14.32

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Zuhörer haben wir auch hier im Saal: Herzlich willkommen! Liebe Kollegin Hauschildt-Buschberger, von einer Lö­sung des Pflegeproblems sind wir immer noch meilenweit entfernt, aber wirklich noch sehr, sehr weit entfernt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.) Wenn das schon die Lösung ist, dann bin ich wenig optimistisch, dass Sie das Problem wirklich erkannt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Pflege ist weiblich. Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann hat es heute schon mit Zahlen ausgeführt: Der Großteil der in der Pflege arbeitenden Menschen ist weiblich. Frauendominierte Branchen haben eines ge­meinsam: Sie sind schlechter bezahlt, und man verlangt von Frauen sehr oft weit mehr an Einsatz, als es ihrer entlohnten beruflichen Verpflichtung entspricht. Das trifft zum Beispiel auf die Kinderbetreuung und eben auch auf die Pflege zu.

Man geht also irgendwie implizit davon aus, dass sich die Familienarbeit, die ja aus Liebe und nicht für Geld geleistet wird, in diesen Berufen fortsetzt. Das ist eine Grundhaltung, die sich offensichtlich durchzieht und natürlich auch die Ursache dafür ist, dass diese Berufe geringer entlohnt und teilweise auch mit geringer öffentlicher Wertschätzung be­dacht sind.

Die Frauen wollen einfach nicht mehr unter diesen Bedingungen arbeiten und machen – das sehen wir durch die Fluktuationsbewegungen – einen immer größeren Bogen um diese Berufe – mit dramatischen Folgen. Wenn man sich vor Augen führt, dass bis 2050 die Zahl der Pflegebedürftigen auf 750 000 Personen ansteigt, kann man sich ausrech­nen, was uns allen bevorsteht. (Bundesrat Schennach: Ich wollte eh schon fragen, wie viele ...!)

Das muss man sich auch vor Augen halten: Derzeit werden 70 bis 80 Prozent der Pfle­gebedürftigen zu Hause versorgt. Dabei muss man sich natürlich auch fragen: Ja wer macht denn das? – Habe ich die richtige Zahl, Kollege Kornhäusl? Sie kennen sich da sehr gut aus. – Wer macht denn das? – Es sind wiederum die Frauen, die unglaubliche physische und psychische Belastungen in Kauf nehmen, um ihre Angehörigen zu ver­sorgen.

Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn meine Mutter war auch 15 Jahre lang pflege­bedürftig. Da gibt es teilweise gar keine private Lebensplanung mehr. Da ist man wirklich mit Haut und Haar in Anspruch genommen, selbst wenn man mobile Dienste einsetzt, deren Kosten übrigens durch das Pflegegeld bei Weitem nicht abgedeckt werden. Da muss man noch unglaublich viel an Eigenleistung, aber auch an finanzieller Leistung dazu beitragen.

Meine Mutter ist – das möchte ich Ihnen auch kurz erzählen – großteils auch deshalb pflegebedürftig geworden, weil sie selbst Pflegehelferin war und jahrzehntelang schwere Patienten heben, waschen, umbetten musste und auch von Patienten körperlich atta­ckiert wurde. Sie hat in einer Psychiatrie gearbeitet. Ich erzähle Ihnen das deshalb, weil sie eine von vielen war, die dieses Schicksal hatten, die auch Überstunden leisten muss­ten und nicht bis zum regulären Pensionsalter arbeiten konnten, weil eben der Bewe­gungsapparat schon vorzeitig, also mit Mitte 50, schlichtweg kaputt war.

Sie war eine der vielen, die einfach nicht mehr konnten, und musste in Pension gehen. Die Invaliditätspension war unvermeidlich, sie wurde dafür aber auch mit Abschlägen, mit einer geringeren Pension bestraft. Sie wurde für ihr jahrzehntelanges Aufopfern für andere Menschen bestraft. Wie gesagt, sie war eine von vielen, denen gesagt wurde, dass dieses jahrzehntelange Heben von oft über 100 Kilo schweren Patienten eben keine Schwerarbeit ist, dass der Schicht- und Wechseldienst, Nachtdienste, Überstun­den, psychische Belastungen wegen des Personalmangels keine Schwerarbeit sind.

Jetzt haben Sie, Herr Minister, gesagt: Ja, Schwerarbeitspension ist möglich. – Ja theo­retisch! Ich meine, der Fall meiner Mutter liegt schon sehr weit zurück, aber auch heute ist es noch so, dass die Spruchpraxis der Arbeits- und Sozialgerichte einfach anders aussieht und dass wirklich nur wenigen der Weg in die Schwerarbeitspension ermöglicht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen schon auch mitgeben, dass es da einfach eine Klarstellung im Gesetz braucht. Bei Polizisten, also großteils Männern  die Polizistinnen natürlich auch, aber es sind halt großteils Männer, die in diesen Berufen sind –, ist das überhaupt keine Frage. (Bundesrat Spanring: Das hat aber nichts mit dem Geschlecht zu tun!) Es ist gerechtfertigt, wohlverdient, aber da braucht es eben auch eine Gleichbehandlung der Berufe.

Eine Gleichbehandlung braucht es auch bei der Ausbildung. Sie haben gesagt, Sie ha­ben bei der Ausbildung eine Gleichstellung mit der Polizeiausbildung angestrebt. Ja, das haben wir auch immer eingefordert. Ich habe mir das jetzt angesehen: Sie stellen ein Praktikumsgeld oder ein monatliches Entgelt von 600 Euro und für Berufsumsteigerin­nen und -umsteiger ein Pflegestipendium von 1 400 Euro in Aussicht. Das sind ja Men­schen, die schon mitten im Leben stehen, die Familie und Wohnung erhalten müssen, die einfach schon Lebenshaltungskosten haben.

Ich habe mir den Vergleich mit Exekutivbediensteten angesehen. Auf der Homepage des Innenministeriums unter polizeikarriere.gv.at kann man sich das genau vor Augen führen. Dort werden im ersten Ausbildungsjahr 1 820 Euro brutto und schon im zweiten Ausbildungsjahr mit Praxisanteilen 2 440 Euro brutto geboten. Von einer Gleichbehand­lung sind wir also schon noch ziemlich weit entfernt. Hier zeigt sich schon auch noch immer dieser Genderpaygap, der sich dann im Genderpensiongap fortsetzt.

Wenn man sich nach der Ursache für solche Ungleichbehandlungen fragt, dann kommt man drauf: Es sind einfach diese grundlegenden Einstufungen, die wir ändern müssen. Das meinen wir auch, wenn wir jetzt als SPÖ-Frauen, als Gewerkschafterinnen von einer Neubewertung von Arbeit sprechen, denn da muss man über die Branchengrenzen schauen und einfach eine Gleichstellung eben auch schon bei der Ausbildung anstreben, weil es sich dann ja weiter fortsetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Darum würde ich dringend ersuchen und auch darum, dass die Ausbildungszeiten wie in vielen anderen Berufen pensionsbegründend und pensionserhöhend als Versiche­rungszeiten anerkannt werden, denn sonst haben wir auch wieder eine Ungleichbehand­lung, die die Menschen davon abhält, in diese Berufe zu gehen.

Es sind heute schon positive Länderbeispiele genannt worden: von Kollegen Kovacs aus dem Burgenland; Kollegin Steiner-Wieser hat dankenswerterweise die Steiermark mit der Pflegedrehscheibe hervorgehoben. Es ist ein parteiübergreifender Schulterschluss gelungen, um die Pflegestruktur in der Steiermark auf neue Beine zu stellen. Das heißt, die Länder haben einfach zur Selbsthilfe gegriffen, haben aufgrund der Untätigkeit des Bundes zur Selbsthilfe greifen müssen. Es bietet sich aber natürlich jetzt für den Bund an, auf diese positiven Länderbeispiele zurückzugreifen, das Beste von allen herauszu­nehmen und zu einem guten Bundesmodell zusammenzufügen. Das würde ich allen bundespolitisch Verantwortlichen auch ans Herz legen. (Bundesrätin Schumann: Auch den Ländern!)

Wenn Sie bei der Beantwortung der Frage nach der kassenärztlichen Versorgung auch ein bisschen geschwommen sind, so möchte ich Ihnen aber schon zugutehalten, Herr Minister, dass Sie hier in selbstkritischer Weise Säumnis eingestanden haben, was die Implementierung der Primärversorgungseinrichtungen angeht. Ja, da ist große Säumnis zu beklagen, zulasten der ländlichen Bevölkerung, aber nicht nur dieser, denn die Pro­blematik, nicht ausreichend Kassenstellen zur Verfügung zu haben, hat sich mittlerweile schon auf die Städte ausgedehnt. Das ist also ein österreichweites Problem, das drin­gendst angegangen gehört, denn das kann so einfach nicht hingenommen werden. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Da ist anzusetzen, denn die Letzte, die sich dieses Themas angenommen hat, war da­mals Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (Zwischenruf bei der ÖVP), die eben dieses Projekt, dieses System auf Schiene gebracht hat. Es ist dann aber stehengeblie­ben, es ist von den Nachfolgern und Nachfolgerinnen nicht daran weitergearbeitet wor­den. Da muss aber dringendst etwas getan werden, denn sonst schwimmt unser bisher wirklich gut entwickeltes Gesundheitssystem einfach den Bach hinunter und wir können die Gesundheitsversorgung in Österreich nicht mehr gewährleisten.

Da ist also akuter Handlungsbedarf gegeben – bei der Pflege sowieso. Das kostet Geld. Die Pflege kostet Geld, und die Pflege ist mittlerweile eines der größten Armutsrisken in Österreich. Selbst wenn der Regress bei der Heimversorgung abgeschafft wurde, so ist aber Pflege zu Hause ein Armutsrisiko. Wie gesagt, ich habe das im eigenen Familien­kreis erlebt, ich sehe das bei vielen Bekannten, und wir sehen das alle: Wenn man für Angehörige die beste Pflege gewährleisten möchte, muss man unglaublich viel aus der eigenen Tasche dazuzahlen. Wenn Menschen über Vermögen verfügen, dann geht das über das ganze Leben lang Ersparte drauf. Das ist, würde ich fast sagen, eine Art kalte Erbschaftssteuer, denn alles, was man sich das ganze Leben lang zusammengetragen hat, geht drauf, wenn man länger pflegebedürftig ist, oder die Familienangehörigen müs­sen einspringen. (Bundesrätin Schartel: Ist da ein Unterschied? Sonst seid ihr für die Erbschaftssteuer!)

Es wäre weit sozialer und gerechter, wirklich eine staatlich finanzierte Pflege zu organi­sieren. Woher das Geld holen? (Bundesrat Preineder: Von der Erbschaftssteuer!) – Ge­nau! Es wäre gerechter, für hohe Erbschaften, hohe Vermögen Beiträge zu verlangen, damit die Pflege für alle gewährleistet werden kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.44

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses.