10.23

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der verbrecherische Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine löst einen Preisschock auf den Rohstoff­märkten aus. Gas, Öl und Agrarrohstoffe, unter anderem Lebensmittel, haben sich dadurch allesamt in einem Rekordtempo verteuert. Die Inflationsprognosen für 2022 stiegen auf annähernd 6 Prozent, somit auf den höchsten Stand seit 1985. Die Preise hatten aber schon in der zweiten Jahreshälfte 2021, ausgelöst durch das starke Wirtschaftswachs­tum und nach wie vor bestehende Probleme bei den Lieferketten, stark angezogen.

Der Höhepunkt der Preisdynamik wird für April und Mai 2022 mit monatlichen Inflations­raten von bis zu 7 Prozent erwartet, wobei die Hälfte der Inflation auf globale Faktoren zurückzuführen ist, 30 Prozent auf Liefer- und Angebotsengpässe, 20 Prozent auf Nach­frageeffekte aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs. Die Energiepreise sind für die Hälfte der Gesamtinflation 2022 verantwortlich, obwohl Energie nur einen Anteil von 7,4 Prozent am VPI-Warenkorb darstellt.

Die öffentlichen Haushalte profitieren sowohl durch die Inflation an sich als auch insbe­sondere durch die Energiepreissteigerungen. Sie profitieren durch höhere Umsatzsteu­ereinnahmen und höhere Dividenden aus den staatlichen Beteiligungen an den Energie­unternehmen – wir haben es schon gehört: Verbund, OMV –, höhere Mineralölsteuerein­nahmen und höhere Umsatzsteuereinnahmen durch Preise im Konsum. Damit eröffnen sich finanzielle Spielräume über diese Windfall Profits, die der Staat vollständig an die Haushalte und die Wirtschaft zurückgeben sollte.

Da die derzeitige Teuerung zumindest zur Hälfte über steigende Preise für fossile Ener­gieträger, vor allem für Erdgas, erfolgt, muss zudem ein rascher und konsequenter Aus­stieg aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bei gleichzeitiger Versorgungssi­cherheit erfolgen. Kurzfristig kann der Staat die Auswirkungen der Teuerung nur ab­federn: durch ein Herabsetzen energiebezogener Steuern, wie der Elektrizitäts- oder Erdgasabgabe, aber nicht des CO2-Preises, das Umsetzen längst überfälliger Entlas­tungsschritte und die gezielte Unterstützung der von der außerordentlichen Teuerung besonders betroffenen Haushalte und Unternehmen.

Sechs Punkte im Einzelnen: Zuerst wäre da die Senkung oder Streichung der Ener­gieabgaben, Elektrizitäts- und Erdgasabgabe. Wir kommen heute noch dazu. Das un­terstützen wir. Das würde sowohl Unternehmen als auch Haushalte breit entlasten. Da ginge es heuer um 800 bis 900 Millionen Euro.

Zweitens: Die Abschaffung der kalten Progression, auf die ich noch im Detail eingehen werde, würde alle Einkommensteuerzahlerinnen und Einkommensteuerzahler entlasten, daher breit wirken. Das wären heuer zwischen 1,6 und 2,1 Milliarden Euro, nächstes Jahr zwischen 1,9 und 2,6 Milliarden Euro.

Drittens: eine Senkung der Lohnnebenkosten, wovon ein Drittel nicht arbeitnehmerbezo­gen ist. Die Personalkosten sind bekanntlich oft der größte Kostentreiber in den Unter­nehmen. Die kurzfristig erzielbare Reduktion beziehungsweise das Entlastungspotenzial wären rund 0,5 Prozent, das wären 750 Millionen Euro.

Viertens: die Unterstützung von Haushalten mit niedrigem Einkommen, die darauf ab­zielt, soziale Härtefälle zu vermeiden, anstatt mit der Gießkanne eine Art Inflationsaus­gleichstransfer zu machen. Möglichkeiten dazu wären zum Beispiel die Indexierung der Familienbeihilfe, die temporäre Erhöhung bestehender Transferleistungen wie Heizkos­tenzuschuss oder Mindestsicherung sowie die gezielte thermische Sanierung und der Heizungstausch im sozialen Wohnbau.

Fünftens: die Unterstützung besonders betroffener Unternehmen, zum Beispiel durch Liquiditätshilfen, wie die Herabsetzung von Steuervorauszahlungen und die frühzeitige Rückvergütung von Energieabgaben.

Sechstens: ein Aktionsplan zum umgehenden Ausstieg aus russischem Erdgas. Einen Antrag dazu hat Kollegin Doppelbauer im Nationalrat eingebracht.

Der Staat darf nicht an der Teuerung und der zusätzlichen Belastung der BürgerInnen verdienen. Von staatlicher Seite sollten daher die durch die Preissteigerungen erzielten Mehreinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Der größte Punkt dazu ist die kalte Progression, eine Art Inflationssteuer. Die fällt umso höher aus, je höher die Inflation ist. Sie kostet die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler grob ge­rechnet jährlich rund 250 Millionen Euro pro Prozentpunkt der Inflation. Heuer wären das 1,5 Milliarden Euro.

Wir hören immer als Gegenargument nach der Wahl – denn vor der Wahl versprechen alle die Abschaffung der kalten Progression –, dass Bezieher höherer Einkommen von der Abschaffung der kalten Progression übermäßig profitieren würden. Wir haben uns das ausgerechnet, wir haben Bruttomonatseinkommen von 1 250 Euro bis 10 750 Euro verglichen: Die verhältnismäßig stärkste Belastung durch die kalte Progression gibt es beim niedrigsten dieser Einkommensbeispiele.

Während die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sich die Steuerreformen de facto selbst finanzieren, müsste die Regierung nach der Abschaffung der kalten Progression diese durch Reformen gegenfinanzieren. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.29

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Die Aktuelle Stunde ist beendet.