erhalten so eben diese umweltfreundlichen Lkws mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb einen eige­nen, günstigeren Tarif. Dadurch wird für die Wirtschaft auch der Anreiz geschaffen, wieder zusätzlich in den Umweltschutz zu investieren. Die Umsetzung von Maßnah­men für eine moderne und emissionsarme Mobilität – wie hier vorgesehen – schafft Anreizimpulse für den Ankauf von Fahrzeugen mit emissionsfreien Antriebsarten. Das ist ein vorausschauender, umweltbewusster gesetzlicher Vorgang, welchen die Bun­des­regierung damit vornimmt.

Ein weiterer wichtiger Schritt betrifft die Mautaufsichtsorgane. Sie werden zukünftig befugt sein, Ersatzmauten einzuheben. Autofahrer können Wochen oder Monate nach dem Fahren ohne gültige Vignette zur Kasse gebeten werden, wenn sie von einer Überwachungskamera gefilmt wurden und zwischenzeitlich auch keine Ersatzmaut bezahlt haben. So wird der entstandene volkswirtschaftliche Schaden, den die öffent-


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liche Hand bisher hatte, reduziert. Gleichzeitig wird der Verwaltungsaufwand verringert, indem Fahrzeugdaten pseudoanonymisiert gespeichert und Befugnisse der Mitarbeiter entsprechend erweitert werden.

Weiters sollen die Fahrzeuge mit drei Rädern, die bisher bei der Vignettenpreisbildung als mehrspurige Fahrzeuge gegolten haben, künftig als einspurige Kraftfahrzeuge gelten und bei der Benützung günstiger aussteigen. Besonders wurde an jene Vor­zeigemotorräder mit zwei Vorderrädern gedacht, die spezielle Vorteile haben – sie fallen nicht so leicht um. In weiterer Folge sind sie vor allem bei den jungen Verkehrs­teilnehmern beliebt. Das ist eine trendige Motorradart, wie sie analog in den Sieb­zigerjahren Harley Davidson mit den beiden Hinterrädern hatte beziehungsweise nach wie vor hat. Die Verbesserungen im Mautgesetz verdienen also Beachtung und eine entsprechende Wertschätzung.

Zur Novelle der Straßenverkehrsordnung sei besonders auf die rechtlichen Rahmen­bedingungen für Trendsportgeräte wie Kleinfahrzeuge und Spielzeuge, sogenannte Elektroscooter, hingewiesen. Ich komme aus der größten Stadt Österreichs, aus Graz – Wien ist ja ein Bundesland und nebenbei Stadt (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl); Wien bleibt natürlich Bundeshauptstadt, das ist ja kein Thema –, daher kenne ich auch das Problem mit den Scootern entsprechend – nicht die E-Scooter, sondern die bisher stark verwendeten –, was das Abgrenzen der Benutzung der Fahr­bahn und der Gehwege und natürlich das Abstellen betrifft. Es ist natürlich gerade künftig bei diesen neuen E-Scootern ganz wichtig, dass hier Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das muss man gleich am Anfang machen, damit es hier zu keinen größeren Problemen und Problemstellungen kommen kann.

Künftig gelten also alle für Radfahrer geltenden Verkehrsvorschriften auch für die E-Scooter-Fahrer, die Rollerfahrer; das bedeutet die Radwegebenützungspflicht, aber zum Beispiel auch die Alkoholbestimmungen und die Bestimmungen betreffend Abstellen von Scootern im öffentlichen Raum. Das Fahren auf Gehsteigen ist verboten, Ausnahmen können von einer Gemeinde durch Verordnung vorgesehen werden. Das Fahren auf Radfahranlagen und auf der Fahrbahn ist zulässig.

Wir brauchen bei der starken E-Scooter-Verbreitung vor allem im urbanen Bereich unbedingt diese Rahmenbedingungen, allein wenn ich mir die schon angesprochenen Anbieter anschaue. Es gibt derzeit sechs Anbieter mit rund 10 000 Scootern, die ver­mietet werden. Natürlich wird das auch einen Anstieg der Unfälle bringen – hoffentlich nicht, aber die Gefahr ist gegeben.

Mit dieser Novelle wird klargestellt, dass die E-Scooter dem Fahrrad gleichgestellt sind, die gleichen Verkehrsrichtlinien zur Benutzung von Radfahrwegen beziehungsweise Fahrbahnen gegeben sind. In weiterer Folge geht es bei dieser wichtigen Änderung der Straßenverkehrsordnung vor allem auch um ein respektvolles Miteinander aller Verkehrsteilnehmer und auch darum, das gegenseitige Ausspielen zu verhindern.

Die Verbesserung des 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den USA und der Europäischen Union ist ja auch schon angesprochen worden. Die Vorteile sind ein besserer Marktzugang, die Beteiligung bei Luftfahrtunternehmen, auch die Verbesserung der Umweltbedingungen und der Routen der Luftstraßen. Es ist auf alle Fälle rundum ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.11


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Samt. Ich erteile dieses.



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17.12.08

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schilchegger war beim vorherigen Tages­ordnungspunkt so schnell, jetzt darf ich, glaube ich, 20 Minuten reden. (Rufe bei der SPÖ: Nein! – Bundesrat Schererbauer: Sicher nicht!) – Okay, das habe ich wieder falsch verstanden. Das kommt vor, aber da lerne ich auch von euch.

Ich darf mich zu dem Thema zu Wort melden, weil ich seit kurzer Zeit auch ein E-Scooter-Benutzer bin. Herr Kollege Reisinger, ich glaube, Sie müssen einmal mit so etwas fahren, vor allem in einer Stadt wie Wien, dann werden Sie sehen, dass es gut und wichtig ist, dass man damit am Fahrradweg fährt, denn am Gehsteig wird das ein bisschen zu einem Problem. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Deswegen ist ja die gesetzliche Regelung nicht schlecht. Kollege Krusche hat schon gesagt, Schritttempo fahren bedeutet, dass man mit dem E-Scooter gleich schnell fährt, wie jemand geht. Das geht, man fällt dabei nicht um.

Es gibt Altersbeschränkungen. In dem Begleitzettel von dem E-Scooter, den ich gekauft habe, steht drinnen: für Personen von 16 bis 50. Mein Sohn hat gesagt, ich darf damit nicht fahren, es kümmert mich aber nicht. (Heiterkeit des Bundesrates Seeber.)

Kollege Beer, es war vieles richtig, was Sie gesagt haben, aber wenn Sie sämtliches Unfallgeschehen der letzten Zeit so subsumieren, dass es ausschaut, als ob alle Unfälle deshalb passiert wären, weil wir den Abbiegeassistenten noch nicht haben, so ist das übertrieben. Die tatsächlichen Unfallhergänge kennen wir ja, die tragisch sind. (Bundesrat Beer: Sie wollen es nicht verstehen!)

Kollege Beer, mein Zugang ist ein technischer. Ich bin mir sicher, dass bei neuen Fahrzeugen die Umrüstung auf diese Dinge kein Problem sein wird, aber bei der Nachrüstung der Fahrzeuge wird der Hund im Detail liegen. Das heißt also, unab­hängig von gesetzlichen Regelungen wird das nicht so einfach sein, einfach irgendein Produkt zu nehmen und zu hoffen, dass das dann auch gescheit funktioniert. Ich glaube, da brauchen wir doch ein bisschen Vorlaufzeit. Das wird auch der Grund sein. Ich nehme an, dass der Herr Bundesminister dazu noch etwas sagen wird.

Jetzt komme ich zu meinem Lieblingsthema, dem Luftverkehrsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union, ein Abkommen, das jetzt in der zweiten Stufe durchgeführt wird, das die Angelegenheiten im Kompetenzbereich sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten betrifft. Deswegen beschließen wir es ja auch hier, es ist ein gemischtes Abkommen.

Das meiste ist schon gesagt worden, ich würde vielleicht nur noch die Hauptgründe anführen, warum das so lange dauert. Das erste Abkommen ist im Jahr 2007 erstellt worden und diese zweite Stufe, das zweite Protokoll, im Jahr 2010. Dabei sollte man vielleicht wissen, dass das jetzt nicht unbedingt an dem oft schwerfälligen Apparat der EU liegt, sondern tatsächlich an den Amerikanern, die vor allem im nordameri­kani­schen Bereich kaum etwas über ihre Lufthoheit kommen lassen. Deswegen ist es – auch wenn es gedauert hat – wirklich ein Erfolg, dass es jetzt so ein Übereinkommen gibt. Es ist ja auch eine einstimmige Materie, die jeder auch so versteht.

Wichtig ist vor allem der Bereich des Umweltschutzes, wobei man da immer sehr vorsichtig sein muss, weil wir ja wissen, dass Luftfahrzeuge jetzt ja generell zum Teil aus diesen ganzen Bedingungen ausgenommen sind und tatsächlich, da sie ja in der Atmosphäre ziemlich weit oben wirken, ein Problem darstellen. Deswegen wird es auch ganz wichtig sein, dass hier an diesem Abkommen und auch an Regelungen wie


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zum Beispiel dieser internationalen Open-Sky-Lösung, von der wir natürlich noch meilenweit entfernt sind, weitergearbeitet wird.

Beim Single European Sky sind wir schon ein bisschen weiter. Er ist aber auch noch nicht ganz fertig, es dauert halt auch. Warum erwähne ich es? – Dort, glaube ich, bestehen sehr viele Möglichkeiten, mit der Fliegerei auch umweltgerecht zu werden. Sie dürfen nicht vergessen, wir haben zurzeit eigentlich theoretisch noch zumindest 58 Luftraumblöcke in Europa, und die sollen bei dieser Single-European-Sky-Lösung auf neun reduziert werden. Der Effekt ist, dass Flieger nicht mehr im Zickzackkurs zwischen Nord- und Südeuropa oder West- und Osteuropa fliegen müssen, sondern geradlinig fliegen. Hauptproblem wird in dem Fall natürlich auch militärisches Sperr­gebiet sein, aber da zeichnen sich jetzt tatsächlich schon Lösungen ab, die in abseh­barer Zeit – so hoffen wir alle – auch greifen werden.

Das Luftverkehrsabkommen ist eine einstimmige Materie, aber natürlich werden wir auch den anderen jetzt diskutierten Tagesordnungspunkten zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.17


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Peter Raggl. – Bitte sehr.


17.17.29

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Dank an den Herrn Bundesminister für die Ökologisierung im Straßenverkehr durch die schon beschrie­benen Änderungen im Bundesstraßen-Mautgesetz.

Gerade für das Bundesland Tirol bin ich über jede Maßnahme sehr froh, die unsere täglichen Staus wahrscheinlich eh nicht verringert, aber vielleicht durch die Ökologisie­rung die bereits festzustellenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Anrainer unserer Transitrouten wieder zurückdrängt. Jede Maßnahme, die die Emissionen verringert, wird von uns also sehnlichst gewünscht und herbeigesehnt. Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach gesagt und richte auch heute wiederum eine Bitte an den Herrn Bundesminister: Unterstützen Sie uns, so gut es geht, bei der Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene! Das ist, glaube ich, das oberste Gebot.

Ganz kurz zur geplanten Änderung der Straßenverkehrsordnung: Ich bin ein begeis­terter E-Scooter-Fahrer in der Innenstadt. Für mich gibt es keinen schnelleren, beque­meren, aber auch umweltfreundlicheren Weg, in der Innenstadt von A nach B zu kommen. Das ist wirklich eine gute Geschichte, wenn sie geregelt abläuft. Ich muss auch sagen, ich habe mich selber schon erwischt, es ist durchaus auch manchmal bequem, über einen Gehsteig oder über einen Zebrastreifen zu fahren. Da brauchen wir Regelungen, weil das Gefahrenpotenzial groß ist. Man will sicher nicht, dass man mit 25 km/h, die ja theoretisch zu fahren erlaubt sind, auf dem Gehsteig unterwegs ist. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass für die E-Scooter generell die Regelungen zu gelten haben, die auch für Radfahrer gelten.

Es ist, glaube ich, auch ganz, ganz wichtig, dass ein E-Scooter auch eine ent­sprechende Ausrüstung aufweist, gerade was die Beleuchtung oder die Bremse anbelangt. Die Regelungen im Gesetz sind wichtig.

Es ist die Kontrolle angesprochen worden. Es ist zweifellos nicht alles kontrollierbar und vor allem auch nicht alles strafbar. Es wird immer an der Vernunft der Benutzer liegen, und auf die müssen wir auch ein bisschen vertrauen.


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Insgesamt sind das sehr gute Regelungen, die unsere Fraktion unterstützen wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.19


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­minister Hofer. Ich erteile dieses.


17.20.01

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu jenem Punkt kommen, der strittig ist, wo es keinen einstimmigen Beschluss geben wird, nämlich zur Frage der E-Scooter. Auch ich fahre in der Stadt sehr gerne mit dem E-Scooter. Ich gehöre auch zu jenen Menschen, die regelmäßig auf dem Gehsteig landen oder jetzt künftig auf der Straße, weil ich ab und zu beim Einsatz dieses Fahrzeuges etwas ungeschickt bin. Natürlich ist der E-Scooter aber ein Fortbewe­gungsmittel für die Stadt, das sich weiterhin durchsetzen wird.

Das Schwierige dabei ist, es kommen permanent neue Produkte auf den Markt, und wenn man sich anschaut, was da alles produziert wird, dann ist es gar nicht so leicht, eine Regelung zu treffen, was man dann zulassen wird und was nicht. Es gibt Einräder mit einem Sitz, die ähnlich wie Segways stabilisiert sind; also permanent neue Pro­dukte. Deswegen definieren wir es über die Leistung: 600 Watt maximale Leistung und eine maximale Geschwindigkeit von 25 km/h; ähnlich wie beim E-Bike, das ja auch nur bis 25 km/h unterwegs sein darf.

Warum wurde diese Regelung mit dem Gehsteig so getroffen? – Das war ein Wunsch der Gemeinden, und es kann ja auch nur eine Ausnahme getroffen werden, wenn die Gemeinde das beschließt. Es kann durchaus sein, dass es einen Straßenabschnitt gibt, der für E-Scooter tatsächlich eine große Gefahr darstellt oder unbefahrbar ist, zum Beispiel ein Straßenabschnitt mit einem groben Kopfsteinpflaster – daneben ein Gehsteig, der sehr wenig frequentiert und asphaltiert ist. Da könnte dann eventuell die Gemeinde sagen, auf diesem kleinen Abschnitt lasse ich zu, dass sich der E-Scooter auf dem Gehsteig bewegt. Das ist aber immer auch eine Entscheidung, die von der Gemeinde getroffen werden muss.

Die für das Lastenfahrrad getroffene Regelung möchte ich auch noch erwähnen, denn wie Sie es ja auch im Stadtbild sehen, erfreuen sich Lastenfahrräder ebenfalls steigender Beliebtheit. Wir haben hier die Möglichkeit geschaffen, ein bisschen zu unterstützen, damit auch dieses Fortbewegungsmittel sich noch stärker als bisher durchsetzen kann.

Zur Änderung, die wir beim Bundesstraßen-Mautgesetz vorsehen: Es ist richtig – ich glaube, das wurde auch von den Rednerinnen und Rednern betont –, dass es ein guter Schritt ist, umweltfreundliche Lkw, die elektrisch betrieben sind, mit Wasserstoff betrieben sind, auch bei der Maut zu entlasten. Das passiert mit diesem Beschluss. Allerdings – das müssen wir auch sehen – möchte ich das ein bisschen unterstützen, was auch Sie gesagt haben: Bei der Frage der E-Mobilität gibt es auch große Heraus­forderungen.

Die Studie, die Sie genannt haben, stellt sich für Österreich ein bisschen anders dar, weil wir – anders als in Deutschland – einen sehr hohen Anteil an erneuerbaren Ener­gieträgern haben und die Gesamtbilanz für Elektrofahrzeuge wesentlich besser ist.

Es ist aber evident, dass wir keine eigene Batterieproduktion haben. Das ist der Nachteil, das sind andere Abhängigkeiten, die sich ergeben. Die Batterien werden sich aber verändern. Wir haben jetzt Lithium-Ionen-Batterien, in Zukunft wird es andere Batterien geben, die uns mehr zugutekommen. Bei der Ladetechnik bleibt es ein


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Problem, das einfach die Gesetze der Physik für uns bereithalten. Wenn man sich vorstellt, dass einige Fahrzeuge mit einer Batteriekapazität von – ich weiß nicht – 90 oder 110 Kilowattstunden schnellladen wollen, dann braucht man ein sehr leistungs­fähiges Leitungsnetz unmittelbar bei der Ladestation.

Deswegen, glaube ich, ist es wichtig, dass wir die andere Technik, nämlich den Wasserstoff, nicht aus dem Auge verlieren. Wir haben aber derzeit nur fünf Wasser­stofftankstellen in Österreich. Deswegen ist es jetzt die Aufgabe, die wir stemmen müssen, ein dichteres Netz an Wasserstofftankstellen in Österreich zu errichten, weil in der Entwicklung wasserstoffbetriebene Fahrzeuge im Vergleich zu den batterie­betrie­benen etwa sieben, acht, neun Jahre später nachziehen. Das heißt, es wird bei den Wasserstofffahrzeugen in den nächsten Jahren eine Vielzahl von neuen Modellen geben. Honda hat jetzt zum Beispiel auch – das ist keine Schleichwerbung – ein Modell auf den Markt gebracht, Hyundai hat ein Modell, es werden viele folgen.

Der Vorteil bei Wasserstoff ist, dass wir Wasserstoff in Österreich mit den Über­schüssen aus der erneuerbaren Energie selbst produzieren können. Das heißt, das gibt uns auch ein Stück Freiheit und verhindert Abhängigkeiten. Wie gesagt, die Aufgabe an die Politik ist aber: Wir müssen darauf achten, dass auch Wasserstoff­tankstellen errichtet werden.

Zum Luftverkehrsabkommen ist inhaltlich alles gesagt; da gibt es auch große Einigkeit. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, auf etwas hinzuweisen, was mich wirklich empört, nämlich das Verhalten der US-amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA im Zu­sammenhang mit den Abstürzen des Flugzeugtyps Boeing 737 MAX. Wenn es wahr ist, dass die FAA bereits gewusst hat, dass es dieses Problem gibt, und nicht reagiert worden ist und dann noch dazu ein Vorhalt gemacht worden ist, dass die Unternehmen ja ein weiteres Feature hätten bestellen können, damit diese Flugzeuge wirklich sicher sind, dann ist das unerhört. Ein Flugzeug darf nur zugelassen werden, wenn es hun­dertprozentig geprüft und sicher ist. Die Frage, ob ich als Unternehmen etwas dazukaufe, betrifft dann die Inneneinrichtung, Abstände der Sitzplätze und so weiter. Technisch muss es aber so ausgestattet sein, dass nach menschenmöglichem Ermes­sen nichts passieren kann. Wenn das der Fall ist, dann ist es ein Skandal und sollte nicht ohne Folgen bleiben.

Daher ist es wichtig, dass wir eine eigene europäische Luftfahrtindustrie haben, dass wir unsere eigene Industrie in diesem Bereich weiter stärken, dass wir Vertrauen in die eigenen Behörden haben und dass wir uns – da gehen wir einen nächsten Schritt –auch in anderen Bereichen nicht abhängig machen.

Es wurde heute schon erwähnt, dass beim Abkommen wichtig ist, dass die Strecken, die Luftfahrzeuge zurücklegen, möglichst kurz sind. Das trifft auch auf die Funk­navigationseinrichtungen zu, die bisher benutzt worden sind; bisher VOR-, DME-, ADF-, ILS-Systeme und so weiter.

Früher wurde nach Funkfeuern geflogen, es gab sozusagen die Luftstraßen. Das gibt es heute in Österreich nicht mehr; in Deutschland gibt es diese Luftstraßen noch, wir sind hier weiter voran. Das heißt, man navigiert mit Satellitennavigationssystemen. Wir sind dabei vom GPS-System abhängig, das vom US-Militär, der US-Navy entwickelt worden ist. Das System ist so aufgebaut, dass sie jederzeit die Genauigkeit des Systems verändern können. Im Golfkrieg zum Beispiel haben die Amerikaner gesagt, jetzt schrauben wir die Genauigkeit des Systems hinunter. Daher brauchen wir unser eigenes Satellitennavigationssystem Galileo, und ich hoffe sehr, dass es auch bald einsatzfähig sein wird. Dieses Beispiel zeigt sehr genau, dass es Entwicklungen geben kann, wo offenbar auch Menschenleben keine große Rolle spielen.


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Man muss aber auch sagen, der Schaden, den Boeing jetzt zu tragen hat, ist enorm. Ich habe vor wenigen Tagen mit dem Flughafendirektor von Graz ein Gespräch ge­führt, der mir sagte, die Menschen unterscheiden nicht zwischen einer Boeing 737 MAX und anderen 737-Modellen. Man steigt nicht mehr gerne in eine 737 ein. Das Ergebnis ist, dass die Unternehmen andere Flugzeuge bestellen. Das ist der Schaden, den das Unternehmen jetzt zu tragen hat.

Ich darf mich insgesamt für die sehr sachliche Debatte sehr herzlich bedanken. Ich darf, was den Abbiegeassistenten anbelangt, versprechen beziehungsweise ich hoffe, dass die Novelle so schnell wie möglich den Weg der Gesetzwerdung geht. Es wird dann einfach so sein, dass die Städte und die Gemeinden die Möglichkeit haben, Rechtsabbiegeverbote nicht nur allgemein zu erlassen, wie das schon jetzt der Fall ist, sondern auch spezielle Abbiegeverbote an Kreuzungen nur für Lkws, die keinen Abbie­geassistenten haben. Es gibt Kreuzungen, die besonders unsicher und gefährlich sind, und dann kann die Stadt selbst entscheiden, ob man dort ein eigenes Abbiegeverbot vorsieht. Ich glaube, dass das ein großer Beitrag zur Sicherheit auf unseren Straßen sein wird.

Lkws sind europaweit, in der gesamten Europäischen Union zugelassen, und es gibt jetzt auch den Beschluss auf europäischer Ebene, dass bei Neufahrzeugen der Abbie­geassistent 2022 umgesetzt wird. Was die Nachrüstung von Fahrzeugen anbelangt, wird es eine Förderung geben. Wir verhandeln derzeit mit dem BMF noch die Details, aber es wird eine Förderung geben, damit Fahrzeuge umgerüstet werden können. Dazu kommt eben auch der Anreiz, auf Fahrzeuge mit einem Abbiegeassistenten zu setzen, wenn ich als Unternehmer weiß, es gibt gewisse Kreuzungen in der Stadt – vor allem in größeren Städten wird das der Fall sein –, die ansonsten dann verhindern, dass bestimmte Routen mit diesem Fahrzeug gefahren werden können. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.29

17.29.25


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Maut­ge­setz 2002 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend eine 31. StVO-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.31.0913. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (502 d.B. und 577 d.B. sowie 10172/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Peter Samt. – Ich bitte um den Bericht.


17.31.30

Berichterstatter Peter Samt: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 25. April 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Mai 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte.


17.32.21

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein gut ausgebildeter Patentanwalt ist sehr wichtig für die Durchsetzung jener Rechte, die man am Patentamt angemeldet hat. Diese Rechte umfassen den Erfindungsschutz – das betrifft technische Erfindungen –, das Design, früher Muster genannt, oder die Marken­rechte. Gerade wenn dieses Signum nicht gesetzt worden ist, gilt das Gewohnheits­recht; dann ist es in der Praxis sehr schwer, seine Patentrechte durchzusetzen. Gerade da ist die gute Ausbildung eines Patentanwalts, wie sie dieses Gesetz vorsieht, von besonderer Wichtigkeit.

Ich darf diesbezüglich das Beispiel erwähnen, wie ein österreichisches Traditions­unter­nehmen hier in Österreich auf gut Deutsch in den sauren Apfel beißen musste, weil ein Schweizer Konzerngigant diesen Schokoladehasen im wahrsten Sinn des Wortes aufgefressen hat. Hauswirth, eine traditionelle österreichische Firma, ist berühmt für ihre Schokoladenproduktion, und zwar für die Hohlraumschokolade, und hat bereits in den 1950er-Jahren diesen Goldhasen erfunden, nämlich mit einer rot-weiß-roten Masche, hat ihn aber nicht angemeldet beziehungsweise das Design nicht registrieren lassen. Der Schweizer Schokoladegigant Lindt hat dieses Design 1995 einfach patentieren lassen – es ist praktisch eine Kopie – und hat in einem jahrelangen Patentprozess diesen kleinen österreichischen Schokoladehersteller in Kittsee in die Enge getrieben und ihm diesen Schokoladehasen mehr oder minder weggenommen.

Der konzentrierte österreichische Lebensmittelhandel von Spar, Merkur und Konsorten hat das Übrige getan und hat diesen Schokoladehasen von Hauswirth delistet und jenen dieses Schweizer Multikonzerns implementiert. Ein Fehler war, dass dieser Designhase nicht registriert wurde. Der zweite Fehler war ein österreichisches – wie


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soll man sagen? – Unikum, das in Amerika sicherlich nicht der Fall gewesen wäre, nämlich dass hier zulasten dieser österreichischen Traditionsfirma entschieden wurde.

Wir feiern heuer 120 Jahre Patentamt. Man kann diesem Patentamt wirklich nur alles Gute wünschen, denn es ist perfekt organisiert, es ist mit einem tollen Mitarbeiterstab und mit hoch interessierten und hochinteressanten Produkten im Sinne der Erfindun­gen, die dort verwahrt werden, ausgestattet. Es ist Ausdruck der österreichischen Kreativwirtschaft, des Erfindungsreichtums und des Erfindungsgeistes schlechthin.

Wichtig ist der Jahresbericht des Österreichischen Patentamtes, der vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, der genau zeigt, was in Österreich von der Wirtschaft geleistet wird. Von den top zehn Erfindungen kommen acht aus der marktorientierten Wirtschaft und zwei aus dem Forschungsbereich der Technischen Universität Wien – die ist jedes Jahr unter den top zehn dabei, aber erstmals auch das außeruniversitäre Forschungsinstitut Austrian Institute of Technology.

Dieses Institut, angesiedelt in Seibersdorf, ist deswegen wichtig, weil es eine Symbiose von Industrie und Wirtschaft darstellt. Das heißt, die Erfindungen fließen eins zu eins in die Wirtschaft ein, wo sie als Innovation die Marktreife erlangen können. Man darf nicht vergessen, dass ungefähr neun von zehn angemeldeten Erfindungen nicht die Markt­reife erreichen und nur ungefähr eine von zehn die Marktreife erreicht. Daher ist dieser Konnex, diese Verbindung zur Wirtschaft von besonderer Bedeutung.

Beim Zusammenspiel von Wirtschaft und Forschung zeigt sich, dass – wie ich schon beim Thema Ökostromgesetz gesagt habe – eindeutig der freie Markt die Vorgabe dafür gibt, was geforscht wird, den Input liefert, der für die Wirtschaft und letztlich für die technologische Entwicklung hier in Österreich, aber auch in Europa von Bedeutung ist. Wenn man das europäische Patentrecht dem österreichischen überstülpt, zeigt sich, dass die USA das Land sind, in dem die meisten in der EU angemeldeten Patente geleistet wurden, gefolgt von China. Erst danach kommen europäische Länder, nämlich Deutschland an dritter Stelle und Frankreich an vierter Stelle. Das sollte einem zu denken geben! Das zeigt, dass wir den Erfindungsgeist in Europa und in Österreich noch immer weiter ankurbeln müssen. Man kann nie zu viel erfinden.

Apropos Erfindungen: Ich möchte zum Schluss kommen und Folgendes erwähnen: Italien feiert in diesen Tagen ganz großartig in Florenz und Mailand 500 Jahre Leo­nardo da Vinci. Leonardo da Vinci ist ja bekannt für die „Mona Lisa“, er ist bekannt für den „Vitruvianischen Menschen“, er ist vor allem bekannt für das heilige „Abendmahl“, aber nicht alle wissen, dass er auch für seine Erfindungen bekannt ist. Er hat die Flugmaschine erfunden, und zwar schon vor 500 Jahren, er hat den Fallschirm erfunden. Erfunden oder zumindest skizziert hat er auch das Automobil. Wenn es das Patentamt damals schon gegeben hätte, hätten seine Ansprüche, seine vorgelegten Zeichnungen, die neu waren, die nachbaubar und sinnvoll waren, den Anspruch eines Patentes weitaus erfüllt. Hätte es dieses Patentamt damals schon gegeben, wäre er wahrscheinlich Milliardär. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.38


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile es ihm.


17.38.15

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche heute zum Thema Patent­anwaltsgesetz. Vordergründig wirkt dieses Patentanwaltsgesetz ein bisschen sperrig


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und trocken, aber etwas intensiver betrachtet kommt man drauf, dass dieses Gesetz für die Wirtschaft eine eminente Bedeutung hat.

Ich möchte mich aufgrund der fortgeschrittenen Stunde auf das Essenzielle be­schrän­ken und daran anknüpfen, was mein Vorredner Mag. Pisec gesagt hat. Leonardo da Vinci, ein Renaissancemaler, -künstler und -bildhauer in Florenz, hat Erfindungen getätigt, und wenn man das auf die heutige Zeit übertragen würde, würde man sehr schnell zu dem Schluss kommen, dass Forschung, Entwicklung und Patente der Treiber einer Wirtschaft sind. Das hat damals Gültigkeit gehabt und hat umso mehr Gültigkeit in der heutigen Zeit, denn Patente und Forschung sichern einfach eine florie­rende Wirtschaft.

Dass das für die Wirtschaft und für einen Innovationsstandort eminent wichtig ist, ist ganz klar. Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass in den klassischen Industriebun­desländern – ich zähle da auch mein Bundesland Oberösterreich dazu – die Hälfte der Wertschöpfung aus der Industrie und aus Betrieben des Gewerbes und des Hand­werks, welche am Patentwesen hängen, generiert wird. Das sagt eigentlich alles aus.

Natürlich ist es von der Forschung bis zum angemeldeten Patent – du (in Richtung Bundesrat Pisec) hast das kurz gestreift – ein relativ weiter Weg. Das Kernstück dieser Novelle sind eben diese internationalen Standards, welche ein Patentanwalt in Zukunft erbringen muss. Diese umfassen nämlich nicht nur juristisches Wissen, sondern auch eine technische Ausbildung, und ich weiß aus meinem Bekanntenkreis, nämlich von meinem Patenkind, das ein Technikstudium absolviert hat, was das heißt. Diese Mischung aus juristischem und technischem Bereich ist keine Kleinigkeit, das ist nicht ganz ohne, aber es gibt letztendlich den Firmen, die nach Österreich kommen, Rechts­sicherheit, und es ist der richtige Weg, wenn man den Wirtschaftsstandort absichern will.

Was für mich auch noch wichtig ist, zu erwähnen: Es gibt eine erweiterte Möglichkeit der Firmenkonstellation, es gibt die GmbH & Co KG, die eine bessere Flexibilisierung ermöglicht. Und wenn ich sage, das Kernstück dieser Novelle ist die entsprechende Ausbildung des Patentanwaltes, muss ich auch dazusagen, dass es Schattenpatente und Umgehungsverfahren gibt. Das ist also nicht so ohne, und je besser so ein Patentanwalt ausgebildet ist, umso besser ist es für den Wirtschaftsstandort.

Ich möchte mich an dieser Stelle beim Patentamt für die hervorragende Arbeit, die es leistet, bedanken. Frau Präsidentin Karepova darf ich hier stellvertretend – glaube ich, es ist ein einstimmiger Beschluss – den Dank dieses Hohen Hauses aussprechen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Um zum Abschluss zu kommen: Unternehmen, die sehr viele Patente haben – das muss man sich einmal vorstellen –, haben sechsmal so viele Mitarbeiter wie Unternehmen ohne Patente und generieren einen um 30 Prozent höheren Umsatz. Das ist beachtlich! Will man Österreich zu einem Technologiemagneten machen, so ist dieses Gesetz der richtige Weg dazu.

Ich darf mich an dieser Stelle bei allen Fraktionen dafür bedanken, dass man das ein­stimmig beschließt, denn das hilft den Unternehmen, das hilft den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Unternehmungen. Ich bedanke mich auch bei den vielen Erfin­dern und Erfinderinnen.

Auch in Oberösterreich gibt es sogenannte Hidden Champions, die für den Europä­ischen Erfinderpreis vorgeschlagen wurden. Um das ein bisschen zu verdeutlichen: Einer der Kandidaten ist Herr Maximilian Haider für seine Arbeit am Elektronen­mikroskop. Weiters gibt es Erema, eine Recyclingindustriefirma, die aus Kunststoff­abfall Kunststoffpellets macht – kann man wiederverwenden, ganz toll! Ich habe mich


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schlaugemacht: Im Juni wird dieser Europäische Erfinderpreis verliehen, und das ist der richtige Weg. – Danke, Herr Minister, für die tolle Arbeit. Danke für die Einstim­migkeit. Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.43


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.43.29

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuseher zu Hause via Livestream! Mit der vorliegenden Novellierung des Pa­tentanwaltsgesetzes werden unter anderem die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass österreichische Patentanwälte und Patentanwältinnen beim zukünftigen euro­päischen Patentgericht Vertretungen übernehmen können.

Bis jetzt konnten die für diesen Beruf notwendigen rechtswissenschaftlichen Kennt­nisse in der Praxis erworben werden. Um aber den künftigen Herausforderungen beim Europäischen Patentamt gerecht zu werden und zur Führung eines Patentstreit­verfahrens zugelassen werden zu können, bedarf es einer zusätzlichen Qualifikation für Patentanwälte, deren Erwerb durch ein Zertifikat bestätigt wird.

Zur Anpassung an die europäischen Entwicklungen wird nun mit dieser Geset­zesnovelle eine tief gehende juristische Qualifikation im Rahmen der Patentanwalts­ausbildung verankert. Den vielfältigen Anforderungen wird somit Rechnung getragen. Die Ausbildung auf einem hohen Niveau wird sichergestellt und die Konkurrenz­fähigkeit bleibt erhalten.

Die Wichtigkeit von Patenten für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ist unum­stritten. Der Schutz von geistigem Eigentum in Form von Patenten auf nationaler, euro­päischer und weltweiter Ebene ist unerlässlich, um Erfolge realisieren zu können. Un­sere ErfinderInnen, ForscherInnen und EntwicklerInnen brauchen verlässliche und topqualifizierte Patentanwälte und -anwältinnen an ihrer Seite, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Wir von der sozialdemokratischen Fraktion begrüßen diesen Schritt zur Angleichung an die europäischen Standards und geben unsere Zustimmung. Ich selbst konnte wäh­rend meiner Ausbildung in Großbritannien Erfahrungen bei einem Patentanwalt in Wales machen und muss eindeutig sagen: Die außerordentliche Bedeutung eines qualifizierten Patentanwalts für die Wirtschaft, aber auch für die Betreuung der Klienten ist von essenzieller Wichtigkeit, damit Erfolge gesichert werden können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

17.46


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Hofer. – Bitte sehr.


17.46.20

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leonard da Vinci ist heute schon erwähnt worden. Sicherlich, wenn der Begriff Genie auf jemanden zutrifft, dann bestimmt auf ihn. Er wäre mit Patentanmeldungen bestimmt sehr reich geworden. Da gibt es aber noch jemanden, nämlich Nikola Tesla, der in Verhandlungen mit der Firma Westinghouse darauf verzichtet hat, dass seine Erfindung, der Wechselstrom, ihm ein entsprechendes Einkommen bringt. Er hätte eigentlich pro Kilowattstunde Strom einen gewissen Betrag bekommen sollen, hat dann die Vereinbarung zerrissen und darauf


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verzichtet. Er wäre der reichste Mensch gewesen, der jemals gelebt hat. Frau Präsidentin Karepova hätte ihm sicher nicht geraten, auf diesen Vertrag zu verzichten.

Damit bin ich bei zwei wichtigen Bereichen, wenn es darum geht, Patente zu sichern: dem Patentamt selbst natürlich, das hervorragende Arbeit leistet, und gut ausgebil­deten Patentanwälten. Auch heute ist es so, dass viele Persönlichkeiten, die bei einer Prüfung zum Patentanwalt antreten, die Prüfung nicht schaffen, obwohl sie davor ein sehr schwieriges Studium absolviert haben. Daran sieht man schon, wie viel in diesem sehr schwierigen Beruf verlangt und gefordert wird. Jetzt kommt noch die rechtliche, juristische Ausbildung dazu, denn für Unternehmen ist es sehr wesentlich, von wirklich hervorragenden Patentanwälten vertreten zu werden.

Sie haben zu diesem Thema bereits alles gesagt, erlauben Sie mir aber bitte, etwas zu erwähnen, das mir Sorgen macht: Österreich steht bei den Patentanmeldungen sehr gut da. Wir sind weltweit auf dem elften Platz, noch vor Frankreich, noch vor Norwegen. Wir sind unter den 28 EU-Mitgliedstaaten auf dem sechsten Platz, also auch sehr gut unterwegs. Die Entwicklung, die wir jetzt weltweit sehen, zeigt aber, dass Europa Probleme bekommen wird. Die Dynamik in Europa hat in den letzten drei bis vier Jahren nachgelassen, sogar bei den Innovation Leadern, bei Schweden und den Niederlanden. Wer ist stark? – China, Indien und Israel, dort gibt es eine starke Dynamik. Allein in China gibt es bei Patenten ein Plus von 56 Prozent seit 2014. Dass dort nur mehr nachgebaut wird, ist also schon lange nicht mehr der Fall. Uns muss das jetzt noch keine zu großen Sorgen machen, wir müssen aber rechtzeitig darauf reagieren.

Bei den patentintensivsten klassischen Industriezweigen wie Maschinenbau, Werk­zeuge und Elektrotechnik sind wir nach wie vor ungebrochen gut, aber wichtig sind die Bereiche Speichertechnik, künstliche Intelligenz und autonomes Fahren; dort müssen wir verstärkt investieren. In den letzten sechs Jahren wurden allein beim Europäischen Patentamt 15 000 Patente für autonomes Fahren angemeldet, und diese Zahlen steigen: 2018 waren es um 20 Prozent mehr. Allerdings kommt ein Drittel dieser Anmeldungen beim Europäischen Patentamt aus den USA, ein weiteres Drittel aus Japan, Korea und China und nur noch ein Drittel aus Europa selbst. Österreich ist da wiederum gut unterwegs und liegt auf dem siebten Platz bei den Patenten für auto­nomes Fahren.

Trotzdem darf die Entwicklung, die wir da sehen, nicht einfach an uns vorübergehen. Deswegen haben wir uns entschieden, mehr zu investieren. Wir werden im Zeitraum 2019 bis 2021 65 Millionen Euro in autonomes Fahren investieren, dreimal so viel wie bisher. Wir haben 10 Millionen Euro für eine Batterieinitiative bereitgestellt und bereits im September des Vorjahres das AVL Battery Lab eröffnet.

Ein weiterer Grund für die Wichtigkeit des Patentamtes sind die vielen Fälschungen im Welthandel. Wir haben hierzu mittlerweile Zahlen, die unfassbar sind: 7 Prozent aller Importe in die Europäische Union sind Fälschungen – 7 Prozent! Das heißt, wir sprechen von 120 Milliarden Euro jedes Jahr – 120 Milliarden Euro! Daher gilt es auch da, zu schützen. China hat nach vielen, vielen Verhandlungen und Gesprächen den richtigen Schritt gesetzt und die entsprechenden Strafen dort drastisch erhöht. Man muss das Fünffache dessen, was man mit dem Produkt verdient hat, an Strafe bezah­len – also nicht wenig. Das zeigt, dass man auch dort bereit ist, zu reagieren. In Wirklichkeit aber, meine Damen und Herren, ist das ein Markt, der ausgetrocknet werden muss.

Ich bedanke mich auch da für Ihre Unterstützung und für die sehr sachliche Debatte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.51

17.51.18



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Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.51.4514. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Martin Weber, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewe­gung Österreich im Öffentlichen Dienst (258/A(E)-BR/2019 sowie 10173/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tages­ord­nung.

Vom Ausschuss wurde kein Berichterstatter gewählt. Daher ersuche ich gemäß § 45 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Vorsitzenden des Ausschusses, die Berichterstattung vorzunehmen.

Ich bitte Herrn Vizepräsidenten Dr. Magnus Brunner um den Bericht.


17.52.16

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Vorsitzender! Wir haben die etwas seltsame Situation, dass es im Ausschuss keine Mehrheit für einen Berichterstatter gegeben hat. Ich darf eben als Ausschussvorsitzender den Bericht vortragen.

Ich bringe den Bericht über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“.

Der Entschließungsantrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Auch der Ent­schließungs­antrag hat, so wie die Wahl des Berichterstatters, keine Mehrheit im Ausschuss erhalten.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung am 7. Mai 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, dem Antrag 258/A(E)-BR/2019 keine Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile es ihm. – Bitte.


17.53.09

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Liebe Kolle­gin­nen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Die Vorgänge rund um die Identitären in Österreich, insbesondere deren Naheverhältnis zu einer Regierungspartei, haben es in die Medien Europas, nein, sogar weltweit geschafft.

Für das Ansehen der Republik Österreich ist das natürlich ein sehr harter Schlag ins Gesicht. Es ist nämlich beschämend, dass eine Regierungspartei, die noch dazu den Vizekanzler stellt, es nicht schafft, sich ganz klar von rechtsextremistischen Bewegun­gen abzugrenzen. Es geht sogar so weit, dass der Vizekanzler persönlich in der Zwi­schenzeit rechtsextremes Vokabular, Wortgut wie „großer Austausch“ und „Bevölke­rungs­austausch“ übernimmt, wodurch natürlich jede Form der sowieso unglaub­würdi-


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gen Distanzierung zusammenbricht. Der Bundeskanzler kann noch so viele „rote Linien“ ziehen, um diese Tage später immer wieder weiter zu verrücken.

Das hilft allesamt nichts. Das Ansehen der Republik Österreich hat bereits Schaden erlitten, der Schaden ist bereits angerichtet und entstanden. Verantwortlich dafür sind die Spitzen dieser jetzigen Bundesregierung.

Diese Situation, meine sehr verehrten Damen und Herren, verlangt daher nach viel mehr. Sie verlangt nach einer ganz klaren Abgrenzung durch alle demokratischen Par­teien Österreichs. Natürlich dürfen Personen, die diesem rechtsextremen, gewalt­bereiten Gedankengut nahestehen, keine öffentlichen Ämter in Österreich ausüben. Dafür trägt jedes Mitglied dieser Bundesregierung, jeder einzelne Minister, seine per­sönliche Verantwortung.

Kürzlich wurde bekannt, dass der Verteidigungsminister Mario Kunasek diese Sperr­vermerke im österreichischen Bundesheer gegenüber solchen Personen aufgehoben hat. Das besondere Naheverhältnis seiner steirischen freiheitlichen Landesgruppe zu rechtsextremen Gruppen habe ich bei der vorangegangenen Bundesratssitzung darge­legt. Da gibt es den Grazer Vizebürgermeister, da gibt es den dritten Landtags­prä­si­denten der Steiermark und so weiter. Vom Sperrvermerk im österreichischen Bun­desheer waren einige Hundert Heeresmitglieder betroffen. Das sollte uns allen zu denken geben, eigentlich sollten für uns da die Alarmglocken läuten. In diesem Fall hat der Bundeskanzler reagiert: Er hat mit Mario Kunasek gesprochen und dieser hat diese Sperrvermerke wieder in Kraft setzen müssen.

Jetzt frage ich mich, meine Damen und Herren: Warum ist so ein Schritt im österreichi­schen Bundesheer gesetzt worden, und warum soll dies nicht auch für den gesamten öffentlichen Dienst gelten? Warum haben Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, im Verfassungsausschuss am Dienstag gegen diese Vorlage gestimmt? Gibt es gar gewisse Personen, die hier geschützt werden? Gibt es Personen in den Kabinetten von Regierungsmitgliedern, die durch Ihr Abstimmungsverhalten davor geschützt werden, ihren Job zu verlieren?

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes hat die Charakteristik der Identitären Bewegung Österreich ganz klar dargelegt (Bundesrat Steiner: Ganz objektiv!): „Bei der IBÖ handelt es sich um eine rechtsextreme Jugendorganisation mit vielfältigen faschistischen Anklängen in Theorie, Ästhetik, Rhetorik und Stil. Durch Aktionismus mit begleitender Pressearbeit nach dem Vorbild von NGOs und intensive, vergleichsweise professionelle Bespielung sozialer Medien wird eine große Breiten­wirkung angestrebt (und, gemessen an rechtsextremen Gruppenbildungen der 2000er-Jahre wie der Nationalen Volkspartei oder dem Bund freier Jugend, auch erreicht).“

Jetzt frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Möchten Sie wirklich Menschen mit solch gefährlicher Ideologie verantwortungstragend im öffentlichen Dienst sehen? Möchten Sie wirklich solche Menschen mit derart demokratiegefährdendem Gedanken­gut an den Schalthebeln dieser Republik sehen?

Keiner behauptet, dass ihr alle rechtsextrem seid, und ich stelle wieder ganz klar und deutlich für mich und die Sozialdemokratie fest: Ob links- oder rechtsextrem, beides gilt es zu verurteilen und zu bekämpfen (Bundesrätin Mühlwerth: Dann müssen sie auch drinstehen!), aber man muss sich glaubwürdig und klar davon abgrenzen.

Für eine liberale, demokratische und rechtsstaatliche Republik muss es doch voll­kommen klar sein, dass Rechtsextremismus und Innehabung eines öffentlichen Amtes sich klar ausschließen. Das geht doch überhaupt nicht! (Bundesrätin Mühlwerth: Und der Linksextremismus, weil der ist wirklich gewalttätig!)


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Warum ist es für Sie nicht klar, meine Damen und Herren? Hier werden viele Frage­zeichen stehen bleiben, aber irgendwann will die Öffentlichkeit wissen, wen Sie vorges­tern im Verfassungsausschuss konkret schützen wollten; und Sie können sich darauf auch verlassen, wir werden Ihnen das dann vorhalten. Dieses unverschämte Vorgehen werden wir nicht vergessen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Stögmüller.)

18.00


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile dieses.


18.00.20

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Beim heutigen Thema „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitä­ren Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“ habe ich die Vermutung, dass die Debatte auch von den mir nachfolgenden Rednern emotional geführt werden wird. Aufgrund dieser Sachlage möchte ich mich bemühen, eine neutrale und etwas mäßigende Haltung einzunehmen; ich habe schon so viele dieser Diskussionen miterlebt. (Präsident Appé übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte damit beginnen: Es hat am gestrigen Tag eine Veranstaltung anlässlich der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der Beendigung des Nationalsozialismus in Österreich gegeben. Sowohl unser Bundeskanzler Sebastian Kurz als auch der Vizekanzler H.-C. Strache haben sich in ihren Reden ganz klar von den Identitären distanziert. (Bundesrat Weber: Ja klar, in Reden immer!)

Meine Damen und Herren! Was für mich in der gesamten Debatte wichtig ist: Die Neuregelung, so wie sie angedacht wird, beruht a priori auf einem Generalverdacht. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie, das muss uns allen schon klar sein. Wenn ich ein Gesetz fordere, egal, ob das jetzt Identitäre oder andere Gruppierungen betrifft, muss ich schon die Auswirkungen bedenken, also wohin es führt, wenn ich nur aufgrund eines Ermittlungsverfahrens, in dem es noch keine Anklage und schon gar kein Urteil gibt, entsprechende Sanktionen fordere. Das möchte ich zu bedenken ge­ben, denn das finde ich nicht richtig.

Abgesehen davon ist der Sperrbegriff kein Gesetzesbegriff. Das Symbole-Gesetz ver­bietet das griechische Lambda, den elften Buchstaben des Alphabets, nicht; den gibt es schließlich auch in anderen Bereichen: im Flugzeugbau, bei Videospielen. Sie wissen das. (Bundesrat Stögmüller: Das Hakenkreuz nicht!) Es ist also schon ein bisschen differenzierter zu sehen.

Die Grundsatzfrage für mich ist: Wer entscheidet denn, ob jemand Mitglied bei den Identitären ist, liebe Kolleginnen und Kollegen? Muss man da bei einem Verein einge­tragen sein? Muss man da Fahnen tragen? Oder reicht es, wenn man bei einer Demonstration dabei ist? Wie ist es, wenn ich in irgendeinem Beisl in Wien mein Feier­tagsseidl trinke, auf die Straße hinausgehe, es geht eine Demonstration vorbei und ich werde zufällig dabei gefilmt? Bin ich dann schon ein Identitärer? (Bundesrätin Mühlwerth: Na sicher!)

Ich sage nur, das sind Punkte, die man nicht so leicht wegwischen kann. Das ist ein ganz heikles Thema. Es gilt, gefährliche Präzedenzfälle zu vermeiden, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren. Ich war selbst einmal vier Jahre lang Beamter, bevor ich meine Frau kennengelernt habe. Das darf ich Ihnen hier heute zum ersten Mal sagen. Ich weiß daher, dass man im öffentlichen Dienst durchgecheckt wird, ich bin da auch durchgecheckt worden. Da gibt es eine Sicherheitsprüfung. Du, Toni Froschauer, kennst das als ehemaliger Gendarmeriebeamter. Es gibt Sicherheitsprüfungen, es gibt


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eine Verlässlichkeitsprüfung, du wirst durchgecheckt. Das ist nicht so ohne. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre, und zwar tiefer als bei Personen in der Privatwirtschaft. Die werden also ohnehin schon entsprechend durchleuchtet. Das jetzt auf alle Personen auszudehnen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, halte ich für demokratiepolitisch bedenklich, überschießend und überbordend.

Worum es mir geht, werte Kolleginnen und Kollegen, ist: Die Problematik ist mir bewusst, ich möchte aber nicht, dass wir durch solche Vorfälle in einen Polizei- und Überwachungsstaat hineingleiten, in einen Staat, in dem es eine Anlassgesetzgebung gibt, und auch in einen Staat, in dem ich zwar mit dem rechten Auge alles sehe, aber auf dem linken Auge blind bin. Also das kann es wohl nicht ganz sein. Da bewegen wir uns rechtlich auf sehr dünnem Eis.

Werte KollegInnen von der sozialdemokratischen Fraktion, gestatten Sie mir, gestattet mir, noch etwas einzubringen. Ich habe das zufällig entdeckt. Ich war unlängst auf einer Reise mit der sozialdemokratischen Stadträtin Regina Fechter aus Linz, die ich persönlich sehr gut kenne. Sie hat in der Diskussion vorgestern gesagt – ich zitiere wörtlich –: „,Ich hege die allerhöchste Antipathie gegenüber den Identitären und ihrer Ideologie. Aber meine persönlichen Gefühle sollten nicht Grundlage dafür sein, ob jemand im Magistrat arbeiten darf oder nicht‘, so Fechter in einer Aussendung. Die rechtliche Basis jemandem nach dem Sicherheitspolizeigesetz die Aufnahme in den öffentlichen Dienst zu verweigern, sei ,äußerst dünn‘. Ihr Ansatz sei eher, extre­mistische Taten auch strafrechtlich zu verankern. ,Dann genügt [...] ein“ einfacher „Strafregisterauszug‘“ wie sonst auch.

Das heißt für mich übersetzt: Auch Sozialdemokraten haben Bedenken, denn die Rechtslage ist dafür nicht ausreichend. Ich möchte nicht, dass wir die Demokratie bei bedauerlichen Vorfällen – alles unumstritten – untergraben, indem wir Anlassgesetze machen. Wir müssen da jedoch sehr aufpassen, dass wir jetzt nicht nur rechts etwas verurteilen, während uns links nicht interessiert. (Bundesrat Weber: Das hat keiner gesagt! – Bundesrätin Mühlwerth: Gesagt schon, aber nicht umgesetzt!) Es geht ums Prinzip, es geht um die Rechtsstaatlichkeit und, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um den Gleichheitsgrundsatz. Das muss man, wenn schon, dann auf alle Be­reiche ausdehnen. So mir nichts, dir nichts gefährliche Präzedenzfälle zu schaffen halte ich für sehr bedenklich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.06


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile dieses.


18.06.58

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Leider kein Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt gleichfalls versuchen, sehr sachlich darauf einzugehen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Bitte, ja!)

Ich werde zunächst versuchen, die Thematik und die Situation ein bisschen zu beleuchten. Ich habe dazu einen Zeitungsartikel der „Presse“ herausgesucht, in dem es heißt: „Identitäre auch bei der Polizei“. Ein BVT-Mitarbeiter bestätigt laut diesem Artikel gegenüber der „Presse“, dass sie beim Verfassungsschutz von manchen Poli­zisten wissen, die Gegenstand von Ermittlungen sind. Das heißt, das BVT weiß von Menschen bei der Polizei, die in direktem Zusammenhang mit den Identitären stehen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich kann es heraussuchen: „Die Presse“, von Anna Thalhammer, am 6. oder 7. April wird das gewesen sein, „Identitäre auch bei der Polizei“. Du kannst dann gerne den Zeitungsartikel von mir haben.


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Die Identitären sind eine Bewegung; sie sind kein Verein, bei dem man ein Vereins­register hat oder sonst irgendetwas, sondern das ist eine Bewegung. Wir wissen von ungefähr 550, 538 Menschen, die an die Identitäre Bewegung Österreich gespendet haben, Geld eingezahlt haben, bewusst die Aktion gesetzt haben, sie mit Geld zu unterstützen. Ich komme noch darauf zu sprechen. Ich lese dir gerne ein paar Namen von Personen vor, die in diesem Sinn in direktem Zusammenhang mit ihnen stehen, und zwar hochrangige Persönlichkeiten – nicht irgendwelche Personen, die auch ein bisschen etwas mit den Identitären haben und ohnedies schon am rechtsextremen Rand stehen. Es geht da um Persönlichkeiten, von denen man es eigentlich nicht unbedingt gleich vermuten würde.

Wir wollen keine Rechtsextreme in der Polizei und im öffentlichen Dienst haben. Das muss unter uns allen klar sein. Im „Presse“-Artikel steht weiters: „Dass der Polizei­apparat nach rechts tendiert, zeigen Personalvertretungswahlen, bei denen die Frak­tion der Freiheitlichen Gewerkschaft Zulauf verzeichnet. Dass sich da auch rechts­extreme Ränder herauskristallisieren, haben schon vorhergehende ÖVP-Innenminister erkannt und einen Aktionsplan Rechtsextremismus gestartet, um das eigene Personal für das Thema zu sensibilisieren.“

Das ist nichts Neues. Es ist bekannt, dass es gerade in der Polizei immer wieder eine Tendenz zu Fällen gibt, die drohen, ins Rechtsextreme hinüberzurutschen. In Deutsch­land gab es ein Identitären-Pickerl in einem Bus der Polizei. Das ist ebenfalls passiert.

Und was sind die Identitären? – Jedenfalls nicht, wie Heinz-Christian Strache damals meinte, irgendwie friedliche, nicht-linke zivilgesellschaftliche Initiativen. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine Vereinigung mit hohem Kriminalitäts- und Gefährdungspotenzial. Das sagen nicht nur die Grünen oder sonst irgendwer, sondern das sagt schon jahrelang auch der Bundesverfassungsschutz. Von dem werden sie entsprechend als modernisierter Rechtsextremismus kategorisiert. Das ist es und nichts anderes!

Die will ich nicht in der Polizei. Das muss uns allen ein Anliegen sein. Da frage ich zunächst einmal Sie von der ÖVP: Wollen Sie das? – Ich hoffe, Sie beantworten diese Frage auch mit Nein.

Und jetzt schauen wir uns das einmal an: 550 Mitglieder haben die Identitären, also Leute, die Geld gespendet haben. Es geht da also nicht um Leute, die da nur einmal auf die Seite geklickt haben, Likes vergeben haben oder vielleicht einmal bei Demos dabei waren, denn das wären noch viel, viel mehr. Reden wir einmal nur von denen, die bei den Identitären ganz aktiv eine Aktion gestartet haben. 68 Mitglieder sind polizeilich vorgemerkt, 32 sind bereits rechtskräftig verurteilt. 16 Verurteilungen gab es nach Gewaltdelikten. Neunmal kam es wegen einer Körperverletzung zu rechts­kräftigen Schuldsprüchen, einmal wegen Raufhandel. Zwei Identitäre wurden wegen Beleidigung verurteilt, einer wegen Diebstahl beziehungsweise Verstoß gegen das Waffengesetz, einer wegen politisch motivierter Sachbeschädigung und Vergewalti­gung, viermal kam es zu weiteren Schuldsprüchen.

Das alles sind by the way Schuldsprüche, nicht irgendwelche Anzeigen, alles rechts­kräftige Verurteilungen! Das hat im Ausschuss nicht so geklungen. Dort ist der BVT-Vizechef gesessen und hat gesagt: Ja, wir wissen, da gibt es ein paar Anzeigen. – Es sind zig Anzeigen: vier wegen Missbrauch von Suchtmitteln, immerhin auch sechs Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz. 77 Identitäre besitzen eine Waffe, gegen zehn besteht ein behördliches Waffenverbot. Die Einnahmen – ich denke, da brauche ich nichts mehr dazu zu sagen – betragen über 700 000 Euro.

Vielleicht haben Sie in den Zeitungen auch Aussagen von Sellner gelesen, zum Bei­spiel: Der Krieg kann nur gewonnen werden, wenn er bereits begonnen hat. – Das ist


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also die Ideologie dahinter. Da geht es auch noch um Rechtsextremismus, da geht es um den Völkeraustausch, um Apartheidpolitik. Das ist die Ideologie dahinter.

Von den 550 Mitgliedern sind nach und nach ein paar Namen durchgesickert. Wer ist da also dabei? – Es gibt da natürlich keinerlei Verbindung zur FPÖ. Widmen wir uns einmal den Einzelfällen: Brigitte Kashofer, Amstetten, Stadträtin, ist Spenderin. (Zwi­schen­ruf bei der FPÖ.) FPÖ-Stadträtin. Die kennst du nicht? – Schwach. Vielleicht können sich manche noch daran erinnern: Das war die FPÖ-Stadträtin, die die Aus­sage getätigt hat, dass Frauenhäuser Ehen zerstören. Es ist die FPÖlerin, die diese Aussage getätigt hat. Sie ist Spenderin an die Identitäre Bewegung Österreich und noch immer im Amt.

Die „Salzburger Nachrichten“ haben wenig überraschend Ulrich Püschel als Spender genannt. Ulrich Püschel ist unter anderem Büroleiter des Linzer FPÖ-Chefs Markus Hein. Du wirst ihn sicherlich kennen. Er ist 2018 auch in den Aufsichtsrat der Linz AG gehievt worden und hält nach wie vor noch einen 30-Prozent-Anteil von „Info-direkt“, dem Veranstalter des Kongresses der „Verteidiger Europas“. – Dort stand unser jetziger Herr Innenminister bei seiner Rede vor den Identitären, die er vielleicht ein bisschen begrüßt, aber jedenfalls nicht erkannt hat, die ihm nicht aufgefallen sind. – Nach wie vor ist er im  Verband freiheitlicher Akademiker Oberösterreich, dem wie­derum 20,195 Prozent der Anteile der „Aula“-Nachfolge, der „Freilich Medien GmbH“ gehören.

Damit kommen wir zur „Freilich Medien GmbH“: Heinrich Sickl, steirischer FAV-Ob­mann und freiheitlicher Geschäftsführer, ein Medieninhaber mit super Querver­bindun­gen zu den Identitären.

Geoutet hat sich auch Reinhard Rebhandl, stellvertretender FPÖ-Bezirksparteiobmann im Tennengau. Die Kollegin wird Herrn Kollegen Rebhandl sicherlich kennen, denn er war immerhin auch Kandidat für den Salzburger Landtag und Ersatzmitglied für den Bundesrat, nämlich FPÖ-Ersatzbundesrat der Kollegin, glaube ich. Er ist ebenfalls Spender an die Identitäre Bewegung Österreich.

Das sind die zufälligen Einzelverbindungen in die FPÖ. Angesichts all dieser Einzel­verbindungen – sorry for that – müssen wir uns langsam schon einmal fragen, ob ihr da ewig darüber hinwegschauen könnt. Das sind rechtsextreme Leute. Rebhandl steht sogar bei einer Kundgebung der Identitären – da gibt es Tausende Fotos –, begrüßt die Identitären, redet dort und geht mit denen auch noch bei Demonstrationen mit. (Bundesrat Seeber: Es geht um den Sperrvermerk!) Das sind ja keine Leute, die wir irgendwie erfinden, sondern die spenden bewusst Geld an eine rechtsextreme Bewe­gung. Das ist das Problem dahinter. (Bundesrätin Mühlwerth: Zum Antrag reden, Herr Kollege!)

Ich kann Ihnen garantieren: Da werden noch zig Namen auftauchen, da werden noch einige bekannte und große Namen von Personen auftauchen, die an die Identitäre Bewegung gespendet haben, mit Sellner in Kontakt stehen, und das ist das Problem.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Sie heute nicht dabei mitgehen, dass es einen klaren Schlussstrich bei der Polizei und im öffentlichen Dienst für die Identi­täre Bewegung gibt, das ist schon ein bisschen sinnbildlich. Ich verstehe deine Argu­mentation schon, aber trotzdem ist für mich nicht erklärbar, warum ihr nicht endlich einmal einen Schlussstrich zieht. Beim Bundesheer geht es, beim öffentlichen Dienst nicht – das ist für mich nicht so ganz schlüssig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe ÖVP! Reden des Bundesparteiob­man­nes, in denen er sich distanziert, kann ich mir schon vorstellen. Seine Partei steckt


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jedoch mittendrin in der Identitären Bewegung, und das ist das Riesenproblem in Öster­reich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

18.16


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile dieses.


18.16.19

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Kollegen! Werter Herr Kollege Stögmüller, Sie leben in der Vergangenheit. Sie haben jetzt sehr viel aufgezählt. Ich darf nun auf die beiden Punkte eingehen, die Sie genannt haben. Sie haben zunächst einmal gesagt, es gibt nachweislich ein sehr hohes Kriminalitätspotenzial oder es wurde ein solches in der Polizei festgestellt. (Bundesrat Stögmüller: Ja!) Wenn dem so ist, kann ich das jetzt nicht nachprüfen. Das nehme ich jetzt einmal so hin, denn man kann es oft nicht überprüfen, ob das, was in den Medien steht, richtig ist oder nicht. Das weiß man immer erst im Nachhinein. Im Fall Villa Hagen zum Beispiel hat sich nach einem Monat herausgestellt, dass die Berichterstattung in den „OÖN“ korrigiert werden musste. Das hat sich als klassische Fake-News-Meldung herausgestellt.

Ich nehme das also einmal so hin. Nehmen wir einmal an, es gibt bei der Polizei wirklich einige Mitglieder der Identitären Bewegung, die auch aufgefallen sind. (Bun­desrat Stögmüller: Sagt das BVT!) Das nehme ich jetzt einmal als Faktum so hin. Dann kann ich Ihnen aber nur sagen: Ja dann funktioniert doch das System! Dann werden ja genau diese problematischen Elemente innerhalb der Polizei identifiziert, werden dann rechtsstaatlich zur Rechenschaft gezogen, werden vor einem Strafrichter stehen, müssen sich dort für genau diese Delikte verantworten.

Dann gibt es auch die strafrechtlichen Nebenfolgen. Bei einer Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe gibt es dann genau die Sanktion, die Sie sich wünschen, nämlich einen „Sperrvermerk“ – unter Anführungszeichen – im öffentlichen Dienst. Man kann dann nicht mehr Beamter bleiben. Das System funktioniert also.

Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, waren die verschiedenen Spenden. Ich sage Ihnen jetzt einmal eines: Es gab früher die Situation, Sie können sich vielleicht noch daran erinnern – das war vor einigen Jahren –, als NGO-Schiffe überall im Mittel­meer dabei geholfen haben, dass illegale Einwanderer nach Europa kommen. Da hat niemand etwas dabei gefunden. Es waren Ihre Fraktionen, die das sogar begrüßt und gesagt haben, dass das ein Zeichen der Humanität ist, dass man da den Booten vonseiten der NGOs hilft und dass die Europäische Union noch Geld in die Hand neh­men soll, um diesen Transfer nach Europa zu unterstützen. Da war die Identitäre Bewegung offenbar eine der wenigen NGOs, nach dem, was ich gehört habe, die sich dafür eingesetzt hat, dass das mit diesen Schiffen und diese Schlepperei, wenn auch nicht im strafrechtlichen Sinn, aufhört. (Bundesrat Stögmüller: Aha, die sind also eine NGO für Sie!)

Da kann ich mir sehr gut vorstellen, dass da einige Kollegen aus der Freiheitlichen Partei gesagt haben: Gut, das sind junge Burschen, die unterstützen wir mit einer Spende, denn wir finden es toll, dass hier jemand Aktionismus dagegensetzt. Das war vor einigen Jahren der Wissensstand. Sie haben vielleicht Kollegen Rosenkranz, Klub­obmann im Nationalrat, gehört, der hat das in der „ZIB 2“ schon sehr gut erklärt, nämlich die Entwicklung, dass die Identitäre Bewegung früher für die FPÖ eine ganz normale NGO war und man da auch kein Problem damit gesehen hat, etwas zu spenden, bis hin zu dem Punkt, an dem man dann die Fehlentwicklungen gesehen hat, vielleicht Radikalisierungstendenzen, die Sie da auch ansprechen. Sie lesen ja diese


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Berichte viel intensiver, als wir das tun. Ich kann mich jedoch erinnern, dass man dann ganz klar, und zwar schon sehr früh, vor einigen Jahren in der FPÖ Oberösterreich, also jedenfalls auf Landesebene, den Beschluss gefasst hat, dass es mit Mitgliedern der Identitären Bewegung keine personellen Überschneidungen geben darf, dass man nicht zugleich auf der einen Seite Funktionär der FPÖ und auf der anderen Seite Mitglied der Identitären sein kann.

Es hat also auf jeden Fall schon einmal diese Parteitagsbeschlüsse gegeben, und soviel ich weiß, gab es diese Beschlüsse dann auch auf Bundesebene. Ich habe das jetzt, was den Zeitpunkt betrifft, nicht mehr genau im Kopf, Sie werden mir das jetzt verzeihen, es gab aber diese Distanzierungen schon sehr früh.

Anschließend kommt irgendwann im Jahr – dieses Jahr, Anfang April war das – diese Medienhetzkampagne, von der die Hälfte unrichtig ist. Es gab darauf natürlich auch die Meinung, dass man sagte: Diese Distanzierung muss noch viel deutlicher stattfinden, es ist auch nicht mehr erlaubt, dass einzelne Mitglieder irgendwelche Mietverträge abschließen, und zwar nicht nur mit Mitgliedern der Identitären, sondern nicht einmal mit Personen in einem Naheverhältnis zu ihnen. Was ist ein Naheverhältnis? Wenn ich mich mit jemandem fotografieren lasse, der womöglich Mitglied der Identitären Bewe­gung ist, wovon ich vielleicht nicht einmal weiß? Das kann wohl noch kein ausreichen­der Zurechnungsgrund sein. Das ist dem Präsidenten Van der Bellen passiert, ge­nauso wie dem Bundesparteiobmann der FPÖ Heinz-Christian Strache, der sich da offenbar im Gasthaus mit einigen Kameraden hingesetzt hat, von denen er nicht einmal gewusst hat, dass das Mitglieder der Identitären sind. Die Mitglieder der Identitären tragen ja auch kein Mascherl, die haben ja irgendwie kein gemeinsames Erkennungs­merkmal. Woher soll man es denn wissen? (Bundesrat Stögmüller: Sie sind gemein­sam in der Villa Hagen ein und aus gegangen!)

Das bedeutet aber eines nicht – diesen Fehler dürfen Sie nicht machen, aber genau diesen Fehler machen Sie mit Ihrem Entschließungsantrag –: Nur weil man sich mit jemandem trifft und weil man mit ihm spricht, bedeutet das ja nicht, dass man die Meinung teilt. Das ist vielleicht bei Ihnen so, oder das war vielleicht in der DDR auf irgendwelchen sozialistischen Volkskongressen so, dass alle immer dieselbe Meinung haben und dass alle Volksgenossen dieselbe Meinung haben müssen, in der DDR nämlich, aber bei uns in einer liberalen Demokratie ist das nicht so. Da redet man miteinander, man tauscht die Meinungen aus und ist oft verschiedener Meinung bei der einen Sache und wieder gleicher Meinung bei unproblematischen Dingen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Sie schreiben in Ihrem Entschließungsantrag: „Der Bundesrat wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären innerhalb des öffentlichen Dienstes einzuführen, da Rechtsextremismus innerhalb des Öffentlichen Dienstes nicht zu dulden ist.“

Es fehlt eine Definition von Rechtsextremismus. Die ist auch auf Grundlage der der­zeitigen gesetzlichen Lage einfach nicht möglich. (Bundesrat Weber: Im Bundesheer geht das schon!) Wie wollen Sie Sperrvermerke als Bundesregierung, als oberstes Organ der Verwaltung einführen, wenn die gesetzlichen Grundlagen dafür gar nicht gegeben sind? Weder im Beamten-Dienstrechtsgesetz noch im Vertragsbediensteten­gesetz haben wir eine rechtliche Grundlage. Da gibt es ein Disziplinarrecht, das recht streng ist, das genau dazu gedacht ist, dass man einzelne Taten und auffälliges Verhalten disziplinär ahndet – das haben wir im Ausschuss von den Expertinnen und Experten sehr schön ausgeführt gehört –, aber es ist eben nicht möglich, einen pauschalen Sperrvermerk basierend auf einer Vereinsmitgliedschaft oder einer Mitgliedschaft bei einer Bewegung zu setzen, wofür es nur vollkommen undefinierte Kriterien gibt und womit Sie die Leute pauschal unter einen Generalverdacht stellen.


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Das, was Sie wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der linken Seite hier im Saal, ist schon möglich – allerdings nicht in einem liberalen Rechtsstaat, sondern in einem autoritären Staat, in dem es keine Vereinsfreiheit gibt, in dem es keine Mei­nungs­freiheit gibt, in dem es keine Erwerbsfreiheit gibt, so wie wir sie kennen und so wie sie auch von der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet wird.

Und jetzt frage ich Sie zum Abschluss schon noch eines: Was glauben Sie? Soll nun die Politik dieser Bundesregierung dem Recht folgen – oder soll das Recht der Politik folgen, so wie Sie das wollen, sodass wir einen Weg in Richtung autoritärer Demo­kratie beschreiten? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.22


Präsident Ingo Appé: Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann ist zu Wort ge­mel­det. Ich erteile dieses.


18.23.08

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin fassungslos, ja fast sprachlos, was Sie da jetzt von sich gegeben haben, was mein Vorredner hier von sich gegeben hat. Sie haben da ja fast Lobeshymnen und Verteidigungsreden für die Identitären gehalten. Das war nicht zu fassen, das war wirklich nicht zu fassen, was Sie da von sich gegeben haben. (Heftiger Widerspruch bei der FPÖ.) Sie bewegen sich da natürlich in einer Gesinnungsgemeinschaft, Sie haben ja jetzt auch Innenminister Kickl zitiert. Ich finde, das ist wirklich dieses Hohen Hauses nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle haben ein Gelöbnis abgelegt, so wie alle, die im Namen der Republik tätig sind, ein entsprechendes Gelöbnis ablegen müssen, weil es eben eine besondere Ehre ist, aber nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Verantwortung, für die Republik Österreich tätig sein zu dürfen. Deshalb werden natürlich Mindestanforderungen gestellt, nicht nur was die fachliche Eignung betrifft, sondern auch was die persönliche Eignung angeht. Dafür gibt es entsprechende Rechtsgrundlagen bei der Aufnahme, das wissen wir. Wir konnten dazu ja auch im Ausschuss sehr eingehend Informationen einholen. Im Sicherheitspolizeigesetz gibt es entsprechende Bestimmungen. Das muss aber selbstverständlich für die gesamte Laufbahn eines Menschen gelten, der im Namen der Republik tätig ist. Es braucht eine Identifikation mit den grundlegenden Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat­lichkeit, wozu selbstverständlich auch der Respekt vor den Menschenrechten gehört. Gewaltverherrlichung und – ich sage das jetzt bewusst neutral gehalten – Extremismus sind damit selbstverständlich nicht vereinbar.

Rechtsextremismus ist gerade bei den bewaffneten Einheiten ein festgestelltes Problem, und deshalb reden wir jetzt im Speziellen darüber. Es ist uns gerade durch das BVT so bestätigt worden, dass da offensichtlich Handlungsbedarf besteht. Kollege Stögmüller hat das bereits ausgeführt. Ich möchte das aus Zeitgründen nicht noch einmal wiederholen, aber es wird von verschiedenen Stellen, die es wissen müssen, bescheinigt, dass eine Problemlage und Handlungsbedarf bestehen. Das darf man nicht verharmlosen oder irgendwie mit irgendwelchen Argumenten abtun, wie Sie sie hier jetzt von weit hergeholt haben. Die waren teilweise wirklich atemberaubend. Hand­lungsbedarf ist gegeben, und es besteht auch eine Verpflichtung, tätig zu werden.

In der letzten Plenarsitzung haben wir anlässlich einer Dringlichen Anfrage an den Bundeskanzler eingehend über die Definition von Rechtsextremismus sprechen kön­nen. Da gibt es wissenschaftlich anerkannte, von verschiedenen Hochschulen stam­mende Begriffsmerkmale, die eben als gemeinsamen Nenner aufweisen, dass die eigene


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Ethnie überbewertet wird und folglich andere abgewertet werden. Es wird die Gleichwertigkeit der Menschen abgelehnt, Pluralismus wird abgelehnt, daraus folgend werden auch Menschenrechte für alle so nicht anerkannt. Angestrebt wird eine auto­ritär geführte Volksgemeinschaft als ethnisch reiner Nationalstaat, der eben autoritär geführt wird. Das sind die Wesensmerkmale, die unisono so von Expertinnen und Experten, von Hochschulprofessorinnen und -professoren festgestellt werden. Schlimm genug - - (Bundesrat Krusche: Ist das fad! – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja, die linksextremen Experten!) – Ja, Sie stellen diese infrage.

Wir haben ja auch bei Ihrem Beitrag bei der letzten Plenarsitzung zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie da gar nichts dabei finden. Mit einem Achselzucken sind Sie da gestanden und haben das - - (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist Meinungsfreiheit, Staatsgrundgesetz Artikel 13!) Ich sage, es braucht eine Grundhaltung, um im öffentlichen Dienst tätig sein zu können. Schlimm genug, wenn solche Haltungen in der Gesellschaft von Ihnen und Ihren Kameraden und Kameradinnen, wie Sie sie genannt haben, propagiert und vertreten werden. Wenn aber nun Persönlichkeiten des öffent­lichen Dienstes auch solche Haltungen vertreten, dann muss befürchtet werden, dass eine objektive und pflichtgemäße Amtsführung nicht gewährleistet ist.

Durch das Christchurch-Attentat sind die Identitären in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Das hat gewissermaßen auch den Bundeskanzler sozusagen wachgerüttelt. Der hat da seine Regierungsmitglieder, eben den Verteidigungsminister, wie das schon angesprochen worden ist, in dem Bereich auch einfangen können, was die Sperrvermerke für Identitäre beim Bundesheer angeht. Das war auch höchst not­wendig.

Ich muss dazu allerdings schon auch eine Frage stellen. Ich habe beim letzten Mal wirklich den Eindruck gehabt, dass mir der Bundeskanzler durchaus aufmerksam zuge­hört hat und dass ihm die kritischen Aussagen schon auch sehr nahegegangen sind. Das möchte ich ihm durchaus zubilligen, und deshalb frage ich mich umso mehr: Warum sind Sie dann gegen diesen Antrag? Also bei der FPÖ wundert mich das überhaupt nicht, aber bei der ÖVP wundert mich das schon, weil ich schon meine, dass Sie da eine andere Grundhaltung vertreten. (Bundesrätin Mühlwerth: Was ist das jetzt für ein Versuch?)

Was mich auch sehr verwundert hat, ist, dass Sie so beleidigt reagieren, weil wir von unserem Minderheitsrecht auf Debatte im Plenum Gebrauch gemacht haben. Das war wirklich sonderbar, und Kollege Brunner hat sich ja selbst auch irgendwie verwundert gezeigt, dass Sie da nicht einmal unserem Antrag auf Berichterstattung zugestimmt haben. – Da müssen Sie ja so beleidigt gewesen sein! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) So eine kindische Reaktion habe ich im Hohen Haus überhaupt noch nicht erlebt. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Brunner.)

Ich weiß nicht, was da los ist. Ihnen muss diese ganze Sache, der Umstand, sich hier öffentlich deklarieren zu müssen, unglaublich peinlich sein, dass Sie dermaßen beleidigt reagieren. Ich sage Ihnen aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der rechten Seite dieses Hauses: Ihre Befindlichkeiten sollten nicht im Vordergrund stehen, sondern der Ruf und die Handlungsfähigkeit des Staatswesens. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

18.31


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile dieses.



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18.31.28

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir kommen jetzt schon mit den Einzelfällen nicht nach, und es ist ja des Öfteren hier im Bundesrat auch Thema, wie wir mit den Identi­tären umgehen möchten. Sie tun aber noch immer so, als wären das ein paar fahnen­schwingende, klasse Burschen, die nichts mit Rechtsextremismus zu tun haben und nicht einer Ideologie nachhängen, die gerade eben eine liberale Demokratie gefährdet. (Bundesrat Schilchegger: Eine NGO!)

Ich möchte noch ein paar Punkte ansprechen, weil damit auch sichtbar wird, wie ver­netzt das Ganze ist und weswegen dieser Entschließungsantrag darauf abzielt, dass man diese Netzwerke nicht nur sichtbar macht, sondern dass man sich diese Personen zumindest in wichtigen staatsnahen Funktionen genauer anschaut.

Erstens: Die selbst ernannte Islamexpertin Laila Katharina Mirzo, die sich auf der Spenderliste der Identitären, die dem BVT vorliegt, befindet, stellt sich mit Herrn Sellner nicht nur gerne für Fotos hin, lässt sich ablichten und schreibt für den für hetzerische Beiträge bekannten „Wochenblick“, sondern sie wurde auch kürzlich zur Abschluss­veranstaltung der Reihe 100 Jahre Frauenwahlrecht ins Parlament eingeladen. (Bundesrat Rösch: Was ist daran so schlimm?) – So viel zu den ExpertInnenpools, in denen man hier wühlt.

Zweitens: Gestern – das wurde auch schon erwähnt – feierten am Abend 10 000 Per­sonen am Heldenplatz den 8. Mai als Tag der Befreiung. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass zu Mittag auf der Uni, wie jetzt schon eigentlich jeden Mittwoch, Burschen­schaftler ein Totengedenken abgehalten haben, bei dem sie im Gegensatz zum Heldenplatz eigentlich die Täter des Nationalsozialismus heroisieren. Auch da gibt es Überschneidungen zu den Identitären. Beide sind reaktionäre Männerbünde, die sich in der Tradition des völkischen Antisemitismus befinden. Es ist auch dokumentiert, dass diese ein Scharnier zum rechtsextremen Teil der FPÖ und somit auch zu einer Regie­rungspartei sind.

Drittens: Der genannte Sellner applaudierte nicht grundlos unserem Vizekanzler, als dieser sehr medienwirksam und bei vollem Bewusstsein vom „Bevölkerungsaustausch“ sprach. Ob das eine kleine Wiedergutmachung an die Identitären war, nachdem man sich davor, nach dieser Spendengeschichte des Attentäters, von diesen distanzieren musste, wissen wir natürlich nicht. Fest steht schon, „Der große Austausch“ ist nicht nur ein rechtsradikales Werk, das sowohl von den Identitären propagiert wird und auch dem Attentäter in Neuseeland als Hassmanifest diente, sondern es findet sich auch im Bücherregal von Minister Hofer. Auch das ist gut dokumentiert.

Viertens: Dieser „große Austausch“ oder der „Bevölkerungsaustausch“, wenn man das so nennt, ist ja nicht nur ein rechter politischer Kampfbegriff und Agitationsschwerpunkt der neuen, aber auch der alten Rechten, es ist auch eine von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit getragene Verschwörungstheorie. Sie werden wissen, die ursprüng­liche Vorstellung vom Bevölkerungsaustausch war schon nach dem Zweiten Weltkrieg in Nazikreisen großes Thema und erlebt jetzt so etwas wie eine Renaissance. So zu tun, als wüsste man nicht, woher das alles kommt und womit das alles zu tun hat, ist schon – sage ich einmal – zumindest naiv. Ich kaufe Ihnen nicht ganz ab, dass Ihnen das nicht bewusst ist.

Jedenfalls frage ich vor allem in Richtung ÖVP, warum Sie sich als ernst zu nehmende Parlamentarier nicht damit auseinandersetzen wollen, dass es immer schon eine immerwährende Migration gegeben hat und dass diese in Zeiten der Globalisierung natürlich auch noch verstärkt wurde, sondern genau dieser Verschwörungstheorie Ihres Regierungspartners auch noch auf den Leim gehen.


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Fünftens: Sie haben heute vielleicht auch – das war auf Twitter – das Gestammel von Nationalratsabgeordnetem und AfD-Freund Gudenus gesehen, mit dem er sein „seil­seil“-Passwort bei einer russischen E-Mail-Adresse verteidigt. Die Zeit fehlt jetzt, um darauf einzugehen. Dieser Gudenus war 2010 auch beim Wahlkampfauftakt der unga­rischen rechtsextremen Jobbik präsent. Die Sympathie zum Despoten Putin – Stich­wort Russland – wurde ja seitens der FPÖ sogar mit einem Kooperationspakt be­siegelt. Auch da könnte man ewig lange auf die Netzwerke eingehen.

Sechstens: Es fehlen tatsächlich manchmal die Worte bei all diesen Vorfällen, Einzel­fällen, Verbindungen, Verurteilungen und notwendigen Sperrvermerken. Ein Gusto­stückerl oder ein Sahnehäubchen ist vielleicht noch am Ende tatsächlich etwas, auf das ich jetzt gekommen bin, eine Rede der Verlobten des eben genannten Sellner, Pettibone. Da spricht sie davon, dass Österreich ein Mafiastaat ist. Dazu wird es sicherlich auch eine Anfrage von mir geben, ob Ihnen beziehungsweise Innenminister Kickl das bekannt ist. Sie lobbyiert auch bei den Republikanern für ihren Verlobten Sellner, damit man ihn von der US-Watchlist nimmt. Ich denke mir, von ungefähr kommt man nicht auf diese Watchlist, aber auch das müssen Sie sich bitte selber anschauen.

Kollege Seeber, bei all diesen Punkten reicht jedenfalls eine neutrale Position bei Weitem nicht aus. Da braucht es Klarheit, da braucht es Konsequenz und da braucht es auch Grenzen. Diese Relativierung ist, wie ich meine, Ihrer tatsächlich nicht würdig.

Eines lässt schon ein bisschen ratlos zurück: Sie wollen ja am liebsten alle durch­leuchten und setzen zig Überwachungsmaßnahmen, aber wenn es um eine Gruppe geht, die vom Verfassungsschutz als gefährlich für die Demokratie eingestuft wird, dann relativieren Sie auf einmal. Da sagen Sie dann: Das ist autoritär, da werden dann alle durchleuchtet werden müssen!, und sehen nicht ein, dass es hier schon noch einmal um eine andere Gruppe geht als vielleicht um eben ein paar Burschen, die auf Demos skandieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Diese Burschen werden nämlich von einem angeführt, der gerne auf Synagogen Hakenkreuze klebt – auch das kann man nicht oft genug wiederholen – und mit einem bekannten Holocaustleugner, der auch verurteilt worden ist, Herrn Küssel, befreundet ist. Bitte, nochmals: Es geht hier nicht darum, dass die Identitären jetzt gänzlich ver­boten werden – darüber haben wir heute gar nicht geredet –, es geht um Sperr­vermerke für rechtsextreme, brandgefährliche, vom Verfassungsschutz als gefährlich für unser friedliches Zusammenleben und für die Demokratie titulierte Personen.

Ich würde Sie bitten – vor allem in Richtung ÖVP gesprochen –, sich das vielleicht doch noch einmal genauer anzuschauen. Diese Netzwerke sind nämlich tatsächlich brandgefährlich, machen nicht an den Grenzen halt, sondern betreffen ganz Europa. Wir werden uns irgendwann einmal vor den Konsequenzen nicht mehr retten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.39


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Anton Froschauer. Ich erteile dieses.


18.39.55

Bundesrat Anton Froschauer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte ZuhörerInnen hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Frau Mag.a Dziedzic führt eine Fülle von Fällen an, die mich anwidern, die mich genauso anwidern wie Sie. (Beifall bei der SPÖ.) Frau Mag.a Grossmann spricht von einer Grundhaltung. Glauben Sie mir, da haben wir die gleiche. (Bundesrat Weber: Dann tut etwas!)


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 158

Kollege Weber stellt Fragen in die Richtung – ich gehe jetzt gar nicht auf diese oder andere Ausprägungen ein –: Möchten Sie, dass Extremisten im Bundesdienst sind? – Nein, keinesfalls! (Bundesrat Weber: Also, geht mit!) Aber – und das ist unser Prob­lem – Artikel 18 des Bundes-Verfassungsgesetzes sagt, wir sind ein Rechtsstaat (Bundesrätin Hahn: Die Worte hör’ ich wohl!) – das ist ja gut –, die gesamte staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden. Das ist gut so, damit der Willkür kein Raum gegeben wird. Es behindert uns manchmal, Dinge zu tun, die wir gerne bei jeder Form von Extremismus tun würden. (Bundesrat Weber: Ist das gegen den Rechtsstaat?)

Dann könnten wir überlegen: Was machen denn die? – Wir reden immer von Vereini­gung. Nun haben wir im § 278 im Strafgesetzbuch eine Bestimmung: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dazu müssen ein Ziel und ein Zweck gegeben sein. Da sind aufgeführt, welche Verbrechen erfüllt sein müssen, um dieses Ziel und diesen Zweck darzustellen, damit es unter den § 278 fällt: auf „längere Zeit angelegter Zusam­men­schluss von mehr als zwei Personen“. „Als Mitglied beteiligt sich [...], wer im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine strafbare Handlung“ gegen folgende Paragrafen setzt. „Nicht zu bestrafen“ ist - - das ist darin auch enthalten.

Wir haben zurzeit keine gesetzliche Handhabe, um diese Dinge auf den Weg zu bringen. Das macht es schwierig. (Bundesrat Schabhüttl: Wir werden auch keine kriegen!) Bringen Sie einen konkreten Vorschlag, wie man das machen könnte. (Bundesrat Weber: Warum geht es beim Bundesheer?) – Warten Sie einmal, jetzt kommt die Abgrenzung. Es ist nicht meine Aufgabe, Kollegen Schilchegger zu vertei­digen. Der hat nur glasklar darauf hingewiesen, was die gesetzliche Grundlage, der gesetzliche Rahmen ist. (Bundesrat Wanner: Machen wir es gemeinsam, SPÖ und ÖVP!) – Schlagt einmal vor, was es sein könnte (Bundesrat Stögmüller: Das ist ja kein Initiativantrag, sondern ein Entschließungsantrag! – Bundesrätin Grimling: Dann machen wir es gemeinsam!) – lasst mich ausreden! –, und zwar unter Aufrechterhaltung eines Rechtsstaates! Gesinnungspolizei ist etwas, was wir alle nicht wollen.

Schauen Sie, wir reden in Wirklichkeit vom Gleichen. Es bringt uns auch nichts, immer hinzuzeigen und zu sagen, da ist wieder ein Fall und da ist wieder ein Fall. Wie gesagt, die sind jeder für sich problematisch. (Bundesrat Wanner: Ihr dreht euch wie ein Wurm!)

Kommt mit Kriterien, wie man ein Gesetz machen könnte, um Extremismus – da reden wir aber von beiden Seiten – zu unterbinden, um Menschen, die ihrem Wesen nach darauf ausgerichtet sind, unseren Rechtsstaat, unseren demokratischen Staat infrage zu stellen, wegzuhalten! Was Sie in dem Entschließungsantrag fordern, ist leider etwas anderes. (Ruf bei der SPÖ: Warum geht es beim Bundesheer?) Kommen Sie bitte mit konkreten Vorschlägen! (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – Nein, nicht so, sondern glasklar, so wie es der Kollege gesagt hat. Kommen Sie in einem Rechtsstaat mit Vorschlägen, die dem Rechtsstaat entsprechen, um den Zweck zu erreichen, den Sie wollen! (Bundesrat Weber: Ist der Verteidigungsminister gegen den Rechtsstaat? – Ruf bei der SPÖ: Dann machen wir es gemeinsam!) Kommen Sie mit Vorschlägen, die dem Rechtsstaat entsprechen – dann gerne. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

18.44

18.44.37


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll892. Sitzung, 892. Sitzung des Bundesrates am 9. Mai 2019 / Seite 159

Da der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus mit Stimmenmehrheit beschlos­sen hat, dem Antrag keine Zustimmung zu erteilen, ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Annahme des gegenständlichen Antrages keine Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des gegenständlichen Antrages ist somit angenommen.

18.45.2515. Punkt

Wahl eines Mitgliedes und von Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Gemäß § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 stehen von den auf den Bundesrat ent­fallenden 13 Mitgliedern und 13 Ersatzmitgliedern jeweils 6 Mitglieder und 6 Ersatzmit­glieder der ÖVP, 5 Mitglieder und 5 Ersatzmitglieder der SPÖ und 2 Mitglieder und 2 Ersatzmitglieder der FPÖ zu.

Aufgrund des Ausscheidens eines Mitgliedes und zweier Ersatzmitglieder des Bun­desrates sind diese neu zu wählen, wobei dieses Mitglied von der FPÖ beziehungs­weis diese Ersatzmitglieder jeweils von der ÖVP und der SPÖ für die entsprechende Wahl vorzuschlagen sind.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und die Ersatz­mitglieder vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Es liegen mir folgende Nominierungen der Fraktionen vor:

Mitglied: von der FPÖ vorgeschlagen Bundesrat Mag. Bernd Saurer (Wien). Ersatz­mit­glieder: von der ÖVP vorgeschlagen Bundesrat Ernest Schwindsackl (Steiermark), von der SPÖ vorgeschlagen Bundesrat Günter Kovacs (Burgenland).

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diese Wahlvor­schläge durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Das genannte Mitglied beziehungsweise die genannten Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmeneinhelligkeit gewählt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.47.41Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bun­des­rates David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäfts­ordnung, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Geset­zesantrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sanitätergesetz geändert wird, eine Frist bis 29. Mai 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Kinderrechteausschuss zur Bericht-


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erstattung über den Entschließungsantrag betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis 29. Mai 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

18.49.00Einlauf


Präsident Ingo Appé: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 3648/J-BR/2019 und 3649/J-BR/2019, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, 29. Mai 2009, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 27. Mai 2019, 14 Uhr, vorgesehen. 

Ich wünsche allen eine gute Heimreise.

Die Sitzung ist geschlossen.

18.50.03Schluss der Sitzung: 18.50 Uhr

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