18.17

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Minister! Es ist sicherlich eine der historisch wichtigen Ver­antwortungen und Aufgaben unseres Landes, die österreichische Staatsbürgerschaft für Verfolgte des Nationalsozialismus und deren Nachkommen, um die es vor allem auch geht, zu gewähren.

Ich mache es jetzt auch ganz komprimiert. Wir haben es gehört: Vor rund zwei Jahren ist für Nachkommen von Verfolgten, bei denen anzunehmen ist, dass sie ohne das Un­recht, das ihre Vorfahren erlitten haben, heute im Besitz der österreichischen Staatsbür­gerschaft wären, ein Sondererwerbstatbestand geschaffen worden. Da hat sich eben diese Lücke gezeigt, dass das für ins Ausland deportierte Vorfahren nicht umgesetzt werden konnte, ohne Absicht. Das wird korrigiert – das ist sehr wichtig und sehr schön.

Erwähnen möchte ich noch eine wichtige Klarstellung, die im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes steht: nämlich dass österreichische Staatsbür­ger und Staatsbürgerinnen, die gleichzeitig eine andere, zweite Staatsbürgerschaft an­nehmen wollen und Nachkommen von Verfolgten des Nationalsozialismus sind, dies auch können. Das ist ihnen gesichert.

Ich denke, diese Änderungen sind im Sinne aller. Es sind auch einschlägige Verbände umfassend miteinbezogen und ihre Vorschläge mitberücksichtigt worden – ein sehr er­freulicher Schritt in der langen und durchaus spät angesetzten Aufarbeitung der österrei­chischen Geschichte; und es ist sehr schön, dass das einstimmig möglich ist.

Ein bisschen genauer vielleicht zur zweiten Gesetzesänderung betreffend Staatenlose: Da geht es um die Kinder von Staatenlosen. Denen wird jetzt die Frist ab dem 18. Ge­burtstag erstreckt. Es geht dabei eben um Kinder, die, weil die Eltern staatenlos sind, staatenlos geboren wurden und dafür natürlich – no na – nichts können und jetzt ohne Staatsbürgerschaft leben müssen. Es geht also um junge Menschen, die in Österreich aufgewachsen sind, die gar nichts anderes kennen, die hier in die Schule gegangen sind, die hier ihr vertrautes soziales Umfeld haben, die hier ihre Freunde und Freundinnen haben.

Beim Vorbereiten habe ich mir auch gedacht: Wahrscheinlich ist einem, der ganz selbst­verständlich eine Staatsbürgerschaft hat, gar nicht bewusst, was es heißt, keine zu haben. Da hängen so viele Sachen dran, wie eben – das ist angesprochen worden – der Schutz des Staates. Denken wir beispielsweise nur an Rückholaktionen! Diese hängen an der Staatsbürgerschaft.

Ganz, ganz viele Leistungen des Staates hängen an der Staatsbürgerschaft, nicht zuletzt ist die Staatsbürgerschaft eine wichtige Basis von Mobilität, denn ohne Pass kommen Sie nicht weit. Es hat sogar Fälle gegeben, dass Kinder bei Schulausflügen zu Hause bleiben mussten, weil sie keinen Pass haben, wenn ein Schulausflug über die Grenze durchgeführt wurde.

Wir wissen nicht ganz genau, wie viele Menschen in Österreich staatenlos sind. Die Sta­tistik Austria spricht 2021 von knapp 18 000 Personen, die als staatenlos gemeldet sind oder eine ungeklärte Staatsbürgerschaft haben. Wir reden ganz konkret von 400 Kin­dern, die in den letzten 20 Jahren ohne Staatsbürgerschaft geboren wurden, von Kin­dern, die einen nicht leichten Lebensweg vor sich haben.

Die Fristerstreckung um ein Jahr ist natürlich zu begrüßen, gar keine Frage, weil es oft so ist – der Kollege hat es angesprochen –, dass die Betroffenen vielleicht nicht einmal wissen, dass sie ein Recht haben, die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Das ist natürlich ein relativ aufwendiger Prozess und es dauert auch seine Zeit, alle Unterlagen zu organi­sieren. Das fällt jetzt ein bisschen leichter, weil ein bisschen mehr Zeit da ist. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage aber auch ganz offen: Eigentlich sollte es zu umfassenden Erleichterungen kommen. Kein Kind in Österreich sollte staatenlos zur Welt kommen. Das geht doch nicht – da verstehe ich die FPÖ überhaupt nicht! Erstens einmal ist es eine Pauschalie­rung, denn man kann nicht Eltern dafür verantwortlich machen (Bundesrat Ofner: Es geht eh zwei Jahre!), dass ein Kind dann auf die Welt kommt und keine Staatsbürger­schaft hat. Das verstehe ich überhaupt nicht, da nicht zuzustimmen. (Bundesrat Ofner: Es geht eh zwei Jahre!)

Eine Basis für die Rechte von Staatenlosen ist das internationale Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit aus dem Jahr 1961. Dieses Abkommen ist also letz­tes Jahr 60 Jahre alt geworden. Leider hat es nichts an Aktualität verloren. Ziel dieses Übereinkommens ist es, Staatenlosigkeit überhaupt zu beseitigen, was sehr gescheit ist: Jeder Mensch sollte ein Recht auf eine Staatsbürgerschaft haben. Ganz besonders gilt das für Kinder und Menschen, die in einem Land geboren und aufgewachsen sind. De­nen wäre ganz generell die Staatsbürgerschaft zu erteilen, aber trotzdem freuen wir uns natürlich über diesen Erleichterungsschritt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.22

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.