19.05

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lie­be Kollegen und Kolleginnen! Lieber Kollege Kornhäusl, bewirbst du dich für irgendeinen Job im Innenministerium? (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ sowie Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Nein, ich glaube, als Pfarrer, als Pfarrer wäre er ganz gut!)

Deine Lobhudelei, deine Spur, die du zum Innenminister gelegt hast, ist schon unerträg­lich gewesen. (Bundesrat Steiner: Vom Gesundheitsexperten zum Innenexperten!) Ich meine, man kann ja diskutieren, man kann ja normal sein, aber das ist jetzt schon eine Schmierenkomödie gewesen, tut mir leid. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Stei­ner: Bravo! – Bundesrat Bader: Du kannst stolz sein auf den Applaus von den Blauen! – Ruf bei der ÖVP: Das würde mir zu denken geben! – Bundesrat Ofner: Nein, das ist die Wahrheit! Das ist die Wahrheit ...! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Entschuldige, ich darf mir meine eigenen Eindrücke machen. (Bundesrat Bader: Da dis­tanzieren sich sogar deine Kollegen!) – Nein, den Eindruck habe ich nicht, dass sich meine Kollegen und Kolleginnen distanziert haben. (Rufe bei der ÖVP: Nein!)

Es ist heute gefallen, dass dieser Bericht 31 Seiten hat  das ist eigentlich eine normale Länge. Jener der justiziellen Zusammenarbeit war 39 Seiten lang, allerdings waren bei der Justiz nicht so viele Doubletten drin. Was bei den beiden Vorhabensberichten auf­fällt, ist, dass wir im Bereich Europa bei der justiziellen Zusammenarbeit wesentlich wei­ter und erfolgreicher sind als im Bereich des Polizeilichen und des Inneren.

Allerdings: Jetzt muss ich noch einmal die Worte des Kollegen Kornhäusl verwenden, der gemeint hat, Österreich sei „abwartend“ und „kritisch“. Österreich ist ein verdammter Bremser in vielen Fragen das muss man einmal sagen!  und steht in vielen Dingen auf der Bremse, bringt Dinge ein wie zum Beispiel, dass man Europol ein eigenes Fahn­dungsmandat gibt. Dafür ist ja fast nur Österreich gewesen, und die Mehrheit aller Mit­gliedstaaten hat es (der Redner macht eine wischende Handbewegung und schnalzt mit der Zunge) weggekickt.

Zweitens: Was wir brauchen, ist, dass Schengen – eine der größten Errungenschaften neben Erasmus – wieder funktioniert. Wir müssen es wiederherstellen, wir müssen das Schengensystem wieder stärken, wir brauchen das Schengeninformationssystem so­wohl für die justizielle als auch für die polizeiliche Zusammenarbeit. Das muss genützt werden. Davon sind wir noch immer viel zu weit weg, wir waren schon viel weiter. Unsere Kinder sind in einem Europa ohne Grenzen aufgewachsen. Wir sind wieder in einem Europa mit Grenzen gelandet und wir müssen diese Schengengrenzen wieder auf das bringen, was wir einmal hatten, nämlich eine Freiheit innerhalb der Mitgliedstaaten. Ich glaube, dass das etwas ist, was gar nicht hoch genug zu schätzen ist.

Dann, lieber Kollege Kornhäusl, der ganze Bereich Migration und Asyl: Da soll es ein Paket geben, das ist richtig. Dass aber Österreich eines der wenigen Länder ist, die die Relocation ablehnen, das muss man einmal sagen. Wir heulen da nicht mit der Mehrheit. Wenn ich mir die Grünen anschaue, frage ich mich bei diesen Ablehnungen und bei dieser Bremse beim Kapitel des Inneren: Wer ist da mit wem in einer Koalition?, denn das ist eigentlich in der schwarz-blauen Koalition, in der ja auch der UN-Migrationspakt abgelehnt wurde, das Übliche gewesen. (Bundesrat Steiner: Na Gott sei Dank! Da haben wir die ÖVP überzeugen müssen! Stundenlang!) Der UN-Migrationspakt ist eines der wichtigsten Dinge gewesen, und das ging alles auf Fakenews zurück, dass das so weit vorgedrungen ist. Der damalige blaue Regierungspartner ist auf diese Fakenews hereingefallen.

Österreich lehnt aber nicht nur die Relocation ab, sondern lehnt auch den Solidaritäts­mechanismus ab. Was wir in der Europäischen Union brauchen, ist ein gemeinsames Regelwerk für Asyl und Migration in einer positiven Formulierung.

Wir haben heute hier einen Entschließungsantrag, der für jene, die im EU-Ausschuss sind, nichts Neues ist, denn dort wurde er schon eingebracht und abgelehnt. Angesichts der Tragödie der Ukraine hat die Europäische Union erstmals ein Regelwerk aktiviert, das den Frauen und Kindern – die hauptsächlich flüchten – kein Asylverfahren auf­zwingt, sondern ihnen Sicherheit und einmal die ersten drei Jahre einen Vertriebenen­status gibt, der aber erneuert wird. Liebe Frauen und liebe Kinder, die ihr so viel Not gesehen habt, vielleicht könnt ihr in Österreich einmal durchatmen und das Dröhnen der Kanonen und Raketen und der Einschläge irgendwie aufarbeiten. Das ist für drei Jahre gesichert, und damit geht gleichzeitig auch eine medizinische Grundversorgung einher. Ich meine, das ist schon etwas! Das ist auch Solidarität, was da geleistet wird.

Auch wenn wir Polen anschauen, das wir in Anbetracht seiner früheren Verhaltenswei­sen in der Frage gar nicht mehr wiedererkennen, muss man sagen. Ein Land, das bald zwei Millionen Flüchtlinge hat – zwei Millionen Flüchtlinge! –, braucht Solidarität. Öster­reich nimmt Flüchtlinge aus Moldawien – dem kleinen Moldawien! – auf, wobei Teile des Landes – Transnistrien – noch unter dem Einfluss von russischen Separatisten stehen: Da muss man helfen und da muss man Leute umverteilen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kittl.)

Dann gibt es auch – worüber es ja, glaube ich, hier eine Diskussion gibt  die Gewährung des internationalen Schutzes. Beim vorigen Tagesordnungspunkt wurde die Vermeidung der Staatenlosigkeit diskutiert. Das ist eine Europaratskonvention, die Österreich ratifi­ziert und übernommen hat: dass in allen Mitgliedstaaten des Europarates Staatenlosig­keit zu vermeiden ist. Es gibt zum Beispiel ein Mitgliedsland, das 14 000 Kinder in die Staatenlosigkeit getrieben hat das ist ein Bruch dieses Übereinkommens  und das nun langsam beginnt, darüber nachzudenken, dass das so nicht geht. Das heißt, die Staatenlosigkeit zu vermeiden, ist eines der ganz wichtigen Dinge.

In manchen Punkten ist es egal  weil vorhin auch über die Staatsbürgerschaft geredet wurde: Also ich habe ein Patenkind, ja. Dieses Patenkind wurde zufälligerweise bei einer Zwischenlandung in Chicago geboren. Dort gilt der Boden und nicht das Blut, das heißt, das Kind hat automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Vater und Mutter sind Österreicher, also hat es auch die österreichische Staatsbürgerschaft, es hat somit zwei Staatsbürgerschaften. Was ist das große Problem dabei? Ich finde, da gibt es kein Problem.

Es gibt auch andere Staaten, die die Staatsbürgerschaften gar nicht zurücknehmen. Ita­lien und Griechenland nehmen die Staatsbürgerschaft nicht zurück. Man kann die grie­chische Urkunde nach Griechenland zurückschicken, man bekommt sie nach drei Wo­chen wieder, weil Griechenland sagt, das gibt es nicht, denn: einmal Grieche, immer Grieche. Heute wurde ja bei einem anderen Tagesordnungspunkt  ich glaube, das war aus einem Tiroler Mund  über Marokko diskutiert. Man sollte nie vergessen, warum Österreich keine marokkanischen Häftlinge rückführen kann: Weil Marokko keine Häft­linge egal ob aus Österreich, Belgien oder sonst wo  zurücknimmt. Man kann ja nicht Menschen an die Grenze schicken, wenn der Staat, aus dem sie kommen, diese nicht zurücknimmt. Es ist eine andere Situation, wenn man als Österreicher im Ausland etwas anstellt: Dann muss das Land die Person nehmen. Das gilt nicht überall so.

Noch ganz kurz: Es sind viele Dinge drinnen, Herr Bundesminister, bei denen ich denke, Österreich sollte ein bisschen mehr modernere Positionen einnehmen, und vor allem sollte vielleicht die Koalition intern einmal darüber diskutieren, zum Beispiel bezüglich Europol und Interpol. Das kann man auch umgekehrt sehen. Betreffend die Modernisie­rung sollte man vor allem aufpassen, dass gerade dieses Mandat oft von Diktatoren, wie zum Beispiel Putin oder Erdoğan, verwendet wurde, um unliebsame Menschen zu kri­minalisieren. Es gibt auch in Österreich Leute, die über Interpol Moskau gesucht werden, damit diese mittels der österreichischen Behörden ausgeliefert werden  ein ganz schwieriges Verfahren übrigens, ich bin selber Teil davon geworden und weiß, wie schwierig das Ganze ist. Dieser Mechanismus wird auch auf Europaratsebene sehr kri­tisch gesehen, weil zum Beispiel Erdoğan versucht hat, Kritiker aus verschiedenen Län­dern mit unfassbaren Anwürfen herauszubekommen. Ich kann mich erinnern, Älijew in Aserbaidschan macht Ähnliches.

Was sehr gut ist, ist die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Menschen-, Dro­gen- und Waffenhandels, die gesamte grenzübergreifende Kriminalität – da bedarf es dieser polizeilichen Zusammenarbeit. Natürlich muss man sich auch die illegalen Push-back-Aktionen an den europäischen Grenzen anschauen, bei denen Asylsuchenden keine Chance gegeben wird, ihre Asylanträge zu stellen. Das ist ein glatter Bruch der Menschenrechtskonvention, aber auch der Flüchtlingskonvention. Da gibt es Fälle in Kroatien, in Griechenland, aber es gibt auch Fälle aus Österreich, von denen wir wissen, die dokumentiert sind.

Wir werden diesen Bericht über das Programm zur Kenntnis nehmen, aber noch einmal mein Ersuchen an die Koalition: Diskutiert mehr über die Positionen und Inhalte! So eine Bremsfunktion kann ja nicht wirklich wahr sein.  Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17