16.05
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Sie haben zwei Beschlüsse des Nationalrates – zum Energielenkungsgesetz und zum Gaswirtschaftsgesetz – vor sich, bei denen es insgesamt darum geht, die österreichische Bevölkerung und die Wirtschaft vor den Auswirkungen eines möglichen Lieferstopps aus Russland zu schützen. Dieser Lieferstopp kann in einer Kriegssituation mit einem Despoten am anderen Ende des Gashahns, der Gas und Energie als Waffe einsetzt, einfach nicht ausgeschlossen werden. Deswegen bereiten wir uns mit einer Vielzahl von Maßnahmen darauf vor, und dazu gehören diese beiden gegenständlichen Novellen.
Worum geht es? – Beim Energielenkungsgesetz – Bundesrat Gross hat es erwähnt – geht es darum, Großabnehmer von Erdgas, und das sind in der Regel große Industriebetriebe, in die Lage zu versetzen, selbst für den Fall einer Lieferunterbrechung oder einer Störung vorzusorgen und entsprechend Gas einzuspeichern. Nur brauchen sie für diesen Fall – und das stellen wir mit dieser Novelle sicher – auch die Sicherheit, dass sie von mengenbezogenen Lenkungsmaßnahmen ausgenommen werden, also, solange es möglich ist, geschützt werden, um eben auch unternehmerisch verantwortlich agieren zu können.
Das heißt übersetzt: Wenn Industrieunternehmen selber Gas beschaffen und einspeichern, dann sollen sie sich auch möglichst lange auf dieses geschützte Gas verlassen können. Die Industrie wird mit dieser Änderung mehr Sicherheit bei der Einspeicherung erhalten, und das ist wichtig. Wir sehen auch ein großes Interesse daran. Das ist ein großer Beitrag dazu, unsere Gasspeicher stärker zu füllen und bis zum Herbst und dem Beginn der Heizsaison genau das zu erreichen, was wir uns als Bundesregierung vorgenommen haben, nämlich 80 Prozent Speicherfüllstand.
Die zweite wesentliche Änderung im Energielenkungsgesetz betrifft den Ersatz von Vermögensnachteilen im Fall einer Energielenkung. Bislang hat man das anscheinend nicht bedacht gehabt, es war nur für feste und flüssige Energieträger eine Entschädigung vorgesehen. Jetzt soll die Entschädigungsregelung auch auf Elektrizität und Erdgas ausgeweitet werden. – So viel zum Energielenkungsgesetz.
Im Gaswirtschaftsgesetz schaffen wir noch eine weitere Möglichkeit, die Speicherstände zu erhöhen, nämlich durch die physische Beschaffung von zusätzlicher Ausgleichsenergie. Wie funktioniert das also? – Der Staat kann über den sogenannten Bilanzgruppenkoordinator die Energieversorger mit der Vorhaltung und Speicherung von Ausgleichsenergie beauftragen, und diskriminierungsfrei – sorry to say – erklärt sich aus europäischem Vergaberecht und einer offenen Ausschreibung. Also ich wüsste nicht, was ich dazu noch mehr erklären könnte, aber es ist eine vergaberechtlich offene Ausschreibung.
Gasunternehmen bekommen eine Abgeltung für die Vorhaltung. Wenn man diese Leistung ausschreibt, bekommen die Gasunternehmen also eine Abgeltung für die Vorhaltung, können das Gas aber, wenn es durch den Bilanzgruppenkoordinator nicht abgerufen wird, auch selbst verwenden. Wir orientieren uns bei dieser Vorgehensweise an Deutschland, an dem deutschen Modell. Diese Versorgungsversicherung – und als das muss man es sehen, sie wird im Gaswirtschaftsgesetz einmal als Marketmaker bezeichnet – ist eine effiziente Maßnahme, ist eine marktbasierte Maßnahme, um im Notfall rasch zusätzliche Gasmengen bereitstellen zu können. Auch sie leistet einen Beitrag, um die Speicher bis zum Winterbeginn auf 80 Prozent zu füllen. Kommt es also in dem Fall zu einem Engpass, dann hat der Staat durch diese Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, Zugriff auf umfangreiche Gasreserven. Wird das Gas nicht benötigt, dann fallen nur geringe Kosten an.
Für beide Novellen gab es im Nationalrat einhellige Zustimmung. Insgesamt erhöhen diese Maßnahmen die Versorgungssicherheit in Österreich. Deswegen darf ich auch hier um breite Zustimmung zu diesen Maßnahmen bitten.
Die Bundesregierung hat gemeinsam mit der E-Control natürlich umfangreiche Notfallpläne für den Fall eines abrupten Stopps entwickelt. Klar ist aber auch, dass ein solches Szenario massive Einschnitte für die Wirtschaft, für das Leben in unserem Land bedeuten würde. Klar ist deswegen auch, dass die gesamte Bundesregierung daran arbeitet, dass dieses Szenario nicht eintritt.
Umso wichtiger ist es deswegen aber, in einer Krisensituation unsere zentralen Puffer, und das sind die Speicher, die im europäischen Vergleich sehr groß sind, auch tatsächlich zu füllen. Das funktioniert derzeit. Wir sehen, die Maßnahmen, die wir schon gesetzt haben oder die jetzt diesbezüglich in der Umsetzung sind, zeigen Wirkung und werden Wirkung zeigen. Wir haben derzeit 31 Terawattstunden in den Speichern, das ist ein Drittel des österreichischen Jahresverbrauchs. Wir stehen damit an Stelle zwei der Europäischen Union, was die eingespeicherten Mengen im Vergleich zum Jahresverbrauch an Gas betrifft. Unser Ziel ist, dass wir da wirklich bestmöglich absichern, denn das ist der Puffer, den wir in einer Krisensituation brauchen.
Was aber gleichzeitig umso wichtiger ist (in Richtung Vizepräsident Novak) – das war auch Ihre Frage, Herr Vorsitzender, auf die ich noch eingehen möchte –: Auch wenn derzeit die Gasflüsse stabil sind, auch aus Russland stabil sind, auch wenn derzeit unsere Speicher gefüllt werden, und zwar teilweise am technischen Maximum, auch wenn wir viele, viele Maßnahmen – auch das ist schon erwähnt worden – bezüglich Haidach und anderen Speichern setzen, brauchen wir eines ganz klar, und das ist, aus dieser grundsätzlichen Abhängigkeit rauszukommen. Denn nur wenn wir aus dieser Abhängigkeit rauskommen, in die wir uns in Österreich über Jahrzehnte bewusst begeben haben – man kann es nur so ausdrücken –, hat das Zittern ein Ende. Dann ist die Gasversorgung nicht mehr von einem Mann im Kreml abhängig, sondern dann stellen wir uns auf eigene Füße, auf unabhängigere Füße, auf diversere Füße.
Deswegen haben wir einen Ausstiegsplan aus russischem Erdgas vorgelegt, kohärent mit dem Ziel der Europäischen Union, das bis 2027 zu schaffen, der auf drei Säulen beruht: Diversifizierung bei den Lieferländern, Erneuerbarenausbau, Gasverbrauch reduzieren.
Bei der Frage Diversifizierung – die haben Sie ja angesprochen – schaffen wir mit dem Beschluss, die strategische Gasreserve auf 20 Terawattstunden zu erhöhen und dabei explizit nicht russisches Erdgas einzukaufen, auch in Österreich Nachfrage für nicht russisches Erdgas. Allein mit dieser Maßnahme reduzieren wir in diesem Jahr die Abhängigkeit von Russland um 10 Prozent. Genau so werden wir das Terawatt- für Terawattstunde machen, um diese Abhängigkeit zu reduzieren und uns aus dieser schmerzlichen, uns erpressbar machenden Abhängigkeit von Russland zu befreien.
Die beiden Beschlüsse, die hier am Tisch liegen, sind eine Vorsorge, eine Versorgungssicherheit, eine Versicherungspolizze. Ich darf Sie um Ihre breite Zustimmung ersuchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)
16.13
Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.
Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.