15.24

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Noch einmal: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehr­ter Herr Außenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss am Anfang kurz auf die Kritik vonseiten des Fraktionsvorsitzenden Bader in Richtung der Opposition einge­hen, dass diese Sitzung ja nur deswegen notwendig sei, weil die Opposition nicht zuge­stimmt hat, die reguläre Sitzung 1 Stunde oder 1,5 Stunden früher zu beginnen, um diese Regierungserklärung und die Debatte durchzuführen. Wir haben jetzt schon fast 2,5 Stunden diskutiert und sind gerade über der Hälfte der Rednerliste. Es wäre sich also nie ausgegangen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Außenminister, ich möchte mich in meiner Rede auf ein Thema kon­zen­trieren, nämlich auf ein Thema, das die Auslandsösterreicherinnen und Auslands­österreicher besonders interessiert. Sie haben ja löblicherweise bereits am 23. Oktober eine Videokonferenz mit Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern veran­staltet – über 2 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, über 700 eingeschickte Fragen.

Es leben ja fast 600 000 Österreicherinnen und Österreicher permanent oder zeitweise im Ausland, und vielen von ihnen ist die Annahme der Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie ihren Lebensmittelpunkt haben, aus beruflichen, familiären oder anderen Gründen ein großes Anliegen, was natürlich nicht im Widerspruch damit steht, dass sie trotzdem täglich Kontakte nach Österreich pflegen und weiterhin eine starke familiäre und/oder berufliche Bindung zu Österreich haben.

Wir wissen – und auch der Herr Bundeskanzler ist damit schon befasst gewesen –, dass die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft, also der Erwerb einer Doppel­staatsbürgerschaft, in Österreich nur unter äußerst restriktiven Bedingungen möglich ist. In der stark internationalisierten Welt des 21. Jahrhunderts sind die Restrik­tionen des Staatsbürgerschaftsgesetzes jedoch nicht mehr zeitgemäß.

Jetzt wird immer wieder vonseiten der ÖVP argumentiert, dass Österreich aufgrund internationaler Übereinkommen zu dieser restriktiven Gesetzeslage verpflichtet sei. Das ist allerdings eine Ausrede, und ich sage dazu: eine faule Ausrede. Es gibt zwar ein Europaratsabkommen über die Verringerung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit, allerdings ist das Kapitel oder der Abschnitt, der Doppelstaatsbürgerschaften betrifft, für ganze drei Länder in Geltung. Das sind außer Österreich nur die Niederlande und Norwegen. Das heißt, diese freiwillige Selbstbindung, aus der sich Österreich jederzeit durch eine Erklärung an den Generalsekretär des Europarates befreien könnte, ist alles andere als europäischer Standard.

Gemäß § 27 des Staatsbürgerschaftsgesetzes führt die Verleihung einer ausländischen Staatsbürgerschaft auf Initiative oder mit Mitwirken des Antragstellers zum automa­tischen Verlust der österreichischen ex lege, weil der Gesetzestext keine Interessen­abwägung vorsieht. Die Behörde hat überhaupt keinen Ermessensspielraum. Sie stellt den Verlust lediglich im Nachhinein fest.

Auch Minderjährige vor dem 14. Geburtstag verlieren die österreichische Staatsbürger­schaft, wenn ein Erziehungsberechtigter seine Willenserklärung betreffend die Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft abgegeben hat. Dieser Verlust kann für unmündige Minderjährige sogar dann eintreten, wenn die fremde Staatsbürgerschaft gar nicht für das Kind, sondern für den Elternteil beantragt wurde und dessen Staatsbürger­schafts­erwerb auf das Kind erstreckt wird, und zwar selbst dann, wenn das Kind von Geburt an Doppelstaatsbürger ist.

Das funktioniert legalerweise bekanntlich so: Wenn die Eltern unterschiedliche Staats­bürgerschaften haben und die Staatsbürgerschaftsrechte dieser Länder einen Staats­bürgerschaftserwerb durch Abstammung vorsehen, sind die Kinder von Geburt an Dop­pelstaatsbürger – der Herr Bundeskanzler weiß das ganz genau, weil seine Kinder sogar drei Staatsbürgerschaften haben –, aber der Verlusttatbestand für die Kinder tritt regel­mäßig aus Unwissen der Eltern ein, und die Behörde hat nicht einmal eine rechtliche Handhabe, Härtefälle zu berücksichtigen.

Österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die Doppelstaatsbürgerschaften wünschen, müssen derzeit vor Verleihung der zweiten Staatsbürgerschaft um eine Beibehaltung ansuchen. Wenn sie eine Bestätigung der Beibehaltung bekommen, müs­sen sie innerhalb von zwei Jahren die ausländische Staatsbürgerschaft tatsächlich erwerben. Das funktioniert für Erwachsene aber nur dann, wenn sie außerordentliche Leistungen für die Republik Österreich bereits erbracht haben oder diese zu erwarten sind – das sind die berühmten Prominenten. Für Kinder ist dabei auch das Kindeswohl zu berücksichtigen.

Bei volljährigen Antragstellerinnen und Antragstellern gilt nur das Interesse der Republik als Anerkennungsgrund und in manchen Fällen auch besonders berücksichtigungs­wür­dige Gründe im Privat- und Familienleben. Da das Gesetz solche aber nicht näher definiert, hat die Judikatur Kriterien entwickelt, die aber derart restriktiv sind, dass in der Praxis nur sehr wenigen Anträgen auf Beibehaltung aufgrund privater Bedürfnisse statt­gegeben werden kann.

Wichtig ist: In all diesen Fällen geht es um die Rechte von Österreicherinnen und Österreichern und nicht um solche von Einwanderern. Österreich hat eine der höchsten Raten an im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern, was die Europäische Union betrifft. Daher ersuche ich Sie, Herr Außenminister, zum Schutz der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die berufliche oder private Interessen im Ausland haben, zur Vereinfachung des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit durch diese Personen auf eine Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes hinzuwirken. Insbesondere sollen die Kriterien für die Bewilligung beziehungsweise Beibehaltung der Staatsbürger­schaft an die Lebensrealitäten der vielen im Ausland lebenden Österreicherinnen und Österreicher angepasst und an den europäischen Standard angeglichen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.31

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Heike Eder zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.