21.57
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesminister! Ich probiere jetzt das Pult aus. (Die Rednerin verstellt die Höhe des Rednerpults. – Allgemeine Heiterkeit.) – Aufwärts ist es schlecht, aber ich bin ohnehin klein, das ist in diesem Fall mein Glück. (Allgemeine Heiterkeit.)
Voraussichtlich werden die Preise für Brot in diesem Jahr um 15 Prozent steigen. Warum ist das zu sagen? – Weil ich auf die Situation der Menschen, die arbeitslos sind, hinweisen möchte.
Herr Bundesminister! Ich weiß, Sie sind stolz darauf, und natürlich freuen wir alle uns mit, dass es weniger Arbeitslosigkeit gibt – das ist gut so –, aber wir wissen auch, dass man sich das differenzierter und genauer anschauen muss. Arbeit zu haben heißt noch nicht, von dieser Arbeit auch leben zu können. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Wir wissen auch, dass sich in einer Zeit wie dieser – gebeutelt durch die Pandemie, durch den Krieg und die Auswirkungen auf die Wirtschaft und dann wohl auch auf den Arbeitsmarkt – die Situation sehr, sehr schnell ändern kann. Uns, der Sozialdemokratie, ist es wichtig, dass die Menschen, die ihre Arbeit nicht aus eigener Schuld verloren haben – und das sind sehr viele –, von ihrem Arbeitslosengeld auch leben können. Das ist ganz, ganz wichtig.
Man muss schon sagen: Die jetzigen 55 Prozent Nettoersatzrate sind einfach zu wenig! Neun von zehn ArbeitslosengeldbezieherInnen sind armutsgefährdet. Das ist unerträglich. Und wir fordern es schon so lange, Herr Bundesminister: Erhöhen Sie das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent Nettoersatzrate! Es ist an der Zeit! (Beifall bei der SPÖ.)
Die Menschen haben ein Recht darauf, abgesichert zu sein. Dafür haben wir gekämpft, und das muss auch sein. Ich weiß, dass Sie sich schon sehr lange mit dem Gedanken tragen oder in den Verhandlungen sind und Meinungen eingeholt haben betreffend eine Reform des Arbeitslosengeldes. Am Montag hat im Parlament eine Enquete stattgefunden, sie wäre höchst interessant gewesen, aber leider ist auch Tatsache, dass die Bundesrätinnen und Bundesräte nicht die Chance gehabt haben, dabei zu sein, weil wir zu dieser Zeit Ausschusssitzungen gehabt haben, und das bedauern wir sehr, denn wenn man gerade ins Parlament geht und dann die Bundesrätinnen und Bundesräte ausschließt, ist das kein kluger Zug. Aber es ist halt so, wie es ist.
Wichtig für uns ist: Welches Modell auch immer jetzt diskutiert oder was auch immer wird, das Arbeitslosengeld muss erhöht werden! Die Menschen dürfen nicht armutsgefährdet sein, wenn sie ihre Arbeit verlieren, und das kann ganz, ganz schnell passieren.
Wenn ich an die letzte Rede des Kollegen Kornhäusl denke, in der ein bisschen mitgeschwungen ist: Na ja, aber die, die es nicht verdienen, sollen es nicht kriegen!, muss ich sagen, das ist nicht fair, denn wir wissen, dass gerade die Kontrollen bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes sehr, sehr scharf und sehr, sehr genau sind. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Und da immer ein bisschen zu unterstellen: Na ja, die richten es sich, das ist die soziale Hängematte, die machen es sich gemütlich!, ist nicht richtig. Leben Sie einmal von dem Geld, das ein Arbeitslosengeldbezieher oder eine -bezieherin bekommt, dann werden Sie schon sehen, dass das alles andere als angenehm ist. Da hat man größte Ängste und fragt sich: Wie kann ich das Heizen zahlen? Wie kann ich die Miete zahlen? Wie kann ich den Kindern noch etwas kaufen? Das ist nicht lustig, und das muss schon gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.)
Das noch einmal bestätigend und noch einmal hervorhebend, bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket gegen die Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien durch insbesondere folgende Maßnahmen entgegengewirkt wird:
1) Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens
2) Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes
3) Verdreifachung des Familienzuschlages.“
*****
Das ist jetzt dringend nötig. Wir wollen nicht die Menschen, die Arbeitslosengeld beziehen, in Existenzschwierigkeiten bringen und die Armut noch mehr vorantreiben.
Zu den Punkten, die hier jetzt auch noch besprochen werden: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass beim Thema Frauen und Arbeitslosigkeit ganz genau hinzuschauen ist. Wir wissen, dass sich das Pensionsantrittsalter der Frauen ab 2024 bis 2032 ganz rasch auf 65 Jahre erhöhen wird, und wir wissen, dass ab 2024 pro Jahr rund 25 000 Frauen mehr am Arbeitsmarkt sein werden. Gleichzeitig wissen wir auch, dass jetzt jede zweite Frau in Österreich nicht aus einer Beschäftigung in Pension geht, sondern aus einem Arbeitslosenverhältnis, aus Krankheit, was auch immer, und das ist jetzt ohne Anhebung des Pensionsantrittsalters so. Es sind da also ganz dringend Maßnahmen zu setzen, um auch die Frauen abzusichern.
In dem ganzen Paket – und jetzt darf ich mich an den Sozialminister wenden – ist natürlich auch die Frage der Änderung beim Ausgedinge für die Bäuerinnen und Bauern dabei. Natürlich ist das, bitte, eine Maßnahme, die hier gesetzt wird, aber es muss schon dazugesagt werden: Niemand erhält Mindestsicherung oder Sozialhilfe, wenn er selbst eine Art von Vermögen hat. Das ist so im Sozialhilfegesetz oder in der Mindestsicherung geregelt. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.)
Tatsache ist auch: Diese Regierung hat für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hacklerregelung gestrichen! Und das nimmt man Ihnen wirklich übel. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Köck.)
Fakt ist auch, dass wir jetzt erfahren haben, dass das sozusagen in einem Sideletter dieser Regierungsvereinbarung gestanden ist, und das macht die Sache noch ung‘schmackiger, das kann man auch ganz ehrlich sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Köck.)
45 Jahre sind genug! Die Menschen haben in Hitze und in Kälte unter großem Druck gearbeitet, und dann sagt man: Ja aber ihr nicht mehr! – Und gerade jetzt, da die Frauen drangewesen wären, weil sie die Chance gehabt hätten, in den Genuss von „45 Jahre sind genug!“ zu kommen, hat man es abgedreht. Das ist nicht gut und das ist nicht fair.
Es sollen alle gut abgesichert sein, es sollen alle eine Chance haben, und es sollen auch jene eine gerechte Pension erhalten, die für dieses Land unter den schwierigsten Bedingungen wirklich geschuftet haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Abschließend noch einmal: Bitte erhöhen Sie das Arbeitslosengeld! Wir gehen auf schwierigste Zeiten zu. Es ist aber nicht nur das Arbeitslosengeld, natürlich sind es auch die Pensionen, natürlich ist es auch die Sozialhilfe, natürlich ist es auch das Kinderbetreuungsgeld – die Sozialleistungen werden von dieser Inflation aufgefressen, und die Menschen haben wirklich größte Probleme, ihr Leben zu fristen, und da muss entgegengehalten werden.
Wir sind am Beginn einer Reise und wir hoffen, dass endlich Vernunft einkehrt, dass man hier zur Absicherung dieser Menschen, die es ganz dringend brauchen, kommt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
22.04
Vizepräsident Günther Novak: Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maßnahmenpaket gegen die Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr das Wort.