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Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute spreche ich zu einem Thema, das mich persönlich betroffen macht, nämlich das Thema Gewalt gegen Frauen und Mäd­chen, insbesondere häusliche Gewalt.

Die letzten zwei Jahre waren durch Corona sehr herausfordernd und belastend für viele Menschen. Das hat auch psychische Auswirkungen; die Menschen sind nach zwei Jahren Krise emotional am Ende. So erlangt Österreich einen traurigen Rekord von 29 Frauenmorden, die vergangenes Jahr in unserem Land geschehen sind. Zumeist sind die Täter Partner oder Ex-Partner, Gewalt findet also häufig im Beziehungskontext statt. In der EU ist Österreich das einzige Land, in dem es mehr Morde an Frauen als an Männern gibt. Wir finden uns ganz vorne in der Tabelle: an dritter Stelle in dieser Nega­tivstatistik.

Es ist dringend notwendig, die Gewalt gegen Frauen als das zu benennen, was sie ist. Dazu muss man bei Frauenmorden auch Frauenmorde sagen und nicht Familiendramen oder Ehedramen oder darüber reden, dass eine Frau zu Tode gekommen ist. Nur wenn wir – und damit meine ich auch die Politik und die Medien – Dinge als das benennen, was sie sind, kann man sie bekämpfen und den notwendigen Schutz vorantreiben. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich sehe da dringenden Handlungsbedarf, den Schutz weiter auszubauen und neue Überlegungen anzustellen, wie Frauen geschützt und unterstützt werden können. In die­sem Bereich darf nicht eingespart werden. Es braucht mehr Mittel für Beratungsstellen, Einrichtungen, um Frauen als Opfern frühzeitig zu helfen. Es bedarf auch für Täter und potenzielle Täter Strategien und Maßnahmen.

In meinem Heimatbezirk startete vor einigen Monaten die Initiative Stop – Stadt ohne Partnergewalt, ein Pilotprojekt, welches von der österreichischen Frauenberatungsstelle umgesetzt wird. Dieses Projekt läuft in elf Bezirken in Österreich. Dabei werden Men­schen zum Thema Partnergewalt und Nachbarschaftshilfe sensibilisiert. Generell wird das Thema durch die Initiative in die Öffentlichkeit gebracht. In meinen Augen ist das eine wichtige und gute Maßnahme, um aufzuklären und Frauen eine erste Anlaufstelle zu bieten. Das Ziel des Projektes ist es, dass Nachbarn, Freunde, Freundinnen und Ar­beitskollegen dafür sensibilisiert werden, Gewalt gegen Frauen anzusprechen, wenn sie etwas bemerken. Frauen sollen in der Gesellschaft ein Netz finden, das sie auffängt und ihnen hilft, aus Gewaltbeziehungen auszubrechen.

Es geht um Zivilcourage. Diese Aufklärungsarbeit passiert in Schulen, bei Treffen mit den Nachbarn, im öffentlichen Leben – dort, wo das Thema Gewalt an Frauen hingehört, wo diese leider auch noch immer geschieht: mitten in unserer Gesellschaft. Das Ausmaß an häuslicher Gewalt in unserer Gesellschaft kann langfristig nur dann verringert werden, wenn immer mehr Menschen offen dagegen auftreten, die Dinge beim Namen nennen und sie nicht unter den Tisch kehren. Beginnen müssen wir damit aber sofort.

Sie, Frau Minister, wollen Stop – Stadt ohne Partnergewalt ab Sommer 2022 nicht mehr in dem Ausmaß weiterführen, sondern werden die dafür vorgesehenen Mittel kürzen. Es wird damit zu einem Sparprojekt – und das kann nicht sein. Können Sie mir dazu etwas sagen, Frau Ministerin? Auch heuer haben wir bereits fünf Frauenmorde zu beklagen. Ihr Bericht ist aber auch in der Frage von Gewaltschutz wenig engagiert. Unterstützen Sie laufende Projekte mehr denn je und sorgen Sie dafür, dass Frauenberatungsstellen in Österreich weiter ausgebaut werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Es besteht dringend Handlungsbedarf. Die Forderungen der SPÖ-Frauen liegen dazu am Tisch – Sie bräuchten diese nur endlich umzusetzen: Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich, mehr Mittel für Gewaltschutz, Ausbau der Frauen- und Mädchenbera­tungsstellen in allen Bundesländern, mehr Frauenhäuser und Übergangswohnungen in allen Bundesländern, Österreich muss seiner Verpflichtung im Rahmen der Istanbulkon­vention nachkommen, Fortsetzung bundesweiter Gewaltschutzgipfel mit Expertinnen und Experten.

Gestern, am 8. März, war der Weltfrauentag. Zu diesem Anlass hat der Städtebund ei­nen Gleichstellungsindex in Auftrag gegeben. Auch da muss man einmal mehr feststel­len: Das Ergebnis ist ernüchternd. Definitiv gibt es vor allem im Gewaltschutz noch Pro­bleme. So wird darin angeführt, dass es lediglich in 24 Prozent der Bezirke ein Frauen­haus gibt. Diese sind primär in den Landeshauptstädten zu finden. Das stellt eine Hürde für Frauen im ländlichen Raum dar, die generell weniger mobil sind. Es ist noch viel zu tun. Ich fordere Sie daher auf, endlich an die Umsetzung zu gehen. Wir dürfen bei diesem wichtigen Thema keine Zeit mehr verlieren! – Danke.

Frau Minister, darf ich Ihnen eine Broschüre zu dem, was ich gerade angesprochen ha­be, mitgeben? Bitte, schauen Sie sich das an und nehmen Sie es sich zu Herzen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Riepl überreicht Bundesministerin Raab die erwähnte Bro­schüre. – Bundesministerin Raab: Danke!)

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