15.50

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Sehr geehrte Minister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Seit nun tatsächlich schon fast zwei Jahren bestimmt die Pandemie unser Leben. Sie fing mit dem näher rückenden Infektionsgeschehen und dem Horten von Lebensmitteln und Klopapier an, bis dann im März 2020 der erste Lockdown folgte. Begleitet wurde das alles mit einem Gefühl der starken Verunsicherung. Noch niemand hatte gesicherte Informationen zur Übertragbarkeit, zum Krankheitsverlauf oder zur Behandlung. Dass die Impfung der Schlüssel zur Durchbrechung des Pandemiegeschehens sein würde, wurde aber schnell klar.

WissenschaftlerInnen arbeiteten weltweit an der Entwicklung von Impfstoffen, Hand in Hand arbeiteten diese Wissenschaftler, sodass es tatsächlich möglich war, im Dezem­ber 2020 erste Personen in Österreich zu impfen. Heute stehen wir hier, um ein Gesetz für eine Impfpflicht gegen Sars-Cov-2 zu beschließen, weil nach vier Lockdowns und gravierenden Auswirkungen auf alle gesellschaftlichen Lebensbereiche – Bildung, Wirt­schaft, Gesundheit – wir immer noch Getriebene dieses Virus sind und das Heft des Handelns noch nicht wirklich zurückgewonnen haben. Das Virus ist uns immer noch einen Schritt voraus.

Im Vorfeld dieser heutigen Sitzung erreichten mich so wie viele andere hier im Plenum zahlreiche Nachrichten von Menschen, die ihre Bedenken und ihre Sorgen gegenüber diesem Gesetzesvorhaben äußerten, und einige davon, die sich auch deutlich von jenen unterscheiden, die Kollege Appé vorgelesen hat, sind für mich gut nachvollziehbar. Ich habe lange mit mir gerungen, ob es wirklich eine allgemeine Impfpflicht braucht, und wir alle hier haben uns sehr intensiv mit dem Thema und der Notwendigkeit auseinanderge­setzt. Letztlich haben wir diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet, denn das vorlie­gende Gesetz bietet die notwendige Flexibilität, um auf das Pandemiegeschehen einzu­gehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dazu möchte ich nun kurz ausführen, für wen die Impfpflicht gilt: für alle Menschen mit Wohnsitz in Österreich inklusive der 24-Stunden-BetreuerInnen und der Wochenend­pendlerInnen. Ausgenommen von der Impfpflicht sind Schwangere, Personen mit be­stimmten, sehr schweren Krankheiten und Genesene für sechs Monate. Die Umsetzung der Impfpflicht erfolgt in mehreren Phasen.

In Phase eins von Anfang Februar bis Mitte März wird ein Informationsschreiben erstellt. In dieser Phase haben alle noch genug Zeit, der Impfpflicht nachzukommen oder ge­gebenenfalls eben einen Ausnahmegrund zu beantragen. Alle Haushalte bekommen dieses Informationsschreiben.

Phase zwei, die ab Mitte März bis zum sogenannten ersten Impfstichtag geht: Ab dann ist der Impfausweis außerhalb der Wohnung mitzuführen und die Polizei kann im Rah­men von Covid-Schutzmaßnahmenkontrollen oder Verkehrskontrollen Impfnachweise kontrollieren.

In der möglichen Phase drei ab dem ersten Impfstichtag, von der wir bis heute natürlich noch nicht wissen, ob sie eintreten wird, erfolgt dann das automatisierte Strafverfahren. Um zu wissen, wer in Österreich wohnhaft ist und noch nicht geimpft oder genesen ist, werden Daten aus dem Melderegister, dem zentralen Impfregister und dem Epidemio­logischen Meldesystem miteinander abgeglichen. Die Personen, die nicht geimpft sind, bekommen ein weiteres Erinnerungsschreiben. Ist bis zu einem noch festzusetzenden Zeitpunkt keine Impfung erfolgt, wird ein Strafbescheid ausgestellt.

Im ersten Schritt werden diese Strafen im Rahmen eines sogenannten abgekürzten Verfahrens in der Höhe von 600 Euro verhängt. Wird dann Einspruch erhoben und wer­den Milderungsgründe angeführt, startet das sogenannte ordentliche Verfahren mit ei­nem potenziellen Strafrahmen von bis zu 3 600 Euro.

Die Herausforderung, im Rahmen des Gesetzes flexibel auf Änderungen – neue Virus­varianten, neue Impfstoffe und auch neue Medikamente – der Pandemie eingehen zu können, wird über die Verankerung von zahlreichen Verordnungsermächtigungen si­chergestellt. Je nachdem, wie weitreichend der festzulegende Inhalt ist, kann sie der Minister alleine, nach Konsultation des Nationalen Impfgremiums oder gemeinsam hier im Parlament mit dem Hauptausschuss erlassen.

Nicht zuletzt, um genau die Verfassungs- und Grundrechtskonformität zu garantieren, wurde auch ein laufendes Evaluierungsverfahren etabliert. Für ganz wichtig erachte ich auch: Wenn die Impfpflicht nicht mehr notwendig ist beziehungsweise die grundrecht­lichen Voraussetzungen nicht mehr oder nicht mehr in demselben Ausmaß gegeben sind (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die sind ja jetzt schon nicht gegeben!), kann der Bun­desminister für Gesundheit gemeinsam mit dem Hauptausschuss Teile des Gesetzes oder das gesamte Gesetz aussetzen. Das Enddatum des Gesetzes ist mit 31.1.2024 festgelegt.

Obwohl uns Omikron derzeit ein neues Bild der Pandemie bietet, sollten wir doch sehen, dass die derzeitige Veränderung – und damit meine ich die steigenden Infektionszahlen – und die nur geringe Steigerung der Bettenbelegung im Krankenhaus auf die verabreich­ten Impfungen und auf den damit bestehenden Schutz bei 74 Prozent der Bevölkerung zurückzuführen sind. (Bundesrat Steiner: Ich habe gemeint, es sind nur Ungeimpfte im Krankenhaus! So ein Schwachsinn! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Bei diesem vorsichtig optimistischen Blick in die nahe Zukunft aus heutiger Sicht dürfen wir nicht vergessen: Die Pandemie ist keineswegs vorüber. (Bundesrätin Steiner-Wie­ser: Sicher ...!) Wir hören bereits vom nächsten Virussubtyp BA.2, der die Omikronwelle noch verlängern könnte (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), und auch einer mög­lichen Rückkehr der Deltavariante. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auch der nächste Herbst wird in einigen Monaten wieder vor der Türe stehen, und dieses Mal müssen wir vorbe­reitet sein, um dann nämlich genau nicht mit den Vorwürfen konfrontiert zu sein, nichts getan zu haben, als die Zeit dafür da gewesen ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Zeiten, in denen wir uns von Lockdown zu Lockdown quälen, müssen ein Ende haben. Es gibt eine gut erforschte und erprobte Antwort auf das Virus, und das ist die Impfung. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, die ist nicht ...!) Diese wird stetig weiterentwickelt und angepasst. Die Risiken dieser Impfung stehen in keinem Verhältnis zu den Risiken einer Coronainfektion bis zu den bis jetzt bekannten Spätfolgen durch Long Covid.

An dieser Stelle zwei Worte zum Antrag des Kollegen Appé: Ich bin sehr froh, dass das im Gesundheitsministerium erkannt worden ist und dass dort schon zahlreiche Schritte eingeleitet worden sind, um genau diesen Menschen, die unter Long Covid leiden – und das ist ein wirkliches Leiden –, zu helfen und sie zu einer Gesundung zu führen.

Insbesondere wenn man sich die bekannten Risikogruppen ansieht, die ungeschützt schwerste Verläufe bei einer Infektion zu erwarten haben und dann möglicherweise ver­sterben – als ich heute Morgen schon hier im Plenum gesessen bin, hat mich eine SMS erreicht, dass eine Nachbarin gestern an Covid-19 verstorben ist (Bundesrätin Steiner-Wieser: Mit oder an Covid?) –, erkennt man, dass das leider sehr häufig bei Menschen in Alten- und Pflegeheimen passiert ist. Um diese zu schützen, sind sie – und da gehe ich jetzt ein bisschen auf Oberösterreich ein – seit März 2020 massiven Freiheitsbe­schränkungen unterworfen. Zuerst durften sie damals die Heime nicht mehr verlassen und dann nur unter sehr restriktiven Bedingungen Besuch empfangen, und je nach Pan­demiegeschehen wurden diese Maßnahmen mal enger und mal lockerer gestaltet. Von den Heimbewohnern sind jetzt Gott sei Dank viele bereits dreifach geimpft.

So sehen die Infektionszahlen in den oberösterreichischen Alten- und Pflegeheimen mit Stand Dienstag aus: In 104 Heimen wurden 314 MitarbeiterInnen und 137 BewohnerIn­nen zwar positiv auf Corona getestet, diese Menschen kommen aber wahrscheinlich – Gott sei Dank – mit einem milden Verlauf davon. Das zeigt einmal mehr, dass die Imp­fung schützt, und daher ist die heute zu beschließende Impfpflicht eine verhältnismäßige Maßnahme, um derart – wie von mir soeben beschrieben – einschneidende Eingriffe in die Grundrechte hintanzuhalten und Versorgungssicherheit im Gesundheitssystem zu gewährleisten.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass wir diese Pandemie als Chance nutzen sollten, um die Gesundheit der Menschen nachhaltig und präventiv zu stärken und das Erhalten der Gesundheit noch wesentlicher in den Fokus zu rücken, denn schlussendlich werden wir dadurch alle gewinnen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.00

Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile dieses.