13.28

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Der Hintergrund zu diesem Tagesordnungspunkt ist ja ein sehr bitterer, nichtsdestotrotz oder gerade deswegen sind wir jetzt gefordert, die Dinge klar anzusprechen und die nötigen Maßnahmen zu setzen. (Vizepräsident No­vak übernimmt den Vorsitz.)

Allerspätestens seit dem 24. Februar sollten eigentlich auch jene aufgewacht sein, die es davor nicht sehen wollten, die nicht sehen wollten, dass wir nicht nur prinzipiell eine hohe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern haben, sondern dass diese Abhängigkeit vor allem bei Gas extrem einseitig ist und sich auf ein Land konzentriert.

Führende Akteure und auch SpitzenpolitikerInnen wollten nicht wahrhaben, dass Putin Russland seit vielen Jahren, seit mindestens 15 Jahren, in ein autokratisches, diktatori­sches, antiliberales Regime umgebaut und seine Einflusssphären systematisch erweitert hat. Man pflegte stattdessen öffentlichkeitswirksam Freundschaften mit Putin, übrigens auch noch nach der Annexion der Krim, und bildete sich noch etwas darauf ein. Der Rubel und so mancher Aufsichtsratsposten waren offenbar wichtiger als der Blick auf das Wohlergehen des Landes.

Eine wiewohl für alle, die sich damit auseinandersetzen, wenig überraschende, aber ins­gesamt bittere Erkenntnis ist – das wurde schon mehrfach angesprochen, denn jetzt wissen es plötzlich alle –, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und im Spe­ziellen von russischem Erdgas nicht von heute auf morgen, auch nicht von einem Jahr auf das andere und auch nicht binnen zwei Jahren beendet werden kann. Und leider muss festgehalten werden, dass diese Abhängigkeit selbst verschuldet ist. Es ist ein nicht ganz leichtes Erbe, das jetzt da ist und mit dem es nun einmal umzugehen gilt.

Jetzt gilt es auch nach vorne zu schauen. Besondere Bedeutung kommt dabei jetzt, mitten in der Krise, der Sicherstellung der Versorgung zu. Ich hätte bei Regierungsantritt auch nicht gedacht, dass das solch ein Thema werden wird. Es bedarf dazu mehrerer Maßnahmen, eine davon – sie steht im Zentrum des jetzigen Beschlusses – ist die Ände­rung des Gaswirtschaftsgesetzes zur Bildung einer strategischen Gasreserve. Diese ist für Notfälle gedacht, sollte es zu einer schwerwiegenden Unterbrechung der Gasversor­gung kommen, und ihr Ausmaß entspricht ungefähr dem Gasbedarf eines kalten Jänners.

Sollte die Gasreserve gebraucht werden, ist allerdings schon Feuer am Dach, und Ener­gielenkungsmaßnahmen sind wohl bereits längst wirksam. Das Energielenkungsgesetz erlaubt eine stufenweise Vorgangsweise: beginnend mit Verpflichtungen der Gaswirt­schaft, laufend Daten zu liefern, um eine detaillierte und zeitnahe Übersicht zu haben – diese Stufe läuft ja bereits –, geht es dann weiter über Sparaufrufe und so weiter bis hin zu selektiven und breiten Abschaltungen. Am besten geschützt sind die Haushalte. Ich war in meinem Bundesland selber in die Ausarbeitung entsprechender Verordnungen zur Vorsorge involviert. Niemand hätte gedacht, dass wir das jemals brauchen werden, und wir hoffen sicher alle, dass es dabei bleibt.

Die Vorbereitungen laufen selbstverständlich sehr intensiv, die dazugehörigen Detailver­ordnungen sind in der Fertigstellung. Es ist schon eine extrem heikle Angelegenheit, es geht da um wichtige Details wie Verbrauchsgrenzwerte, Reihenfolgen von Abschaltun­gen et cetera, das ist nichts Lustiges und es möge uns hoffentlich erspart bleiben. Selbst­verständlich ist die zuständige Behörde, die Energie-Control, in Kontakt mit den Großver­brauchern, das sieht ja übrigens das Energielenkungsgesetz vor.

Die Europäische Kommission arbeitet ihrerseits an europaweiten Regelungen für die Speicherbewirtschaftungen, da wird wahrscheinlich noch etwas kommen und das ist auch gut so, trotzdem ist es natürlich angebracht und klug, jetzt auch selber eine Kri­senvorsorge gesetzlich auf die Reihe zu bringen.

Es zeigt sich übrigens in ganz Europa das gleiche Muster wie in Österreich: Die von russischen Gesellschaften bewirtschafteten Gasspeicher – in Österreich ist das vor al­lem der Speicher Haidach, ein sehr großer Speicher – wurden nach dem letzten Winter nicht mehr befüllt. Das hat wesentlich zu der Preishausse beigetragen, die wir seit eini­gen Monaten erleben.

Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Diversifizierung, diese dauert schon deutlich länger. Es ist leider nicht möglich, einfach zu sagen: Na ja, dann kaufen wir das Gas halt woanders! Dieses Woanders gibt es leider nicht, jedenfalls geht das nicht binnen einem, zwei oder drei Jahren, jedenfalls nicht in einem größeren Ausmaß.

Dass wir zu 80 Prozent von Russland abhängig sind, ist eine große Last, man kann da nicht einfach switchen. Das gilt für ganz Europa. Und es ist ein essenzieller Punkt: Eine erfolgreiche Diversifizierung für Österreich geht nur gemeinsam im europäischen Kon­text. Nur mit einer europäischen Beschaffungspolitik, nur dann, wenn die vorhandenen Bezugsmöglichkeiten solidarisch in Europa aufgeteilt werden, kommen wir tatsächlich weiter. Ein Land wie Österreich – und das gilt auch für viele andere Länder in Europa – spielt allein am Weltmarkt keine Rolle. Wir würden den Kürzeren ziehen, einen hohen Preis zahlen und das würde Europa in seiner Verhandlungsposition gegenüber Russland schwächen.

Eine Diversifizierung in einem überschaubaren Zeitraum kann durch eine gewisse Er­höhung der Lieferungen aus anderen Ländern erfolgen, soweit diese überhaupt in der Lage sind, die Mengen zu erhöhen – das ist leider sehr begrenzt möglich –, dazu braucht es Pipelinekapazitäten und auch diese stehen nur bedingt zur Verfügung. Wir sprechen da etwa von Gas aus Norwegen oder aus Nordafrika. Eine besonders wichtige Option ist die weitere Erhöhung der Versorgung mit Flüssiggas, LNG , von Flüssiggasimporten. Dazu braucht es aber auch erst Lieferländer und die nötige Infrastruktur. Man kann das nicht einfach so aus dem Boden stampfen, es braucht Jahre, bis da eine spürbare Ver­besserung eintritt. Und: So sehr wir sie uns wünschen, es ist eine teure Option.

Das Ganze hat außerdem – das geben wir ganz offen zu – einen bitteren Beigeschmack, was die potenziellen Lieferländer betrifft. Die meisten davon sind leider auch keine De­mokratien. Es hat auch einen bitteren Beigeschmack, was den Klimaschutz betrifft. Das ist durchaus ein Dilemma und hat es als solches leider an sich, dass es keinen wirklich guten Weg heraus gibt. Im Moment hat halt nun einmal die Versorgungssicherheit einen sehr, sehr hohen Stellenwert.

Wenn wir es europaweit schaffen wollen – europaweit –, uns in fünf bis sieben Jahren von russischem Gas zu befreien, wird das gigantische Anstrengungen erfordern, die ich gar nicht hoch genug einschätzen kann. Nicht nur das: Gas bleibt ein fossiler Energie­träger, das darf man nicht vergessen, es bleiben Abhängigkeiten und das wird sich auf den Preis niederschlagen. Da muss man auch reinen Wein einschenken: Die Zeiten von derart billigem Gas und billiger Energie sind bis auf Weiteres jedenfalls vorbei.

Damit kommen wir zum wichtigsten Punkt: Raus aus fossilen Energieträgern, raus aus Gas und Öl!, das haben wir nämlich weitgehend selbst in der Hand. Für den Ausstieg braucht es einen klaren gesetzlichen Rahmen, und da zeigt sich leider – ich sage das ganz offen –, dass es politisch extrem schwierig ist, wir stoßen da auf massivste Wider­stände. Fast täglich versuchen jetzt ausgerechnet jene zu erklären, was zu tun ist, die genau diese Wende seit vielen Jahren systematisch behindern.

Ich appelliere daher wirklich in aller Ernsthaftigkeit an so manche Funktionäre in den Verbänden und – das muss ich jetzt auch kritisch anmerken – beim Koalitionspartner: Bitte gebt die Blockaden endlich auf, damit wir die Gesetze an den Start kriegen, die wir für die Energiewende dringend brauchen! (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Die Energiewende ist eine wunderbare Sache. Sie schafft Versorgungssicherheit, stabile und leistbare Energiepreise. Sie ist unabdingbar für den lebensnotwendigen Klima­schutz, ist ein Beitrag für den Frieden. Nutzen wir diese traurige Situation jetzt wenigs­tens, damit wir endlich einen massiven Schritt weiterkommen! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Preineder.)

13.37

Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Leonore Gewessler. – Ich erteile Ihnen das Wort, bitte.