10.32

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! „Wachstum, Wohlstand, Fortschritt“ – ein sehr an­spruchsvolles Thema, das viele Lesarten erlaubt. Vielleicht ein bisschen abseits der Ta­gespolitik entspringt folgende Frage einer Lesart: Wie sichern wir ein gutes Leben für alle, sodass ein solches auch für künftige Generationen möglich ist?

Vielleicht tut es gut, sich einmal ein bisschen zurückzulehnen und diese Fragen zu stel­len. Da geht es dann schnell um eine Hinterfragung eines rein BIP-orientierten Wohl­standsbegriffes; da geht es dann schnell um Fragen der gerechten Verteilung auch im globalen Maßstab, denn ohne diese ist ein gutes Leben für alle nicht realisierbar. Es geht natürlich um die Frage, in welche Branchen, in welche Wohlfahrtsleistung investiert wer­den soll und in welche nicht mehr. Das sind viele Fragen, die uns beschäftigen werden und denen man sich aktiv stellen sollte. Was wir aber jedenfalls unmittelbar wirtschaftlich konkret tun können, ist, Investitionen zu setzen und auszulösen, die den Zielen einer gerechten, sozialen und ökologisch nachhaltigen Gesellschaftsentwicklung förderlich sind, und zwar mit der nötigen Konsequenz, auch wenn es Debatten auslöst.

Gerade jetzt ist ein guter Zeitpunkt, über künftige Strategien nachzudenken – aus der Covid-Krise sozial und wirtschaftlich möglichst gut herauszukommen, ist klarerweise eine Aufgabe der öffentlichen Hand –, nach vorne zu schauen, und zwar über Akuthilfen, die in sehr großem Umfang bereitstanden und -stehen, hinaus.

Eine wirklich große Bedrohung, der wir uns weiter zu stellen haben, ist zweifelsfrei die Klimakrise. Das Positive dabei ist, dass gerade deren Bekämpfung mannigfaltige Chan­cen bietet. Ein Beispiel ist der Ausbau erneuerbarer Energien zur Stromversorgung. Ein Beispiel ist die Dekarbonisierung der gesamten Industrie, die in wenigen Jahrzehnten ansteht. Ein Beispiel ist die thermische Sanierung des gesamten Gebäudebestandes, die komplette Umstellung der Heizsysteme. Ein weiterer riesiger Investitionsbereich ist die Gestaltung eines ökologisch und sozial nachhaltigen Mobilitätssystems. Da geht es um forcierten Bahnausbau, generell um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, um flä­chendeckende Radinfrastruktur und flächendeckendes Ladestellennetz und so weiter.

Die gesamte Autoindustrie steht vor oder ist eigentlich mitten drin in einem grundle­genden Strukturwandel, der aktiv angegangen werden muss, um davon zu profitieren und die Arbeitsplätze zu sichern.

Es geht um die Transformation in eine Kreislaufwirtschaft und in eine Bioökonomie, die zahllose Chancen für innovative Unternehmen und gerade für Österreich als Land, das eigentlich kaum Rohstoffvorkommen hat, bietet. Das Schöne dabei ist, dass sich all die­se Maßnahmen sozial positiv auswirken. Weshalb? – Indem sie langfristige Perspekti­ven bieten. Sie generieren Jobs, sie stabilisieren Preise – das ist gerade im Energiebe­reich ganz wichtig –, sie bedingen ein gutes Bildungs- und Ausbildungssystem. Öster­reich hat das Potenzial, in Europa oder weltweit Green-Tech-Leadership zu überneh­men, nämlich aufgrund von Ehrgeiz, ja, von Innovations- und Forschungsgeist, ja, aber vor allem aufgrund einer ganz pragmatischen, wirtschaftlichen, ökologischen und so­zialen Logik.

Wichtig ist – das möchte ich noch ansprechen –, solche Investitionen auch mittel- und langfristig zu forcieren. Da kommt die berechtigte Debatte über eine künftige Flexibilisie­rung des Stabilitätspaktes beziehungsweise der Maastrichtkriterien ins Spiel – die sind ja derzeit ausgesetzt –: Das bedeutet, bestimmte Investitionen etwa in Klimaschutz, in nachhaltige Verkehrssysteme, in wichtige Digitalisierungsprojekte sind auch künftig aus den Stabilitätskriterien herauszunehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Die EU-Kommission votiert durchaus dafür, solche Zukunftsinvestitionen nicht als Defizit anzurechnen. Warum? – Um für die Zukunft gewappnet zu sein – um die gestrigen Wor­te des Bundeskanzlers zu verwenden –, die Klimakrise zu bewältigen. Ein Fehler wäre es jedenfalls, diese Debatte schon vorweg abzudrehen, denn es sind Investitionen, die unumgänglich sind – da bleiben wir lieber dran. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

Die Zukunft bleibt jedenfalls spannend. „Mutig in die neuen Zeiten“, heißt es in der Bun­deshymne. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.37

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.