11.38

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vielleicht steige ich so ein: Ich hatte diese Woche die Vertretung der Intensivmedizin in Spitälern bei mir zu Gast, also drei Primarärzte, die für die Intensivmediziner in Österreich gesprochen ha­ben. Sie haben mir, weil ich es wissen wollte, die Erfahrungen der letzten beiden Jahre während der Pandemie geschildert und mir noch einmal sehr eindrücklich vor Augen geführt, wie sich das für die Ärztinnen und Ärzte und für das Pflegepersonal auf Inten­sivstationen dargestellt hat. Ich hätte mir gewünscht, dass dieses Gespräch live zur bes­ten Sendezeit im Österreichischen Rundfunk übertragen worden wäre, weil sie – sie sind alle sehr lang, also 20 Jahre und mehr, im Geschäft – mir einfach geschildert haben, wie und mit welcher Vehemenz die Pandemie in den letzten beiden Jahren dort eingeschla­gen hat.

Wir haben immer nur von der Überlastung der Intensivstationen gesprochen, die sich dann an Bettenkapazitäten bemessen hat, dass wir es geschafft haben, Gott sei Dank, nicht darüber hinauszukommen. Wir haben zu wenig über die Verhältnisse, die sich dort abgespielt haben, gesprochen, und wir haben auch zu wenig darüber gesprochen, wie dieses Sterben dort vonstattengeht.

Die Dramatik der Schilderung, wie Intensivmedizin, die sich in Österreich auf höchstem Niveau bewegt, mit einer unglaublichen Hilflosigkeit danebensteht oder -stehen muss und zuschauen muss, wie sich Lungenfunktionen in Nichts auflösen, hat mich noch ein­mal erstens sehr bewegt und mir zweitens in Erinnerung gerufen, dass diese Pandemie nicht vorbei ist.

Sie haben mir auch geschildert, dass das eben nicht nur Menschen waren, die hochbe­tagt waren und vorerkrankt waren, sondern in weiten Teilen auch gesunde, ohne Vorer­krankungen eingelieferte Personen, und es wurde auch noch einmal deutlich gemacht, was Long Covid an Langzeitfolgen anrichten kann. Da ist die Forschung noch nicht am Ende. Wir merken nur, die Zahlen steigen dort an, das heißt, es ist nicht notwendig, Panik zu verbreiten, aber die Ernsthaftigkeit dieser Erkrankung ist bitte nicht kleinzu­reden.

Das ist eine ernsthafte Erkrankung, wenn Menschen damit im Spital landen. Es ist mög­licherweise auch dann ernsthaft, wenn ein sogenannter milder Verlauf auftritt, dann aber Long-Covid-Folgen auftreten; und ja, es ist bei ganz vielen Gott sei Dank so, dass die jetzt vorherrschenden Varianten sehr milde verlaufen und keine Langzeitfolgen haben, es ist aber einfach unsere Aufgabe, diejenigen Personengruppen zu schützen, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind.

Genau mit dieser Vorsicht gehen wir vor. Wenn wir jetzt dieses COVID-19-Maßnahmen­gesetz verlängern, dann heißt das eben nicht, dass wir zu jeder Gelegenheit und beliebig davon Gebrauch machen und das ausnützen. Ich weiß, das sind dann mitunter recht massive Eingriffe in Lebensgewohnheiten, da sind Einschränkungen mit dabei, und das muss auf dem Boden der Verfassung stattfinden. (Zwischenruf des Bundesrates Span­ring.) Wir sind in unserem Haus mit Verfassungsklagen sonder Zahl – 270 oder in der Größenordnung – konfrontiert, und es ist jüngst wieder bestätigt worden: Auch der Lock­down für Ungeimpfte war verfassungskonform, alle wesentlichen Gesetze sind bestätigt worden.

Mir ist das bewusst, und ich kann Ihnen nur diese beiden Leitplanken sagen: Die Maß­nahmen müssen im Rahmen der Verfassung sein und es darf nicht überschießend sein, es dürfen nicht ohne Grund freiheitsbeschränkende Maßnahmen verhängt werden, ohne dass sie von der Verfassung gedeckt sind  und da ist der Rahmen klar vorgegeben. Es ist das COVID-19-Maßnahmengesetz, das den Rahmen setzt, und es ist die Fachlichkeit auf der anderen Seite, die dann den Bogen aufspannt: Was geht sich aus, was ist argu­mentierbar und was nicht?

Auf dieser Basis planen wir, und zwar auch für den Herbst, und das tun wir seit Wochen. Wir warten nicht, bis die Sommerferien begonnen haben, um uns dann auf den Herbst vorzubereiten. Der Variantenmanagementplan, den wir jetzt entwickelt haben und wei­terentwickeln – im Übrigen gemeinsam mit den Ländern und in sehr engem Austausch mit den Landesgesundheitsreferentinnen und ‑referenten, denen ich auch einmal, egal welcher Parteizugehörigkeit sie sind, danken möchte; die sind mit dabei, da ist die Zu­sammenarbeit hervorragend –, geht davon aus, dass wir nicht wissen, mit welcher Va­riante wir es zu tun bekommen. Und ja, ich wünsche mir nichts so sehr, wie, dass es möglich sein wird, aufgrund eines dann endemischen Zustandes, einer abflachenden Kurve einer Variante, die nicht hochansteckend ist, die nicht zu schweren Verläufen führt, in einen Zustand überzutreten, in dem wir keine einschränkenden Maßnahmen mehr brauchen.

Ja, das ist eine Möglichkeit, keine einschränkenden Maßnahmen mehr zu brauchen, und da spannt sich dann der Bogen von: So einfach wird es nicht werden, wir werden etwa in den Variantenentwicklungen BA.4, BA.5 so sein wie jetzt! – wissen wir noch nicht –, bis hin halt eben zur Möglichkeit: Es wird noch einmal eine neue Variante auftauchen! – Diese Möglichkeit ist einfach nicht ausgeschlossen. Da vorbereitet zu sein und auch den rechtlichen Rahmen dafür zu haben, ist erforderlich, und deshalb gibt es die Verlänge­rung dieses COVID-19-Maßnahmengesetzes.

Deshalb gibt es die Variantenplanung, und Sie können sich sicher sein, dass wir damit sehr sorgfältig umgehen. (Bundesrat Steiner: Das bezweifle ich! Das bezweifle ich stark!) – Na, da können Sie sich sehr sicher sein, dass wir sorgfältig damit umgehen. (Bundesrat Steiner: Das müssen Sie noch beweisen!) Ich habe Sie nicht verstanden. Was meinten Sie? (Bundesrat Steiner: Das müssen Sie noch beweisen!) Ah, ich muss es beweisen (Bundesrat Steiner: Richtig!), na selbstverständlich werde ich es beweisen müssen, ja, das wird so sein müssen.

Sie werden mich dann daran messen können, ob es funktioniert hat oder nicht, und ich stehe nicht an, zu sagen: Ja, wenn es Kritik gibt, dann nehme ich sie an und sage, da hat nicht alles perfekt funktioniert, keine Frage! Wir haben jetzt die Vorbereitungen vor Wochen begonnen, gehen gut vorbereitet hinein, werden das auf jeden Fall so machen.

Jetzt lassen Sie mich noch einen Satz zur Kooperation und Zusammenarbeit mit den anderen Stakeholdern sagen, das kann man auch nicht oft genug sagen: Es haben sich in den letzten beiden Jahren vom niedergelassenen Bereich, vom stationären Bereich, von den Alten- und Pflegeheimen, vom Pflegepersonal bis hin zu allen Berufsgruppen, die davon betroffen waren, sehr viele in enorm hohem Ausmaß und mit großer Solidarität an der Bewältigung der Pandemie beteiligt. Das möchte ich an dieser Stelle auch sagen und mich dafür bedanken, weil das alle an den Rand dessen, was man aushalten kann, bringt. Es geht allen unglaublich auf die Nerven, ich verstehe das.

Es ist aber aufgrund der Umstände, die ich geschildert habe, geboten, weiterhin mit Vor­sicht zu Werke zu gehen, und genau das tun wir. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.46

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. – Bitte, Herr Kollege Ofner.