17.09
Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, ganz herzlich für Ihre sehr würdigen und passenden Worte bei der gestrigen Gedenk- und Ehrveranstaltung in der Rossauer Kaserne anlässlich des Jahrestages des schweren Terroranschlages in Wien bedanken. Es wurde gestern ja nicht nur der Opfer gedacht, sondern es wurden auch Menschen ausgezeichnet, die maßgeblich dazu beigetragen haben, teilweise auch unter Einsatz ihres eigenen Lebens, dass das Leben anderer Menschen gerettet wurde.
Sie haben in Ihrer Rede etwas erwähnt, was meines Erachtens zu oft untergegangen ist, was ich aber sehr wichtig finde, auch, weil es sehr viel über unsere Gesellschaft aussagt, und zwar, dass rund 1 000 Angehörige der Einsatzkräfte, die am Abend des 2. November 2020 nicht im Dienst waren, die zu Hause bei ihren Familien, bei ihren Freunden waren, die in Sicherheit waren, als sie gehört haben, dass ein Terroranschlag in der Wiener Innenstadt stattgefunden hat, nicht gezögert haben, sich sofort freiwillig in den Dienst zu stellen, auch angesichts der Gefahr, selbst verletzt oder sogar getötet zu werden. (Bundesrätin Schumann: Ein Hoch den Wiener Linien, den Wiener Einsatzkräften!) Ich glaube, solange diese Solidarität so überwältigend größer ist als die Angst vor Gewalt und vor Terror, so lange kann und so lange wird der Terrorismus es nicht schaffen, unsere freie, demokratische Gesellschaft in die Knie zu zwingen. Ich habe das Hervorheben dieses Umstandes, Herr Bundeskanzler, gestern in Ihrer Rede sehr kraft- und wertvoll gefunden und wollte es heute noch einmal erwähnen. – Danke dafür. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Es ist mir jetzt aber doch ein Anliegen, auf ein paar Dinge einzugehen, die von mehreren Vorrednern angesprochen wurden. Das eine betrifft das aufgeheizte politische Klima, aber auch das aufgeheizte Klima in der Gesellschaft. Nur, wenn man natürlich so manche Debatten verfolgt, dann muss man – ich glaube, man muss so ehrlich zueinander sein – auch sagen, dass die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, nicht dazu angehalten ist, viele Menschen nachhaltig für die Politik zu begeistern. (Bundesrätin Schumann: „Blutrausch“! – Bundesrätin Grimling: Genau! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrätin Schumann: Kollege Bader war heute am Höhepunkt der Rede!) Es scheint viel zu oft nicht mehr um inhaltliche Debatten, um inhaltliche Auseinandersetzung zu gehen, sondern darum, andere anzupatzen, sie runterzuziehen, sie madig zu machen und, ja, auch dann und wann Politik nicht nur mit Worten zu machen, sondern mit Anzeigen – und, so ehrlich muss man sein, leider funktioniert dieses Spiel auch. Die Unschuldsvermutung mag zwar auf dem Papier gelten, aber in der Praxis ist sie dann oftmals nicht allzu viel wert.
Ein aktuelles Beispiel dafür – ich habe mir das sehr genau angesehen –: Hartwig Löger, ehemaliger Finanzminister der Republik, wurde im Februar dieses Jahres öffentlichkeitswirksam der Untreue beschuldigt, tagelang durch die politische Manege gezogen – von Mitbewerbern, aber durchaus auch sehr öffentlichkeitswirksam begleitet von Medien. (Bundesrätin Schumann: ... nächste Wahlkampfrede!)
Ich habe zuerst ja erwähnt, ich habe mir das angesehen, zum Beispiel die Berichterstattung (die Kopie einer Zeitungsseite in die Höhe haltend), als dieses Verfahren oder die Ermittlungen begonnen haben, im „Standard“. (Bundesrätin Schumann: Jetzt haut er auch noch auf den Journalismus hin! Das darf ja nicht wahr sein!) Gestern kam dann die Nachricht, dass das Verfahren eingestellt ist. Das ist die heutige Berichterstattung darüber, auf Seite 7 ein kleines Kasterl (die Kopie einer weiteren Zeitungsseite in die Höhe haltend), ich habe es gelb markiert, damit man es auch erkennt. (Bundesrat Steiner: Das ist bei der FPÖ ganz normal! Da habt ihr euch nicht beschwert! – Bundesrätin Schumann: Was machen Sie denn da? Hauen Sie jetzt auf den Journalismus auch noch hin? Also das ist zu viel, um Himmels willen! Zuerst kaufe ich mir den mit Anzeigen, und dann sage ich, ich bin beleidigt! Was soll denn das?)
Ein Teil des Problems, und das traue ich mich hier durchaus auch zu sagen, auch wenn es manche nicht glauben wollen, ist, dass interne Ermittlungsdaten, Akten, Chats, oftmals bevor sie die Beschuldigten selbst überhaupt kennen, in allen Medien ausgebreitet werden (Bundesrätin Schumann: Jetzt haut er auf die Wirtschaftsstaatsanwaltschaft hin! Um Gottes willen! Oje!), oft aus dem Zusammenhang gerissen, in falschen Kontext gesetzt, teilweise durchaus auch in einer manipulativen Art und Weise eingesetzt.
Wenn man es dann wagt, diese Praxis zu kritisieren, die beispielsweise in Deutschland strafbar wäre, dann wird einem sofort unterstellt, man möchte die Institutionen beschädigen, man möchte vielleicht sogar die Demokratie aushöhlen. (Bundesrätin Schumann: Eine Pressekonferenz ...! Na danke schön!) Ich kann Ihnen aber eines sagen: Immer mehr Menschen ist durchaus unwohl dabei, zu sehen, mit welcher Leichtigkeit heute private Kommunikation den Weg in alle Medien findet. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Das glauben Sie ja wohl selbst nicht, Herr Bundesrat!) Dass gerade jene Parteien, die sich immer den Datenschutz auf die Fahnen heften, dass all jene, die Persönlichkeitsrechte so hochhalten, dass genau diese Parteien jetzt die ersten sind, die laut applaudieren, wenn das tagtäglich passiert, das ist meines Erachtens entlarvend. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Haben Sie gar kein Unrechtsbewusstsein ...? Alles ganz egal?)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, tun wir bitte nicht so, als ob es nur Mitglieder der Volkspartei wären, die zunehmend das Gefühl beschleicht, dass hier manchmal über das Ziel hinausgeschossen wird! (Rufe bei der SPÖ: Na geh! Geh, hör auf! Ohhh! Jaaa!) – Bitte hören Sie zu! Prof.in Dr. Gabriele Aicher, Rechtsschutzbeauftragte der Justiz und damit oberstes Kontrollorgan über die Staatsanwaltschaften, hat selbst kürzlich deutlich und unmissverständlich Kritik an der Korruptionsstaatsanwaltschaft geübt.
Sie sagt beispielsweise – ich zitiere – mit Blick auf das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: Ich bin in Sorge, „weil ich wahrnehme, wie fortlaufend versucht wird, Grenzen zu verschieben und das beunruhigt mich zutiefst“. (Bundesrätin Schumann: Wie ist das mit der Privatadresse eines Staatsanwalts, die bekannt gegeben wurde?) Sie sagt auch, dass – Zitat – „eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten wurde“ und dass „das Recht auf den gesetzlichen Richter systematisch unterlaufen“ werde. (Bundesrätin Schumann: Er macht die Justiz schlecht! Also ganz ehrlich, das ist zu viel!)
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie schon uns nicht glauben, dann hoffe ich doch, dass Sie dieser Expertin, die über jeden Zweifel erhaben ist, Glauben schenken. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Bundeskanzler, ein Appell, den ich hier abschließend aussprechen darf, nach einer durchaus emotionalen Debatte: Lassen Sie sich in Ihrer Amtsführung nicht von all jenen beeindrucken, die alles schlechtreden und schlechtmachen, egal, was Sie tun, was Sie reden und was Sie leisten. Lassen Sie sich nicht von all jenen beirren, die glauben, dass es ihnen nützt, Wut zu befeuern, um die Gesellschaft aufzuwiegeln und zu spalten, denn, Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen eines sagen: Die Destruktiven mögen zwar laut sein, zumindest in ihren eigenen Echokammern, aber sie sind in der Minderheit, weil die Menschen ein sehr gutes Gespür dafür haben, wenn es darum geht, wer die Krise besser meistert und wer auch das Potenzial hat, sie gut durch diese Krise zu führen. (Beifall bei der ÖVP.) Das sind nämlich nicht jene, die oftmals lauthals Parolen schreien. Es sind jene, die still und leise ihre Arbeit machen, mit Nachdruck, mit Fleiß und mit Konsequenz.
Herr Bundeskanzler, in diesem Sinne alles, alles Gute für Ihre Arbeit zum Wohle unseres Landes und zum Wohle aller Menschen, die hier leben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
17.16