9.10
Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen uns nichts vormachen und wir müssen die Sache auch beim Namen nennen: Zum einen hat der Einmarsch Russlands in die Ukraine, dieser eiskalte Angriffskrieg Putins, unser alltägliches Leben verteuert und unsicherer gemacht (Bundesrätin Schumann: Na geh! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring), das betrifft gerade auch die Energie, aber – und lassen Sie uns auch das klar benennen – die Notwendigkeit für eine Energiewende bestand schon zuvor, und sie wird auch dringend gebraucht, und wir dürfen das eine nicht ohne das andere denken. (Bundesrat Spanring: ... zu wenig!)
Wir im Parlament haben gemeinsam mit der Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr mit ganz breiter Mehrheit zum Beispiel das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auf den Weg gebracht. Dieses bringt, wie Kollege Gross ausgeführt hat, 100 Prozent erneuerbare Energie zur Stromproduktion bis 2030 und Klimaneutralität bis 2040. Dafür wird seitens der Bundesregierung jährlich 1 Milliarde Euro investiert, oder anders gesagt: Wir leben da Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen in Österreich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Bundesrätin Schumann: Ihr seid die Besten!)
Wind, Sonne, Wasser – Land feiert die Stromrevolution: Diese Headline ist kein Wunschdenken von mir als jungem Bundesrat, sie stammt vom 6. November 2015 und bezieht sich auf mein Heimatbundesland Niederösterreich. Niederösterreich ist seit fast sieben Jahren bilanziell unabhängig von fossilen Energieträgern bei der Stromproduktion, und mittlerweile eint uns das mit Kärnten und dem Burgenland und auch mit Salzburg und Tirol. (Bundesrat Egger: Was?) Das ist aber vor allem ein Zeichen dafür, dass der Kraftakt zu dieser Energiewende für uns zu stemmen ist, und ich bin deshalb diesbezüglich auch ein bisschen positiver gestimmt als Kollege Gross; wenn es da auch um die Daten der Vergangenheit geht.
Im Vergleich der letzten 15 Jahre, von 2005 bis 2020, konnten wir den Energieverbrauch Österreichs trotz Wachstums – trotz Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums – konstant halten beziehungsweise sogar leicht senken, dabei aber die Bedeutung der erneuerbaren Energieträger sogar erhöhen: Wir sprechen von 36 Prozent plus bei Fotovoltaik, 12 Prozent plus bei Windkraft, minus 3 Prozent bei Kohle und minus 2 Prozent bei der Energie aus Öl. Und um das auch zu sagen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Wir waren das alle gemeinsam – Bundesregierungen, die bestanden haben aus ÖVP, aus SPÖ, aus FPÖ, aus den Grünen, und auch Landesregierungen, in denen dann auch die NEOS mitregieren –, aber, und Sie werden mir das erlauben und Sie werden sich darüber wenig wundern, ich bin stolz darauf, dass gerade in den Ländern dieser Ausbau die Handschrift der Volkspartei trägt (Rufe bei der SPÖ: Ja?! Geh, hör auf! Wirklich?): eine Handschrift, geprägt von Realismus, weil, geschätzte Damen und Herren, die Nachhaltigkeit in unserer DNA als Volkspartei liegt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Super! Bravo!)
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, all das sind Zeichen, die uns eigentlich grundsätzlich positiv stimmen sollten. Wir sollten nicht mit einer Stimmung à la Apokalypse in diese Sache hineingehen, dieses Thema angehen, sondern eigentlich ein bisschen Zuversicht zeigen. Wir haben mit dem EAG nämlich ein gutes Werkzeug in der Hand und wir haben mit diesen Zahlen, die ich Ihnen gerade gesagt habe, ein gutes Fundament, auf dem wir aufbauen können, denn wir sprechen von nicht weniger als dem Um- beziehungsweise sogar Neubau unserer Energieversorgung.
Mit dem EAG wollen wir den Anteil der Erneuerbaren ja deutlich erhöhen: Wir sprechen von insgesamt 27 Terawattstunden – oder anders gesagt, von drei Jahren Energie für Wien –, die wir in den kommenden zehn Jahren aus erneuerbaren Energiequellen produzieren wollen. Der Ausbau von Fotovoltaik, Windkraft, Wasserkraft, Biomasse, Biogas führt zum Ausbau von Energie made in Austria, und dieser Ausbau führt uns vor allem aus der Abhängigkeit und in eine Zeit, in der unsere Wirtschaft, nämlich Industrie und Mittelstand, und auch unsere Landwirtschaft stark von diesen Investitionen werden profitieren können, und vor allem in eine Zeit, in der Konsumentinnen und Konsumenten den Strom aus diesen erneuerbaren Energiequellen vergünstigt nutzen können.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Krise in der Ukraine macht es aber noch einmal dringlicher, dass wir diese Werkzeuge bestmöglich nutzen. Deshalb kann ich Sie, Frau Minister, nur bitten, nicht in einem Reflex die Kritik und die Anregungen von Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf und des oberösterreichischen Landesrats Achleitner einfach wegzuwischen. Wir haben hier eine gewisse Notwendigkeit: Die Länder und Gemeinden, die Verbraucher und Produzenten brauchen bessere Rahmenbedingungen bei UVP-Verfahren zum Beispiel für den notwendigen Netzausbau, denn wie sonst wollen wir es schaffen, 27 Terawattstunden Energie in diese Netze zu bringen? Wir brauchen teilweise noch Antworten auf offene Fragen durch ausständige Umsetzungsverordnungen im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes und wir brauchen vor allem auch – und das ist, glaube ich, in dieser aktuellen Situation besonders wichtig – Klarheit bei der Energielenkung im Fall einer Energiekrise. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich finde, es muss jetzt informiert werden, wer im Fall eines Ausbleibens von russischem Gas in welchem Ausmaß betroffen ist, um darüber auch diskutieren zu können. Es geht da um ganz verschiedene Themen, nicht nur sozusagen um den Privathaushalt, um die Frage: Wann und wie viel kann ich heizen, wie warm ist meine Wohnung?, es geht da um Lebensmittelsicherheit – ich meine, bei uns in Niederösterreich sind 80 Prozent der Bäckereien abhängig von Gas, um Brot zu backen –, es geht um Maschinen, die einfach kaputt sind, wenn das Gas nicht mehr fließen kann, und es geht dann auch um Arbeitsplätze.
Wir dürfen meiner Meinung nach in keine Situation kommen, in der wir politisch Haushalte gegen Unternehmen ausspielen. Wir brauchen deshalb jetzt auch eine gesellschaftlich tragfähige Ausgestaltung, und ich glaube, das erreichen wir mit möglichst großer Transparenz und Offenheit in der Diskussion dieser Frage. (Beifall bei der ÖVP sowie Bravoruf des Bundesrates Buchmann.)
Ich darf an dieser Stelle aber auch einen klaren Appell an die Opposition richten, nämlich im Zusammenhang mit der laufenden Debatte um die Energiekosten. Ich würde Sie bitten, hier auch Verantwortung wahrzunehmen (Ja-Rufe bei der SPÖ – Bundesrätin Grimling: Seid ihr die Regierung oder wir?) und mit der Verunsicherung der Österreicherinnen und Österreicher aufzuhören. Sagen Sie den Menschen auch, was wir hier gemeinsam oder teilweise auch zu großen Teilen beschlossen haben beziehungsweise heute auch noch beschließen werden! (Bundesrätin Hahn: Ja, aber da fehlt ja trotzdem noch etwas! Der Beschluss kann ja nicht alles gewesen sein!)
Schauen Sie sich das an! Wir haben allein bei der ökosozialen Steuerreform – auch wenn sie nicht dafür gedacht war, Teuerung abzufedern, sondern dafür, Menschen mehr Geld im Geldbörsel zu lassen (Bundesrätin Schumann: Nehmt die Vorschläge der Opposition wahr, dann geht schon was weiter!) – knapp 1,6 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die von der Erhöhung des Familienbonus Plus und des Kindermehrbetrags profitieren werden (Bundesrat Spanring: ... gebt ihnen 50 Euro und 300 nehmt ihr ihnen weg!) – 312 000 davon in Niederösterreich –, 6,8 Millionen Menschen, die von einer Tarifsenkung, der Erhöhung des SV-Bonus und den Pensionistenabsetzbeträgen profitieren werden – 1,3 Millionen NiederösterreicherInnen zum Beispiel im Ausmaß von 704 Millionen Euro. Rund 771 000 Betriebe und Unternehmen werden entlastet. Wir sprechen vom regionalen Klimabonus, durch den noch einmal 1,2 Milliarden Euro an die Österreicherinnen und Österreicher überwiesen werden (Bundesrätin Schumann: Na, dann haben wir eh kein Problem! Was jammern dann die Leute?), nämlich genau dorthin und dort mehr, wo das Öffi-Angebot schlecht ist, wo es wenig Öffi-Angebot als Substitut gibt. Das Wifo spricht von knapp 738 Euro an Energie- und Treibstoffkosten, die bei den Österreicherinnen und Österreichern, bei den Haushalten zusätzlich dazukommen werden, und ganz oft wird es einfach schon so sein, dass die ökosoziale Steuerreform diese Mehrkosten zu guten Teilen abdeckt.
Wir haben uns seitens der Regierungsparteien aber trotzdem dafür entschieden, ein weiteres Paket in der Höhe von 4 Milliarden Euro zu schnüren, nämlich nicht nur kurzfristig, sondern für ganze 14 Monate, bis zum nächsten Sommer – das umfasst die Aussetzung der Ökostrompauschale, den Teuerungsausgleich für vulnerable Gruppen um 300 Euro, den wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, den Energiekostenausgleich, die Erhöhung des Pendlerpauschales, die Senkung der spezifischen Energieabgaben um 90 Prozent. (Bundesrätin Schumann: Was jammern dann die Leute? Wirklich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sagen Sie auch das den Menschen, die sich an Sie wenden! (Bundesrätin Schumann: Genau! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Seien Sie ehrlich in Ihren Antworten und sagen Sie, dass die Regierung arbeitet (Beifall bei der ÖVP), dass wir miteinander arbeiten, dass wir gemeinsam wichtige Beschlüsse fassen! Schenken Sie den Leuten reinen Wein ein (Rufe bei der SPÖ: Ja, ihr! Ihr!) und lassen Sie dieses politische Giftmischen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Wir werden aber – und lassen Sie uns auch da ehrlich sein – nicht überall die Teuerung zu 100 Prozent abfangen können. (Ruf bei der SPÖ: Wie viel Mehreinnahmen hat der Herr Minister? Sagen wir das einmal den Menschen! – Bundesrätin Schumann: Ja, genau!) Es wird schon gar nicht einfache Antworten wie pauschale Steuersenkungen für alles und jeden geben, wie Sie es sich wünschen, geschätzte KollegInnen, die zugleich treffsicher sind und wirken, wo die Not am größten ist. Lesen Sie zum Beispiel einfach einen Wifo-Bericht: Die Senkung der Mehrwertsteuer geht in vielen Fällen mit problematischen Verteilungseffekten einher. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Ich bin mir nicht sicher, ob das Ihr Anliegen sein könnte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen hier nämlich zielgerichtet handeln. (Bundesrätin Schumann: Ist das das Thema der Aktuellen Stunde? – Bundesrätin Grimling: Aktuelle Stunde! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)
Das Ding ist: Wir können uns gegenseitig mit Forderungen überbieten, aber die beschlossenen Maßnahmen müssen zuerst wirken, dann müssen wir die Wirkung analysieren und dann neue Maßnahmen setzen, weil irgendwann nämlich auch irgendwer die Zeche zahlen muss. Und ich sage Ihnen: Wenn wir das alles auf Pump finanzieren, dann trifft das uns Junge, und vor allem wird das mit der Inflation auch nicht besser, wenn wir eine riesige Geldschwemme auslösen. (Beifall bei der ÖVP.)
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns um den Energiemarkt kümmern, dann sage ich Ihnen als Mandatar der ÖVP und auch als wirtschaftsliberal denkender Mensch auch ganz klar und deutlich: Wir müssen zwischenzeitlich auch dafür sorgen, dass der Energiemarkt weiter funktioniert, denn wir leben in einer ökosozialen Marktwirtschaft und nicht im wilden Westen, wo die Goldgräberstimmung Regeln aussetzt. Darum haben wir als Bundesregierung zum Beispiel die Preiskommission eingesetzt, in der Regierung, Sozialpartner, Expertinnen und Experten vertreten sind, und deshalb schauen wir auch auf diejenigen, die in der Kriegssituation Gewinne auf Kosten der BürgerInnen machen wollen und da zulangen, damit wir da Fairness ermöglichen.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss kommen! Ich bin mir sicher, dass uns Fragen der Energieversorgung in den nächsten Wochen und Monaten weiter und länger beschäftigen werden, egal ob es um den Krieg oder um den Klimawandel geht, beides ist diesbezüglich ein Faktum. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir auch riesige Verantwortung haben, unser Energiesystem um- beziehungsweise neu aufzubauen, damit wir den Herausforderungen der Zukunft auch gewachsen sind. Es geht um mehr erneuerbare Energie, bessere und leistungsfähigere Netze, weniger Abhängigkeit von Gas und Öl und damit auch von manch zwielichtigen Staatenlenkern.
Wir brauchen dafür aber auch Realismus und Mut und weniger Schlagzeilen und weniger Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand. Aber – und das ist das Positive, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das Sie heute mitnehmen sollten – wir haben dafür nicht nur eine gute Ausgangsbasis, sondern auch die richtigen Werkzeuge in der Hand. Sorgen wir also gemeinsam für Fortschritt, Energiesicherheit, leistbare Preise bei uns in Österreich und lassen wir dieses politische Hickhack (Ah-Rufe der Bundesrätin Schumann), das heute schon wieder spürbar ist und das niemanden interessiert, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, beiseite! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
9.21
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.