18.13

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Wir sprechen heute über die Änderung des Medizinproduktegesetzes und die Änderung des IVF-Fonds-Gesetzes. Mein Hauptaugenmerk lege ich auf das Medizinproduktegesetz, dennoch ein paar kurze Worte zur Änderung des IVF-Fonds-Gesetzes: Wir sehen uns einer EU-Richtlinie gegenübergestellt, die nun in das IVF-Fonds-Gesetz übernommen wird. Sie betrifft Personen, die einen Aufenthaltstitel nach Artikel 50 EUV haben. Das bedeutet, dass man erwerbstätig ist oder sich den Aufenthalt in Österreich ohne Bezug von Sozialhilfeleistungen für sich und seine Familienangehörigen leisten kann und über eine umfassende Krankenversicherung verfügt. Als Familienmitglied einer solchen Person behält man auch sein Aufenthaltsrecht.

Personen, die schon ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben, können ebenso einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach Artikel 50 EUV stellen. Wie bisher sind keine Deutschkenntnisse erforderlich. Sie erhalten einen Aufenthaltstitel nach Artikel 50 EUV im Scheckkartenformat. Dieser gilt für fünf Jahre. Haben sie schon ein Dauer­aufent­haltsrecht erworben, gilt der Aufenthaltstitel für zehn Jahre. Damit können sie ihr wei­teres Aufenthaltsrecht nach dem Austrittsabkommen nachweisen und frei nach Öster­reich einreisen und aus Österreich ausreisen. Mit dem Aufenthaltstitel nach Artikel 50 EUV dürfen sie weiterhin in Österreich leben, arbeiten und studieren. Auch der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts ist möglich. Bürger, auf die das zutrifft, können auch vom IVF-Fonds unterstützt werden.

Seit 1. Jänner 2000 ist das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird (IVF-Fonds-Gesetz), BGBl I Nr. 180/1999, zuletzt geändert durch die Novelle zum IVF-Fonds-Gesetz, BGBl I Nr. 37/2018, in Kraft. Der IVF-Fonds besteht beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz. Die Mittel des IVF-Fonds werden durch Überweisungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen der gesetzlichen Krankenversicherungsträger, der Krankenfürsorgeeinrichtungen und der privaten Versicherungsunternehmen aufge­bracht.

Vom Fonds werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen 70 Prozent der Kosten für die Maßnahmen der In-vitro-Fertilisation, kurz IVF, grundsätzlich für höchs­tens vier IVF-Versuche getragen. Dies führt zu einer finanziellen Entlastung von betrof­fenen Kinderwunschpaaren, da nur mehr ein Selbstbehalt in der Höhe von 30 Prozent der Kosten vom betroffenen Paar zu übernehmen ist. Wir stimmen dieser Änderung zu.

Nun zum Medizinproduktegesetz: Es werden drei alte EU-Richtlinien gegen zwei Verord­nungen ausgetauscht. Ein kurzer Auszug aus dem Jahr 2015:Fehler! Linkreferenz ungültig. „Nach § 1 MPG ist der Zweck des MPG, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit und Qualität von Medizinprodukten sowie für die Gesundheit und den erfor­derlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen. Das bedeutet, dass in Bezug auf die Sicherheit von in Österreich in Verkehr gebrachten Medizin­produkten die Bestimmungen des MPG Anwendung finden.

Marktüberwachung und Vigilanz:

Um die Produktsicherheit und damit den Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten über den gesamten Produktlebenszyklus sicherzustellen, muss der Hersteller ein System zur Marktüberwachung einrichten (PMS-System). Er beobachtet und bewertet im Rah­men seiner Verkehrssicherungspflichten sein Produkt aktiv im Markt und kann so auf bisher nicht erkannte und zukünftige potentielle Gefahren, die von seinem Produkt aus­gehen, reagieren. Gegebenenfalls muss er Korrekturmaßnahmen (FSCA) setzen, falls – Fehlerhafte Medizinprodukte - Eine Betrachtung aus regulatorischer und haftungs­recht­licher Sicht – das Produkt von den in der technischen Dokumentation erhaltenen Eigen­schaften abweicht. Der Hersteller hat sich dabei am Stand der Technik zu orientieren und muss daher die relevanten technischen Normen berücksichtigen. Insbesondere ist die laufende Überprüfung und Bewertung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses unverzicht­bar.

Entspricht das Produkt nicht mehr den berechtigten Sicherheitserwartungen und stellt es somit ein nicht vertretbares Sicherheitsrisiko dar, ist notfalls ein Rückruf des Produkts zu starten.

Das MPG konkretisiert das PMS-System und sieht für die Sicherstellung der Produkt­sicherheit ein eigenes Vigilanzsystem für Medizinprodukte vor. Gemäß §§ 70 MPG iVm § 42 Abs 8 MPG muss der Implantathersteller Beinahezwischenfälle, Zwischenfälle und korrektive Maßnahmen mit Medizinprodukten unverzüglich dem BASG melden sowie alle Beobachtungen und Daten mitteilen, die für die Medizinproduktesicherheit von Be­deutung sein können.“ – Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, Vigilanz, Marktüberwachung, Stand 30.1.2015. 

Es stellt sich da einmal in erster Linie die Frage, warum es nicht gleich eine Registrierung für medizinische Implantate gab. Wenn der Hersteller sein Produkt verfolgt und, sollte es schadhaft sein oder andere Probleme auftreten, diese meldet, warum konnten sie dann nicht gleich an den Endverbraucher weitergemeldet werden, sondern waren auf einer Homepage angeführt, sodass der Patient jeden Tag nachsehen muss, ob eventuell etwas mit seinem medizinischen Implantat nicht stimmt? Das ist ja eher eine Bringschuld als eine Holschuld!

Wie darf man sich das vorstellen? Beim Morgenkaffee: Du, Schatz, hast du heute schon nachgesehen, ob mit deinem Implantat alles passt? – Nein, muss ich noch. Und beim Abendessen genau dasselbe noch einmal. (Allgemeine Heiterkeit.) Einfach kurz einmal mit Humor gesehen, obwohl es eigentlich mehr als traurig ist.

Es hätte diesen Zusatz in der vorliegenden Gesetzesänderung gar nicht gegeben, wenn er nicht auf Druck von uns, der SPÖ, gekommen wäre. Es treten immer wieder Probleme mit medizinischen Implantaten auf. So gab es zum Beispiel 2019 Probleme bei Hüft­gelenksimplantaten, Brustimplantate, die brüchig wurden, wobei darin enthaltene Lösun­gen in den Körper gelangt sind, und bei Zahnimplantaten eventuell Keramikdefekte auftreten konnten.

Ein aktueller Fall, der gerade stark in den Medien aufscheint, ist die Sammelklage betreffend defekte Hormonspiralen. Probleme mit diesem Produkt gab es anscheinend bereits 2018, jedoch wurde das mehr oder weniger totgeschwiegen. Da gibt es nun von den geschädigten Patientinnen eine Sammelklage gegen den Hersteller und gegen die Republik. Durch das Brechen der Spirale kam es zu inneren Verletzungen, die in weiterer Folge, sollte sich doch einmal ein Kinderwunsch ergeben, zu Schwangerschafts­prob­lemen führen können. Ebenso gab es einige ungewollte Schwangerschaften durch das defekte Produkt. Wenn es jetzt zum Beispiel so Aussagen gibt wie: Das betrifft ja nur die Hälfte der Bevölkerung!, so stimmen die nicht. Als Mann kann es meine Frau, meine Partnerin, meine Tochter oder meine Mutter betreffen, und wenn ich das als Mann nicht so sehe, stimmt mit meinem Gedankengut etwas nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück zur Thematik: Wenn man sich auf die Bundesagentur für Sicherheit im Gesund­heitswesen verlässt, ist man verlassen, da diese zwei Jahre gebraucht hat, bis sie das erste Mal eine Warnung mit diesem Bezug ausgesprochen hat. Wenn wir daran denken, dass der erste Herzschrittmacher 1967 eingesetzt wurde und die Registrierung dann gleich in den Siebzigerjahren passiert ist, um Patienten zu informieren, ist es, da es bis jetzt immer mehr medizinische Implantate gibt, umso fragwürdiger, dass diese nicht erweitert wurde. Jegliches medizinische Implantat müsste eigentlich schon seit Jahren einer Registrierungspflicht unterliegen, um den Patienten schnellstmöglich zu infor­mieren, ob es Probleme mit seinem Implantat gibt. Denn ganz im Ernst, sobald irgend­etwas bei einem Auto nicht passt, nicht funktioniert, gibt es eine Käuferinformation und eine öffentliche, mediale Rückrufaktion, aber bei fehlerhaften medizinischen Implantaten passiert nichts. (Beifall der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Na ja, ich kürze ein wenig ab. – Dank dem Druck der Sozialdemokratie hat sich die Bun­des­­regierung nun bereit erklärt, diese schon längst überfällige Möglichkeit einer Rückholaktion ins Gesetz zu schreiben. Wir von der SPÖ werden darauf achten, dass dies von der Regierung umgesetzt wird und diese ihre Versprechen einhält.

Zum Abschluss möchte ich mich noch mit einem kurzen Hinweis auf die Medicrime-Konvention an den Herrn Minister wenden. Österreich hat diese zwar im Mai 2005 in Warschau unterschrieben, jedoch bis heute nicht ratifiziert. Zweck dieses Übereinkom­mens ist es, Gefährdungen der öffentlichen Gesundheit zu verhüten und bekämpfen, indem erstens die Kriminalisierung bestimmter Handlungen vorgesehen wird, und zwei­tens die Rechte der Opfer von in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen definier­ten Straftaten geschützt werden und die nationale und internationale Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang gefördert wird.

Ein Gesundheitsrisiko geht zum Großteil von gefälschten Medikamenten aus. Dass diese Schutzkonvention gegen Medicrime tatsächlich funktioniert, verdanken wir drei afrikani­schen Ländern, die sie ratifiziert haben. Herr Minister, holen Sie diese Ratifizierung drin­gend nach und schützen Sie unsere Bevölkerung auch in dieser Hinsicht. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner.)

18.24