11.34

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen hier, aber auch vor den Bildschirmen! Ich möchte ein bisschen positiver werden als meine VorrednerInnen und zwei, gerade für uns Grüne sehr positive Regelungen beziehungs­weise Zukunftsthemen aus dem Bericht des Finanzministers betreffend die EU-Jahres­vorschau 2022 hervorheben: Das ist der Mindeststeuersatz und der CO2-Grenzaus­gleichsmechanismus.

Zum Mindeststeuersatz: 137 Länder einigten sich im letzten Oktober darauf, dass Un­ternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro – und das sind doch so einige Tausend Unternehmen – mit einem globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent belegt werden sollen. Als ich das das erste Mal hörte, jubelte ich. Natürlich könnte man sagen, dass diese Einigung nur leere Worte waren, aber ich habe mich besonders gefreut, dass die Europäische Kommission umgehend gehandelt und im De­zember desselben Jahres diesbezüglich einen Richtlinienvorschlag vorgelegt hat, dass Großkonzerne mit der Mindestbesteuerung belegt werden, wenn sie die Muttergesell­schaft oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben.

Es ist noch nicht in Umsetzung, es ist ein Entwurf, aber es ist ein Riesenschritt, dass vor allem international agierende Konzerne Gewinne nicht mehr steuerschonend einstreifen dürfen. Und steuerschonend ist dabei ein euphemistischer Ausdruck, denn eigentlich kommt es eher einer legalen Steuerhinterziehung gleich, wenn Unternehmen ihre Ge­sellschaften in Ländern anmelden, die keine oder wie in manchen Mitgliedstaaten sehr geringe Steuern einheben.

Ein paar Beispiele: Ungarn und Polen haben einen Steuersatz von 9 Prozent, Bulgarien und Kroatien 10 Prozent, Irland 12,5 Prozent. Für die Unternehmen, die sich dort ansie­deln, bedeutet das einen enormen Wettbewerbsvorteil, der dazu führt, dass diese Unter­nehmen leichter wachsen, billiger produzieren können und die brav Steuer zahlenden Wirtschaftstreibenden gegen die Billigpreise dieser Riesen weniger Chance haben. Mit der Mindestbesteuerung wird nun diese Wettbewerbsverzerrung etwas ausgeglichen und vor allem der ungesunde Steuerwettbewerb und auch der Standortwettbewerb zwi­schen den einzelnen europäischen Volkswirtschaften entschärft.

Aber das für mich stärkste Argument für diesen Mindeststeuersatz ist, dass die Flucht in ein steuerarmes Land bedeutet, dass weniger Geld für das Sozialsystem hier wie dort zur Verfügung steht. Das könnte man auch als unsolidarisch bezeichnen, nämlich ge­genüber allen SteuerzahlerInnen, die die Allgemeinheit an ihrem Gewinn teilhaben las­sen, und man denke an die Ausgaben für die Pandemie, den Vernichtungskrieg Russ­lands gegen die Ukraine und – nicht zu vergessen – das Geld, das wir für die Bekämp­fung der Klimakrise brauchen. Der EU entgehen geschätzte 50 Milliarden Euro durch diese Steuerflucht, in Österreich wären es mehrere Hundert Millionen Euro Zusatzein­nahmen, Geld, das für eine soziale Absicherung und für eine Umverteilung von oben nach unten verwendet werden kann.

Anhand dieses Steuersatzes sieht man auch sehr schön, wie das alles zusammenhängt, wie jedes egoistische und allein gewinnmaximierende Verhalten auf uns alle zurückfällt, weil es uns als Gemeinschaft erhaltender Akt fehlt. Daher ist es für uns voll und ganz unterstützenswert, dass das Finanzministerium diese Besteuerung von Großkonzernen vorantreiben will, damit es in der EU keine Steueroasen mehr gibt und mehr Geld für soziale Sicherheit zur Verfügung steht.

Der zweite Punkt ist der CO2-Grenzausgleichsmechanismus, CBAM, auf Englisch abge­kürzt, gefällt mir besonders gut. Dieses Instrument ist im Rahmen des Green New Deals geschaffen worden, und damit wird ein sogenannter CO2-Zoll auf Produkte eingehoben, die in die EU eingeführt werden, wenn bei deren Produktion mehr CO2-Emissionen an­fallen, als die EU-Vorschriften es erlauben. Dieser Mechanismus wird schrittweise und im Dialog mit den in die EU importierenden Drittstaaten eingeführt. „Schrittweise“ ist ein spannender Punkt, auf den ich dann auch noch zurückkommen möchte.

Dieser CO2-Zoll hat viele Vorteile, von denen ich ein paar nennen möchte. Erstens ge­neriert die EU damit Einnahmen und sie hat damit eine neue Eigenmittelkategorie ein­geführt, die zur Tilgung der aufgenommenen Mittel für den Wiederaufbaufonds beiträgt.

Zweitens: Will man umweltschonend produzieren, muss in den Produktionsvorgang in­vestiert werden, und das macht natürlich das Endprodukt teurer. Der CO2-Zoll hebt aber dann diesen Preisnachteil auf, erzwingt einen Ausgleich von klimaschädlicher, billiger Produktion und klimaschonender, aber teurer Produktion, und das trägt zur Entzerrung des Wettbewerbs bei.

Drittens: Mit einem solchen CO2-Ausgleich wird die Abwanderung europäischer Produ­zentInnen in Länder mit weniger Klimaschutzauflagen unterbunden.

Viertens: Klimaschädliche Produktion kostet uns alle Gesundheit und Geld, die Aus­gleichsabgabe dient daher auch der Kostenwahrheit.

Und fünftens, zum Dialog mit den Drittstaaten: Durch diese Art Vorwarnung der Impor­teure und die nicht sofortige Einführung des CO2-Zolls wird dazu angeregt, die Dekarbo­nisierung der Industrie in den Ländern voranzutreiben, die mit der EU Handel treiben wollen. Die EU ist eine begehrte Handelspartnerin, das heißt, das wird für viele Länder ein Anreiz sein, in Dekarbonisierung zu investieren. Das bedeutet, dass diese Maßnah­me auch global wirksam ist. Das ist gut beziehungsweise sogar sehr gut, denn Umwelt­schutz funktioniert nur global.

Das Finanzministerium wünscht eine ausgewogene Balance zwischen Umwelt, Klima, Industrie sowie wettbewerbs- und handelspolitischen Zielsetzungen. Wenn wir die Schwere der Klimakrise in die Waagschale der Ziele werfen, ist das genau im Sinne einer effizienten und grünen Klimapolitik. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.40

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesmi­nister Dr. Magnus Brunner. Ich erteile ihm das Wort.