18.12
Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die noch über den ORF oder via Livestream zugeschaltet sind! Kollege Egger, ich muss schon sagen, du hast jetzt ein etwas gar düsteres Bild gezeichnet (lebhafte Heiterkeit bei der SPÖ – Ruf: Alles gut! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Es ist noch viel schlimmer!): Salzburg wird in den Abgrund fahren. (Neuerlicher Ruf: Alles gut! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Es ist ja noch viel schlimmer! – Bundesrat Schennach: Aufwachen! Aufwachen! – Rufe bei der SPÖ: Guten Morgen!) – Da halte ich es schon lieber mit meinem Kollegen Christian Buchmann, der sagt, gerade in Zeiten wie diesen wäre es wichtig, dass man versucht, Zuversicht zu vermitteln. (Bundesrätin Grimling: Guten Morgen! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Es ist noch viel schlimmer!)
Ich gebe dir aber recht: Wir leben in einer besonders herausfordernden Zeit, nicht nur in Österreich, sondern auch in den uns benachbarten Ländern und auf der ganzen Welt. Die Zahlen gehen wieder in die Höhe, und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Natürlich hätte auch ich mir nach zwei Jahren der Pandemie gewünscht – ich bin ja nicht nur politisch gefordert, sondern auch in meinem beruflichen Alltag im Spital sehe ich dem Virus tagtäglich ins Gesicht –, dass die Zeit heute eine andere wäre. Wenn ich zurückblicke, muss ich aber sagen: Wir haben permanent die Impfung gepredigt – großteils im Schulterschluss, wofür ich mich auch bedanken möchte –, es ist aber trotz zahlreicher Kampagnen, trotz zielgruppenorientierter Kampagnen (Bundesrätin Schumann: Nein! – Bundesrat Schennach: Geh bitte! Aber geh! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), trotz eines niederschwelligsten Impfangebots – mit Impfbussen, mit unzähligen Impfstraßen, mit freiem Impfen und, und, und – nicht gelungen, mehr Menschen zur Impfung zu bewegen. (Bundesrat Schennach: Ihr habt die Kampagne reduziert im Sommer!) Es ist leider nicht gelungen, genug Menschen zu überzeugen, dass sie sich zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz ihrer Mitmenschen impfen lassen. Das ist die bittere Realität.
Es stimmt, in den letzten Tagen und Wochen sind die Zahlen explodiert, wir haben ausgelastete Intensivstationen. Das ist die Realität, der wir ins Auge sehen müssen, und daher war es nahezu unumgänglich und notwendig, jetzt die Reißleine zu ziehen – und das ist am letzten Wochenende am Achensee in Tirol passiert, wo man sich dazu entschlossen hat, ich muss es sagen, drastische Maßnahmen zu ergreifen (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), einerseits in Form eines vierten Lockdowns, den sich in dieser Form natürlich niemand gewünscht hat, und auf der anderen Seite mit dem Entschluss, eine Impfpflicht in Österreich in die Wege zu leiten. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Pfui!)
Ich darf Ihnen noch einmal versichern, dass sich natürlich niemand – und das kann ja auch niemand wirklich annehmen oder glauben – in der Bundesregierung oder in der ÖVP oder sonst irgendwo einen Lockdown gewünscht hat. Es kann ja wohl niemand annehmen oder behaupten, dass sich irgendjemand über eine Impfpflicht freut, auch wenn dieser Vorwurf immer wieder kommt. Ich kann Ihnen aber auch sagen, womit ich auch keine Freude habe: Ich habe keine Freude damit, dass unsere Intensivstation überfüllt ist. Ich habe keine Freude damit, dass ich erst vor Kurzem meine Normalstation räumen musste, um mehr Platz für Covid-Patienten zu schaffen. (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) Ich habe auch keine Freude damit, dass ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem ärztlichen Dienst, mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege und aus dem Raumpflegepersonal jeden Tag 8 Stunden voll maskiert herumlaufen muss. Damit habe ich auch keine Freude. (Bundesrat Schennach: Aber der Kollege Egger übertreibt, gell?) – Kollege Egger hat gesagt, alle werden jetzt in den Untergrund schlittern. Da sage ich, es wäre doch wichtig, dass man versucht, zumindest ein bisschen Zuversicht auszustrahlen.
Deshalb sind diese Maßnahmen alternativlos, auch wenn niemand sie gerne setzt und auch wenn sich diese Entscheidungen – und ich glaube, das kann man hier an dieser Stelle sagen – niemand leicht gemacht hat.
Was ich aber gut finde – und das ringt mir auch Respekt ab –, ist, dass das in einem Schulterschluss gelungen ist: über sämtliche Parteigrenzen hinweg ein Schulterschluss der Länder untereinander und ein Schulterschluss der Länder mit dem Bund. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn ich sage, „über sämtliche Parteigrenzen hinweg“, sehr geehrte Damen und Herren, dann muss ich aber leider auch sagen, dass es nicht über wirklich alle Parteigrenzen hinweg möglich war. Es gibt leider Gottes im Land nach wie vor politische Kräfte, die spalten, statt zu verbinden (Bundesrat Ofner – auf Bundeskanzler Schallenberg und Bundesminister Mückstein weisend –: Die ÖVP, ja! Die sitzen da!), die Hass und Unsicherheit schüren. (Bundesrat Ofner: Da sitzen sie! – Bundesrat Bernard: „Zügel“ anlegen! ... Viecher, nicht? Das sind keine Menschen, das ... Pöbel! Lauter Viecher sind das!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, was Sie da in den letzten Wochen, aber auch in den letzten Monaten der Pandemie gemacht haben, das ist hochgradig verantwortungslos (Bundesrat Ofner – in Richtung Regierungsbank weisend –: Da musst du reden!), das ist populistisch. Das ist gesundheitsgefährdend, was Sie da tun! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ofner – in Richtung Regierungsbank weisend –: Da musst du reden!)
Nicht nur, dass Sie die Menschen aktiv von der Impfung abhalten, Sie propagieren auch noch ein Mittel, durch das jetzt auf den Intensivstationen die Zahlen der Menschen mit Vergiftungen im Zusammenhang mit einem Entwurmungsmittel in die Höhe gehen, nämlich Ivermectin. Das ist völliger Wahnsinn und das ist verantwortungslos! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)
Was Ihr Parteichef Kickl, der Entwurmer (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... Nürnberger Kodex! Herr Doktor, der Nürnberger Kodex!), da wider besseres Wissen propagiert – dass die Menschen das einnehmen sollen, genauso wie hochdosiertes Vitamin D, was mittlerweile schon so manchen Menschen zur Dialyse geführt hat –, das ist hochgradig verantwortungslos! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)
Was Kickl, der Entwurmer, aber natürlich verschweigt, das ist, dass es mittlerweile eine rezente Stellungnahme der Firma MSD Österreich – eines Pharma- und Biotechnologieunternehmens, das Ivermectin herstellt – gibt, datiert vom 17. November 2021, in der steht: Es kann „nur dringend von der Verwendung von Ivermectin für diesen Zweck“ – Klammer auf: Covid-19; Klammer zu – „abgeraten werden, da zusätzlich zur fehlenden Zulassung und Wirkung, die Möglichkeit“ schwerster „Nebenwirkungen zu bedenken ist“. Weiters steht hier: „MSD möchte abschließend festhalten, dass die“ Covid-19-Impfung „bei der Pandemiebekämpfung an erster Stelle steht und MSD alle Maßnahmen zu einer höheren Durchimpfungsrate unterstützt.“
Ich frage Sie jetzt, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei: Haben Sie das bei Ihren Coronademonstrationen auch verteilt? (Bundesrat Steiner: Und was steht dazwischen?) Haben Sie das auch verteilt? (Bundesrat Steiner: Na was steht dazwischen? Was steht dazwischen, du Schwurbler?) – Ich gehe nicht davon aus, weil Sie nur die halbe Wahrheit sagen (Bundesrat Steiner: Du sagst auch die halbe Wahrheit! Was steht dazwischen?) und nicht das, was hier oben steht. – Ich gebe es dir dann, dann kannst du es lesen, Kollege Steiner. (Bundesrat Steiner: Ich kenne es!) Ich gebe es dir dann. (Bundesrat Steiner: Die Hälfte nur zitieren! Schwurbler!)
Aber damit nicht genug, geht die Freiheitliche Partei durchs Land und erzählt irgendwelche Märchen darüber, dass auf den Intensivstationen gleich viele Geimpfte wie Ungeimpfte liegen. (Bundesrat Ofner: Märchenerzähler seid schon ihr! Die Märchenerzähler sind da vorne!)
Josef Ofner, Kollege Ofner! Ich bin dir ja fast dankbar dafür, dass du in diesen Fettnapf getreten bist, das ist nämlich eure Logik. Und ich muss euch sagen: Das habe ich schon seit Längerem erkannt, dass ihr nicht nur ein generelles Problem mit evidenzbasierter Wissenschaft habt (Zwischenrufe bei der FPÖ) – ihr begebt euch ja lieber in die Welt der Verschwörungstheoretiker und Schwurbler (Bundesrat Steiner: Rechtsradikale Nazis, vergiss nicht! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) –, ihr habt ein Problem mit mathematischen Statistiken, und ich werde euch jetzt nur ganz kurz aufklären, wie die Realität ist. (Bundesrat Leinfellner: Das ist der Blümel, nicht wir! – Bundesrat Bernard: Das ist der, der mit dem Kinderwagerl den Laptop spazieren führt! – Ruf: Hört zu, dann lernt ihr etwas!)
Herr Kollege Ofner – hört jetzt zu! – wirft nämlich einen Blick auf eine Intensivstation und sieht, dort liegen zwei geimpfte 60-Jährige und zwei ungeimpfte 60-Jährige, und schreit auf und sagt: Um Gottes willen, das haben wir immer gesagt: Die ganze Impfung ist für nichts! Die Regierung treibt die Menschen in unverantwortlicher Weise in diesen Stich! – Was er aber nicht dazusagt, weil er es entweder nicht sieht oder nicht sehen will: Gerade bei der Alterspopulation der 60-Jährigen haben wir eine Impfquote von 90 Prozent. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Ja, und jetzt rechnen wir uns das durch.
Das heißt, von 100 60-Jährigen (Bundesrat Ofner: Reden wir von den Durchbrüchen!) sind 90 geimpft und zehn sind nicht geimpft. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Und jetzt liegen von den zehn zwei auf der Intensivstation – das sind dann 20 Prozent (Bundesrat Steiner: So ein Schwachsinn!) – und von den 90 Geimpften liegen auch zwei auf der Intensivstation, das entspricht einem Wert von 2,2 Prozent. Wo ist da der Schwachsinn, Kollege Steiner? (Bundesrat Steiner: Die Zahlen ...!) Setzen wir uns dann zusammen, dann gebe ich dir eine Nachhilfestunde in Mathematik! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Ich rechne es dir noch vor heute!)
Ihr müsst die Dinge ein bissel zu Ende denken, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Steiner: Ich rechne es dir noch vor heute!) Aber ich habe kein Problem, mich mit Ihnen zusammenzusetzen. (Bundesrat Steiner: Ich mit dir auch nicht! Ich rechne es dir noch vor! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Zu den Kolleginnen und Kollegen der SPÖ: Ich muss sagen, ein bissel hat es mich schon gewundert, als ich da jetzt zugehört habe, vor allem auch Kollegen Egger, den ich sehr schätze, aber auch Frau Schumann. Da hat man fast ein bissel den Eindruck gehabt, die Sozialdemokratie kann alles, weiß alles, hat alles schon gesehen. Aber – ich habe es vorhin schon erwähnt – die Realität sieht eben so aus, dass es einen gemeinsamen Schulterschluss braucht. (Bundesrätin Schumann: Waren Sie bei der Demo ...?) Und das, was Sie hier gemacht haben, nein, Kollegin Schumann, das, was Sie hier gemacht haben, das ist ein bissel eine Politik der Doppelbödigkeit. (Bundesrätin Schumann: Waren Sie bei der Demo? Herr Dr. Kornhäusl, waren Sie bei der Demo?) Und ich glaube, das ist kein guter politischer Stil. Doppelbödigkeit ist kein guter politischer Stil! (Bundesrat Spanring: Ist das jetzt eine Kritik am Kurz? – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Kollege Buchmann hat das so schön ausgeführt: Wir haben auf der einen Seite sozialdemokratische Landeshauptleute (Bundesrätin Schumann: Waren Sie bei der Demo?), die in Verantwortung sind und in Wahrnehmung ihrer staatspolitischen Pflicht diese Beschlüsse, die schwerwiegend sind, ohne Zweifel, mitgetragen haben, gemeinsam mit ihrer Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), und heute stellen Sie sich hier her und schießen alles durch Himmel und Hölle und sagen, wie furchtbar alles ist. Das ist eine Doppelbödigkeit, die ich nicht goutiere. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Aber die Wahnsinnigen stimmen eh fast allem zu! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich sage Ihnen, es ist ein Unterschied zwischen im Nachhinein alles zu wissen oder im Vorhinein alles machen und entscheiden zu müssen. Sie stellen sich heute hier her mit der Weisheit des Rückblicks, aber im Nachhinein ist es immer einfach zu beurteilen: Was hätte man besser machen können, was hätte man anders machen können? (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Hahn.) Und ich gebe Ihnen recht: Es ist nicht alles optimal gelaufen. Auch die Wissenschaft ist retrospektiv betrachtet jeden Tag gescheiter geworden, weil neue Fakten, weil neue Evidenzen dazugekommen sind. (Bundesrat Spanring: Aber ihr werdet nicht gescheiter!) Und Politik muss auf die Wissenschaft horchen und muss hier auch reagieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)
Um Ihnen zu demonstrieren, dass Sie leider Gottes auch auf diesem Auge des Rückblicks, zumindest auf einem, blind sind (Ah-Rufe bei der SPÖ), möchte ich Ihnen hier nur ein paar Daten nennen. Sie haben nämlich gesagt, die Bundesregierung hat nichts getan, den ganzen Sommer verschlafen und ist auf Urlaub gefahren. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wie schaut die Realität aus? So, Herr Professor, wie schaut die Realität aus?
Am 28. Juli: Die Regierung legt weitere Schritte der Pandemiebekämpfung vor, Plan für den Schulstart vorgelegt. 8. September: Die Bundesregierung verständigt sich gemeinsam mit den Landeshauptleuten und Expertinnen und Experten auf einen Stufenplan für die weitere Bekämpfung. Weiters im September: Kontrollen zur Einhaltung der Maßnahmen werden verschärft. Im Oktober: Erarbeitung von 3G am Arbeitsplatz. 1. November: Zusätzlich zu den bereits geltenden Maßnahmen kommt 3G am Arbeitsplatz. 8. November: 2G für Gastronomie, Kultur, Freizeit, FFP2-Maskenpflicht im gesamten Handel. 15. November: Lockdown für Ungeimpfte. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)
Na, ich frage Sie: Frau Kollegin Schumann, was hätten Sie denn mehr gemacht oder anders gemacht? Natürlich kann man sagen, da und dort hätte man vielleicht etwas machen können, aber ich wäre gespannt, was gesagt worden wäre, wenn wir hergegangen wären und gesagt hätten: So, im Sommer machen wir einen Lockdown! Oder ich weiß nicht, was Sie sich vorgestellt hätten. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Dazu muss man sagen, dass Sie die meisten dieser Maßnahmen zum Glück mitgetragen haben. Sie haben sie zum Glück mitgetragen.
Nichtsdestotrotz, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin ich der tiefen Überzeugung (Zwischenrufe der Bundesrätin Hahn), wir schaffen es nur gemeinsam heraus aus dieser Pandemie. Daher appelliere ich auch an die Bundesratsfraktion, vor allem als Länderkammer: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Landeshauptleuten Kaiser, Doskozil und Ludwig, die in einem großen Schulterschluss mit den ÖVP-geführten Ländern diese Beschlüsse gefasst haben! Halten wir durch! Halten wir zusammen! Bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Grimling: Wir haben uns ja alle so lieb! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
18.26
Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.